Leo
Trotzki: Die Kommunistische Partei Chinas und die Guomindang
[Nach
Schriften 2.1, Hamburg 1990, S. 103-112, dort mit umfangreichen
Fußnoten]
Fakten
und Dokumente aus dem politischen Leben Chinas in jüngster Zeit
geben eine eindeutige Antwort auf die Frage nach den weiteren
Beziehungen zwischen der KP und der Guomindang. Bereits 1925 ist der
revolutionäre Kampf in China in eine neue Phase eingetreten, die vor
allem durch das aktive Eingreifen breiter proletarischer Massen,
durch Streiks und den Aufbau von Gewerkschaften gekennzeichnet ist.
Zweifellos werden in steigendem Maße auch die Bauern in die Bewegung
einbezogen. Gleichzeitig aber spalten sich die Handelsbourgeoisie und
die mit ihr verbundenen Elemente der Intelligenz nach rechts ab und
nehmen eine feindselige Haltung gegenüber den Streiks, den
Kommunisten und der UdSSR ein.
Es
ist ganz klar, dass sich angesichts dieser fundamentalen Tatsachen
die Frage einer Überprüfung der Beziehungen zwischen KP und
Guomindang ergeben muss. Der Versuch, diese Überprüfung mit dem
Hinweis darauf abzuwenden, dass die nationale Unterdrückung und das
koloniale Joch in China angeblich die ständige Mitarbeit der KP in
der Guomindang verlange, hält keiner Kritik stand. Einst haben die
europäischen Opportunisten von uns verlangt, wir, die damaligen
Sozialdemokraten, sollten nicht nur mit den Sozialrevolutionären,
sondern auch mit den »Oswoboschdenzy« in ein und derselben
Organisation bleiben, und begründeten das damit, dass wir alle gegen
den Zarismus kämpften. Andererseits wird jedoch noch nicht einmal in
Bezug auf Britisch- oder Holländisch-Indien die Frage nach dem
Beitritt der KP zu den nationalrevolutionären Organisationen
erhoben.
Was China betrifft, so ist das Problem der Beziehungen zwischen KP
und Guomindang in den verschiedenen Perioden der revolutionären
Bewegung jeweils unterschiedlich zu lösen. Kriterium für uns ist
nicht das konstante Faktum der nationalen Unterjochung, sondern der
sich wandelnde Verlauf des Klassenkampfes sowohl innerhalb der
chinesischen Gesellschaft als auch dort, wo die chinesischen Klassen
und Parteien mit dem ausländischen Imperialismus zusammenstoßen.
Der
Linkstrend der chinesischen Arbeitermassen steht genauso eindeutig
fest wie der Rechtsruck der chinesischen Bourgeoisie. Weil die
Guomindang auf dem politischen und organisatorischen Bündnis der
Bourgeoisie mit den Arbeitern beruht, muss sie jetzt von den
zentrifugalen Tendenzen des Klassenkampfes zerrissen werden.
Politische Beschwörungen oder schlaue taktische Mittel gegen diese
Tendenzen gibt es nicht und kann es auch gar nicht geben.
Die
Mitarbeit der KP in der Guomindang war so lange vollkommen richtig,
wie die KP eine Propagandagesellschaft war, die sich auf ihre
künftigen selbständigen
politischen
Aktivitäten erst vorbereitete, zugleich aber am laufenden nationalen
Befreiungskampf teilnehmen wollte. In den letzten zwei Jahren kam es
zu einer machtvollen Streikbewegung bei den chinesischen Arbeitern.
Laut Rechenschaftsbericht der KP erfassten die Gewerkschaften in
dieser Zeit 1.200.000 Arbeiter. Allerdings sind Übertreibungen in
solchen Fragen unvermeidlich. Außerdem wissen wir, wie instabil
junge Gewerkschaftsorganisationen in Zeiten ständiger Zu- und
Abgänge sind. Doch lässt sich die Tatsache des machtvollen
Erwachens des chinesischen Proletariats, seines Strebens, zu kämpfen
und sich als selbständige Klasse zu organisieren, nicht bestreiten.
Damit
steht die KP jetzt vor der Aufgabe, von jener Vorstufe, auf der sie
sich befunden hat, auf eine höhere Stufe überzugehen. Als nächste
politische Aufgabe muss sie jetzt um die direkte selbständige
Führung der erwachenden Arbeiterklasse kämpfen, und zwar nicht
etwa, um sie aus dem nationalrevolutionären Kampf herauszuführen,
sondern um ihr die Rolle sowohl des entschiedensten Kämpfers als
auch des politischen Führers (Hegemonen) im Kampf der chinesischen
Volksmassen zu sichern.
Die
Befürworter eines weiteren Verbleibs der KP in der Guomindang sagen:
»In der Guomindang überwiegt das Kleinbürgertum. Das ermöglicht
es uns auf längere Sicht, auf der Grundlage unserer eigenen Politik
in dieser Partei mitzuarbeiten.« Dieses Argument ist im Kern
unhaltbar. Das Kleinbürgertum, wie zahlreich es auch sein mag, kann
nicht die Grundlinien der revolutionären Politik bestimmen. Die
Verschärfung der Klassengegensätze durch den politischen Kampf, die
schroffen Gegensätze zwischen Bourgeoisie und Proletariat bedeuten,
dass beide um Einfluss auf das Kleinbürgertum kämpfen und dass das
Kleinbürgertum hin und her schwankt zwischen den Kaufleuten
einerseits und den Arbeitern und Kommunisten andererseits. Der
Glaube, man könne das Kleinbürgertum innerhalb der Guomindang
allein mit schlauen Manövern oder guten Ratschlägen gewinnen, ist
eine hoffnungslose Utopie. Die KP kann um so besser direkten und
indirekten Einfluss auf die kleinbürgerlichen Elemente in der Stadt
und auf dem Land ausüben, je stärker sie selbst ist, d.h. je mehr
sie die chinesische Arbeiterklasse gewinnt. Doch das ist nur auf der
Basis einer selbständigen Klassenpartei und einer Klassenpolitik
möglich.
Wir
haben das oben angeführte Argument zugunsten eines weiteren
Verbleibs der KP in der Guomindang der Resolution des ZK-Plenums der
chinesischen KP vom 14. Juli 1926 entnommen. Diese Resolution wie
auch andere Dokumente des Plenums zeugen von der extremen
Widersprüchlichkeit der Politik der chinesischen KP und den daraus
sich ergebenden Gefahren. Die Dokumente des Juliplenums des
chinesischen ZK machen durchweg deutlich, dass »im vergangenen Jahr
beide Pole – Bourgeoisie und Proletariat – sich ihrer
gesellschaftlichen Lage und ihrer Interessen deutlicher bewusst
geworden sind« (aus derselben Resolution). Die Resolutionen,
Dokumente und Berichte konstatieren zunächst das Anwachsen der
Guomindang-Rechten, dann den Rechtsruck des Guomindang-Zentrums,
weiter das Schwanken und die Spaltung in der Guomindang-Linken, und
all das verbunden mit Druck auf die Kommunisten. Die letzteren geben
innerhalb der Guomindang eine Position nach der anderen auf. Ihre
Zugeständnisse sind, wie wir noch sehen werden, sowohl
organisatorischer als auch prinzipieller Natur. So sind sie damit
einverstanden, dass die Kommunisten in den führenden Organen der
Guomindang zahlenmäßig nicht mehr als ein Drittel ausmachen. Sie
sind sogar damit einverstanden, einer Deklaration zuzustimmen, in der
die Lehre von Sun Yatsen für unantastbar erklärt wird. Doch wie das
immer ist – jedes weitere Zugeständnis führt nur zu neuem Druck
der Guomindang auf die Kommunisten. Wie schon gesagt: all diese
Prozesse sind wegen der wachsenden Klassengegensätze unvermeidlich.
Und doch hat das Plenum des ZK die Ansicht jener chinesischen
Kommunisten verworfen, die den Austritt aus der Guomindang
vorschlagen. In der Resolution heißt es:
»Vollkommen
falsch und die Perspektiven des Befreiungskampfes, wie er sich in
China entwickelt, verzerrend ist die Ansicht einiger Genossen, die
glauben, die KP könne jetzt allein, nach einem organisatorischen
Bruch mit der Guomindang, d. h. nach der Zerstörung des Bündnisses
mit dem städtischen Handels- und Handwerker-Bürgertum, der
revolutionären Intelligenz und zum Teil mit der Regierung das
Proletariat und danach auch die anderen unterdrückten Massen zur
Vollendung der bürgerlich-demokratischen Revolution führen.«
Diese
Argumentation scheint uns jedoch vollkommen unhaltbar. Ob die
chinesische KP in Zukunft
in
der Lage sein wird, als selbständige und entscheidende Kraft das
Proletariat und die Bauern zur Befreiung und Einigung des Landes zu
führen, das kann zur Zeit noch niemand vorhersagen. Der weitere
Verlauf des revolutionären Kampfes in China hängt von viel zu
vielen internen und internationalen Faktoren ab. Ebenso gut kann es
geschehen, dass der Kampf der KP um Einfluss auf das Proletariat und
für seine Hegemonie in der nationalrevolutionären Bewegung in
nächster Zeit nicht zum Sieg führt. Doch ist das keineswegs ein
Argument gegen eine selbständige Klassenpolitik, die ohne
selbständige Klassenorganisation undenkbar ist. Letztlich stimmt es
nicht, dass der Austritt aus der Guomindang den Bruch des Bündnisses
mit dem Kleinbürgertum bedeutet. In Wahrheit ist jenes formlose
Bündnis von Proletariat und kleinbürgerlichen, kaufmännischen und
anderen Elementen, das die Guomindang repräsentiert, schon jetzt
nicht mehr möglich. Die Klassendifferenzierung hat sich auf das
Gebiet der Politik verlagert. Von nun an kann ein Bündnis zwischen
Proletariat und Kleinbürgertum nur auf bestimmten, klar umrissenen
Abkommen beruhen. Die organisatorische Abgrenzung, wie sie sich
notwendig aus den Klassengegensätzen ergibt, schließt jedoch einen
politischen Block mit der Guomindang insgesamt oder mit ihren
einzelnen Bestandteilen in der gesamten Republik oder in einzelnen
Provinzen, je nach Umständen, nicht aus, sondern setzt ihn unter den
gegebenen Bedingungen sogar voraus. Vor allem aber muss die Partei
sich unbedingt ihre vollständige organisatorische Selbständigkeit
und die Klarheit ihres politischen Programms und ihrer Taktik im
Kampf um Einfluss auf die erwachenden proletarischen Massen sichern.
Nur so kann ernsthaft davon gesprochen werden, auch die breiten
bäuerlichen Massen Chinas in den Kampf einzubeziehen.
Welche
Richtung das Denken in der chinesischen KP nimmt, wird besonders
deutlich, wenn wir die treffendsten Stellen aus der vom Juliplenum
des ZK herausgegebenen Deklaration der KP Chinas anführen (vom 12.
Juli 1926):
»Die
dringendste Forderung des chinesischen Volkes ist die Befreiung von
allen diesen Leiden. Das ist kein Bolschewismus. Vielleicht könnte
man sagen, es sei Bolschewismus um der Rettung unseres Volkes willen,
aber nicht Bolschewismus um des Kommunismus willen.«
Weiter
heißt es in dem Manifest:
»Sie
(die Bourgeoisie) kann nicht verstehen, dass dieses Minimum an
Klassenkampf, das sich in den Arbeiterorganisationen und in den
Streiks zeigt, die Kampfbereitschaft der antiimperialistischen oder
antimilitaristischen Kräfte keineswegs verringert. Außerdem
versteht sie nicht, dass das Wohlergehen der chinesischen Bourgeoisie
vom Erfolg ihres gemeinsamen Kampfes mit dem Proletariat gegen die
Imperialisten und die Militärmachthaber abhängt, und nicht von
einer Fortsetzung des Klassenkampfes durch das Proletariat.«
Zweck
des Kampfes ist »die Einberufung einer Konferenz des ganzen Volkes«.
Das ist die Aufgabe »der Guomindang als der Partei mit der Mission,
eine nationale Revolution zu machen«. Auf den Einwand, die
Militärmachthaber ließen es nicht zu, eine wirklich vom ganzen Volk
getragene Nationalversammlung einzuberufen, antwortet das Manifest
mit allgemeinen Phrasen von der Kontrolle durch die Parteien und von
der Einheit aller Klassen. Die Forderung nach Koalitionsfreiheit und
nach Versammlungsfreiheit usw. ist in den 23 Punkten der Plattform
erst auf Platz 12 aufgeführt. Im abschließenden Teil der
Deklaration heißt es:
»Sie
(die Militärmachthaber) behaupten, unsere Plattform sei
revolutionär. Mag sein, doch sie entspricht den dringendsten
Lebensinteressen und Bedürfnissen aller Schichten des Volkes. Die
kämpferische Einheitsfront aller Bevölkerungsklassen muss auf einer
gemeinsamen Plattform basieren. Wer am Kampf teilnimmt, muss diese
Forderungen standhaft verteidigen. Er muss für die allgemeinen
Interessen kämpfen und nicht egoistisch die Interessen der eigenen
Klasse verteidigen...«
Die
Deklaration ist von Anfang bis Ende von dem Bestreben durchdrungen,
die Bourgeoisie zu überzeugen, und nicht, das Proletariat zu
gewinnen. Eine solche Einstellung ist die Voraussetzung für die
unvermeidlichen Rückzieher vor den rechten, zentristischen und
quasi-linken Führern der Guomindang. Die politische Linie, wie sie
in dieser Deklaration ausgedrückt wird, hat in Wahrheit mit
Marxismus nichts gemein. Das ist Sunyatsenismus, leicht eingefärbt
mit marxistischer Terminologie.
Unter
diesen Bedingungen ist es nicht mehr erstaunlich, dass Kommunisten es
für möglich hielten, die folgende Verordnung des ZK der Guomindang
anzunehmen, die auf Vorschlag von Tschiang Kaischek verkündet worden
ist:
»Die
Guomindang muss jedem Mitglied einer anderen Partei (d. h. der KP),
das in die Guomindang eintritt, zu verstehen geben, dass der
Sunyatsenismus, wie ihn Sun Yatsen geschaffen hat, die Basis der
Guomindang ist, und dass es in Bezug auf Sun Yatsen und den
Sunyatsenismus keinerlei Zweifel oder Kritik geben darf.«
Es
liegt auf der Hand, dass bei einer solchen Einstellung die Existenz
einer chinesischen KP ihren eigentlichen Sinn verliert.
Der
Sunyatsenismus, eine idealistische, kleinbürgerliche Doktrin der
nationalen Solidarität, konnte eine bedingt progressive Rolle
spielen, solange Kommunisten auf der Basis eines informellen
Bündnisses mit Studenten und progressiven Kaufleuten in einer
Organisation kooperieren konnten. Die Klassendifferenzierung
innerhalb der chinesischen Gesellschaft und innerhalb der Guomindang
ist nicht nur irreversibel, sondern äußerst progressiv. Sie zeigt
zudem, dass der Sunyatsenismus ganz der Vergangenheit angehört. Ein
Verzicht der KP auf jede Kritik an dieser Doktrin, die sich in immer
stärkerem Maße als eine Fessel der chinesischen Revolution erweisen
wird, wäre glatter Selbstmord. Doch die Verpflichtung dazu ergibt
sich aus der erzwungenen organisatorischen Lebensgemeinschaft
innerhalb ein und derselben politischen Organisation, in der sich die
Kommunisten freiwillig in die Lage einer Minderheit begeben, die
systematisch unterdrückt wird.
Der
Ausweg aus dieser höchst widersprüchlichen und völlig
unannehmbaren Lage liegt nicht dort, wo ihn das letzte Plenum der
chinesischen KP gesucht hat. Er besteht auch nicht darin, dass man
innerhalb der Guomindang die Linke zu »repräsentieren« sucht; noch
darin, dass man sie sanft und unbemerkt erzieht und anspornt; und
erst recht nicht darin, dass man »sich am Aufbau einer linken
Guomindang-Peripherie aus Organisationen des Kleinbürgertums
beteiligt«. Alle diese Rezepte und sogar ihre Formulierung erinnern
fatal an die alte menschewistische Küche. Der Ausweg aus dieser
Situation besteht darin, dass man sich organisatorisch abgrenzt, um
so die Voraussetzung für eine selbständige Politik zu schaffen, bei
der der Blick nicht in erster Linie auf die Guomindong-Linke
gerichtet ist, sondern auf die erwachenden Arbeiter. Nur dann ist ein
Block mit der Guomindang oder mit Teilen von ihr nicht auf Sand
gebaut. Je eher diese Wende in der Politik der chinesischen KP
vollzogen wird, desto besser für die chinesische Revolution.
Zwei
Schlussfolgerungen
1.
Oben haben wir Kritik an den jüngsten Beschlüssen des ZK der
chinesischen KP geübt. Aufgrund unserer Erfahrungen in der
Vergangenheit können wir damit rechnen, dass man versuchen wird,
diese Kritik als den Ausdruck unserer Feindschaft gegenüber der
chinesischen Bruderpartei darzustellen. Man wird möglicherweise den
einen oder anderen Satz herausreißen, um so zu beweisen, dass wir
die chinesische KP für einen »Hemmschuh« der revolutionären
Bewegung halten. Es lohnt sich nicht, vom Schaden zu sprechen, den
eine derart niveaulose »Kritik« anrichtet. Denn die Fakten sind
stärker als alle Lügen und Verleumdungen. Richtig eingeschätzte
und rechtzeitig vorausgesehene Tatsachen überzeugen selbst dann,
wenn die Verleumdungen in einer Vielzahl von Exemplaren verbreitet
worden sind. Unsere Kritik am Führungszentrum der chinesischen KP
ist von dem Bestreben diktiert, den proletarischen Revolutionären
Chinas dabei zu helfen, Fehler, die sich in anderen Ländern längst
als solche erwiesen haben, zu vermeiden. Die Verantwortung für die
Fehler des chinesischen ZK hat zunächst die Führungsgruppe unserer
eigenen Partei zu tragen. Der Verbleib in der Guomindang, dem die
ganze Entwicklung zuwiderläuft, ist als angeblich höchstes Gebot
des Leninismus von Moskau diktiert worden. Den chinesischen
Kommunisten
blieb nichts anderes übrig, als die politischen Konsequenzen zu
akzeptieren, die sich aus diesem organisatorischen Gebot ergaben.
2.
Die politische Linie drückt sich auch in der Organisationsform aus.
Das ist auch der Grund, weshalb in organisatorischen Fragen
Opportunismus durchaus möglich ist, wie uns Lenin gelehrt hat.
Dieser Opportunismus kann sich je nach Umständen unterschiedlich
ausprägen. Eine Form des organisatorischen Opportunismus ist die
Nachtrabpolitik,
d.
h. das Bestreben, an Organisationsformen und -verhältnissen
festzuhalten,
die sich selbst überlebt und sich daher in ihr Gegenteil verwandelt
haben. Organisatorische Nachtrabpolitik konnten wir in letzter Zeit
an zwei Beispielen beobachten: a) im Zusammenhang mit dem
Anglo-Russischen Komitee; b) in der Frage der Beziehungen zwischen KP
und GMD. Im einen wie im anderen Fall klammert sich die
Nachtrabpolitik an Organisationsformen, die vom Gang des
Klassenkampfes bereits verworfen worden sind. Und im einen wie im
anderen Falle hilft diese überlebte Organisationsform den rechten
Elementen und bindet den linken Hände und Füße. Aus diesen beiden
Beispielen muss man lernen.
[Nachtrag
vom 30. September 1926]
Von
Seiten der Komintern-Führung in China hat sich bereits, wenn auch
äußerst vorsichtig, eine warnende Stimme in Bezug auf das
Verhältnis von KP und Guomindang erhoben. So heißt es in dem
Bericht über die Taktik der KP gegenüber der Guomindang, der nach
dem Maiplenum des ZK
der
Guomindang eingegangen ist: »Wenn wir diese Beschlüsse
verwirklichen (die Beschlüsse nämlich, die unsere organisatorische
Bindung an die Guomindang definieren), dann müssen wir sie etwas
weiter auslegen, d.h. zwar formal
in der Guomindang bleiben, in Wirklichkeit aber möglichst eine
Arbeitsteilung einführen, indem wir unsere organisatorische Bindung
an die Guomindang als eine Form der Zusammenarbeit von zwei Parteien
hinstellen und damit von der Form einer innerlich verschmolzenen
Zusammenarbeit allmählich zu der von Bündniskontakten zwischen zwei
Parteien übergehen.« So hat man also aus China den Vorschlag
gemacht, ohne formale Änderung die Direktiven faktisch fallen zu
lassen und die Beziehungen zwischen KP und Guomindang auf die Bahnen
eines Bündnisses zweier selbständiger Parteien zu lenken. Doch
diesem vom Lauf der Dinge diktierten Vorschlag wurde die Zustimmung
verweigert, woraus sich dann die eindeutig falschen und ihrer Tendenz
nach äußerst widersprüchlichen und gefährlichen Beschlüsse des
Juliplenums des ZK der chinesischen KP ergaben.