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Leo Trotzki 19390318 Brief an Jan Frankel

Leo Trotzki: Brief an Jan Frankel

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 936 f., dort mit Fußnoten]

Der Vorschlag des Genossen F[rank Glass] erscheint mir korrekt für den Fall, dass Genosse C[hen Duxiu] keine Möglichkeit hat, mit offizieller Erlaubnis der Regierung aus seinem Land auszureisen. »Freundlicher« Druck auf die chinesischen Behörden könnte möglicherweise die gewünschte Wirkung haben; misslingt dies jedoch, so würde die Regierung die Überwachung verschärfen, und das würde seine Aussichten, China zu verlassen, schmälern. Deshalb schlage ich vor, gleichzeitig Vorbereitungen in zwei Richtungen zu treffen, das heißt:

1. in New York sofort eine nichtöffentliche Kommission einzurichten, die untersuchen soll, welche Möglichkeiten es für C. gibt, ohne Einschaltung der Regierung schleunigst aus China abzureisen, und die sofort Geld für diesen Zweck sammelt usw. 2. gleichzeitig eine Kampagne von Liberalen, Radikalen und prominenten Persönlichkeiten unserer eigenen Bewegung zu beginnen, die die chinesischen Behörden »freundlich« unter Druck setzt.

Zum Beispiel könnten einige bekannte mexikanische Intellektuelle (Diego Rivera, Juan O'Gorman und andere) den hiesigen chinesischen Botschafter aufsuchen und ihm eine schriftliche Petition etwa folgenden Inhalts vorlegen:

»Wir, die Unterzeichneten, sind gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten aufrichtige und engagierte Freunde Chinas in seinem Befreiungskampf gegen den japanischen Imperialismus. Wir nehmen persönlichen Anteil am Schicksal C.s, der uns als ehrenhafter Mann und als aufrichtiger Patriot bekannt ist.

Wir gehören nicht zum stalinistischen Lager. Andererseits verstehen wir die Gründe für die Zusammenarbeit zwischen der chinesischen Regierung und Moskau. Diese Zusammenarbeit bringt C. in eine sehr schwierige Lage, in der er noch nicht einmal öffentlich für China eintreten kann. Von dieser Lage haben wir durch einen vertrauenswürdigen ausländischen Korrespondenten erfahren, der ein aufrichtiger Freund Chinas ist.

Wir erlauben uns, die chinesischen Behörden nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass Herr C, wenn er ins Ausland geht, von großem Nutzen für eine internationale Kampagne linker Kräfte, insbesondere der Arbeiter, gegen die Unterdrückung durch den japanischen Imperialismus sein kann. Die militärische Lage im Fernen Osten spricht dafür, dass dieser große Kampf langwierig sein und Höhen und Tiefen haben wird. Eine systematische und energische Mobilisierung der Weltöffentlichkeit ist geboten. Die unabhängige Linke kann in einer solchen Kampagne eine höchst wertvolle Rolle für das chinesische Volk spielen. Die offiziellen kommunistischen Parteien sind bekanntermaßen Werkzeuge Moskaus. Ihr Einfluss ist daher begrenzt. Herr C. dagegen hat den Ruf eines unabhängigen chinesischen Revolutionärs. Mit seinem Wissen und seiner Unterstützung könnten wir sicherlich einen wichtigen Beitrag zu einer solchen internationalen Kampagne leisten.

Wir möchten nicht verschweigen, dass uns ein anderer Gedanke beunruhigt. In verschiedenen Ländern versucht die Moskauer GPU all jene Kräfte der Linken auszurotten, die den Methoden des Kreml kritisch gegenüberstehen. Aus zuverlässigen Quellen wissen wir, dass Herr C. auf der schwarzen Liste der GPU steht. Er könnte unter irgendeinem Vorwand auf chinesischem Territorium ermordet werden, und die GPU würde dann versuchen, die chinesischen Behörden für dieses Verbrechen verantwortlich zu machen. Wir sind überzeugt, dass Herr C. in den Vereinigten Staaten vor einem möglichen Anschlag der GPU auf sein Leben besser geschützt werden kann.

Herr Botschafter, aus diesen Gründen sehen wir uns, geleitet von aufrichtiger Sympathie für Ihr Volk und seinen heroischen Kampf gegen die imperialistische Invasion, dazu veranlasst, in dieser Angelegenheit tätig zu werden.«

Ein entsprechender, nicht unbedingt gleichlautender Brief sollte in den Vereinigten Staaten aufgesetzt und von geeigneten Persönlichkeiten unterzeichnet werden – und ebenso in England und Frankreich.

Ein Dokument dieser Art wäre eine Warnung an die chinesischen Behörden, wenn auch bei weitem keine absolute Garantie für C.s Leben. Auf C.s Lage in China kann sich ein solches Dokument nicht nachteilig auswirken, zumal dann, wenn keine Zeit verloren wird und Vorkehrungen für die andere Variante getroffen werden.

Mit kameradschaftlichem Gruß

V. T. O'Brien

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