Leo Trotzki‎ > ‎Spanien‎ > ‎

Leo Trotzki 19360122 Der Verrat der spanischen Arbeiterpartei für marxistische Einheit

Leo Trotzki: Der Verrat der spanischen Arbeiterpartei für marxistische Einheit

[Nach Unser Wort, Halbmonatszeitung der IKD, 4. Jahrgang Nr. 4, Mitte Februar 1936, S. 2]

Die spanische Organisation der «linken Kommunisten», die stets eine konfuse Organisation gewesen ist. vereinigte sich, nach zahllosen Schwankungen nach rechts und nach links, auf einem zentristischen Programm mit Mauríns Katalanischer Föderation zur Partei für «marxistische (?) Einheit». Von diesem Namen irregeleitet, sprachen einige unserer Publikationen von dieser neuen Partei als von einer sich der Vierten Internationale nähernden Organisation. Nichts ist gefährlicher, als die eigenen Kräfte zu übertreiben durch vertrauensselige Einbildung. Die Wirklichkeit bereitet einem ja doch nur allzu bald eine bittere Enttäuschung.

Die Zeitungen berichten, dass in Spanien alle «linken» Parteien, bürgerliche wie proletarische, einen Wahlblock gebildet haben auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms, das sich selbstverständlich in nichts von dem Programm der französischen «Volksfront» und allen anderen Schwindelprogrammen derselben Sorte unterscheidet. Wir finden darin sowohl eine «Reform des Tribunals der Verfassungsgarantien» wie eine eifrige Unterstützung des «Autoritätsprinzips:» (!), wie die «Befreiung der Justiz von allen Einflüssen politischer und Ökonomischer Ordnung» (die Befreiung der kapitalistischen Justiz vom Einfluss des Kapitals!) und dergleichen mehr. Das Programm nimmt die Ablehnung der Nationalisierung des Bodens durch die bürgerlichen Republikaner, Teilnehmer des Blocks, zur Kenntnis und verkündet «dafür», neben den üblichen wohlfeilen Versprechungen für die Bauern (Kredite, Preiserhöhung für landwirtschaftliche Erzeugnisse usw.), «Gesundung (!) der Industrie» und Schutz von Kleinindustrie und Kleinhandel. Ferner folgt die unvermeidliche «Bankenkontrolle», wobei, da die mit dem Text einverstandenen bürgerlichen Republikaner die Arbeiterkontrolle ablehnen, die Sache hinausläuft auf die Kontrolle der Banken durch … die Bankiers selbst, mit Hilfe ihrer parlamentarischen Agenten vom Schlage Azañas und seinesgleichen. Schließlich soll Spaniens Außenpolitik den «Prinzipien und Methoden des Völkerbundes» folgen. Was will man mehr?

Dies schändliche Dokument ist unterschrieben von den Vertretern zweier linksbürgerlicher Parteien, der Sozialistischen Partei, der sozialistischen Arbeiterkonföderation, der Kommunistischen Partei (nun ja, natürlich!), der Sozialistischen Jugend (Oh weh!), der «Syndikalistischen Partei» (Pestaña), und schließlich der «Arbeiterpartei für marxistische Einheit» (Juan Andrade). Die meisten von diesen Parteien standen an der Spitze der spanischen Revolution in den Jahren ihres Aufschwungs und taten alles was in ihren Kräften stand, um sie zu verraten und in den Staub zu treten. Neu an alledem ist die Unterschrift der Partei Mauríns-Nins-Andrades. Die ehemaligen spanischen «linken Kommunisten» wurden schlechtweg Anhängsel der «linken» Bourgeoisie. Schwerlich ist ein erniedrigenderes Fallen vorzustellen!

Vor einigen Monaten erschien in Madrid ein Buch von Juan Andrade: «Die reformistische Bürokratie und die Arbeiterbewegung», wo mit Zitaten aus Marx, Engels, Lenin und anderen Autoren die Ursachen für die Entartung der Arbeiterbürokraten analysiert werden. Juan Andrade schickte mir sein Buch zweimal zu, beide Male mit sehr warmen Widmungen, worin er mich seinen «Führer und Lehrer» nannte. Diese Tatsache, die mich unter anderen Umständen natürlich nur freuen könnte, bewegt mich jetzt, mit umso größerer Entschiedenheit öffentlich zu erklären, dass ich nie und niemandem politischen Verrat lehrte. Andrades Haltung aber ist nichts anderes als Verrat am Proletariat im Interesse des Bündnisses mit der Bourgeoisie.

Es ist nicht überflüssig, bei dieser Gelegenheit daran zu erinnern, dass die spanischen «linken Kommunisten», wie bereits ihr Name sagt, sich bei jeder passenden Gelegenheit als unversöhnliche Revolutionäre gebärdeten. Im Besonderen verdammten sie die französischen Bolschewiki-Leninisten in Grund und Boden wegen ihres Eintritts In die Sozialistische Partei. Nie und nimmer! Zeitweilig in eine politische Massenorganisation eintreten, um unversöhnlich in ihren Reihen gegen die reformistischen Führer für das Banner der proletarischen Revolution zu kämpfen – das ist Opportunismus; aber ein politisches Bündnis schließen mit den Führern der reformistischen Partei auf Grund eines wissentlich ehrlosen zur Täuschung der Massen und zur Deckung der Bourgeoisie dienenden Programms – das ist Heldenmut! Kann man den Marxismus schlimmer herabwürdigen und prostituieren?

Die «Partei für marxistische Einheit» gehört dem berühmten Londoner Verein der «Revolutionär-Sozialistischen Parteien» an (ehemalige IAG). Die Führung dieses Vereins befindet sich heute in den Händen Fenner Brockways, Sekretärs der Unabhängigen Arbeiterpartei. Wir schrieben bereits, dass trotz den verkalkten und offenbar unheilbaren pazifistischen Vorurteilen Maxtons und anderer die ILP in der Frage des Völkerbundes und seiner Sanktionen eine ehrliche revolutionäre Stellung eingenommen hat, und ein jeder von uns hat mit Genugtuung eine Reihe vorzüglicher Artikel im «New Leader» gelesen. Bei den letzten Parlamentswahlen verweigerte die ILP sogar den Labourparteilern ihre Unterstützung bei den Wahlen, eben wegen deren Unterstützung des Völkerbundes. An sich war diese Weigerung ein taktischer Fehler. Wo die ILP nicht eigene Kandidaten aufstellen konnte, hätte sie die Labourparteiler gegen die Konservativen unterstützen müssen. Aber das ist doch etwas Besonderes. Jedenfalls, von «gemeinsamen Programmen» mit den Labourparteilern konnte nicht die Rede sein. Die Internationalisten hätten die Wahlunterstützung verbunden mit der Entlarvung der Kriecherei der britischen Sozialpatrioten vor dem Völkerbund und seinen «Sanktionen».

Wir erlauben uns, Fenner Brockway die Frage zu stellen: woran is eigentlich die «Internationale», deren Sekretär er ist, zu erkennen? Die britische Sektion dieser «Internationale» verweigert Arbeiterkandidaten die bloße Wahlunterstützung, wenn sie für den Völkerbund eintreten. Die spanische Sektion schließt einen Block mit bürgerlichen Parteien auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms zur Unterstützung des Völkerbundes. Kann man auf dem Gebiet der Widersprüche, der Konfusion und des Unvermögens weiter gehen? Der Krieg ist noch nicht da. aber schon ziehen die Sektionen der Londoner «Internationale» in direkt entgegengesetzten Richtungen. Was wird aus ihnen werden, wenn erst die furchtbaren Ereignisse hereinbrechen?

Aber kehren wir zur spanischen Partei für «marxistische Einheit» zurück. Welche Ironie schon im Namen: «marxistische Einheit» … mit der Bourgeoisie. Die spanischen «linken Kommunisten» (Andre Nin. Juan Andrade usw.) haben unsere Kritik an ihrer versöhnlerischen. Politik oft mit Berufung auf unser Unverständnis für die «besonderen Bedingungen» Spaniens abgewehrt. Ein übliches Argument aller Opportunisten, denn erste Pflicht eines wirklichen proletarischen Revolutionärs ist es. die besonderen Bedingungen seines Landes in die internationale Sprache des Marxismus zu übersetzen, die auch jenseits der Grenzen des eigenen Landes verstanden wird.* Hier bedarf es solcher theoretischer Argumente gar nicht. Der spanische Block der Spitzen der Arbeiterklasse mit der linken Bourgeoisie hat nichts «nationales» an sich: unterscheidet er sich doch in nichts von der Volksfront in Frankreich, in der Tschechoslowakei, in Brasilien oder China. Die «Partei für marxistische Einheit» führt nur sklavisch die Politik durch, die der 7. Kominternkongress allen seinen Sektionen vorschrieb, ganz unabhängig von ihren «nationalen Eigentümlichkeiten». Der tatsächliche Unterschied der spanischen Politik besteht diesmal nur darin, dass dem Block mit der Bourgeoisie offiziell auch die Sektion der Londoner Internationale angeschlossen ist. Desto schlimmer für sie. Was uns betrifft, so ziehen wir Klarheit vor. In Spanien werden sich zweifellos ehrliche Revolutionäre finden, die unbarmherzig den Verrat der Maurín, Nin, Andrade & Co. entlarven und den Grundstein legen werden für die spanische Sektion der Vierten Internationale!

22. Januar 1936.

L. Trotzki.

Resolution

des Internationalen Sekretariats der Liga der Kommunisten-Internationalisten (Bolschewiki-Leninisten).

Das IS, nach Kenntnisnahme der Tatsache, dass die spanische Partei für marxistische Einheit sich durch die Unterschrift Juan Andrades dem Wahlblock der Linken angeschlossen hat. erklärt, dass die LKI keinerlei Verantwortung für die Politik übernimmt, an der ihre ehemaligen spanischen Anhänger innerhalb der Partei für marxistische Einheit sich mitschuldig gemacht haben. Bereits die Vereinigung der ehemaligen spanischen Mitglieder der LKI mit der Partei Mauríns hat niemals die Zustimmung des IS gefunden. Die Entwicklung der Partei für marxistische Einheit zum Wahlblock der Linken beweist. dass das IS vollkommen im Recht war. sich Verschmelzungen wie der mit Maurín. die um den Preis der Klarheit und der Festigkeit unserer Grund'prinzipien geschehen, zu widersetzen.

23. Januar 1936

Das IS der LKl (B-L).

* Auf der Suche nach einer Rechtfertigung für ihre Politik berufen sich Maurín-Nin auf das spanische Wahlgesetz, das selbständige Kandidaturen für eine junge Partei ungemein erschwert (Siehe die Resolution des ZK «Batalla» Nr. 214). Aber diesen Argument ist ohne jeden Wert. Die Wahltechnik kann nicht eine verräterische Politik rechtfertigen, die in der Aufstellung eines gemeinsamen Programms mit der Bourgeoisie besteht.

Kommentare