Leo Trotzki 19370901 Nachwort zur „Diskussion über China“

Leo Trotzki: Nachwort zur „Diskussion über China“

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 853-855]

Das Gespräch über die chinesischen Angelegenheiten wurde auf englisch geführt, und da ich diese Sprache sehr schlecht beherrsche, konnte das Stenogramm meine Gedanken nicht präzise zum Ausdruck bringen. Leider sehe ich keine Möglichkeit, die englische Niederschrift zu korrigieren oder zu ergänzen. Zudem hat sich die Lage seit dem Gespräch bedeutend verändert. Am 11. August, als die Diskussion stattfand, war noch nicht klar, wie weit der Konflikt zwischen Japan und China gehen würde. Gegenwärtig hat sich der Konflikt zu einem offenen Krieg ausgewachsen, obgleich es auch jetzt noch schwer zu sagen ist (jedenfalls von hier aus), ob die Kampfhandlungen durch irgendeinen Kompromiss eingestellt werden können oder ob sie sich im Gegenteil zu einem großen Krieg ausweiten.

1. Auf jeden Fall ist die Frage der selbständigen »antijapanischen« Organisationen jetzt aktueller als einige Wochen zuvor. Doch scheint mir auch jetzt, dass unsere Gesinnungsgenossen bei der Gründung von »antijapanischen« Organisationen nicht die Initiative ergreifen können, ohne deren Ziele genauer zu bestimmen. Wesentlich wichtiger scheint mir, zu versuchen, »militärische« Organisationen auf einer Klassengrundlage für die Durchführung der Arbeit zu schaffen, die in einer entsprechenden Situation von Gewerkschaften gemacht würde. Wenn etwa von einer bestimmten Fabrik einige Arbeiter in den Krieg geschickt werden, muss und soll man eine Gruppe bilden, die die Kontakte zu ihnen aufrechterhält sowie ihnen und ihren Familien materielle und moralische Unterstützung zukommen lässt Die gleiche Arbeit soll man auch in den Dörfern durchführen, indem man sich bemüht, für diesen Zweck ein besonderes Arbeitszentrum in der Stadt zu gründen. Solche Arbeiter- und Bauern-Hilfsvereine für jene, die in den Krieg gegangen sind, können und müssen sich gegenüber den bürgerlichen politischen Organisationen und den Regierungsorganen dafür einsetzen, den Familien der revolutionären Soldaten Hilfe zu leisten usw.

2. Es wäre falsch zu glauben, der Krieg paralysiere sofort die wirtschaftliche Belebung im Lande. Im Gegenteil, es besteht aller Grund zu der Annahme, dass der Krieg in einer Reihe von Industriezweigen einen fieberhaften Aufschwung hervorruft. Hinzu kommt noch, dass ein riesiges Territorium Chinas, vor allem im Süden und Westen, nicht nur außerhalb der Kriegshandlungen, sondern in erheblichem Umfang auch außerhalb des direkten Einflusses der Kriegsfaktoren bleibt. Somit kann erwartet werden, dass die industrielle Belebung anhält, besonders wenn der Krieg durch Großbritannien, die Vereinigten Staaten oder die Sowjetunion finanziert wird. Die Abhängigkeit der Armee und der Regierung von der Inlandsproduktion muss die Rolle und Bedeutung der chinesischen Industriearbeiter außerordentlich erhöhen. Alle Industriezweige, insbesondere jene, die unmittelbar für die Verteidigung arbeiten, werden große Profite abwerfen. Dieser Umstand eröffnet große Möglichkeiten für den wirtschaftlichen Kampf der Arbeiter. Die Regierung wird ihre Unterdrückungsmaßnahmen vorsichtiger durchführen müssen, um nicht den Gang der Kriegsindustrie zu stören. Natürlich werden die Schurken der Guomindang und die ihnen nicht nachstehenden Schurken der stalinistischen Partei schreien, der ökonomische Kampf während des Kriegs sei antipatriotisch. Jedoch werden die Arbeitermassen kaum Sympathie für solche Stimmen haben, besonders wenn es die wirklichen Revolutionäre verstehen, die gewaltigen Profite der Kapitalisten und die Raffgier des Verwaltungspersonals und aller übrigen Beamten zu entlarven. Natürlich wird diese ganze Arbeit dem Krieg keineswegs schaden; im Gegenteil, sie wird eine Unterstützung für ihn sein. Der Krieg gegen Japan kann nur dann einen wirklich nationalen Charakter annehmen, wenn es der Bourgeoisie nicht gelingt, seine ganze Last auf die arbeitenden Massen abzuwälzen. Deshalb erlangen solche Forderungen wie Arbeiterkontrolle über die Industrie, besonders über die Kriegsindustrie, eine gewaltige Bedeutung, damit nicht nur die Profite kontrolliert werden, sondern die Kapitalisten auch daran gehindert werden, der Armee Produkte und Erzeugnisse von schlechter Qualität zu liefern. Das tägliche Leben während des Kriegs wird Hunderte und Tausende von Vorwänden liefern, um verschiedene Gesellschaften und Komitees zu organisieren, in denen Arbeiter neben den Studenten und überhaupt dem Kleinbürgertum handeln werden. Nur ist es erforderlich, dass diese Organisationen stets ein enges, aber doch ganz konkretes Programm verfolgen, das mit den Interessen der Armee und der Werktätigen verknüpft ist. Es muss nicht wiederholt werden, dass die Arbeiterrevolutionäre die am Krieg und an den mit dem Krieg zusammenhängenden Tätigkeiten aktiv teilnehmen, nicht die geringste politische Verantwortung für die bürgerliche Regierung auf sich nehmen können und dürfen. Die Avantgarde des Proletariats bleibt auch während des Kriegs in einer unversöhnlichen Position gegenüber der Bourgeoisie. Ihre Aufgabe besteht darin, gestützt auf die Erfahrungen des Kriegs, die Arbeiter um die revolutionäre Avantgarde und die Bauern um die Arbeiter zu sammeln und auf diese Weise eine tatsächliche Arbeiter- und Bauernregierung vorzubereiten, d. h. die Diktatur des Proletariats, die Millionen von Bauern mit sich führt.

Im Hinblick auf dieses Ziel hat die Aufrechterhaltung von engen Beziehungen zu den revolutionären Arbeitern in der Armee (durch regelmäßige Briefe, die Verschickung von Lebensmitteln) sowie jegliche Art von Fraternisierung zwischen Arbeitern, Bauern und Soldaten usw. eine ungeheure Bedeutung.

Dies sind die kurzen ergänzenden Bemerkungen, die ich unserem Gespräch vom 11. August hinzufügen möchte.

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