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Leo Trotzki 19360412 Was sollen die Bolschewiki-Leninisten in Spanien tun?

Leo Trotzki: Was sollen die Bolschewiki-Leninisten in Spanien tun?

[Nach Unser Wort, , Halbmonatszeitung der IKD, 4. Jahrgang Nr. 9 (73), Anfang Mai 1936, S. 4]

[Über den Verrat der spanischen «Arbeiterpartei für marxistische Einheit» wurde bereits in «Unser Wort» Nr. 68 Stellung genommen. Der nachfolgende Brief behandelt die Aufgaben, vor denen das spanische revolutionäre Proletariat heute steht. Seine Veröffentlichung ist gerade in der heutigen Zeit der Volksfrontträume von höchster Wichtigkeit.

Red.]

Die Situation in Spanien ist wiederum revolutionär.

Die Entwicklung der spanischen Revolution erfolgt in einem langsamen Tempo. Somit hatten die revolutionären Elemente dort eine genügend lange Frist bekommen, um sich zu formieren, die Vorhut um sich zu sammeln, um in der entscheidenden Stunde der Aufgabe gewachsen zu sein. Wir müssen jetzt offen sagen, dass die spanischen «Linken Kommunisten» diese außerordentlich günstige Zeitspanne vollständig versäumt und sich um kein Haar besser als die sozialistischen und «kommunistischen» Verräter erwiesen haben. An Warnungen hat es beileibe nicht, gefehlt! Desto größer ist nur die Schuld eines Andreas Nin, eines Andrade usw. Bei einer richtigen Politik könnte heute die «Kommunistische Linke» als Sektion der IV. Internationale an der Spitze des spanischen Proletariats stehen. Statt dessen vegetiert sie in der konfusen Organisation eines Maurin – ohne Programm, ohne Perspektive und ohne jede politische Bedeutung. Die marxistische Aktion in Spanien beginnt bei der unversöhnlichen Verurteilung der gesamten Politik des Andreas Nin und Andrade, die nicht nur falsch, sondern verbrecherisch war und bleibt.

Was bedeutet die Absetzung des Präsidenten Zamora? Dass die politische Entwicklung wiederum in ein akutes Stadium übergeht. Zamora war sozusagen der ruhende Pol der herrschenden Spitzen. Unter veränderten Verhältnissen spielte er diejenige Rolle, die für eine gewisse Periode Hindenburg in Deutschkind spielte; es war zur Zeit als die Reaktion (sogar die Nazis) einerseits und die Sozialdemokratie andererseits auf ihn ihre Hoffnungen gesetzt hatten. Der Bonapartismus der modernen Epoche ist der Ausdruck der höchsten Verschärfung der Klassengegensätze in jener Periode, wo diese Gegensätze noch nicht zum offenen Kampf geführt haben. Seinen Stützpunkt kann der Bonapartismus, bei der quasi parlamentarischen Regierung oder aber auch bei dem «überparteilichen Präsidenten finden: das hängt lediglich von den Umständen ab. Zamora war der Träger des bonapartistischen Gleichgewichts. Die Verschärfung der Gegensätze führte dahin, dass jedes der beiden Hauptlager sich Zamoras zuerst bedienen und dann entledigen wollte. Da dies der Rechten seinerzeit nicht gelungen ist. hat es nun die «Volksfront» vollbracht, Das bedeutet jedoch den Beginn einer akuten revolutionären Periode. Die tiefe Gärung in den Massen, sowie die ununterbrochenen heftigen Explosionen beweisen, dass die schon wiederholt betrogenen Arbeiter aus Stadt und Land wie auch die armen Bauern aus allen Kräften immer wieder in die Richtung der revolutionären Lösung drängen. Und was für eine Rolle spielt die Volksfront gegenüber dieser mächtigen Bewegung? Die einer gigantischen von Verbrechern und geriebenen Schurken gebauten und in Bewegung gesetzten Bremse. Und gestern noch hat Juan Andrade das durch und durch niederträchtige Programm dieser Volksfront mit unterzeichnet!

Nach der Absetzung Zamoras muss Azaña Hand in Hand mit dem neuen Präsidenten der Republik die Rolle des ruhenden bonapartistischen Pols zu übernehmen, d.h. sich über die beiden Lager zu erheben suchen, um desto sicherer die Waffen des Staates gegen diejenigen revolutionären Massen zu richten, die ihm zur Macht verholfen haben. Die Arbeiterorganisationen aber bleiben im Netz der Volksfront vollständig verstrickt. Die Konvulsionen der revolutionären Massen (ohne Programm, ohne vertrauenswürdige Führung) drohen somit der konterrevolutionären Diktatur Tür und Tor zu öffnen.

Dass die Arbeiter in revolutionärer Richtung vorstoßen, beweist die Entwicklung aller ihrer Organisationen, insbesondere aber der Sozialistischen Partei und der Sozialistischen Jugend. Vor zwei Jahren stellten wir die Frage des Eintritts der spanischen Bolschewiki-Leninisten in die sozialistische Partei. Diesen Vorschlag haben die Andreas Nin und Andrade mit der Hochnäsigkeit konservativer Philister zurückgewiesen: sie wollten «Selbständigkeit» um jeden Preis, denn diese ließ ihnen Ruhe und verpflichtete sie zu nichts. Dabei hätte der Beitritt zur SP in Spanien unter den gegebenen Verhältnissen unermesslich bessere Resultate gezeitigt als es z.B. in Frankreich der Fall war (unter der Voraussetzung natürlich, dass man in Spanien die großen Fehler vermieden hätte, die die leitenden französischen Genossen begangen haben). Inzwischen haben sich jedoch Andrade und Nin mit dem konfusen Maurin vereinigt, um gemeinsam hinter der Volksfront einher zu laufen.* Die sozialistischen Arbeiter sind jedoch in ihrem Streben nach revolutionärer Klarheit den stalinistischen Betrügern zum Opfer gefallen. Die Verschmelzung der beiden Jugendorganisationen bedeutet, dass die besten revolutionären Energien von den Komintern-Mietlingen missbraucht und verwüstet werden. Und die «großen» Revolutionäre Andreas Nin und Andrade bleiben abseits, um zusammen mit Maurin für die «demokratisch-sozialistische» Revolution, d.h. für den sozial-demokratischen Verrat eine völlig impotente Propaganda zu treiben.**

Niemand kann wissen, wie sich die nächste Periode in Spanien gestaltet. Die Flut, die die Sippschaft der Volksfront an die Macht getragen hat, ist jedenfalls zu mächtig, um in Kürze abflauen zu können und der Reaktion den Kampfplatz zu überlassen. Die wirklich revolutionären Elemente haben noch eine gewisse, wahrhaftig nicht allzu lange Frist, um sich zu besinnen, sich zu sammeln und für die Zukunft vorzubereiten. Dies bezieht sich in erster Linie auf die spanischen Anhänger der IV. Internationale. Ihre Aufgaben sind klar wie der Tag:

1) Die Politik aller an der Volksfront beteiligten Führer schonungslos zu verurteilen und vor den Massen anzuprangern

2) Die Erbärmlichkeit der Führung der «Arbeiterpartei der marxistischen Einheit» und insbesondere der früheren «Linken Kommunisten». Andreas Nin, Andrade usw. voll zu erfassen und sie den fortgeschrittenen Arbeitern klar vor Augen zu führen.

3) Sich um das Banner der IV. Internationale auf der Grundlage des «Offenen Briefes» zu sammeln.

4) Der Sozialistischen Partei und der Vereinigten Jugend beizutreten, um dort als Fraktion im Sinne des Bolschewismus zu wirken.

5) In den Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen Fraktionen und Zellen zu schaffen.

6) Das Hauptaugenmerk auf die spontanen und halb spontanen Massenbewegungen richten, Ihre allgemeinen Züge studieren, d.h. sich um die Temperatur der Massen und nicht um die der parlamentarischen Cliquen zu kümmern.

7) Bei jedem Kampf dabei sein, um ihm klaren Ausdruck zu verleihen.

8) Immer darauf drängen, dass die kämpfenden Massen ihre ad hoc gewählten Aktionskomitees (Juntas, Sowjets) bilden und immer weiter ausbauen.

9) Das Programm der Eroberung der Macht der Diktatur des Proletariats und der Sozialen Revolution allen zwitterhaften Programmen (à la Caballero oder à la Maurin) gegenüberstellen.

Das ist der wirkliche Weg der proletarischen Revolution. Einen andern gibt es nicht.

12. April 1936.

L. Trotzki.


* Die «Wendung» der «Batalla» gegenüber der Volksfront kann uns keinerlei Vertrauen einflößen. Man kann nicht am Montag sagen, dass der Völkerbund eine Räuberbande ist, am Dienstag die Wähler auffordern, für das Programm des Völkerbundes zu stimmen, und am Mittwoch erklären, dass es sich gestern nur um eine Wahlaktion gehandelt habe und man jetzt sein wahres Programm wieder aufnehmen werde. Der ernste Arbeiter muss sich fragen: und was werden denn diese Leute da am Donnerstag oder Freitag sagen? Maurín scheint die wahre Verkörperung eines geschäftigen, oberflächlichen und wankelmütigen revolutionären Kleinbürgers zu sein. Er studiert nichts, versteht wenig und verbreitet Konfusion um sich herum.

** Marx schrieb, im Jahre 1876 über die Unrichtigkeit des Ausdrucks «sozialdemokratisch», dass man den Sozialismus nicht unter die Kontrolle der Demokratie stellen könne. Der Sozialismus (oder Kommunismus) genügt uns. «Demokratie» hat dabei nichts zu suchen. Seither hat die Oktoberrevolution schlagkräftig nachgewiesen, dass die sozialistische Revolution im Rahmen der Demokratie nicht vollzogen werden kann. Die «demokratische» Revolution und die sozialistische Revolution befinden sich diesseits und jenseits der Barrikade. Die III. Internationale hat diese Erfahrung theoretisch bestätigt. Die «demokratische» Revolution in Spanien ist bereits gemacht. Durch die Volksfront erlebt sie ihre Wiederauferstehung. Die Personifikation der «demokratischen» Revolution ist Azaña – mit oder ohne Caballero. Die sozialistische Revolution muss in unerbittlichem Kampfe gegen die «demokratische» Revolution mit ihrer Volksfront durchgeführt werden. Was bedeutet denn diese «Synthese» der «demokratisch-sozialistischen» Revolution. Absolut nichts; nur einen eklektischen Gallimathias

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