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Leo Trotzki 19210714 Bericht auf dem Kongress der Kommunistischen Jugendinternationale

Leo Trotzki: Bericht auf dem Kongress der Kommunistischen Jugendinternationale

[Eigene Übersetzung nach The first five years of the Communist International, Band 1, New York 1945, S. 297-312]

Der Dritte Kongress der Komintern wird, wenn man seine Bedeutung in einer knappen Formel ausdrücken will, wahrscheinlich in die Geschichte der Arbeiterbewegung als die höchste Schule revolutionärer Strategie eingehen. Der erste Kongress unserer Kommunistischen Internationale machte den Aufruf zur Sammlung der Kräfte der proletarischen Weltrevolution. Der Zweite Kongress erarbeitete die programmatische Grundlage für die Mobilisierung der Kräfte. Die Dritte Internationale kam in ihren Sektionen schon in Kontakt mit diesen Kräften, festigte sie und stand so vor den wichtigsten praktischen Fragen der revolutionären Bewegung. Deshalb wurde der Dritte Kongress, wie ich es nenne, die höchste Schule der revolutionären Strategie. Von Anfang an warf der Dritte Kongress die Frage auf, ob die grundlegende Haltung der Komintern auf ihrem Ersten und Zweiten Weltkongress richtig war. Und nach einer tiefgehenden und allseitigen Überprüfung der geschichtlichen Fakten und Tendenzen – denn Fakten als solche, getrennt und losgelöst von geschichtlichen Tendenzen bedeuten nicht viel – kam der Kongress zu der Schlussfolgerung, dass die Haltung richtig war, dass wir uns in der Ära der Entwicklung der Weltrevolution befinden.

Nach dem Krieg legte die Bourgeoisie ihre völlige Unfähigkeit bloß, die Faktoren der Wirtschaftsentwicklung, also genau die Grundlagen ihres Wesens, wieder ins Gleichgewicht zubringen. Die ganze Aufmerksamkeit der Bourgeoisie wurde darauf gerichtet, das Klassengleichgewicht zu bewahren; und mit großer Schwierigkeit schaffte sie es für die letzten drei Jahre, das instabile Klassengleichgewicht und das Gleichgewicht ihres staatlichen Überbaus zu bewahren. Der Dritte Weltkongress konzentrierte die Aufmerksamkeit aller Kämpfer in der Internationale gerade auf den Umstand, dass es bei der Behandlung des Tempos der Entwicklung notwendig ist, zwischen den Wirtschaftsfaktoren zu unterscheiden, die die tiefst sitzenden Grundlagen der Gesellschaft sind, und solchen zweitrangigen Faktoren wie der Politik, dem Parlamentarismus, Presse, Schule, Kirche und so weiter. Man darf sich nicht täuschen, dass eine Klasse, die im wirtschaftlichen Sinne historisch bankrott ist, gleichzeitig sozusagen automatisch ihre Herrschaftswerkzeuge verliert. Nein, im Gegenteil, lehrt uns die geschichtliche Erfahrung, dass immer, wenn eine herrschende Klasse, die jahrhundertelang an der Macht war, der Gefahr Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, ihre Macht zu verlieren, einen äußerst sensiblen Machtinstinkt entwickelt; und es ist gerade während der Epoche des wirtschaftlichen Niedergangs der Gesellschaftsordnung, die unter der Herrschaft dieser Klasse errichte wurde, dass die herrschende Klasse die äußerste Energie und den größten strategischen Scharfsinn beim Behalten ihrer politischen Stellung entwickelt. Das wird von den Marxisten für einen Widerspruch gehalten, die den Marxismus mechanisch oder, wie man sagt, metaphysisch anwenden; und für sie gibt es da wirklich einen Widerspruch. Für die, die die Geschichte durch ihr innere und dynamische Logik, durch das Wechselspiel ihrer verschiedenen Faktoren – durch die Wechselwirkung der wirtschaftlichen Basis auf die Klasse und letzterer auf die wirtschaftliche Basis – betrachten, ist es anders. Für jeden, der nicht durch die Schule des wirklichen Marxismus gegangen ist, wird es immer unverständlich bleiben, wie die Bourgeoisie nachdem sie von einer führenden wirtschaftlichen Klasse, zugegeben einer Klasse, die ausbeutet, aber die auch gleichzeitig organisiert, in eine völlig schmarotzerhafte Klasse und in eine im vollsten Sinne des Wortes konterrevolutionäre Klasse verwandelt wurde – wie gerade diese Bourgeoisie zu so einer Zeit von Kopf bis Fuß mit allen Mitteln und Methoden des Klassenkampfes bewaffnet ist, von der heuchlerischsten demokratischen Phrasendrescherei zur brutalsten und blutigsten Unterdrückung der Arbeiterklasse. Viele von uns stellten sich die Aufgabe des Sturzes der Bourgeoisie viel leichter vor als sie tatsächlich ist und als sie die Wirklichkeit uns jetzt gezeigt hat. Vor uns ist ein halb morscher Baum. Nichts wäre einfacher, als ihn einfach niederzureißen. Aber mit so einer Herangehensweise kommt man nicht sehr weit in dem schnellen Fluss der gesellschaftlichen Ereignisse. Durch die Konzentration aller Anstrengungen während der letzten Epoche nicht so sehr auf die Wiederherstellung der Wirtschaftsgrundlagen als auf die Wiederherstellung des Klassengleichgewichts hat die Bourgeoisie im politischen und strategischen Sinn sehr ernsthafte Erfolge eingefahren. Dies ist eine Tatsache, und es ist eben eine Tatsche, die sehr befriedigend für die Revolution ist. Denn hätte es die Bourgeoisie geschafft, auch die Grundlagen ihrer Herrschaft wiederherzustellen oder hätte sie auch nur einen einzigen Schritt in diese Richtung unternommen, dann wären wir gezwungen zu sagen: Ja, die Bourgeoisie hat es geschafft, die Hauptsäulen ihrer Klassenherrschaft wiederherzustellen. Die Aussicht für die Entwicklung der Revolution wäre in diesem Fall natürlich äußerst trübe. Aber es ist dies nun einmal nicht der Fall; sondern im Gegenteil treten alle Anstrengungen der Bourgeoisie, alle von ihr verausgabten Energien zur Aufrechterhaltung des Klassengleichgewichts, ausnahmslos auf Kosten des wirtschaftlichen Bodens, auf dem die Bourgeoisie beruht, auf Kosten ihrer wirtschaftlichen Basis auf.

Die Bourgeoisie und die Arbeiterklasse befinden sich so auf einem Boden, der unseren Sieg unvermeidlich macht – natürlich nicht im astronomischen Sinne, nicht unausweichlich wie den Untergang und Aufgang der Sonne, aber unvermeidlich im historischen Sinne, in dem Sinne, dass wenn wir nicht den Sieg erringen, die ganze Gesellschaft und die ganze menschliche Kultur dem Untergang geweiht ist. Die Geschichte lehrt uns das. So ging die antike römische Zivilisation unter. Die Klasse der Sklavenhalter erwies sich als unfähig, zur weiterer Entwicklung zu führen. Sie verwandelte sich in eine absolut schmarotzerhafte und zerfallende Klasse. Es gab keine andere Klasse, sie zu ersetzen und die antike Zivilisation ging unter. Wir beobachten entsprechende Abläufe auch in der modernen Geschichte, zum Beispiel den Niedergang Polens gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als die herrschende Feudalklasse sich überlebt hatte, während die Bourgeoisie immer noch zu schwach war, um die Macht zu ergreifen. Als Ergebnis zerfiel der polnische Staat. Als Krieger der Revolution sind wir überzeugt – und die objektiven Fakten stützen uns – dass wir als Arbeiterklasse, dass wir als Kommunistische Internationale nicht nur unsere Zivilisation retten werden, das Jahrhunderte alte Ergebnis hunderter Generationen, sondern sie auch auf viel höhere Entwicklungsniveaus heben werden. Aber vom Standpunkt der reinen Theorie ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Bourgeoisie, die mit ihrem Staatsapparat und ihrer ganzen aufgehäuften Erfahrung bewaffnet ist, weiterhin die Revolution bekämpfen kann bis sie der modernen Zivilisation jedes Atom ihres Lebens entzogen hat, bis sie die moderne Menschheit in einen Zustand des Zusammenbruchs und Niedergangs für eine lange Zeit gestoßen hat.

Mit all dem vorigen wollte ich einfach sagen, dass die Aufgabe des Sturzes der Bourgeoisie, vor der die Arbeiterklasse steht, nicht mechanisch ist. Es ist eine Aufgabe, die für ihre Erfüllung fordert: revolutionäre Energie, politischen Scharfsinn, Erfahrung, eine breite Vorstellungskraft, Entschlossenheit, Heißblütigkeit, aber gleichzeitig einen klaren Kopf. Es ist eine politische, revolutionäre, strategische Aufgabe. Gerade im Verlauf des letzten Jahres hat uns eine Partei eine sehr lehrreiche Lehre in dieser Hinsicht gegeben. Ich meine die italienischen Sozialistische Partei, deren offizielles Organ Avanti (Vorwärts) heißt. Ohne die komplexen taktischen Fragen in Bezug auf den Kampf und den Sieg zu analysieren, ohne ein klares Bild der konkreten Umstände dieses Kampfes, stürzte sich die italienische Partei in ausgedehnte revolutionäre Agitation und trieb die italienischen Arbeiter an – avanti! Vorwärts! Die Arbeiterklasse in Italien zeigte, dass das Blut in ihren Adern heiß genug zirkuliert. Alle Parolen der Partei wurden von ihr ernst genommen, sie gingen vorwärts, sie besetzten die Fabriken, Werke, Bergwerke und so weiter. Aber sehr bald danach waren sie gezwungen, einen schrecklichen Rückzug zu machen und wurden dadurch für eine ganze Periode völlig von der Partei getrennt. Die Partei hatte sie verraten – nicht in dem Sinne dass sich bewusste Verräter in der italienischen sozialistischen Partei verbergen, nein, niemand würde das sagen. Aber in ihr verbargen sich Reformisten, die durch ihr ganzes geistiges Erscheinungsbild den wirklichen Interessen der Arbeiterklasse feindlich sind. In ihr verbargen sich auch Zentristen, die kein Verständnis der inneren Bedürfnisse einer wirklich revolutionären Arbeiterbewegung hatten und haben. Wegen all dem verwandelte sich die ganze Partei in ein Werkzeug einer völlig abstrakten und ziemlich oberflächlichen revolutionären Agitation. Aber die Arbeiterklasse war wegen ihrer Stellung gezwungen, diese Agitation ernst zu nehmen. Sie zog die äußersten revolutionären Schlussfolgerungen aus dieser Agitation und erlitt als Ergebnis eine grausame Niederlage. Dies bedeutet, dass hier das völlige Fehlen von Taktik in der breitesten Bedeutung des Wortes sich zeigte, oder, um die selbe Idee in militärischen Begriffen auszudrücken, das völlige Fehlen von Strategie. Und jetzt kann man sich vorstellen – all dies ist natürlich reine Theorie und soll unserer großartigen jungen Kommunistischen Partei Italiens keine solche Idee unterschieben – ist es möglich, sage ich, sich vorzustellen, dass diese Partei verkünden kann: Nach so einer schrecklichen Niederlage, nach so einem Verrat auf der Seite der alten Sozialistischen Partei müssen wir Kommunisten, die wirklich bereit sind, die extremsten Schlussfolgerungen zu ziehen, sofort anfangen, die revolutionäre Rache zu nehmen; wir müssen heute schon die Arbeiterklasse in die Offensive gegen die Hochburgen der kapitalistischen Gesellschaft ziehen.

Der Dritte Kongress wog diese Frage theoretisch und praktisch ab und sagte: Wenn gegenwärtig, unmittelbar nach der Niederlage als Ergebnis des Verrats der Sozialistischen Partei die Komintern der italienischen Partei die Aufgabe stellen würde, sofort in die Offensive zu gehen, würde sie einen fatalen strategischen Fehler machen, weil dieser entscheidende Kampf eine entsprechende Vorbereitung braucht. Diese Vorbereitung, Genossen, besteht nicht darin, Geld für die Parteikasse über einen Zeitraum von Jahrzehnten einzusammeln, auch nicht darin, die Zahl der Abonnenten für die ehrwürdige sozialdemokratische Presse zu sammeln und so weiter. Nein, Vorbereitung – besonders in einer Epoche wie unserer, wo die Stimmung der Massen sich schnell ändert und hebt – erfordert nicht Jahrzehnte, vielleicht nicht einmal Jahre, sondern nur ein paar Monate. Im Allgemeinen ist es ein ziemlich mieses Geschäft, Zeiträume vorherzusagen; aber nach allem ist eines klar: wenn wir heute von Vorbereitung sprechen, hat es eine völlig andere Bedeutung als es in der organischen Epoche der schrittweisen wirtschaftlichen Entwicklung hatte. Vorbereitung für uns bedeutet die Schaffung solcher Bedingungen, die uns die Sympathie der breitesten Massen sichern würden. Wir können unter keinen Umständen diesen Faktor fallen lassen. Die Idee, den Willen der Massen durch die Entschlossenheit der sogenannten Vorhut zu ersetzen, ist völlig unzulässig und unmarxistisch. Durch das Bewusstsein und den Willen der Vorhut ist es möglich, Einfluss auf die Massen auszuüben, es ist möglich, ihr Vertrauen zu erlangen, aber es ist unmöglich, die Massen durch diese Vorhut zu ersetzen. Und aus diesem Grund hat der Dritte Kongress allen Parteien als die wichtigste und unaufschiebbarste Aufgabe die Forderung gestellt, dass die Mehrheit des werktätigen Volkes auf unsere Seite gezogen werden soll.

Es wurde hier darauf hingewiesen, dass der Genosse Lenin in einer seiner Reden auf dem Kongress gesagt hatte, dass auch eine kleine Partei unter gewissen Bedingungen die Mehrheit der Arbeiterklasse mit sich ziehen kann. Das ist völlig richtig Die Revolution ist eine Verbindung objektiver Faktoren, die unabhängig von uns sind, und subjektiver Faktoren, die mehr oder weniger von uns abhängen. Die Geschichte funktioniert nicht immer, oder genauer; die Geschichte funktioniert fast nie so, dass sie erst die objektiven Bedingungen vorbereitet, wie man zum Beispiel zuerst den Tisch deckt und sich dann die Gäste hinsetzen. Die Geschichte zögert nicht, bis die entsprechende Klasse, in unserem Fall das Proletariat, sich organisiert, ihr Bewusstsein klärt und ihren Willen stählt, um sie dann freundlich einzulassen, die Revolution auf der Grundlage dieser gesellschaftlich und wirtschaftlich reifen Bedingungen zu vollenden. Nein, die Dinge geschehen anders. Die objektive Notwendigkeit der Revolution kann schon gegeben sein. Die Arbeiterklasse – wir sprechen jetzt nur von dieser Klasse, denn uns interessiert nur die proletarische Revolution – mag aber noch nicht voll vorbereitet sein, während die Kommunistische Partei natürlich nur ein unbedeutende Minderheit der Arbeiterklasse umfassen mag. Genossen, was wird dann geschehen? Es wird eine sehr langgezogene und blutige Revolution gebe und genau im Verlauf der Revolution werden die Partei und die Arbeiterklasse das nachholen, was ihnen am Anfang fehlte.

Dies ist die gegenwärtige Lage. Und wenn es daher wahr ist – und es ist wahr – dass unter gewissen Bedingungen selbst eine kleine Partei die führende Organisation nicht nur der Arbeiterbewegung, sondern auch der Arbeiterrevolution werden kann, dann kann dies nur unter der Voraussetzung geschehen, dass diese kleine Partei in ihrer geringen Größe keinen Vorteil, sondern ein großes Unglück sieht, das so schnell wie möglich überwunden werden muss.

An dem Kongress nahmen gewisse Genossen teil, die winzigste Parteien vertraten, zum Beispiel die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD). Diese Partei ist revolutionär, sogar sehr revolutionär, daran haben wir keinerlei Zweifel. Und wenn die Revolution darin bestünde, dass die KAPD ihren großartigen revolutionären Willen zur Aktion zum Ausdruck brächte, und wenn so eine Demonstration reichte, um die deutsche Bourgeoisie auf die Knie zu bringen, dann wäre die Revolution in Deutschland schon lange vollendet. Aber die demonstrative Aktion einer revolutionären Sekte ist nicht genug. Die Vertreter der KAPD haben gesagt, was der Genosse Lenin zugegebenermaßen auch gesagt hat, nämlich: dass eine kleine Partei sich zu einer führenden Rolle erheben kann. Und dies ist wirklich so. Aber in diesem Fall kann so eine kleine Partei keine kleine Sekte sein, die im Kampf gegen eine viel größere revolutionäre Partei steht, der Partei der Arbeiterklasse, und die ihre geringe Größe als große historische Überlegenheit betrachtet. So eine Partei kann nie eine führende Partei der Arbeiterklasse werden. Das ist der ganze Kern der Sache.

Und so verkündete der Dritte Kongress als die Aufgabe der Stunde – Vorbereitung. Im Zusammenhang damit war er gezwungen, gewissen Gruppen und gewissen Genossen zuzuflüstern und ihnen manchmal auch zuzuschreien, dass sie sich etwas zurückfallen lassen sollen, dass sie einen strategischen Rückzug machen sollen, indem sie durch das Eingraben an einer gewissen politischen Linie Vorbereitungen für eine wirkliche Offensive unternehmen. Jetzt, Genossen, war dieser Rat, der in einen Befehl verwandelt wurde, wirklich notwendig? Oder stellt er vielleicht schon den Beginn des Niedergangs der Dritten Internationale dar, wie manche behaupten? Ich glaube, dass es eine dringende Notwendigkeit gab, diesen Rat gewissen Gruppen, gewissen Organisationen und gewissen Genossen zu geben. Denn ich wiederhole, es war unter gewissen Gruppen – und ich beziehe mich hier nicht nur auf die KAPD, sondern auf viel größere Parteien und auf Tendenzen in großen Parteien – ein wirklicher Wille zur Revolution sichtbar, etwas was man in Westeuropa eine lange Zeit lang nicht gesehen hatte. In dieser Hinsicht kann man einen großen, einen gewaltigen Fortschritt vom Ersten Kongress zum Dritten feststellen. Wir haben große Parteien mit einem klar ausgedrückten Willen zur revolutionären Aktion, und ohne diesen Willen ist es unmöglich, eine Revolution zu machen – in dem Sinne, in dem eine Partei eine Revolution machen kann. Aber unter gewissen Gruppen, gewissen Journalisten und sogar gewissen Führern herrschten Ansichten bezüglich der Methoden dieser Revolution vor, die zu vereinfacht sind. Sie sind sich wahrscheinlich bewusst, dass die sogenannte Offensivtheorie aufgestellt wurde. Was ist der Kern dieser Theorie? Ihr Kern ist, dass wir in die Epoche des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft eingetreten sind, mit anderen Worten, die Epoche, wo die Bourgeoisie gestürzt werden muss. Wie? Durch die Offensive der Arbeiterklasse. In dieser rein abstrakten Form ist dies fraglos richtig. Aber gewisse Personen haben versucht, diese theoretische Kapital in entsprechenderes Kleingeld umzutauschen und sie haben erklärt, dass diese Offensive aus einer aufeinanderfolgenden Reihe kleinerer Offensiven besteht. So entstand die Theorie, deren klarster Vertreter die Wiener Zeitung Kommunismus ist – die Theorie der reinen Offensive wegen des revolutionären Charakters der Epoche.

Genossen, die Analogie zwischen dem politischen Kampf der Arbeiterklasse und Militäroperationen wurde oft missbraucht. Aber bis zu einem gewissen Punkt kann man hier von Ähnlichkeiten sprechen. Im Bürgerkrieg muss eine von zwei einander bekämpfenden Seiten unausweichlich als Siegerin hervorgehen; denn der Bürgerkrieg unterscheidet sich vom nationalen Krieg darin, dass in letzterem ein Kompromiss möglich ist: man kann dem Feind einen Teil des Gebiets abtreten; man kann ihm eine Entschädigung zahlen, ein Abkommen mit ihm treffen. Aber im Bürgerkrieg ist dies unmöglich. Hier muss die eine oder die andere Klasse um jeden Preis siegen. Sowjetrussland war von der Konterrevolution umgeben und daher musste unsere Strategie notwendig in der siegreichen Offensive bestehen. Wir waren gezwungen, unsere Randgebiete von der Konterrevolution zu befreien. Aber wenn wir uns heute an die Geschichte unseres Kampfes erinnern, finden wir, dass wir ziemlich häufig Niederlagen erlitten. In militärischer Hinsicht hatten wir auch unsere – deutsch gesprochen – Märztage; und – italienisch gesprochen – Septembertage. Was passierte nach einer Teilniederlage? Es setzt eine gewisse Störung des Militärapparats ein, eine gewisse Notwendigkeit für eine Atempause entsteht, eine Notwendigkeit der Umorientierung und für eine präzisere Schätzung der jeweiligen Kräfte, eine Notwendigkeit, die Verluste auszugleichen und den Massen das Bewusstsein der Notwendigkeit einer neuen Offensive und eines neuen Kampfes zu geben. Manchmal wird all dies unter den Bedingungen eines strategischen Rückzugs möglich. Den Soldaten – besonders wenn es Soldaten einer klassenbewussten revolutionären Armee sind – wird dies offen gesagt. Ihnen wird gesagt, wir müssen diese und diese Punkte aufgeben, diese und diese Städte und Gebiete, und uns hinter die Wolga zurückziehen, um dort unsere Stellung zu festigen und im Verlauf von drei oder vier Wochen oder vielleicht mehreren Monaten unsere Reihen umorganisieren, unsere Verluste ausgleichen und dann zu einer neuen Offensive übergehen. Ich muss gestehen, dass während der ersten Periode unseres Bürgerkrieges die Idee des Rückzugs immer sehr schmerzhaft für alle von uns war und sehr deprimierte Stimmungen unter den Soldaten erzeugt. Ein Rückzug ist eine Bewegung. Ob man einen Schritt vorwärts oder einen Schritt rückwärts macht, hängt ganz von den Erfordernissen den Augenblicks ab. Für den Sieg ist es manchmal erforderlich, sich vorwärts zu bewegen, manchmal sich rückwärts zu bewegen.

Aber das richtig zu verstehen, in einer Bewegung rückwärts, einem Rückzug einen Bestandteil eines einheitlichen strategischen Plans zu verstehen – dafür ist eine gewisse Erfahrung notwendig. Wenn man nur rein abstrakt argumentiert und immer darauf besteht, sich vorwärts zu bewegen, wenn man sich weigert, sich den Kopf über Strategie zu zerbrechen in der Annahme, dass alles durch eine zusätzliche Anstrengung von revolutionärem Willen überwunden werden kann, was für Ergebnisse kriegt man dann? Nehmen wir zum Beispiel die Septemberereignisse in Italien und die Märzereignisse in Deutschland. Uns wird gesagt, dass die Lage in diesen Ländern nur durch eine neue Offensive geheilt werden kann. In den Märztagen – ich sage dies ganz offen – hatten wir nicht mal ein Fünftel oder Sechstel der Arbeiterklasse hinter uns und wir erlitten eine Niederlage in einem rein praktischen Sinn, das heißt: wir eroberten die Macht nicht – beiläufig setzte sich die Partei nicht einmal dieses Ziel – wir lähmen die Konterrevolution auch nicht. Dies ist unleugbar eine praktische Niederlage. Aber wenn wir heute in Übereinstimmung mit obiger Offensivtheorie sagen würden: nur eine neue Offensive kann die Lage klären, was bekommen wir dadurch? Wir werden hinter uns nicht mehr ein Sechstel der Arbeiterklasse haben, sondern nur den Teil des früheren Sechstels, der kampffähig geblieben ist. In der Tat erlebt man nach einer Niederlage immer eine gewisse Depression, die natürlich nicht für immer anhält, aber eine Weile. Unter diesen Umständen würden wir eine noch größere und noch gefährlichere Niederlage erleiden. Nein, Genossen, nach so einer Niederlage müssen wir uns zurückziehen. In welchem Sinn? Im einfachsten Sinn. Wir müssen der Arbeiterklasse sagen: ja, Genossen, auf der Grundlage der Tatsachen wurden wir überzeugt, dass wir in diesem Kampf nur ein Sechstel der Arbeiterklasse hinter uns hatten. Aber wir müssen mindestens vier Sechstel oder zwei Drittel sein um ernsthaft über Sieg nachzudenken; und zu diesem Zweck müssen wir die geistigen, seelischen, materiellen und organisatorischen Kräfte schützen, die unsere Verbindungen zur Klasse sind. Vom Standpunkt des Offensivkampfes aus bedeutet das einen strategischen Rückzug zum Zwecke der Vorbereitung. Es ist absolut unwichtig, ob man dies nach links gehen oder nach rechts gehen nennt. Es hängt alles davon ab, was man mit diesen Worten meint. Wenn unter links eine formale Bereitschaft verstanden wird, in jedem Augenblick vorwärts zu gehen und die schärfsten Kampfformen anzuwenden, dann stellt dies natürlich einen Trend nach rechts dar. Aber wenn die Worte „linke Partei” oder „linke Tendenzen” in einem tieferen historischen Sinn verstanden werden, in einem dynamischen Sinn, im Sinn einer Bewegung, die sich das größte Ziel der Epoche setzt und es mit den besten Mitteln verwirklicht, dann wird dies einen Schritt vorwärts in die Richtung der linken revolutionären Tendenz darstellen. Aber verschwenden wir unsere Zeit nicht mit solcher Sprachforschung. Denn die, die über Worte nörgeln und sagen, dass der Kongress einen Schritt nach rechts gemacht habe, von denen fordern wir, dass sie uns eine genaue Definition geben, was sie mit rechts oder links meinen.

Man braucht hier nicht zu behandeln, dass manche äußerst klugen Genossen eine Hypothese aufgestellt haben, nach der die Russen die Hauptschuld an der gegenwärtigen „rechten Tendenz” hätten, weil die Russen jetzt in Handelsbeziehungen zu westlichen Staaten eingetreten sind und sich sehr sorgen, dass diese Beziehungen durch die europäische Revolution und ähnliche Unannehmlichkeiten unterbrochen werden. Ich habe diese Hypothese nicht selbst, sozusagen aus erster Hand gehört, aber es gab ein bösartiges Gerücht, dass es herausragende Theoretiker der geschichtlichen Entwicklung gibt, die ihre Loyalität zum Geist von Marx so weit ausdehnen, dass sie wirtschaftliche Grundlagen auch für diese rechte russische Tendenz suchen. Es scheint mir, Genossen, dass sie in eine Sackgasse geraten sind. Denn selbst von einem reinen Faktenstandpunkt müssten wir natürlich anerkennen, dass die Revolution in Deutschland, in Frankreich, in England uns die größten Vorteile bringen würde, weil unsere ziemlich kleinen Handelsbeziehungen zum Westen uns nie solche Hilfe geben werden, wie wir sie von der siegreichen proletarischen Revolution erhalten würden. Die Revolution würde uns zuerst von der Notwendigkeit befreien, eine Armee von mehreren Millionen in unserem Lande aufrechtzuerhalten, das wirtschaftlich so ruiniert ist; und dieser Umstand allein würde uns die größte Erleichterung und gleichzeitig die Möglichkeit von wirtschaftlichem Aufbau geben.

Und so ist diese Hypothese völlig wertlos. Und in dieser Hinsicht unterscheidet sie sich in keiner Weise von der anderen Behauptungen wonach die russische Kommunistische Partei angeblich darauf bestand, künstlich eine Revolution in Deutschland im März zu provozieren – damit Russland mit seinen inneren Schwierigkeiten fertig werden. Diese Behauptung ist genauso Unsinn. Denn eine Teilrevolution, ein Aufstand in einem einzigen Land, kann uns keine Hilfe geben. Wir leiden unter der Zerstörung der Produktivkräfte als Ergebnis des imperialistischen Krieges, des Bürgerkrieges und der Blockade. Hilfe kann nur durch Versendungen von technischen Hilfskräften in großem Stil kommen, durch die Ankunft hochqualifizierter Arbeiter, Lokomotiven, Maschinen und so weiter. Aber in keinem Fall von einem erfolglosen Teilaufstand in diesem oder jenem Land. Dass sich Sowjetrussland nur im Falle der Weltrevolution wird halten und entwickeln können – das Genossen, kann man in buchstäblich allem lesen, was wir je geschrieben haben. Sie können sich selbst überzeugen, dass wir vor fünfzehn Jahren schrieben, dass durch die Kraft der inneren Logik des Klassenkampfes in Russland die russische Revolution unausweichlich die russische Arbeiterklasse an die Macht bringen werde; aber dass diese Macht nur in Form der siegreichen sozialistischen Diktatur stabilisiert und gefestigt werden kann, wenn sie als Ausgangspunkt der Weltrevolution des internationalen Proletariats dient und ihr integraler Teil bleibt. Diese Wahrheit behält ihre volle Kraft bis heute. Und aus diesem Grund kann Russland wie jedes andere Land nur an der inneren logischen Entwicklung der revolutionären Kräfte des Proletariats interessiert sein; und überhaupt nicht an der künstlichen Beschleunigung oder Verlangsamung der Bewegung.

Manche Genossen haben die Furcht ausgedrückt, dass wir durch die Formulierung der Frage auf diese Weise Wasser auf die Mühlen der zentristischen und passiven Elemente in der Arbeiterbewegung gießen. Diese Ängste scheinen mir auch völlig grundlos zu sein. Erstens weil die Prinzipien, auf denen unsere Tätigkeit beruht, die bleiben, die wir auf dem Ersten Kongress annahmen, die theoretisch im Detail auf dem Zweiten Kongress ausgearbeitet wurden und die vom Dritten Kongress bekräftigt, ausgedehnt und mit konkretem Inhalt gefüllt wurden. Diese Prinzipien bestimmen die ganze Tätigkeit der Kommunistischen Internationale. Wenn während der Epoche des Ersten und Zweiten Kongresses wir die reformistischen und zentristischen Tendenzen theoretisch verurteilten, dann reicht dies heute nicht länger aus. Heute müssen wir einen revolutionäre Strategie ausarbeiten, um diese von uns verurteilten Tendenzen in der Praxis zu überwinden. Das ist der ganze Kern der Sache. Und auch in dieser Hinsicht haben manche Kommunisten eine übervereinfachte und daher falsche Herangehensweise. Sie stellen sich vor, dass revolutionäre Ergebnisse erlangt werden, indem man unermüdlich wiederholt, dass wir unversöhnliche Feinde aller und jeder zentristischen Tendenz sind. Natürlich bleiben wir das. Jeder Schritt zur Versöhnung mit der passiven Tendenz des Zentrismus und Reformismus würden den völligen Zerfall unserer ganzen Bewegung bedeuten. Die Frage liegt nicht darin, sondern vielmehr darin, welchen Aktionsverlauf wir verfolgen sollten, um uns theoretisch und organisatorisch von allen zentristischen Tendenzen abzugrenzen, die auftreten können. Dies ist ABC. Es wäre lächerlich, in einen Streit darüber innerhalb der Kommunistischen Internationale einzutreten. Meinungsverschiedenheiten sollten nur über die Frage aufkommen, ob wir die zentristischen Elemente aus dieser oder jener Partei einfach ausschließen sollen oder ob es passender ist, eine Weile zu warten und ihnen die Gelegenheit zu geben, sich in eine revolutionäre Richtung zu entwickeln. Solche praktischen Meinungsverschiedenheiten sind in jeder aktiven Partei unvermeidlich. Aber die prinzipielle Anerkennung der Notwendigkeit, einen Kampf auf Leben und Tod gegen den Zentrismus zu führen, ist eine Voraussetzung für die revolutionäre Entwicklung der Kräfte der Kommunistischen Partei und der Arbeiterklasse. Dies steht nicht in Frage. Diese Frage auf die selbe Stufe zu stellen wie praktische Fragen der revolutionären Strategie – dies kann nur von denen gemacht werden, die nicht voll verstanden haben, was den Kern der revolutionären Fragen auf dem Dritten Kongress ausmachte.

Unsere Gegner im zentristischen Lager werden natürlich versuchen, was wir gesagt haben, zu ihrem Vorteil zu wenden. Sie werden sagen: Schaut an dieser und jener Stelle haben sie Parolen für eine entscheidende Offensive ausgegeben, aber jetzt hat der Dritte Kongress die Notwendigkeit eines strategischen Rückzugs verkündet. Es ist natürlich und unvermeidlich, dass eine Seite aus jedem Schritt, den die andere Seite macht, Vorteil zu ziehen sucht. So stehen die Dinge im Krieg auch. Wenn während dem Bürgerkrieg Denikin oder Koltschak sich zurückzogen, schrieben wir immer in unseren agitatorischen Flugblättern: Schaut, statt über die Wolga zu kommen, haben sie sich zum Ural zurückgezogen. Wir schreiben, um die Moral der Krieger zu heben. Aber wenn wir aus dem Grund, dass unsere Gegner unseren Schritt als Rückzug interpretieren werden, folgern würden, dass wir diesen oder jene Schritt nicht machen sollten, dann würden wir das Wesentliche zweitrangigen und formalistischen Erwägungen opfern.

Ich habe voll in Betracht gezogen, wie äußerst schwierig es ist, die Strategie des vorübergehenden Rückzugs auf einem Jugendkongress zu verteidigen. Denn wenn jemand sich des Rechts und der inneren Notwendigkeit bewusst ist, eine Offensive zu machen, dann ist es die junge Generation der Arbeiterklasse. Wenn das nicht der Fall wäre, dann stünde es ziemlich schlecht um unsere Sache. Ich glaube, Genossen, dass es gerade Sie sind, die junge Generation, die bestimmt sind, die Revolution zu vollenden. Die gegenwärtige Revolution kann sich weiter Jahre und Jahrzehnte entfalten. Nicht in dem Sinne, dass ein entscheidender Kampf in Deutschland Jahrzehnte dauern wird. Nein, aber das selbe kann da passieren, was uns in Russland passierte. Wegen der geschichtlichen Bedingungen erlangten wir den Sieg sehr leicht, aber waren dann zu drei Jahren ununterbrochenem Bürgerkrieg gezwungen. Und selbst jetzt sind wir überhaupt nicht sicher, dass uns kein Krieg im Fernen Osten gegen Japan droht; oder meinetwegen auch im Westen. Nicht weil wir Krieg suchen, sondern weil die imperialistische Bourgeoisie weiter ständig ihre Methoden ändert. Zuerst bekämpfte sie uns mit militärischen Methoden, dann trat sie in Handelsbeziehungen mit uns, aber jetzt kann sie wieder zu kriegerischen Mitteln greifen. Wie sich die Entwicklungen in Deutschland und Frankreich entfalten werden, ist ziemlich schwer zu sagen. Aber dass die Bourgeoisie nicht plötzlich kapitulieren wird, ist ohne Zweifel. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die Revolution eines Tages in Europa und der Welt siegen wird. Die Perspektiven der Revolution sind grenzenlos, und die Endphase des Kampfes kann Jahrzehnte dauern. Aber was bedeutet das? Es bedeutet, dass gerade die junge Generation, die hier versammelt ist, von der Geschichte aufgerufen ist, unseren Kampf zum Abschluss zu bringe. Manche Arbeit wird vielleicht sogar Euren Kindern überlassen bleiben. Vergessen wir nicht, dass die Große Französische Revolution samt allen ihren Folgen mehrere Jahrzehnte dauerte.

So ist die taktische Schulung der kommunistischen Jugend eine Frage erstrangiger Bedeutung. In unserer Zeit muss die junge Generation schnell heranreifen, weil der Verschleiß von Menschenmaterial sehr schnell stattfindet. Wir beobachten dies in Russland; man beobachtet es auch in Deutschland; und in der Zukunft wird das noch schlagender zum Ausdruck kommen. Aus diesem Grund ist es von äußerster Bedeutung, dass die Jugendinternationale – wie es tatsächlich der Fall ist – eine äußerst ernsthafte Haltung gegenüber taktischen Fragen einnimmt. Es ist von äußerster Bedeutung, dass die Jugend unsere Taktik überprüft und kritisiert, und sogar notfalls nicht links genug findet. Aber sie darf unsere Taktik nicht als Erscheinung einer zufälligen Stimmung innerhalb einer einzelnen Partei oder Gruppe betrachten, sondern muss sie im Rahmen der angesammelten Aufgaben der revolutionären Bewegung insgesamt betrachten. Manche mögen bezüglich unserer Resolution über die Organisationsfrage sagen: Wohlgemerkt, es wird hier erklärt, dass die Zahl der Abonnenten der kommunistischen Zeitungen zunehmen muss, und dass die Korrespondenten und Mitarbeiter der kommunistischen Presse in den Arbeitervierteln gewonnen werden müssen. Es wird hier gesagt, dass es notwendig ist, sich auf die Arbeit der Ausdehnung unserer Organisation zu konzentrieren, und die kommunistischen Kerne in den Gewerkschaften zu festigen. Sind das nicht unbedeutende Tätigkeiten, Tätigkeiten, die schrecklich an die sozialdemokratischen Parteien vor dem Krieg erinnern? Ja, das ist so, vorausgesetzt, dass man diese Frage aus dem geschichtlichen Zusammenhang reißt, vorausgesetzt, dass man nicht versteht, dass wir in einer Epoche leben, die in ihrem objektiven Inhalt revolutionär ist, und dass wir die Arbeiterklasse vertreten, die täglich überzeugter wird, dass sie ihre grundlegendsten Existenzbedingungen nur durch Revolution sichern kann. Aber wenn man all dies vergisst zusammen mit dem Umstand, dass wir in einem Kampf auf Leben und Tod mit den sozialdemokratischen und zentristischen Parteien und Gruppen um Einfluss in der Arbeiterklasse stehen, dann wird man natürlich ein ganz verzerrtes Bild der Tendenzen, Taktiken und organisatorischen Prinzipien des Dritten Kongresses bekommen.

Heute sind wir reif genug, nicht in allen unseren Aktionen durch unsere formale Opposition zu Reformisten und Zentristen blind zu sein. Die revolutionäre Aufgabe steht uns heute als praktische Aufgabe gegenüber. Und wir fragen uns: wie sollen wir uns bewaffnen? Welche Front sollten wir besetzen? An welcher Linie sollten wir unseren Schützengraben zur Verteidigung ziehen? Zu welchem Zeitpunkt sollten wir in die Offensive übergehen.

Wir dehnen unsere Organisationen aus. Ob diese Ausdehnung im Feld der Veröffentlichung von Zeitungen oder sogar im Feld des Parlamentarismus stattfindet, hat heute nur insoweit Bedeutung, als es die Bedingungen für den Sieg des revolutionären Aufstands schafft. Wie könnten wir tatsächlich in einer stürmischen Periode des proletarischen Massenaufstands die Einheit der Ideen und Parolen sichern ohne ein ausgedehntes Netzwerk von Korrespondenten, Mitarbeitern und Lesern der revolutionären Zeitungen? Und während Zeitungsabonnenten und -korrespondenten ihrer Zeitungen für eine sozialdemokratische Partei als Voraussetzung für ihre parlamentarischen Erfolge wichtig sind, ist für uns Kommunisten der selbe Typ Organisation wichtig als praktische Voraussetzung für den Sieg der Revolution.

Nach diesem Kriterium ist der Dritte Kongress ein gigantischer Schritt vorwärts im Vergleich zum Ersten und Zweiten Kongress. Zu jener Zeit, besonders in der Ära des Ersten Kongresses, konnte man noch hoffen, dass der bürgerliche Staatsapparat durch den Krieg so desorganisiert war, dass wir die bürgerliche Herrschaft durch einen einzigen spontanen revolutionären Ansturm stürzen könnten. Wenn das passiert wäre, hätten wir uns natürlich gratulieren können. Aber dies passierte nicht. Die Bourgeoisie schaffte es, dem Ansturm der spontanen revolutionären Massenbewegung standzuhalten. Die Bourgeoisie schaffte es, ihre Stellungen zu behaupten; sie hat ihren Staatsapparat wieder hergestellt und sie hat fest die Hand auf die Armee und Polizei gelegt. Dies sind unbestreitbare Tatsachen und sie stellen uns die Aufgabe des Sturzes des wiederhergestellten Staatsapparats durch Mittel einer durch und durch organisierten revolutionären Offensive – einer Offensive im historischen Sinn des Wortes, einer Offensive, die sowohl vorübergehende Rückzüge als auch vorbereitende Zwischenspiele einschließt.

Die Aufgabe der Kommunistischen Partei besteht in der Anwendung aller möglichen Kampfmethoden. Wenn sie nicht gebraucht würden, wenn das Proletariat die Bourgeoisie durch einen einzigen stürmischen Ansturm stürzen könnte, bräuchte man keine Kommunistische Partei. Sowohl die Tatsache, dass sich diese Aufgabe jetzt im Weltmaßstab als praktische Aufgabe stellt und dass der Dritte Weltkongress nach langen und ziemlich erhitzten Diskussionen zu einer einmütigen Formulierung dieser Aufgabe gekommen ist – dies Genossen, ist die höchste Tatsache unserer Epoche, die Tatsache, dass eine internationale kommunistische Arbeiterpartei besteht, die einen strategischen Plan für die Vernichtung der bürgerlichen Gesellschaft praktisch ausarbeiten und einmütig beschießen kann. Und wenn Sie mit manchen Dingen unzufrieden sind – meiner Meinung nach zu Unrecht – dann müssen Sie auf jeden Fall ihre Unzufriedenheit in den Rahmen dieser großen Tatsache, dieses großen Sieges eingliedern. Wenn Sie dies machen, wird Kritik, die von der Jugendinternationale kommt, nicht als Bremse, sondern als fortschrittlicher Faktor kommen.

Es ist möglich, dass die größten Entscheidungsschlachten im nächsten Jahr stattfinden. Es ist möglich, dass die Vorbereitungsperiode in Schlüsselländern bis zum nächsten Kongress dauern kann. Es ist unmöglich, das Datum und die Dauer politischer Ereignisse vorauszusagen. Der Dritte Kongress war die höchste Schule strategischer Vorbereitung. Und es kann sein, dass der Vierte Kongress das Signal für die Weltrevolution geben wird. Wir können das noch nicht sagen. Aber dies wissen wir: wir haben einen großen Schritt vorwärts gemacht und wir werden alle von diesem Kongress reifer zurückkehren als wir hingekommen sind. Dies ist völlig klar, und ich hoffe, nicht für mich allein, sondern für alle von uns. Und wenn die Stunde der großen Kämpfe schlägt, wird in ihnen die Jugend eine große Rolle spielen. Wir brauchen bloß an die Rote Armee zu denken, in der die Jugend eine entscheidende Rolle spielte, nicht nur im politischen, sondern auch im rein militärischen Sinne. Was ist tatsächlich die Rote Armee, Genossen? Sie ist nichts als die bewaffnete und organisierte Jugend Russlands. Was machten wir, wenn wir eine Offensive machen mussten? Wir appellierten an die Jugendorganisationen und diese Organisationen führten die Mobilisierung durch. Hunderttausende junger Arbeiter und Bauern kamen zu uns und wir gliederten sie als Kerne in unsere Regimenter ein. So wurde die Moral der Roten Armee aufgebaut. Und wenn wir den selben Typ Jugend in der Kommunistischen Internationale bekommen – was wir werden – wenn in den Tagen der entscheidenden Kämpfe die Jugend in organisierten Regimentern in unsere Reihen strömt, dann werden Sie in der Lage sein, zum Nutzen der Arbeiterbewegung alles zu nutzen, was uns jetzt von der „alten” Internationale trennt – nicht so sehr im Geist als in der Reife des Verstands.

Genossen, während der gefährlichsten Tage der russischen Revolution, als Judenitsch vor Petrograd stand und während der harten Tage von Kronstadt, als diese Festung fast in eine Festung des französischen Imperialismus gegen Petrograd verwandelt wurde, war es die russische Arbeiter- und Bauernjugend, die die Revolution rettete. In der bürgerlichen Presse könnt ihr lesen, dass wir chinesische, kalmückische und andere Regimenter gegen Judenitsch und Kronstadt schickten. Das ist natürlich eine Lüge. Wir schickten unsere Jugend. Die Erstürmung Kronstadts war in der Tat symbolisch. Wie ich sagte, war Kronstadt drauf und dran, in die Hände des französischen und englischen Imperialismus überzugehen. Zwei oder drei Tage später, und die Ostsee wäre eisfrei gewesen und die Kriegsschiffe der ausländischen Imperialisten hätten in die Häfen von Kronstadt und Petrograd einlaufen können. Wenn wir gezwungen gewesen wären, Petrograd aufzugeben, hätte es den Weg nach Moskau eröffnet, denn es gibt praktisch keine Verteidigungspunkte zwischen Petrograd und Moskau. Das war die Lage. An wen wandten wir uns? Kronstadt ist von allen Seiten von Meer umgeben, und das Meer war von Eis und Schnee bedeckt. Man musste, klar gesagt, auf Eis und Schnee gegen eine Festung marschieren, die mit Artillerie und Maschinengewehre gut bestückt war. Wir wandten uns an unsere Jugend, an die Arbeiter und Bauern, die in unseren Militärschulen militärisch ausgebildet wurden. Und auf unseren Ruf antworteten sie fest „Hier!” und sie marschierten offen und ungeschützt gegen die Artillerie und die Maschinengewehre von Kronstadt. Und wie vorher vor Petrograd waren jetzt auf dem Eis des finnischen Meerbusens viele Leichen von jungen russischen Arbeitern und Bauern zu sehen. Sie kämpften für die Revolution, sie kämpften, damit der gegenwärtige Kongress zusammentreten könnte. Und ich bin sicher, dass die revolutionäre Jugend Europas und Amerikas, die viel geschulter und entwickelter als unsere Jugend ist, in der Stunde der Not nicht weniger, sondern viel mehr revolutionäre Energie zeigen wird; und im Namen der russischen Roten Armee sage ich: Hoch die internationale revolutionäre Jugend – die Rote Armee der Weltrevolution!

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