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Leo Trotzki 19221202 Schlusswort zur Diskussion über die französische Frage

Leo Trotzki: Schlusswort zur Diskussion über die französische Frage

(2. Dezember 1922)

[29. Sitzung, Protokoll des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1923, S. 878-880)

TROTZKI: Ich möchte bloß über drei wesentliche Punkte einige Worte sagen:

1. Ich sehe mich genötigt, in der Deklaration unseres Genossen Renaud Jean, in der er über die Designierung der Mitglieder des Zentralkomitees durch den Weltkongress spricht, einen Ausdruck richtig zu stellen, der zu Missverständnissen führen könnte.

Wenn sich diese meiner Ansicht nach schlechte Formulierung in dieser Form verbreitet, kann sie dem Beschluss, den wir alle annehmen, nur schaden. Für uns handelt es sich nicht darum, das Zentralkomitee der französischen Partei durch den Kongress designieren zu lassen. Wir haben auf Initiative des Pariser Kongresses selbst und sämtlicher Richtungen der Partei einen Versuch unternommen, hier einen Antrag zu verfassen, der dem Nationalrat der französischen Partei unterbreitet werden soll.

Diesen Antrag stellten die Delegationen der Fraktionen der französischen Partei selbst, und zwar in vollem Einvernehmen mit der vom Kongress designierten Kommission. Von den Fraktionen wurden drei verschiedene Listen aufgestellt. Nach einigen Berichtigungen sekundärer Natur gelang es, eine gemeinsame Liste aufzustellen. Diese Liste ist wie gesagt der Antrag, für den die Einwilligung des Nationalkongresses der französischen Partei zu erlangen, die drei Fraktionen sich durch ihre bevollmächtigten Vertreter verpflichtet haben.

Die von Ihnen zur Untersuchung der französischen Frage eingesetzten Kommissionen - und zwar sowohl die kleine wie auch die große - haben diese Liste einstimmig angenommen, nicht als eine in jeder Hinsicht ideale Liste - Einwände gegen sie sind selbstverständlich immer möglich - sondern als die einzige Möglichkeit für die französische Partei, aus der durch den Pariser Kongress geschaffenen Sackgasse herauszukommen.

Daher ist die Kommission in vollem Einvernehmen mit der französischen Delegation der Meinung, dass, wenn jetzt ein gewisser Teil unserer französischen Sektion gegen diesen Antrag, der tatsächlich der französischen Partei nur zum Heil gereichen kann, Opposition zu machen beginnt, diese Opposition die Sabotierung des Willens aller Fraktionen, also der gesamten Partei bedeutet. Im Namen der Kommission, die der französischen Delegation bei der Aufstellung dieser Liste behilflich war, gebe ich der Hoffnung Ausdruck, dass diese Liste, die der Kongress zur Kenntnis genommen hat oder zur Kenntnis nehmen wird, von diesem Kongress gebilligt und vom Nationalkongress der französischen Partei akzeptiert und endgültig bestätigt werden wird.

Das ist die einzige Möglichkeit, die persönlichen Kämpfe aus der Welt zu schaffen, die die Fraktionen auf dem dornigen Boden der Zusammenstellung des Zentralkomitees gegeneinander führen.

Das ist ebenso kein Präzedenzfall, wie es die Anwendung des proportionellen Vertretungssystems bei den Arbeiten unserer Landessektionen oder unserer internationalen Kongresse sein kann. Es handelt sich nur darum, dass unsere französische Partei aus der Sackgasse herauskomme, in der sie sich jetzt befindet. Wir sind überzeugt, dass in der französischen Partei niemand sich diesem weisen, notwendigen und sogar heilsamen Antrag widersetzen wird, den die durch alle Fraktionen vertretene französische Delegation verfasst hat.

2. Der zweite Punkt betrifft die Deklaration des Zentrums. Man macht mir den Vorwurf, dass ich die Irrtümer und Fehler der Linken, besonders die Demissionen unerwähnt gelassen habe.

Freilich habe ich hierüber in meinem Bericht nichts gesagt. Ich betrachtete und betrachte diese Frage durch die Erklärung, die die Linke selbst in der großen Kommission abgegeben hat, als erledigt. In der ersten oder zweiten Sitzung der Kommission haben wir in den Debatten zum Ausdruck gebracht, dass in einer revolutionären kommunistischen Partei die Demission oder die Drohung mit Demission der revolutionären Disziplin widerspricht, unter welchen Umständen sie immer auch erfolgen mag.

Das war auch die Überzeugung der ganzen Kommission. Die Linke gab zu diesem Punkt eine Erklärung ab, in der sie die Lage auseinandersetzt, die sie zur Demission veranlasste; dann heißt es in der Erklärung:

Die mit der Untersuchung der französischen Frage betraute Kommission ist der Ansicht, dass die Demissionen und die im “Bulletin Communiste Internationale” erschienenen Mitteilungen einen politischen Fehler bedeuteten. Die Linke hat durch ihre Handlungen stets bewiesen, dass sie die Disziplin der Kommunistischen Internationale ernst nahm, und sie brauchte nicht erst zu erklären, dass sie sich den Beschlüssen des 4. Weltkongresses unbedingt anpassen wird. Wenn sie in dem speziellen Punkte der Demissionen und des “Bulletin” das Urteil der Subkommission akzeptiert, besteht sie darauf, dass dieser Entschluss, durch das Gesamtbild der Tatsachen ergänzt, die ihn hervorgerufen haben, seine wahre Bedeutung beibehalte.”

Ihre Organisationskommission wird Ihnen übrigens einen allgemeinen Vorschlag unterbreiten, der ein für alle Male die Möglichkeit jeder Demission aus irgendwelchen oppositionellen Gründen, jederlei persönliche Demission oder Demissionen von Gruppen ausschließt, seien sie nun gegen das Zentralkomitee oder gegen die Internationale gerichtet.

3. Es handelt sich um einen Antrag, den die Erklärung des Zentrums über das Fraktionswesen enthält.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass das Fraktionswesen für jede Partei, die darunter zu leiden hat, ein schweres Übel bedeutet. Ich habe versucht, in meiner Rede auseinanderzusetzen, dass dieses Fraktionswesen eine traurige Folge einer traurigen Lage ist. Wir haben Maßnahmen allgemeiner politischer Natur und Maßnahmen organisatorischer Natur vorgeschlagen. Alle Fraktionen d. h. die ganze französische Partei verpflichtet sich durch ihre kompetenten Vertreter, diese Maßnahmen, die abgesehen von einigen Vorbehalten in vollem Einvernehmen mit der französischen Delegation ausgearbeitet wurden, in Anwendung zu bringen. Das erlaubt uns zu hoffen, dass wir diesmal auf eine praktische, systematische, konsequente und wenn es sein muss, nachdrückliche Durchführung der Beschlüsse der 4. Kongresses rechnen können.

In einigen Wochen wird der Nationalrat der französischen Partei zusammentreten, der den Beschlüssen organisatorischer Natur den letzten Schliff geben wird.

Wir hoffen, dass die Lage der Partei nach der Bestätigung dieser Beschlüsse durch den Nationalrat eine gründliche Änderung erfahren wird und dass infolge dieser Tatsache jeglicher Sinn der Fraktionen sogar in den Augen der Fraktionsleute selbst verloren gehen wird.

Was die Internationale anbelangt - die, wie wir hoffen, auf dem Nationalkongress durch die Delegation ihrer Exekutive vertreten sein wird, - ich sage dies auf Grund einer Unterredung mit Ihrem Präsidium - so wird diese mit aller Kraft darauf bestehen, dass, sobald die Resolutionen einmal zur Anwendung gelangen, das Fraktionswesen in der französischen Partei und der Fraktionskampf ein Ende nehmen, und wir hoffen, dass die französische Partei sowohl in ihren Gedankengängen, als auch in ihren Aktionen für immer zur einheitlichen Partei werden wird. (Beifall.)

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