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Clara Zetkin 19310315 Brief an N. K. Krupskaja, M. I. Uljanowa und A.I. Uljanowa-Jelisarowa

Clara Zetkin: Brief an N. K. Krupskaja, M. I. Uljanowa und A.I. Uljanowa-Jelisarowa

[Auszug1]

[Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, NL 5. Nach Für die Sowjetmacht. Artikel, Reden und Briefe 1917-1933, S. 462-465]

[…]

Was die Riesenfortschritte des sozialistischen Aufbaus in der Industrie und auch in der Landwirtschaft anbetrifft, so bewundere ich sie, doch sie überraschen mich kaum. Sie sind das konsequente Weiterleben – ich bin versucht zu sagen: das natürliche Weiterleben – des ungeheuren, begeisternden Aufschwungs der Hoffnungen, Erkenntnisse, Gefühlsregungen, zielgerichteter Willens- und Tatimpulse, die der Rote Oktober dank Lenins Führung und Ideensaat den werktätigen Massen gegeben hat. Das gefühlsmäßige Drängen und Verlangen von Millionen, das von unserer Partei auf die höhere Stufe bewussten Erkennens und Handelns gehoben wird, ist so gewaltig, dass die Revolution sich trotz größter objektiver Schwierigkeiten und bitterer Feindschaft innen und außen – Fehler und Schwächen eingerechnet – schöpferisch und siegreich ausleben muss. Mit freudigem Stolze erfüllt es mich, dass ungezählte Frauen die grundlegende Bedeutung des sozialistischen Aufbaus für ihre volle Befreiung in Wahrheit und Tat verstehen und dass sie einen hervorragenden Anteil an ihm nehmen, der nicht hoch genug geschätzt werden kann und der ganz unentbehrlich ist. Lenins Wertung dieser revolutionären Kräfte wird glänzend bestätigt.

Es versteht sich, dass die geschichtliche Situation die Notwendigkeit und die Bedeutung der kommunistischen Aufklärungs-, Organisierungs- und Erziehungsarbeit unter den Frauenmassen in Stadt und Dorf aufs Höchste steigert. Die Industrialisierung und Kollektivierung der Wirtschaft stellen eine Fülle neuer Aufgaben und Probleme betreffs der Hereinziehung der Frauen mit größter freier Entwicklungsmöglichkeit ihrer Fähigkeiten und allseitigen höchstem Nutzen für die Gesellschaft. Besonders bei der Kollektivierung der bäuerlichen Betriebe ergeben sich in der Praxis Probleme der Rechtsstellung, des gesetzlichen Schutzes der weiblichen Arbeitskraft, ihrer zweckmäßigsten Verwendung, neue Probleme, deren Lösung eingehende Beobachtung, gründliches Studium zur Voraussetzung hat. Wissenschaft und Praxis haben ausgedehntes Neuland zu bearbeiten. Auch in dieser Beziehung ist die Sowjetunion das riesenhafte geschichtliche Experimentierfeld des Weltproletariats für die Durchführung des Kommunismus. Die Untersuchungen und Feststellungen des „Arbeiterschutz-Instituts" und ähnliche Forschungen sind international sehr wichtig.

Zu Euch, teuren Freundinnen, davon reden hieße wirklich Wasser in die Moskwa gießen. Doch so ist es: Die Feder ist mir mit dem Herzen durchgegangen, das wie je mit Euch ist, mit den herrlichen, überzeugungs- und willensstarken Massen, mit dem ersten Lande, in dem unsere Ideale aus dem himmlischen Reich der Theorie auf den rauen Boden der Praxis niederzusteigen beginnen, den sie Fuß für Fuß abtastend, arbeitend, kämpfend erobern müssen. Wie drängt es mich, mit Euch zu sein, zu wirken! Wie ungeheuer viel gäbe es für mich zu sehen, zu hören, zu lernen! Leider machte im vergangenen Sommer meine sehr elende Gesundheit einen bösen Strich durch mein Hoffen und Wünschen, zu Euch reisen zu können. Auch die letzten Monate war ich übel daran. Eine überflüssige Bronchitis und eine verfluchte Grippe steigerten mein Herzleiden und machten mich arbeitsunfähig. Jedoch die Ärzte haben versichert, dass ich meine Arbeits- und Aktionskraft wiedererlangen werde, wenn ich jetzt und in nächster Zeit das verordnete Regime streng durchführe. Ich weiß nicht, ob ich den gelehrten Herren glauben darf, aber das eine weiß ich: Wenn sie mit ihrer Diagnose Recht behalten, so packe ich schleunigst die Koffer für die Fahrt in die Sowjetunion.

Meine „durchgegangene" Stimmung klingt in einer Bitte aus. Könnten Sie nicht, verehrte, teure Freundin Nadeshda Konstantinowna, veranlassen, dass mir das statistische Material über die Entwicklung, den Stand des Schul-, Erziehungs- und Bildungswesens in der Sowjetunion zugeschickt wird? Besonders wertvoll wäre es, wenn sich dabei zuverlässiges Material über die einschlägigen Verhältnisse bei den nationalen Minderheiten befinden würde. Es beleuchtet überzeugend das grandiose Kulturwerk des Staates der proletarischen Diktatur. Was in unserer Presse darüber erscheint, ist unvollständig und ermangelt oft der nötigen grundsätzlichen, geschichtlichen Wertung. Material dieser Art ist nötig zur besseren Ausrüstung der Genossen im Kampfe gegen die systematische Kampagne der Feinde mit dem Schlagwort: „Gegen den Kultur-Bolschewismus". Wir sollten es nicht bloß „negativ" beantworten: mit der berechtigten Kritik der Barbarei und Heuchelei der bürgerlichen Kultur; vielmehr auch positiv: mit den Taten der Kulturrevolution in der Sowjetunion, stolz erklärend: Sehet und lernet, das ist der Kultur-Bolschewismus am Werke. […]

1 Dieser an die Frau und die Schwestern Lenins gerichtete Brief wurde am 15. März 1931 in Birkenwerder bei Berlin geschrieben. Er umfasst insgesamt sieben Schreibmaschinenseiten. Die nicht aufgenommenen Passagen beschäftigen sich vor allem mit der Lage in Deutschland.

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