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Leo Trotzki 19260830 Erster Brief an Radek

Leo Trotzki: Erster Brief an Radek

[Nach Schriften 2.1, Hamburg 1990, S. 99-101, dort mit zahlreichen Fußnoten]

Lieber Karl Berngardowitsch,

1. Ich schreibe Ihnen zur Frage der chinesischen Kommunistischen Partei in der Guomindang. Diese Frage verdient Aufmerksamkeit und ist genauer zu durchdenken. Mit dem, was Sie dazu geschrieben haben, bin ich vollkommen einverstanden. Es bedarf aber noch der Konkretisierung – für die uneingeweihten Leser, und das sind eigentlich alle. Es ist äußerst wichtig, die wesentlichen Daten zur Entwicklung der Guomindang und der Kommunistischen Partei systematisch zusammenzutragen (die Gebiete, in denen sie sich ausgebreitet haben, das Wachsen der Streikbewegung, die [Rolle der] GMD, der KP, der Gewerkschaften, die Konflikte innerhalb der GMD u.a.).

Sehr wichtig wäre meiner Ansicht nach ein Vergleich der Situation in China mit der in Indien. Warum schließt sich die indische Kommunistische Partei nicht einer nationalrevolutionären Organisation an? Wie steht es in dieser Hinsicht mit Holländisch-Indien? Tatsache ist, dass sich aus nationaler und selbst kolonialer Unterdrückung keineswegs zwingend ein Anschluss der Kommunistischen Partei an die nationalrevolutionären Organisationen ergibt. Entscheidend ist vielmehr die Klassendifferenzierung und deren Verflechtung mit der ausländischen Unterdrückung. Politisch stellt sich die Frage so: Ist die Kommunistische Partei auf längere Sicht dazu verurteilt, die Rolle eines Propagandazirkels zu spielen, der einzelne Gesinnungsgenossen (innerhalb der revolutionär-demokratischen Partei) wirbt, oder kann sie schon nach kürzerer Zeit ihren Anspruch auf die Führung der Arbeiterbewegung geltend machen? Auf China trifft zweifellos letzteres zu. Das muss aber nachgewiesen werden, vielleicht nur in den allgemeinsten Zügen, aber unter Hinzuziehung des notwendigsten Faktenmaterials. Vergessen Sie nicht, dass auf der Parteikonferenz Bucharin zu Fragen der internationalen Politik sprechen wird; dort wird zweifellos die Frage der Guomindang aufkommen.

2. Wie steht es um die Fragen und Antworten?

3. Haben Sie den Brief geschrieben?

4. Auf der Tagesordnung der Parteikonferenz steht auch die Gewerkschaftsfrage. Soweit ich weiß, verfolgen Sie Trud und die Gewerkschaftspresse. Angesichts der außerordentlichen Bedeutung dieser Frage ist es sehr wichtig, diese Arbeit auszuweiten und zu systematisieren.

Ich schreibe ein wenig, empfange Gäste, lasse mich mit Genossen, die auch in Kur sind, fotografieren und schieße Wachteln. Gleiches wünsche ich Ihnen.

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