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Leo Trotzki 19221201 Arbeits- und Aktionsprogramm der Kommunistischen Partei Frankreichs

Leo Trotzki: Arbeits- und Aktionsprogramm der Kommunistischen Partei Frankreichs.

[Protokoll des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1923, S. 1048-1052]

1. Die dringendste Aufgabe der Partei ist die Organisierung des Widerstandes des Proletariats gegen die Offensive des Kapitals, die sich in Frankreich und in den übrigen großen Industriestaaten entwickelt. Die Verteidigung des Achtstundentages, die Sicherung und Erhöhung der erreichten Arbeitslöhne, der Kampf um alle täglichen wirtschaftlichen Forderungen bildet die beste Plattform, mit deren Hilfe das zerstreute Proletariat gesammelt und ihm das Vertrauen auf seine eigene Kraft und seine Zukunft gegeben werden kann. Die Partei muss unverzüglich die Initiative zu allen gemeinsamen Aktionen ergreifen, die geeignet sind, die Offensive des Kapitals zum Scheitern zu bringen und die Arbeiterklasse wieder zu vereinigen.

2. Die Partei muss eine Kampagne einleiten, um den Arbeiter den gegenseitigen Zusammenhang zwischen der Aufrechterhaltung des Achtstundentages und der Sicherung der Arbeitslöhne, die unvermeidliche Rückwirkung dieser Forderungen aufeinander klarzulegen. Sie muss als Agitationsmittel nicht nur die Anschläge der Arbeitgeber, sondern auch die Angriffe ausnützen, die der Staat gegen die unmittelbaren Interessen der Arbeiter richtet, z. B. die Lohnsteuer und alle wirtschaftlichen Fragen, die die Arbeiterklasse interessieren, die Erhöhung der Miete, die Verbrauchssteuer, die soziale Versicherung usw. Die Partei wird eine aktive Propagandakampagne in der Arbeiterklasse unternehmen im Interesse der Bildung von Betriebsräten, die die Gesamtheit der Arbeiter jeder einzelnen Unternehmung umfassen, ohne Rücksicht darauf, ob sie wirtschaftlich oder politisch bereits organisiert sind oder nicht, und die namentlich berufen sind, über die Arbeits- und Produktionsverhältnisse eine Arbeiterkontrolle auszuüben.

3. Die Losungen des Kampfes um die dringenden materiellen Forderungen des Proletariats müssen als Mittel zur Verwirklichung der Einheitsfront gegen die wirtschaftliche und politische Reaktion dienen. Die Taktik der Arbeitereinheitsfront wird die allgemeine Regel der Massenaktion bilden. Die Partei muss Bedingungen schaffen, die den Erfolg dieser Taktik fördern, indem sie dazu schreitet, ihre eigene Organisation und die sympathisierenden Elemente mit allen Mitteln der Propaganda und der Organisation, über die sie verfügt, ernstlich vorzubereiten. Die Presse, die Abhandlungen, die Broschüren, die Versammlungen jeder Art, - all dies muss bei dieser Vorbereitungsarbeit, die die Partei auf alle proletarischen Gruppen, zu denen Kommunisten gehören, ausdehnen wird, mitwirken. Die Partei muss nachdrücklich an die rivalisierenden bedeutenderen politischen und wirtschaftlichen Arbeiterorganisationen appellieren und darf nie aufhören, ihre Vorschläge oder jene der Reformisten, die Annahme und die Ablehnung der einen oder der anderen öffentlich zu kommentieren. Sie darf in keinem Falle auf ihre vollständige Unabhängigkeit, auf ihr Recht zur Kritisierung der Teilnehmer der Aktion verzichten. Sie muss immer danach streben, die Initiative zu ergreifen und zu behalten und jede andere Initiative im Sinne ihres eigenen Programms zu beeinflussen.

4. Um in der Lage zu sein, an Arbeiteraktionen jeder Art teilzunehmen, um zur Orientierung der Arbeiterschaft beizutragen oder unter gewissen Umständen eine entscheidende Rolle erfüllen zu können, muss die Partei, ohne einen Tag zu verlieren, ihre Organisation zur gewerkschaftlichen Arbeit bilden. Die Bildung der Gewerkschaftskommissionen bei den Föderationen und Sektionen (die von dem Pariser Kongress beschlossen wurde) und von kommunistischen Gruppen in den Betrieben und großen kapitalistischen oder staatlichen Unternehmungen wird die Verzweigungen der Partei in die Arbeitermassen hineinführen so dass die Partei in die Lage kommen wird, ihre Losungsworte zu verbreiten und den kommunistischen Einfluss auf die Arbeiterbewegung zu steigern Die Gewerkschaftskommissionen müssen auf allen Stufen der Struktur der Partei und der Gewerkschaften die Verbindung mit den Kommunisten, die im Einvernehmen mit der Partei in der reformistischen CGT verblieben sind, aufrechterhalten und sie in ihrer Opposition gegen die Politik ihrer offiziellen Führer leiten; sie müssen die gewerkschaftlich organisierten Mitglieder der Partei registrieren, ihre Tätigkeit kontrollieren und ihnen die Weisungen der Partei übermitteln.

5. Die kommunistische Arbeit in allen Gewerkschaften ohne Ausnahme besteht in erster Linie im Kampf um die Wiederherstellung der gewerkschaftlichen Einheit, die zum Siege des Proletariats unentbehrlich ist. Die Kommunisten müssen jede Gelegenheit wahrnehmen, um die schädlichen Wirkungen der jetzigen Spaltung zu zeigen und die Fusion zu verkünden. Die Partei muss jede Tendenz, die der Zersplitterung der Organisation, dem professionellen oder lokalen Partikularismus, der anarchistischen Ideologie dient, bekämpfen. Sie muss die Notwendigkeit der Zentralisierung der Bewegung, die Bildung großer Organisationen nach Industriezweigen, die Vereinigung der Streiks verkünden, um an Stelle der lokalisierten und von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilten Aktionen gemeinsame Aktionen zu setzen, die geeignet sind, das in die eigene Kraft gesetzte Vertrauen der Arbeiter zu steigern. In der CGTU müssen die Kommunisten jede Tendenz bekämpfen, die dem Anschluss der französischen Gewerkschaften an die Rote Gewerkschaftsinternationale zuwiderlaufen. In der reformistischen CGT müssen sie die Amsterdamer Internationale und die burgfriedliche Tätigkeit der Führer bloßstellen. In den beiden CGT müssen sie Demonstrationen und gemeinsame Aktionen, gemeinsame Streiks, die Einheitsfront, die organische Einheit, das vollinhaltliche Programm der Roten Gewerkschaftsinternationale verkünden.

6. Die Partei muss jede spontane oder organisierte Massenbewegung von gewisser Ausdehnung ausnutzen, um den politischen Charakter jedes Klassenkampfes beleuchten und die Verhältnisse ausnutzen zu können, die der Propagierung ihrer politischen Kampflosungen, die der Amnestie, der Annullierung des Friedensvertrages von Versailles, der Räumung des linken Rheinufers von der Besatzungsarmee usw. günstig sind.

7. Der Kampf gegen den Friedensvertrag von Versailles und seine Folgen muss unter den Dingen, die die Partei beschäftigen, den ersten Platz einnehmen. Es handelt sich darum, die Solidarität des französischen und deutschen Proletariats gegen die Bourgeoisie der beiden Länder, denen der Friedensvertrag gewinnbringend ist, wirksam zu gestalten. Die französische Partei hat daher die dringende Pflicht, die Arbeiter und Soldaten mit der tragischen Situation ihrer deutschen Brüder [und Schwestern] vertraut zu machen, die unter den materiellen Schwierigkeiten des Lebens ächzen, die hauptsächlich den Folgen des Friedensvertrages zuzuschreiben sind. Der deutsche Staat kann die Ansprüche der Verbündeten nur befriedigen, wenn er die Arbeiterklasse noch schwerer belastet. Die französische Bourgeoisie verschont die deutsche Bourgeoisie, verhandelt mit ihr auf Kosten der Arbeiter, begünstigt jede Unternehmung, die sich des öffentlichen Dienstes bemächtigt und gewährt ihr Schutz und Hilfe gegen die revolutionäre Bewegung. Beide Bourgeoisien schicken sich an, ein Bündnis des französischen Eisens mit der deutschen Kohle zu schließen und sich über die Besetzung des Ruhrgebietes zu verständigen, die die Knechtung der Grubenarbeiter des Ruhrgebietes bedeuten wird. Nicht nur den Ausgebeuteten des Ruhrgebietes, sondern auch den französischen Arbeitern, die außerstande sind, mit der deutschen Arbeiterschaft zu konkurrieren, die dank der Markentwertung den französischen Kapitalisten außerordentlich billig zur Verfügung stehen, droht Gefahr.

Die Partei muss der französischen Arbeiterklasse diese Situation begreiflich machen und sie veranlassen, der unmittelbar drohenden Gefahr gegenüber auf der Hut zu sein. Ihre Presse muss die Leiden des deutschen Proletariats, dieses Opfers des Friedensvertrages von Versailles, unablässig schildern, und die Undurchführbarkeit des Vertrages beweisen. Eine besondere Propaganda muss in den militärisch besetzten Gebieten und in den verwüsteten Gebieten unternommen werden, um beide Bourgeoisien als verantwortlich für alle Übel bloßzustellen, unter denen diese Gegenden zu leiden haben, und um den Geist der Solidarität zwischen den Arbeitern beider Länder zu entwickeln. Die kommunistische Losung muss die Verbrüderung der französischen und deutschen Soldaten und Arbeiter auf dem linken Rheinufer bilden. Die Partei muss mit der deutschen Bruderpartei eine innige Verbindung aufrechterhalten, um diesen Kampf gegen den Vertrag von Versailles und dessen Folgen einem günstigen Ausgang zuzuführen. Die Partei muss den französischen Imperialismus nicht nur in seiner Politik Deutschland gegenüber, sondern in seiner auf der ganzen Erdkugel befolgten Politik bekämpfen; ganz besonders müssen die Friedensverträge von St. Germain, Neuilly, Trianon und Sèvres bekämpft werden.

8. Die Partei muss eine systematische Arbeit zur Einführung des Kommunismus in die Armee einleiten. Die antimilitaristische Propaganda muss sich klar und deutlich vom heuchlerischen bürgerlichen Pazifismus unterscheiden und sich auf das Prinzip der Bewaffnung des Proletariats und der Entwaffnung der Bourgeoisie stützen. In der Presse, im Parlament, bei jeder günstigen Gelegenheit müssen die Kommunisten die Forderungen der Soldaten unterstützen, die Anerkennung der politischen Rechte der letzteren usw. fordern. Gelegentlich der Einberufung von Altersklassen, bei neuer Kriegsgefahr muss die revolutionäre antimilitärische Agitation vertieft werden. Sie muss unter der Leitung eines speziellen Organs der Partei und unter Beteiligung der kommunistischen Jugend geführt werden.

9. Die Partei muss sich der Sache der durch den französischen Imperialismus ausgebeuteten und unterdrückten Bevölkerung der Kolonien annehmen, muss ihre nationalen Forderungen unterstützen, die ihre Befreiung vom Joch der ausländischen Kapitalisten näher bringen, muss ihr Recht auf Autonomie oder auf Unabhängigkeit ohne Vorbehalt verfechten. Die unmittelbare Aufgabe der Partei ist für die unbeschränkte politische und gewerkschaftliche Freiheit dieser Völker, gegen die Einberufung der Eingeborenen zum militärischen Dienst und für die Forderungen der eingeborenen Soldaten zu kämpfen. Sie muss die sogar bei gewissen Arbeiterelementen bestehenden reaktionären Tendenzen, die die Rechte der Eingeborenen einschränken wollen, unerbittlich bekämpfen. Sie muss neben ihrem Zentralkomitee ein spezielles Organ schaffen, das der kommunistischen Arbeit in den Kolonien gewidmet ist.

10. Die Propaganda in der Bauernklasse, die darauf abzielt, die Mehrheit der landwirtschaftlichen Arbeiter, Pächter und Teilpächter für die Sache der Revolution zu gewinnen und die Sympathien der Kleingrundbesitzer zu erwerben, muss von einer Aktion im Interesse besserer Lebens- und Arbeitsbedingungen der Lohnarbeit verrichtenden oder von den Großgrundbesitzern abhängigen Bauern begleitet sein. Eine derartige Aktion erfordert, dass die Bezirksorganisationen der Partei Programme aufstellen und propagieren, die die unmittelbaren Forderungen enthalten und den besonderen Verhältnissen jeder einzelnen Gegend angepasst sind. Die Partei muss die landwirtschaftlichen Vereinigungen, Genossenschaften und Gewerkschaften, die dem Individualismus des Bauern entgegentreten, begünstigen. Sie muss sich mit besonderem Eifer der Schaffung und Entwicklung der Fachgewerkschaften unter den Landarbeitern widmen.

11. Die kommunistische Arbeit unter den Arbeiterinnen ist von hervorragender Wichtigkeit und erfordert eine spezielle Organisation. Eine Zentralkommission neben dem Zentralkomitee mit einem ständigen Sekretariat, Ortskommissionen in immer wachsender Anzahl, ein der Frauenpropaganda gewidmetes Organ sind erforderlich. Die Partei muss die Vereinheitlichung der wirtschaftlichen Forderungen der Arbeiterinnen und Arbeiter, die Ausgleichung der Arbeitslöhne für ein und dieselbe Arbeit ohne Unterschied des Geschlechtes, die Teilnahme der ausgebeuteten Frauen an den Kampagnen und den Kämpfen der Arbeiter unterstützen.

12. Der Entwicklung der kommunistischen Jugend muss eine methodischere und nachdrücklichere Tätigkeit gewidmet werden, als dies seitens der Partei in der Vergangenheit der Fall war. Zwischen der Partei und der kommunistischen Jugend müssen auf allen Stufen der Organisation gegenseitige Beziehungen aufgenommen werden. Im Prinzip muss die Jugend in allen Kommissionen vertreten sein, die neben dem Zentralkomitee gebildet werden. Die Verbände, Sektionen und Propagandisten der Partei sind verpflichtet, den bestehenden Jugendgruppen ihren Beistand angedeihen zu lassen und neue zu bilden. Das Zentralkomitee hat über die Entwicklung der Presse der Jugend zu wachen und der Jugend in den Zentralorganen der Partei eine Tribüne einzuräumen. Die Partei muss sich in den Gewerkschaften jener Forderungen der Arbeiterjugend annehmen, die mit ihrem Programm übereinstimmen.

13. In den Genossenschaften müssen die Kommunisten das Prinzip der einheitlichen Landesorganisationen verfechten und kommunistische Gruppen bilden, die durch Vermittelung einer, dem Zentralkomitee beigeordneten Kommission mit der Genossenschaftssektion der Kommunistischen Internationale verbunden sind. In jedem Verband muss sich eine spezielle Kommission der kommunistischen Arbeit in den Genossenschaften widmen. Die Kommunisten müssen sich bemühen, das Genossenschaftswesen als Hilfsmittel der Arbeiterbewegung auszunutzen.

14. Die in das Parlament und in die Kommunalverwaltungen usw. gewählten Vertreter der Partei müssen in enger Verbindung mit den Kämpfen der Arbeiterschaft und den unter der Führung der Partei und der Gewerkschaftsorganisationen stehenden Kampagnen auch außerhalb des Parlaments den energischsten Kampf führen. Die kommunistischen Abgeordneten müssen unter der Kontrolle und der Führung des Zentralkomitees der Partei, die kommunistischen Kommunal-, General- und Bezirksräte unter der Kontrolle und Leitung der Sektionen und Verbände der Partei im Sinne der Thesen des 2. Kongresses der Kommunistischen Internationale als Agenten der Agitation und der Propaganda verwendet werden.

15. Um sich auf die Höhe der in ihrem Programm enthaltenen und durch die nationalen und internationalen Kongresse festgestellten Aufgaben erheben zu können und um zur Durchführung dieser Aufgaben fähig zu sein, muss die Partei nach dem Beispiel der großen kommunistischen Parteien der übrigen Länder und im Sinne der Regeln der Kommunistischen Internationale ihre Organisation vervollkommnen und verstärken. Sie muss über eine strenge Zentralisation, über eine unerschütterliche Disziplin, über eine unbedingte Subordination jedes einzelnen Parteimitglieds unter die verantwortlichen Organe der Partei, jedes einzelnen Organs unter das höhere Organ verfügen. Auch muss unbedingt die marxistische Erziehung der Parteikämpfer durch systematische Vermehrung der theoretischen Kurse in den einzelnen Sektionen und durch Eröffnung von Parteischulen, die unter der Leitung einer Zentralkommission oder eines leitenden Komitees stehen, entwickelt werden.

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