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Leo Trotzki 19221107 Rede auf der Ehrenparade für die Kommunistische Internationale

Leo Trotzki: Rede auf der Ehrenparade für die Kommunistische Internationale

[Eigene Übersetzung nach The first five years of the Communist International, Band 2. London 1974, S. 217-219]

Genossen Delegierte des Weltkongresses, Arbeitende Männer und Frauen Moskaus, rote Soldaten, Rote Matrosen, Kommandeure und Kommissare!

Erneut begrüßen wir in den Mauern des Roten Moskaus unsere teuren Gäste, die gewählten und erwählten Vertreter der Weltarbeiterklasse. Es ist fünf Jahre, seitdem die Tore Moskaus weit für die Delegierten der proletarischen Weltrevolution geöffnet wurden. Fünf Jahre Kampf. Fünf Jahre Leiden und Opfer. Fünf Jahre Kampf für unser Recht, als Arbeiter- und Bauernregierung zu bestehen. Fünf Jahre Angriffe, Schläge und Verrat durch den Feind; fünf Jahre brüderliche Unterstützung durch unsere Freunde. Und selbst heute, am fünften Sowjet-Jahrestag haben wir nur mit einer führenden Macht normale Beziehungen – dem besiegten Deutschland. Wir bleiben bis heute nicht anerkannt. Aber wir haben die Anerkennung der Geschichte erhalten. Wir wurden mit Begeisterung aufgenommen und angenommen in der Familie der Weltarbeiterklasse. Heute sendet uns diese Klasse ihre überschwänglichen Grüße, die durch Bande vollständiger Solidarität besiegelt sind.

Wenn wir unsere Reihen überblicken, können wir mit ruhiger Gewissheit den Journalisten, den Politikern und allen Vertretern des anderen Lagers sagen: richtet eure erfahrenen Augen auf Moskau heute. Schaut, ob es einen Sprung zwischen der Sowjetmacht, der Roten Armee und dem arbeitenden Volk gibt – den Sprung, den unsre Feinde so gern zu einer Kluft und einem Abgrund vergrößern würden.

Nie waren die Sowjetregierung und die Arbeiterklasse so sehr in Harmonie wie heute, nach fünf Jahren Kampf und Leiden. Meine Herren Politiker des anderen Lagers, wenn Ihre Regierungen Zweifel bezüglich der Stärke des Sowjetregimes haben – richten Sie ihre Augen aufmerksam auf die Rehen der Roten Krieger, Arbeiter und Bauern, die heute über diesen Platz marschieren.

Wenn die Herren Kapitalisten hoffen, dass der Kapitalismus in unserem Land wiedergeboren werden wird, werden sie enttäuscht werden. Auf die Wiederherstellung des Kapitalismus in unserem Land würden sie bis zur zweiten Wiederkehr Christi warten müssen.

Wir werden heute die Delegierten begrüßen, die aus fünfzig Ländern in allen Teilen der Welt zu uns gekommen sind, die Vertreter der Werktätigen von ganz Europa, von Amerika, der Völker des Ostens, Afrikas und Australiens, die alle auf dem Kongress vertreten sind, und deren Augen auf dich gerichtet sind, Rote Armee. Und wir werden ihnen sagen und durch unsere heutige Feier zeigen, dass wir nicht nur geduldig und zuversichtlich die Beendigung des Befreiungskampfes der Werktätigen abwarten, sondern dass wir auch nicht die Hände in den Schoß gelegt haben. Wir haben unsere Organisation sowohl in militärischer als auch in ziviler Hinsicht verbessert; wir haben unermüdlich den Weg zu den Herzen der Arbeiterklasse gesucht, nicht nur der fortgeschrittenen Arbeiter, sondern auch der unwissenden, wenig klassenbewussten und niedergedrückten Arbeiter. Wir werden unseren Brüdern und Gästen sagen: Wir wissen, wie hart es ist, gegen das bis an die Zähne bewaffnete kapitalistische Europa zu kämpfen; wir wissen, was eure Bedingungen in diesem Kampf sind und wir sind bereit, unter unserem Roten Banner bereit zu stehen, die Festung der Sowjetrepublik zu bewachen, weil wir ganz genau wissen, dass unsere Politik richtig ist und zum Sieg führen wird.

Es liegen immer noch viele schwierige Stunden für Sowjetrussland bereit; es gibt immer noch viele Aufgaben, die durch die Sowjetmacht ungelöst sind; aber im Kampf haben wir für uns Frieden für eine lange kommende Zeit erreicht, und alle von uns sind bis auf den letzten Mann bereit, das Kriegsgerät zur Seite zu legen und uns an friedliche Arbeit zu machen – die schweren Wunden am Körper der Wirtschaft der Sowjetrepublik zu heilen. Wir wollten Frieden und wir hoffen, dass in diesem selben Monat in Moskau eine Konferenz der Staaten zusammenkommen wird, die gegen uns Krieg geführt haben, um über Abrüstung zu diskutieren. Wo immer Zusammenarbeit gebraucht wird, um den Frieden zu sichern, da wird die Sowjetmacht die erste sein, die die Hand hebt.

Wenn wir eine ehrliche und aufrichtige Antwort von denen erhalten, die wir eingeladen haben, um Frieden zu machen, dann würden alle von uns bis auf den letzten Mann mit freudigem Herzen die Rote Armee auf die Hälfte, ein Drittel und selbst ein Zehntel ihrer jetzigen Größe reduzieren. Und inzwischen warten wir, ohne die Hoffnungen auf das Erlangen des Friedens aufzugeben. Wir warten, ohne dass die Gewehre den Händen der Arbeiter und Bauern entgleiten.

Wir haben eine Prozession vieler Regierungen und vieler Minister abgesehen, die von ihren erhabenen Thronen die Sowjetmacht als eine Art Eintagsfliege betrachteten, etwas, was auf dem Kamm einer zufälligen Welle in die Geschichte geraten ist. Vor nicht so langer Zeit in Genua, als unsere Delegierten die Schaffung friedlicher Beziehungen und eine Verringerung der Rüstungen vorschlugen, antwortete Lloyd George, der Vertreter des kapitalistischen Englands stolz: „Schauen wir erst, was für Passagiere ihr seid und dann werden wir euch vielleicht an Bord nehmen.” Er schaute so lange auf uns, bis er sich die Zehe anstieß und selbst über Bord fiel.

Darum sage ich: viele schwierige Stunden liegen noch vor uns; mehr als einmal werden sich die Wolken über den Köpfen der Arbeiterklasse zusammenziehen, aber wir wissen, dass sich die Wolken verstreuen werden, wenn die Zeit kommt. Zwei Tage vor dieser Feier hat der Nebel ganz Moskau in Weiß getaucht, aber der Sowjetkalender stimmt. Wir sehen jetzt die Roten Fahnen vor dem blauen Himmel fliegen. Selbst die Sonne ist am Feiertag des Fünften Jahrestages der Oktoberevolution herausgekommen. Wir wissen, dass bald die Morgenröte der strahlenden unauslöschlichen Sonne der menschlichen Brüderlichkeit, der friedlichen Arbeit und überlegenen Kultur kommen wird. Wir werden nicht kapitulieren und die Sowjetrepublik wird mächtig werden.

In ihrem Namen und im Namen aller Teilnehmer der heutigen Demonstration schlage ich vor, dass wir unsere Gäste mit einem einmütigen und brüderlichen „Hoch!” begrüßen. Hurra!

(Zum Schluss der Rede des Genossen Trotzki rollt ein donnerndes „Hoch!” über den Roten Platz, ein Hoch, in das die Stimmen aller Militäreinheiten und der endlosen Kolonnen der Demonstranten einstimmen.)

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