Leo Trotzki 19370925 Der Kampf gegen den Krieg

Leo Trotzki: Der Kampf gegen den Krieg

Antworten auf Fragen von Roger Devlin

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 869-871, dort mit mehreren Fußnoten.]

Die sogenannten pazifistischen Organisationen, und dazu gehören auch die Arbeiterorganisationen, stellen keinerlei wirkliches Hindernis für den Krieg dar. Die zahlreichen pazifistischen Kongresse, wie sie vor allem die Komintern organisiert, sind reine Theaterveranstaltungen ohne jede Wirksamkeit: Wenn der Krieg ausbricht, werden sich all diese pazifistischen Führer, all diese gottgefälligen und humanitären Damen und Herren – wie bereits 1914-1918 bei ihrer jeweiligen Regierung einfinden, um sie im Krieg zu unterstützen.

Der einzige politische Faktor, der heute dem Ausbruch des Krieges entgegensteht, ist die Furcht der Regierungen vor der sozialen Revolution. Hitler selbst hat das mehrfach ausgesprochen. Man muss daraus die logische Konsequenz ziehen: Je revolutionärer die Arbeiterbewegung auftritt, je schärfer sie den herrschenden Klassen entgegentritt, desto mehr Steine werden ihnen bei der Absicht in den Weg gelegt, die Welt mit Waffengewalt neu aufzuteilen.

Dabei ist jedoch genau zwischen den imperialistischen Ländern und den rückständigen, kolonialen oder halbkolonialen Ländern zu unterscheiden.

Die Arbeiterorganisationen beider Lager können nicht die gleiche Haltung einnehmen, weder dem eigenen noch dem anderen Lager gegenüber. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der derzeitige Krieg zwischen China und Japan. Es ist absolut unbestreitbar, dass es sich auf japanischer Seite um einen Raubkrieg, auf chinesischer Seite dagegen um einen nationalen Befreiungskrieg handelt. Man muss schon ein bewusster oder unbewusster Agent des japanischen Imperialismus sein, um beide Länder auf eine Stufe zu stellen. Daher kann man auch nur Mitleid oder Verachtung für Leute empfinden, die angesichts des chinesisch-japanischen Kriegs erklären, sie seien gegen jeden Krieg, gegen den Krieg als solchen. Der Krieg ist längst eine Tatsache. Wo Sklavenhalter gegen Sklaven kämpfen, kann die Arbeiterbewegung nicht neutral bleiben. Die Arbeiterbewegung in China, in Japan und auf der ganzen Welt muss dem japanischen Banditentum mit aller Kraft entgegentreten, indem sie das chinesische Volk und seine Armee unterstützt.

Das bedeutet keineswegs, der chinesischen Regierung und Tschiang Kaischek blind zu vertrauen. Der Marschall hat sich auch schon in der Vergangenheit der Unterstützung der Arbeiterorganisationen bedient, vor allem in den Jahren 1925-1927 bei seinem militärischen Vorgehen gegen die chinesischen Generäle im Norden, die Agenten des ausländischen Imperialismus waren. Das endete 1927-1928 damit, dass er die Arbeiterorganisationen mit Waffengewalt zerschlug. Es kommt also darauf an, aus jener Erfahrung, zu der es übrigens erst aufgrund der unseligen Politik der Komintern kommen konnte, sämtliche Lehren zu ziehen. Während die Arbeiterorganisationen am nationalen Krieg gegen den japanischen Einmarsch teilnehmen, der legitim und fortschrittlich ist, müssen sie zugleich ihre volle politische Unabhängigkeit gegenüber der Regierung Tschiang Kaischek wahren. Wie schon in den Jahren 1924-1925, so ist die Kommunistische Partei Chinas auch jetzt wieder aufs heftigste bemüht, die chinesische Arbeiterbewegung Tschiang Kaischek und der Guomindang politisch zu unterwerfen. Dies ist ein um so schrecklicheres Verbrechen, als es zum zweiten Mal begangen wird. Der Ausweg für die Arbeiterorganisationen besteht jedoch nicht darin, sich »gegen jeden Krieg« auszusprechen und wie Verräter teilnahmslos die Hände in den Schoß zu legen. Sie müssen vielmehr aktiv am Krieg teilnehmen, das chinesische Volk materiell und moralisch unterstützen, und dabei gleichzeitig die Arbeiter- und Bauernmassen im Geiste völliger Unabhängigkeit gegenüber der Guomindang und ihrer Regierung erziehen. Was wir Tschiang Kaischek vorwerfen, ist nicht, dass er Krieg führt. Oh nein! Wir werfen ihm vor, dass er ihn schlecht führt, ohne die nötige Energie und ohne Vertrauen zum Volk und vor allem zu den Arbeitern.

Ein Pazifist, der in diesem schrecklichen Konflikt Japan und China gegenüber die gleiche Haltung einnimmt, gleicht jemandem, der Streik und Aussperrung gleichsetzt. Die Arbeiterbewegung lehnt die Aussperrung von Seiten der Ausbeuter ab und befürwortet den Streik von Seiten der Ausgebeuteten. Oft aber stehen an der Spitze schlechte Ratgeber, die imstande sind, die Arbeiterbewegung im Laufe des Streiks zu verraten. Das ist jedoch für die Arbeiter kein Grund, auf die Teilnahme am Streik zu verzichten; es ist vielmehr ein Grund dafür, die Masse der Arbeiter gegen das Versagen und den Verrat der Führung zu mobilisieren. Es kommt häufig genug vor, dass die gewerkschaftlich organisierten Massen während eines Streiks oder danach die Führung auswechseln. So könnte es auch in China kommen. Doch einen Wechsel im Sinne der Volksmassen wird es nur unter der Voraussetzung geben, dass die chinesischen wie die internationalen Arbeiterorganisationen China gegen Japan entschlossen unterstützen.

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