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Leo Trotzki 19270528 Hankou und Moskau

Leo Trotzki: Hankou und Moskau

[Nach Schriften 2.1, Hamburg 1990, S. 276-278, dort mit erläuternden Fußnoten]

Was zur Zeit in Hankou vorgeht, können wir nur bruchstückhaft anhand der Depeschen beurteilen, die die TASS nicht zur Veröffentlichung freigibt.

Nach wie vor käut die linke Guomindang die Theorie von der Solidarität der Arbeiter und Bauern mit der Bourgeoisie in der »nationalen Revolution« wieder, weshalb sie die Arbeiter und Bauern dazu aufruft, gegenüber der Bourgeoisie Disziplin zu wahren.

Das ZK der KP (oder das ZK der Guomindang?) überredet die Gewerkschaften, sich mit »ihren eigenen Angelegenheiten« zu befassen und den Kampf gegen die Konterrevolution den Guomindang-Behörden zu überlassen.

Der Führer der KP, Chen Duxiu, überredet die Bauern, in der Bodenfrage den Sieg über den äußeren Feind abzuwarten.

Aus Moskau wird vor dem »vorzeitigen« Aufbau von Räten gewarnt.

Unterdessen übt der Imperialismus auf Tschiang Kaischek Druck aus, und Tschiang Kaischek seinerseits drückt mit Hilfe der Bourgeoisie von Hankou auf die linke Guomindang. Die linke Guomindang wiederum verlangt von den Arbeitern und Bauern Disziplin und Geduld.

Das ist das allgemeine Bild. Sein Sinn ist vollkommen klar.

Was unternimmt die Moskauer Führung in diesen Tagen? Wir wissen es nicht. Doch man wird kaum daran zweifeln können, dass unter dem Eindruck der jüngsten äußerst beunruhigenden Nachrichten aus Hankou Ratschläge etwa folgender Art von Moskau nach Hankou gehen: »Wenn möglich, die Agrarrevolution verstärken«, »Wenn möglich, größere Massen in der Guomindang organisieren« u.a. Die kommunistischen Minister geben diese Ratschläge an die Regierung und an das ZK der Guomindang weiter.

Die Arbeit der Kommunistischen Partei ist also zweigeteilt: Laut sagt sie den Arbeitern und Bauern, sie sollten abwarten; insgeheim jedoch flüstert sie der bürgerlichen Regierung ins Ohr, sie solle sich beeilen. Eine Revolution ist aber darum eine Revolution, weil die Massen nicht warten wollen. Und die bürgerlichen »Radikalen« sind deshalb bürgerliche »Radikale«, weil sie Angst haben, sich zu beeilen. Die Kommunistische Partei gar verliert, statt die Massen anzufeuern, sich das Land zu nehmen und Räte zu bilden, Zeit, indem sie beiden Seiten mit Hilfe fruchtloser Überredungskünste nach Martynows geheiligtem Rezept den Block der vier Klassen bzw. den Ersatz der Revolution durch Schiedskommissionen schmackhaft zu machen sucht.

Der Zusammenbruch dieser Politik ist absolut unvermeidlich. Wenn wir sie nicht auf der Stelle einschneidend und mutig ändern, dann wird dieser Zusammenbruch schon in allernächster Zukunft erfolgen. Dann wird man uns die zurückdatierten Schreiben mit den Ratschlägen aus Moskau zeigen: »Wenn möglich, die Agrarrevolution verstärken, wenn möglich, mehr Massen in der Guomindang organisieren.« Aber auch dann werden wir nur wiederholen, was wir schon jetzt sagen: Derartige Ratschläge sind leeres Geschwätz. Man kann nicht die Entwicklung der Revolution davon abhängig machen, ob die bürgerlich-feige Führung der Guomindang unsere wohlmeinenden Ratschläge akzeptiert oder nicht. Sie kann sie gar nicht annehmen. Die Agrarrevolution kann nicht mit Zustimmung von Wang Jingwei durchgeführt werden, sondern nur ohne Rücksicht auf ihn und im Kampf gegen ihn.

Deshalb besteht die erste Aufgabe darin, dass wir uns die Hände freimachen, dass die kommunistischen Minister aus der Nationalregierung austreten und dass die Massen dazu aufgerufen werden, sich unverzüglich das Land zu nehmen und Räte zu bilden.

Dazu bedarf es aber einer wirklich selbständigen kommunistischen Partei, die nicht versucht, die Oberschichten zu überreden, sondern die mutig die Führung der Massen übernimmt.

Einen anderen Weg gibt es nicht und kann es nicht geben.

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