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Clara Zetkin 19330308 Bis zum letzten Hauch fest und unlösbar mit der Sowjetunion verbunden

Clara Zetkin: Bis zum letzten Hauch fest und unlösbar mit der Sowjetunion verbunden

Dankrede für die Verleihung des Lenin-Ordens am 8. März 1933 in Archangelskoje bei Moskau1

[Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Zentrales Parteiarchiv, NL 5. Nach Für die Sowjetmacht. Artikel, Reden und Briefe 1917-1933, S. 475-482]

Teure Genossinnen und Genossen!

Für Eure große Ehrung danke ich Euch tiefbewegten Herzens in der klaren Erkenntnis, dass diese Ehrung dem gewaltigen geschichtlichen Ziel [gilt], dem in brüderlicher Gemeinschaft mit Euch mit all meinen Kräften zu dienen, mir höchste, beglückende Lebenserfüllung ist. Dieser Dienst vereinigt mich auf das Innigste mit Euch allen. Ob die Träger und Tragerinnen des den Sozialismus aufbauenden Sowjetstaates führend, weite Wegstrecken überschauend und absteckend, kühn und entschlossen voraus schreiten oder ob sie zu den Millionen Ungenannter und Unbekannter, bescheiden Ausführender gehören: Sie bilden ein einheitliches Ganzes von gestaltender Kraft, wie es die Geschichte noch nicht bei der Arbeit kennengelernt hat. Das bewusste Zusammenwirken von den Ersten bis zu den Letzten für die Verwirklichung des Sozialismus befreit nicht nur die Proletarier, die werktätigen von der vielgestaltigen Kettenlast des ausbeutenden und versklavenden Kapitalismus. Es bewahrt die gesamte Menschheit vor dem Rückfall in die schwärzeste Barbarei, mit der der Kapitalismus unvermeidlich endet. Keine Macht der Welt kann die unsterbliche Bedeutung des Sowjetstaates aus der Geschichte tilgen. Über den ganzen Erdball hinweg verbindet er in der Aufbauarbeit des Sozialismus Völkerschaften und Menschengruppen miteinander, die durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende verschiedenster gesellschaftlicher Entwicklung voneinander getrennt waren. Er vereinigt sie in dem einen unerschütterlichen Willen: Durch zum Kommunismus! Das ZIK2 ist beredter Ausdruck und wichtiges Werkzeug des menschheitserhebenden Werks der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, seine Politik steht im schroffsten Gegensatz zu der Kolonialpolitik der kapitalistischen Staaten mit ihren unsagbaren Gräueln. Das unaufhaltsame Emporsteigen des sozialistischen Ostens ist der handgreiflichste Beweis für die kulturelle Bedeutung der proletarischen Revolution und ihre siegreiche Macht. In diesem Aufstieg kommt anschaulich zum Ausdruck, dass die Oktoberrevolution, wie unser unsterblicher Lenin stets so stark betonte, eine nie dagewesene Kulturrevolution ist und sein muss. – Es hat für mich daher besondere Bedeutung, dass mir zum internationalen kommunistischen Frauentag das Ehrenzeichen des Lenin-Ordens von Euch – den Vertretern des ZIK – zuteil wird. Ich sehe darin einen Ausdruck mehr dafür, dass ich mit Euch, dass ich mit allen sozialistisch Aufbauenden des Bundes der sozialistischen Sowjetrepubliken bis zu meinem letzten Hauch fest und unlösbar verbunden bin.

Wie noch nie erhärten hinreißende, überzeugende Tatsachen, dass die Uhr des zerstörenden, lebensvernichtenden Kapitalismus als herrschender Weltwirtschaftsordnung abgelaufen ist und die Stunde des ihn überwindenden, menschheitserlösenden, menschheitsemportragenden Sozialismus geschlagen hat. Die seit Jahren ungemindert rasende Krise des Kapitalismus trägt Vernichtung und Tod über alle Teile des Erdballs: Je länger, um so unzweideutiger erweist sich, dass die kapitalistische Ordnung auf allen Gebieten der Gesellschaft ihre früher vorwärts tragende Kraft verloren hat. Um so frühlingsfrischer kündet sich die schöpferische Macht des Sozialismus in der Sowjetunion.

Das Kennzeichen des unabwendbaren Todes des Kapitalismus ist der Verzicht auf die Entfaltung aller gesellschaftlichen und persönlichen, sachlichen und menschlichen Produktivkräfte, ja das Hindrängen auf ihre Einschränkung. Verzeichnete die bürgerliche Welt früher triumphierend die Fortschritte der Wissenschaft und Technik als gewaltigste Errungenschaften der Menschheit, so wird heute in ihr allen Ernstes die Meinung verfochten, dass der weiteren Entwicklung von Wissenschaft und Technik Einhalt geboten werden müsse, da diese Entwicklung nur Krisenursachen und Krisennöte steigere. Das ist in dürren Worten das Todesurteil des Kapitalismus.

In der Sowjetunion künden Namen wie Magnitostroj, Dneprostroj und viele andere den unbezwingbaren revolutionären Schöpfungswillen des den Sozialismus aufbauenden proletarischen Klassenstaates. Über Nacht hat er in Wüsteneien Riesenwerke aus der Erde gestampft, die nicht nur nach ihrem Umfang und ihren Leistungen, sondern auch ihrem Wesen nach, dem planmäßigen Aufbau, verwickeltster Zusammenarbeit und gegenseitiger Ergänzung einer Vielzahl von Unternehmungen, ihresgleichen bis nun nicht haben. Unermüdliches Forschen erweitert unaufhörlich das Herrschaftsreich der Menschen über die Natur, erhöht damit in früher ungeahnter Weise die Ergiebigkeit der Gütererzeugung, erleichtert ihre Gewinnung. Der Spielraum höherer und höchster menschlicher Lebensbetätigung wird immer weiter und sicherer.

Die Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus erschöpft sich jedoch durchaus nicht in der Durchführung des gigantischen Fünfjahresplans in vier Jahren, in der Aufrichtung wirtschaftlicher und technischer Wunderwerke; in der wirtschaftlichen Übertrumpfung des Kapitalismus. Erst die Riesenheere der sozialistisch Aufbauenden erhärten so recht die ganze Überlegenheit des Sozialismus als herrschender Gesellschaftsordnung über den Kapitalismus. Mit der Vernichtung der Herrschaft des toten Besitzes über die lebendigen Menschen wird der Sozialismus auch zum Schöpfer eines höheren Menschentums, einer sich fortgesetzt veredelnden Menschheit. Das Leben der sozialistisch aufbauenden Sowjetunion bestätigt die von Marx, Engels und Lenin wissenschaftlich begründete Auffassung, dass die Befreiung der Menschheit von dem Fluche des Kapitalismus allein das Werk der von ihm Ausgebeuteten und Versklavten sein muss und sein kann. Die Betätigung von Männern und Frauen in den Sowjets ist die große erfolgreiche, unersetzliche Schule, in der Ungezählte aus den dunklen Tiefen einer völlig bildungslosen Vergangenheit auf die Höhen fortgeschrittenster Kultur geführt werden und nicht nur bewusst Kulturgenießende, sondern aktiv Kulturschaffende, Kulturerhöhende werden. Beweise dafür sind Männer und Frauen ebenso sehr in waldeinsamen Dorfsowjets wie in den wichtigsten Zentren der Industrie und der Landwirtschaft.

Marx und Engels und ihr ihnen geistesverwandter größter Schüler und Fortsetzer Lenin sind als erste klaren, sicheren Blickes und festen Fußes den Ausgebeuteten, den Habenichtsen und Kleinbesitzenden führend auf dem Weg aus der Nacht und Not der kapitalistischen Ordnung vorangeschritten. Ihre Namen können nicht aus der Geschichte getilgt werden. Theorie und Praxis der drei großen Führer – ein unzerstörbares Ganzes – ist fortlebende, fortwirkende proletarische Weltrevolution, ist aktivste Kraft des historischen Geschehens. Diese Kraft formt entscheidend das überwältigende, sozialistische Aufbauwerk des tapferen, opferbereiten Vortrupps der Menschheitsbefreiung, ein Werk, das weder ein Vorbild noch seinesgleichen hat. Diese Kraft schafft den Staat, der allein ein nicht zerbröckelnder, tragkräftiger Boden für die Titanenlast des sozialistischen Aufbaus ist. In engster Verknüpfung mit der unvergleichlichen und unvergänglichen historischen Leistung von Marx, Engels und Lenin muss die Geschichte der Menschheitsbefreiung die überragende Betätigung ihrer nahen und nächsten Schüler und Mitarbeitenden verzeichnen. Auf allen Lebensgebieten, an allen Kampfesfronten war und ist ihre Betätigung unschätzbar für den Sieg der Revolution.

In aufrichtiger Wertschätzung grüße ich Genossen Stalin, den hervorragenden Leiter des Sowjetstaates, der mit bewunderungswürdiger Energie und Treue seine ganze Kraft daransetzte, dass der sozialistische Aufbau, das teure Vermächtnis der drei großen Führer, verwirklicht wird. Ich gedenke in dieser Stunde auch dankbar der Freunde und Freundinnen, die mich auf dem heiligen Boden der Revolution, den ich 1920 das erste Mal betrat, mit dem kraftvoll pulsierenden Leben des Aufbaus verbunden haben. So des Genossen Krshishanowski, des Genossen Peter Smidowitsch, dieses vorbildlichen Revolutionärs, seiner Frau Sofia, der Genossinnen Krupskaja, Nikolajewa, Stassowa und vieler anderer. Eine weite Wegstrecke liegt zwischen den bescheidenen Anfängen von damals und dem revolutionär umgehämmerten Sowjetstaate von heute. Sie ist wie im Fluge zurückgelegt worden. Mit Beginn der Durchführung des zweiten Fünfjahresplans überschreitet der Sowjetstaat schon die Schwelle der klassenlosen Gesellschaft. Der Kongress der Kollektivbauern war ein Ereignis von geschichtlicher Bedeutung, das die weittragende revolutionäre Auswirkung der von Erfolg zu Erfolg fortschreitenden Kollektivierung der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe klar erkennen ließ. Der Kongress war ein nicht zu missdeutender, nicht zu verketzernder Beweis mehr dafür, dass der Sowjetstaat sieghaft seine schwerste Aufgabe verfolgt und löst, neben und zusammen mit einer sozialistischen Industrie auch eine sozialistische Landwirtschaft aufzubauen.

Die Geschichte der Sowjetunion beweist den Befreiungsverlangenden allerwärts, dass auch sie stark genug sind, die Herrschaft des Kapitalismus zu brechen und allen vereinigten Gewalten der einheimischen und internationalen Gegenrevolution zu trotzen, wenn sie – gestützt auf die Sowjetordnung – die ganze Staatsmacht in die eigenen starken Fäuste nehmen und rücksichtslos gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus gebrauchen. Eine besonders wichtige Erkenntnis ist dabei für sie, dass sie der Führung durch eine erkenntnisklare, ideologisch und organisatorisch fest geschlossene, einheitliche Partei bedürfen. Eine solche gibt ihrem Empordrängen die nötige eherne, grundsätzliche Festigkeit, aber auch die erforderliche strategische und taktische Elastizität und Beweglichkeit, wachsende schaffende Massen zu erwecken, festzuhalten und gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus in den Kampf zu führen. Die Herausbildung, das Leben und Weben solch einer Partei hat eiserne Disziplin zur Voraussetzung. Das liberale Spießbürgergeschrei von der bolschewistischen Parteisklaverei darf von dem geschichtlich Notwendigen nicht abschrecken. Die starke Disziplin der bolschewistischen Partei ist nicht militärischer Kadavergehorsam, sie ist frei gewollte und geübte revolutionäre Selbstzucht. Sie gewährt allen Kräften der Organisation Entwicklungs- und Betätigungsfreiheit; allerdings in enger, brüderlicher Verbindung mit allen und nicht in der isolierenden Überheblichkeit des „Übermenschen". Sie ist eine hohe Schule revolutionärer Kampfeswerte und trägt Wesentliches bei zum Heranreifen jenes höheren Menschentums, das der Kommunismus zum Gemeingut aller machen wird.

Teure Genossinnen und Genossen! Mein Abschiedsgruß an Euch ist heißer, leidenschaftlicher Dank für die reiche Lebenserfüllung, die ich in Reih und Glied mit Euch gefunden habe. Hoch der Staat des sozialistischen Aufbaus, der Führer und Vorkämpfer der proletarischen Weltrevolution! Hoch seine führende Partei und seine von Triumph [zu Triumph] fortschreitende gewaltige Kulturrevolution! Sie beschränkt sich nicht auf die Sowjetunion, sie wird Menschheitserlösung, Menschheitserhöhung.

1 Diese wahrscheinlich letzte Rede Clara Zetkins ist ihrem Nachlass entnommen.

2 Russische Abkürzung für Zentralexekutivkomitee der UdSSR, von 1924-1936 das oberste Organ der Staatsmacht zwischen den Sowjetkongressen.

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