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Leo Trotzki 19371203 Brief an die New York Times

Leo Trotzki: Brief an die New York Times

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 898 f., dort mit mehreren Fußnoten.]

Sehr geehrter Herr!

In Ihrer Ausgabe vom 28. November haben Sie den Artikel von Herrn Nathaniel Peffer: »Ist China geschlagen, oder hat der Krieg erst begonnen?« veröffentlicht. Der Autor, gut vertraut mit der Lage im Fernen Osten, gibt eine hervorragende Analyse der allgemeinen Situation. Seine Schlussfolgerung: Japan kann eine lange Serie von Teilsiegen erringen, aber es kann den Krieg nicht gewinnen. Auf der Seite Chinas stehen: der Raum, die Zeit, die Menschenmassen, der Charakter des Kriegs als nationaler Befreiungskrieg. Der Autor hat völlig recht, wenn er davon spricht, dass Japan gegenüber einem massenhaften Partisanenkrieg seitens Chinas letzten Endes machtlos ist; es wird, so fügen wir hinzu, nicht nur einen finanziellen und ökonomischen, sondern auch einen sozialen Zusammenbruch erleiden. Leider fehlt in diesem Bild ein wichtiges politisches Element, nämlich die Wechselbeziehung zwischen Regierung und Volk in China. Um den Krieg in einen nationalen umzuwandeln, d. h. die Initiative und Opferbereitschaft von Millionen chinesischer Arbeiter und Bauern zu mobilisieren und zu lenken, ist es erforderlich, dass die Regierung dem Volk vertraut oder dass sie zumindest die eigenen bewaffneten Arbeiter und Bauern weniger fürchtet als die japanischen Unterdrücker. Ist diese Bedingung erfüllt? Daran muss man leider zweifeln.

Der Autor erwähnt auch einen weiteren wichtigen Faktor nicht, nämlich die Politik der sowjetischen Regierung. Moskau hat Spanien Waffen geliefert und im Gegenzug die Unterdrückung der Initiative und Selbsttätigkeit der Massenorganisationen verlangt. Die Resultate sind bekannt: Franco hat nicht gesiegt, aber Stalin-Negrin haben eine Niederlage erlitten. Es besteht aller Grund zu der Befürchtung, dass Moskau jetzt die gleiche Politik in China anwendet. Deshalb muss man die Schlussfolgerungen Ihres Mitarbeiters wesentlich einschränken: Der Mikado geht einer entsetzlichen Katastrophe entgegen, wenn ihn Tschiang Kaischek und Stalin nicht noch retten.

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