Clara Zetkin 19210708 Bericht über die Frauenbewegung

Clara Zetkin: Bericht über die Frauenbewegung

(8. Juli 1921, Referat in der 20. Sitzung des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale)

[Protokoll des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Moskau 22. Juni bis 12. Juli 1921. Hamburg 1921, 20. Sitzung, S. 909-923]

Genossinnen und Genossen! Im Auftrage des Internationalen Sekretariats der Exekutive für die kommunistische Arbeit unter den Frauen werde ich einen kurzen Überblick über die kommunistische Frauenbewegung und die Kommunistische Frauenkonferenz geben.

Es ist kein Zweifel, dass wir in dem letzten Jahr einen sehr erfreulichen Fortschritt zu verzeichnen haben, sowohl was die Entwicklung der kommunistischen Frauenbewegung in den einzelnen Ländern anbelangt, wo immer größere Massen von Genossinnen sich zielbewusst in der Kommunistischen Partei zusammenschließen, wie auch betreffs der internationalen Zusammenfassung der Bemühungen, die breitesten politischen Frauenmassen in den Dienst der proletarischen Revolution zu stellen. Das gilt für die Kämpfe zur Eroberung der politischen Macht und die Aufrichtung der Diktatur durch das Proletariat, wie auch für die Verteidigung dieser Errungenschaften und für den kommunistischen Aufbau in solchen Ländern, wo — wie in Russland — das Proletariat bereits die Macht errungen hat. Aber in die Freude über die erzielten Fortschritte mischt sich ein bitterer Tropfen. In den meisten Ländern sind die Fortschritte der kommunistischen Frauenbewegung erzielt worden ohne die Unterstützung .der Kommunistischen Partei, ja hier und dort sogar gegen den offenen oder den heimlichen Widerstand der Kommunistischen Partei. Es fehlt noch an dem Verständnis für die Tatsache, dass ohne die bewusste, zielklare, wegsichere, opferbereite Beteiligung der Frauen am revolutionären Kampfe weder im Bürgerkrieg das Proletariat seine Macht erringen, noch nach der Aufrichtung seiner Diktatur den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft beginnen kann.

Schon vor dem Kriege galt es innerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung geradezu als eine Binsenwahrheit, dass das Proletariat seine wirtschaftlichen und politischen Kämpfe nicht ohne die Beteiligung der Frauenmassen durchführen könne. Gewiss, die Praxis der alten sozialdemokratischen Parteien, die Praxis der Gewerkschaften ist weit hinter dem Lippenbekenntnis zurückgeblieben. Die Betätigung der Frau wurde mehr oder weniger als eine politische und gewerkschaftliche Dienstbotenarbeit betrachtet und nicht nach ihrer wahren Bedeutung als ein wesentlicher Faktor des proletarischen Befreiungskampfes.

Aber Genossinnen und Genossen, wie anders liegen jetzt die Dinge für das Proletariat. Jetzt spielen sich die wirtschaftlichen Kämpfe des Proletariats im Zeichen des steigenden Verfalls des Kapitalismus ab. Was besagt das? Dass sie bitterer, opferreicher, schwieriger sind wie je zuvor. Und noch ein anderes. Dass auch sie letzten Endes einem höheren Ziel zustreben. Nicht bloß der Linderung der Not durch die Verkürzung der Arbeitszeit, durch ein paar Pfennige mehr Lohn, durch günstigere Arbeitsbedingungen! Nein, all die wirtschaftlichen Kämpfe sind letzten Endes gegenwärtig zugespitzt auf ein Ziel: die Übernahme der Kontrolle der Produktion und dann des Besitzes der Produktionsmittel durch das revolutionäre Proletariat. Die politischen Kämpfe des Proletariats gehen nicht mehr um kleine Reformen und Zugeständnisse, nicht um Bettelsuppen und formale politische Rechte. Mit einem Wort: sie gehen nicht um die Reform der bürgerlichen Gesellschaft, sondern um die Zertrümmerung der bürgerlichen Gesellschaft. Sie gehen um Sein oder Nichtsein des Kapitalismus, um Sein oder Nichtsein des Kommunismus. Sie finden statt in der glutheißen Atmosphäre des Zerfalls der kapitalistischen Wirtschaft und des Bürgerkriegs. Angesichts dieser Bedeutung der Kämpfe des Proletariats ist es ganz ausgeschlossen, dass dieses auf Mitbeteiligung der Frauen verzichten kann. Dazu kommt eine andere Tatsache. Es handelt sich jetzt darum, größere Frauenmassen als je zuvor in den revolutionären Kampf zu werfen zum Sturz des Kapitalismus, des bürgerlichen Staates, sie zu mobilisieren und zu schulen, bereit und tüchtig zu machen für den kommunistischen Aufbau. (Lebhafte Zustimmung.)

Schon vor dem Kriege hatte Europa einen Frauenüberschuss von 5-6 Millionen. Jetzt soll dieser Überschuss nach Berechnungen rund 15 Millionen betragen. Gab es früher nur einen Frauenüberschuss in den großen Industriestaaten, hatten die Balkanländer einen Überschuss an männlicher Bevölkerung, so ist in den größeren industriellen Staaten der Frauenüberschuss beträchtlich gewachsen, und auch die Balkanländer weisen nicht mehr einen Überschuss an männlicher Bevölkerung auf, sondern die umgekehrte Erscheinung tritt selbst hier immer auffälliger zu Tage. Wie denkt man sich da den Kampf um die Eroberung der politischen Macht, wie denkt man sich den Aufbau der kommunistischen Ordnung, ohne die bewusste und ohne die freudige, verständnisvolle Mitwirkung der Frau? Die Zahlen, die ich angeführt hatte, künden uns eines: dass immer größere proletarische Frauenmassen unmittelbar unter die Fuchtel der kapitalistischen Ausbeutung geraten und deshalb durch ihre unmittelbaren Lebensnöte zum Kampf gegen die bürgerliche Ordnung getrieben werden. Sie zeigen aber auch ein anderes. Nämlich, dass die Zahl der bürgerlichen Frauen abnimmt, die in dem Heim, die in der Familie ein Paradiesgärtlein zu besitzen scheinen, voller Frieden und Freude. Nein, heutzutage können auch die bürgerlichen Frauen nicht mehr in der Passivität und Gleichgültigkeit dem öffentlichen Leben, dem Kampfe unserer Zeit gegenüber verharren. Zu Millionen sind sie Berufstätige geworden, denen heute, solange der Kapitalismus herrscht, unter dem Stachel des Konkurrenzkampfes zwischen den Geschlechtern Lebensunterhalt und Lebensinhalt von den Männern streitig gemacht wird. Und der Bürgerkrieg mit seinen Folgen greift so hart auch in das bürgerliche Familienleben ein, dass dessen alte Mauern der Gleichgültigkeit und des politischen Stumpfsinns zu zerbröckeln anfangen.

Genossinnen und Genossen, ich bin die Letzte, die überschätzt, was dieser Entwicklungsprozess in der bürgerlichen Frauenwelt bedeutet. Aber wir dürfen ihn auch nicht unterschätzen. Gewiss, jene Frauenmassen, die im Bürgertum im Zeitalter des zerfallenden Kapitalismus und der Verschärfung des Klassenkampfes entwurzelt werden, verwandeln sich schwerlich in revolutionäre Vorstoßtruppen. Wir können nicht mit solcher Entwicklung rechnen, wir wären töricht, damit zu rechnen. Bürgerliche Frauenmassen werden auch nie die breiten Sturmkolonnen des Proletariats verstärken helfen, die die entscheidenden Schlachten für die Aufrichtung der Diktatur schlagen werden. Wir wollen aber nicht übersehen, dass sie Plänkeldienste zu leisten vermögen in der Zeit des Bürgerkriegs. Ferner, dass sie Unruhe, Gärung, Zersetzung und damit Schwächung in das Lager der Bourgeoisie, in das Lager unseres Todfeindes hineintragen können.

Deshalb ist es — um alles zusammenzufassen — nach meiner Auffassung eine ungeheure Schädigung der Revolution und der Aktivisierung der Massen für die Revolution, wenn nicht die Kommunistische Partei eines jeden Landes mit der gleichen Energie wie für die revolutionäre Mobilisierung der Männer auch für die revolutionäre Einbeziehung, für die revolutionäre Schulung der Frauen zu den Schlachten des Proletariats wirkt. Ich nenne bewusste Saboteure der Revolution jene Genossen, die nicht auch die Frauen zu bewussten Mitträgerinnen der Revolution sammeln und erziehen.

Genossinnen und Genossen, was die kommunistischen Parteien fast aller Länder in dieser Beziehung gesündigt haben, das ist weniger fühlbar in Erscheinung getreten, weil die Exekutive bemüht gewesen ist, mit Rat und Tat die Bestrebungen zu fördern‚ die breitesten Frauenmassen um das Banner der III. Internationale zu scharen. Der Vorsitzende der Exekutive, Genosse Sinowjew, hat volles Verständnis dafür gezeigt, dass die kommunistische Arbeit unter den Frauen nichts anderes bedeutet, als die Hälfte der kommunistischen Arbeit überhaupt. Und so ist die Exekutive nach dem Zweiten Weltkongress mit moralischen, politischen und finanziellen Mitteln hinter die Bestrebungen getreten, die Kommunistinnen in den einzelnen Ländern, in den Parteien zu sammeln und sie dann international zusammengeballt in den Kampf zu führen. Die Exekutive hat dadurch den leidenschaftlichen Kampf der kleinen Vortrupps überzeugter und geschulter Kommunistinnen in den verschiedenen Ländern erleichtert, gefördert und erfolgreicher gestaltet. Was wir erzielt haben, ist die Ehre und das Glück der kleinen Fähnlein von Kommunistinnen gewesen, die sich in den einzelnen Ländern, oft ohne jede Unterstützung, ja gegen heftige Widerstände, um das Banner der Dritten Internationale gesammelt haben.

So ist seit dem vorigen Jahre in einer ganzen Reihe von Ländern eine planmäßige Arbeit von Kommunistinnen zur revolutionären Mobilisierung und Erziehung der breitesten proletarischen Frauenmassen in die Wege geleitet worden. Bahnbrechend, beispielgebend ist dafür die Arbeit unserer Russischen Kommunistischen Partei gewesen. Auch die Kommunisten Deutschlands haben im alten Spartakusbund und später in der Vereinigten Kommunistischen Partei vom ersten Tage der Gründung an planmäßig und eifrig darauf hingearbeitet, die Frauen innerhalb der Organisationen zu Mitträgerinnen des Kampfes zu machen. Ebenfalls in Bulgarien haben wir eine kraftvolle, eine zielbewusste kommunistische Frauenbewegung, eine Frauenbewegung in dem wirklich kommunistischen Sinne, dass es sich um gemeinsame Arbeit, um gemeinsame Betätigung von Männern und Frauen zu dem Ziele handelt, die breiten Massen der Proletarierinnen und Bäuerinnen für den revolutionären Kampf zu gewinnen. Aber in den anderen Ländern sind eigentlich erst Ansätze, in einigen sogar noch nicht einmal Ansätze, zu einer solchen planmäßigen Arbeit vorhanden.

Wir hoffen, dass unsere Internationale Frauenkonferenz und dieser Kongress alle jene kommunistischen Parteien an ihre Pflicht erinnern werden, die sie bis jetzt noch versäumen oder nur mit süßsaurer Miene erfüllen, um den äußeren Anstand zu wahren. Unsere Zweite Internationale Frauenkonferenz war der Beweis dafür, mit welcher Tatkraft und welchem Erfolge die Kommunistinnen der verschiedenen Länder und die Exekutive zusammengewirkt haben. Die Erste Internationale Konferenz kommunistischer Frauen zu Moskau im vorigen Jahre war aus 16 Ländern beschickt, und nur 20 Delegierte mit beschließender Stimme nahmen an ihr teil, dazu noch einige beratende Gäste. Heuer dagegen, Genossen und Genossinnen, waren aus 28 Ländern Vertreterinnen oder Vertreter zu der internationalen Tagung gekommen. 82 Delegierte nahmen an ihr teil, davon 61 mit beschließender Stimme und 21 mit nur beratender Stimme. Die Bemühungen, im Zeichen der Zweiten Internationale den internationalen revolutionären Vormarsch der Frauen herbeizuführen, haben nie eine gleich erfolgreiche Tagung gezeitigt. Ja, wenn wir von der Zahl der Vertreterinnen absehen, wenn wir nur den Blick auf die große Zahl der Länder richten, die sich um das Banner der Dritten Internationale gruppiert haben, so können wir sagen, dass auch keine einzige internationale bürgerliche Frauentagung umfassender nach Beschickung und weit reichender an Bedeutung gewesen ist als diese Moskauer Konferenz. Und ein besonders hervorstechender, geschichtlich bedeutsamer Zug: An dieser Konferenz nahmen die Vertreterinnen der Frauen der Ostvölker teil.

Genossinnen und Genossen, es mag vielleicht nahe liegen und verführerisch sein, dass der eine oder andere das Erscheinen der Delegationen aus dem nahen und fernen Orient lediglich im Lichte des Ästhetischen sah. Aber es war mehr als das fremdländische, das außergewöhnliche, ja märchenhafte des Orients, das in den delegierten Frauen verkörpert in die Konferenz einzog. Es war ein gewaltiger historischer Moment von unvergesslicher, unsterblicher Bedeutung, den die Konferenz erlebte. Was denn besagte das Erscheinen der Frauendelegation aus dem Osten? Es besagte, dass die Ostvölker anfangen zu erwachen und sich zum Kampfe stellen, dass sogar die Unterdrücktesten der Unterdrückten, die Frauen, die Jahrhunderte lang, Jahrtausende lang im Banne uralter religiöser und sozialer Überzeugung, Satzungen, Gewohnheiten, Sitten gelebt haben, den revolutionären Kampf aufnehmen. Das Erscheinen der Frauen aus dem nahen und fernen Orient auf der Konferenz war ein Zeichen dafür, wie weit- und wie tief reichend die Revolutionierung des Ostens vorgeschritten ist. Und das ist für uns im Westen, das ist für die Proletarier in allen kapitalistischen Ländern von äußerster Wichtigkeit. Denn die Befreiungsschlachten des englischen, des französischen Proletariats werden nicht nur auf heimischem Boden geschlagen, sie werden auch geschlagen in den glutheißen Gefilden von Indien und Persien, auf dem vielgestaltigen Boden von China und überall in dem nahen und fernen Osten. Genossinnen und Genossen! Dass die Frauen des Orients zu uns kamen, beweist die außerordentliche, die weit fassende Bedeutung des revolutionären Kampfes der Dritten Internationale. Sie ist die erste und bis jetzt die einzige Organisation, die wirklich die Hoffnung, das Vertrauen der Völker des Ostens besitzt und die als erste Internationale die ganze Menschheit umfasst. “Die Internationale wird die Menschheit sein”, die ganze Menschheit sein. Das war der Sinn, der mit dem Erscheinen der Vertreterinnen der Frauen des Ostens für die Konferenz verbunden war.

Werfen wir nun einen kurzen Rückblick auf die internationale Konferenz der Kommunistinnen selbst. Die Ziele und die Aufgaben dessen, was man kommunistische Frauenbewegung nennt, sind durch die Ziele, durch die Aufgaben, durch die Grundsätze und die Taktik der Dritten Internationale gegeben, zu der zu gehören, wir stolz sind. Für die Konferenz handelte es sich darum, das Rüstzeug zu schaffen, um diese Grundsätze zu verteidigen, diese Taktik im Kampfe gegen die kapitalistische Welt, im Kampfe gegen alles, was zu ihr steht. Deshalb hat die Konferenz einen großen Teil ihrer Arbeiten den beiden Fragen gewidmet, welche Formen und Methoden für die kommunistische Arbeit unter den Frauen von den kommunistischen Parteien angewendet werden müssen, und wie engste und feste internationale Beziehungen hergestellt werden können zwischen den Kommunistinnen der einzelnen Länder und ihren Parteien wie auch mit der kommunistischen Fraueninternationale in Moskau und durch ihre Vermittlung mit der Exekutive der III. Internationale als der gemeinsamen einheitlichen Leitung und Führung.

Genossinnen und Genossen! Die Konferenz war bei der Erörterung dieser Fragen und bei der Beschlussfassung darüber von einem obersten Grundsatz geleitet. Es gibt keine besondere kommunistische Frauenorganisation. Es gibt nur eine Bewegung, es gibt nur eine Organisation der Kommunistinnen innerhalb der Kommunistischen Partei zusammen mit den Kommunisten. Die Aufgaben und Ziele der Kommunisten sind unsere Aufgaben, unsere Ziele. Keine Sonderbündelei, keine Eigenbrötelei, die irgendwie geeignet wäre, die revolutionären Kräfte zu zersplittern und abzulenken von ihren großen Zielen der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat und dem Aufbau der kommunistischen Gesellschaft. Die kommunistische Frauenbewegung bedeutet nichts anderes als planmäßige Verteilung, planmäßige Organisierung der Kräfte, sowohl der Frauen, wie der Männer in der Kommunistischen Partei, um die breitesten Frauenmassen für den revolutionären Klassenkampf des Proletariats, für den Kampf zur Niederzwingung des Kapitalismus und den kommunistischen Aufbau zu gewinnen.

Aber Genossinnen und Genossen, dieser Grundsatz der Gemeinsamkeit der Organisation und der Arbeit ist auch von den alten sozialdemokratischen Parteien anerkannt worden. Er wurde jedoch von ihnen mit einer Engherzigkeit und Kleinlichkeit, mit einer mechanischen Anwendung des Gleichheitsprinzips durchgeführt, dass er nicht Entfesselung und stärkste Auswirkung der weiblichen Hälfte im Dienste der Revolution bedeutet hat. Wir Kommunisten sind Revolutionäre der Tat, des Handelns. Ohne irgendwie den obersten Grundsatz der Gemeinsamkeit der Interessen und des Kampfes der Proletarier und Proletarierinnen aus dem Auge zu verlieren, halten wir die Augen offen für die gegebenen konkreten Verhältnisse, mit denen bei der kommunistischen Arbeit unter den Frauen gerechnet werden muss. Wir vergessen nicht die sozialen Bedingungen, die als Hemmnisse für die Betätigung der Frau, für ihr politisches Erwachen, ihren politischen Kampf noch vielfach in den gesellschaftlichen Einrichtungen, im Familienleben und auch in sozialen Vorurteilen vorhanden sind. Wir sehen klar den Niederschlag, den die Jahrtausende alte Knechtschaft in der Seele, der Psyche der Frau zurückgelassen hat. Deshalb bedarf es trotz der Gemeinsamkeit der Organisation besonderer Organe, besonderer Maßnahmen, um an die Frauenmassen heranzukommen und sie als Kommunistinnen zu sammeln und zu erziehen.

Als solche Organe schlagen wir vor, bei den leitenden und verwaltenden Parteiinstanzen Frauenagitationsausschüsse oder Kommissionen zu errichten oder wie die Parteien sonst das Ding nennen wollen. Und zwar sollen solche Ausschüsse bestehen, von der Leitung der kleinen örtlichen Gruppe an, bis hinauf zu der obersten Zentralleitung. Wir nennen diese Organe Frauenausschüsse, weil sie die Arbeit unter den Frauen betreiben sollen, aber nicht weil wir Gewicht darauf legen, dass sie nur aus Frauen bestehen. Umgekehrt. Wir begrüßen es, wenn den Frauenausschüssen auch Männer mit ihrer größeren politischen Erfahrung und ihrem Können angehören. Worauf es uns ankommt, ist, dass diese Ausschüsse planmäßig und dauernd unter den Frauenmassen tätig sind; dass sie Stellung nehmen zu allen Nöten, zu allen Interessen, die das Frauenleben berühren; dass sie auf allen Gebieten des sozialen Lebens für das Wohl der Millionen und Abermillionen Proletarierinnen und Halbproletarierinnen mit Sachkenntnis und Energie eingreifen. Diese Frauenausschüsse können und dürfen selbstverständlich nur in engster organisatorischer und ideologischer Gemeinschaft mit den Organen der Gesamtpartei wirken. Aber es ist auch selbstverständlich, wenn sie ihre Aufgabe erfolgreich erfüllen sollen, dass sie des Rechtes der Initiative und einer gewissen Bewegungsfreiheit bedürfen. Die Kommunistischen Parteien Russlands, Deutschlands, Bulgariens haben, soviel mir bekannt ist, diesen Forderungen entsprochen oder bemühen sich ernstlich, ihnen zu entsprechen. Und, wahrhaftig, sie haben keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Die Parteiorgane zur Arbeit unter den Frauen sollen planmäßig Agitations-, Organisierungs- und Erziehungsarbeit leisten. Mit Wort, mit Schrift, mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Sie dürfen bei ihrer Arbeit eines nicht vergessen, dass nicht nur das gesprochene und geschriebene Wort, dass vor allen Dingen auch die Arbeit und der Kampf das wichtigste und unentbehrlichste Mittel zur Sammlung und zur Erziehung der breitesten Massen bildet. Deshalb müssen die Frauenausschüsse ihr Streben darauf richten, zu allen Aktionen der Kommunistischen Partei, zu allen Kämpfen der proletarischen Massen die Frau als selbständiges und aktives Element heranzuziehen. Die Frauen, die jetzt vielfach Hindernisse des revolutionären Kampfes sind, müssen zu treibenden Kräften des Kampfes werden. Denn, Genossinnen und Genossen, täuschen wir uns nicht: Entweder wird die Revolution die Frauenmassen haben oder die Gegenrevolution hat sie! Bauen Sie nicht darauf, dass, da der Bürgerkrieg immer schärfere Formen annimmt, auch die Frau sich entscheiden müsse, wo sie steht und für was sie kämpft. Wenn Ihr Kommunisten nicht dafür sorgt, dass die breitesten Frauenmassen im Lager der Revolution stehen, so werden die bürgerlichen Parteien dafür Sorge tragen, dass sie sich im Lager der Gegenrevolution sammeln, und die Scheidemänner und Dittmänner, alle halben, alle viertel Internationalen, werden bestrebt sein, die Frauen auf jenem Grenzgebiet zwischen der Revolution und Gegenrevolution zu halten, das heute der festeste Schutzwall der Gegenrevolution und der bürgerlichen Gesellschaft ist.

Angesichts dieser Tatsache, Genossen und Genossinnen, müssen die Kommunistischen Parteien bestrebt sein, durch die Frauenausschüsse die Proletarierinnen, die Kommunistinnen nicht nur zur legalen Arbeit heranzuziehen, sondern ebenso zur illegalen Arbeit. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Es gibt illegale Arbeiten, vom Kurierdienst angefangen, die mit Treue und Gewandtheit durchzuführen die Frauen außerordentlich geeignet sind. Ebenso ist es selbstverständlich, dass die kommunistischen Parteien danach trachten müssen, allen Kämpfen des Proletariats die breitesten Frauenmassen als aktives Element einzugliedern. Von dem Streik, der auf die Abwehr der Verlängerung der Arbeitszeit gerichtet ist, bis zur Straßendemonstration, bis zu dem Aufstand, bis zu den Kämpfen mit bewaffneter Hand. Es gibt keine Phase, es gibt keine Form des revolutionären Kampfes, des Bürgerkriegs, die nicht auch Sache der Frauen wäre, die ihre Freiheit durch den Kommunismus wollen. Die Resolution, die wir Ihnen vorlegen, enthält eingehend formuliert die Grundsätze, die ich hier vor Ihnen entwickelt habe.

Was die internationale Verbindung der Kommunistinnen der einzelnen Länder untereinander und mit dem Sekretariat in Moskau anbelangt, so fordern wir von den Kommunistischen Parteien folgendes: Zunächst, dass sie in jedem einzelnen Lande internationale Korrespondentinnen wählen, die untereinander und mit dem Sekretariat in Moskau in Verbindung stehen; ferner, dass dem Internationalen Frauensekretariat in Moskau ein Hilfsorgan in Westeuropa zur Seite gestellt wird.

Ich hatte bei der Würdigung der Arbeit unserer Konferenz vergessen, auf einen besonders wichtigen Beschluss hinzuweisen. Wir müssen die Aufmerksamkeit der kommunistischen Zellen in den Gewerkschaften auf die dringliche Aufgabe lenken, mit ihrem Wirken auch die Arbeiterinnen zu erfassen. Die Arbeiterinnen, sofern es sich um den gewerkschaftlichen Kampf handelt gegen das Ausbeutertum, aber auch soweit es gilt, den Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu führen. Gerade was die Interessenvertretung der berufstätigen Frauen anbetrifft, ist eine breite Front vorhanden, an der die kommunistischen Genossen in den Gewerkschaften die Gewerkschaftsbürokratie angreifen können. Diese Gewerkschaftsbürokratie hat die Interessen der berufstätigen Frauen dreifach verraten. Sie hat sie verraten, indem sie zu Nutz und Frommen des Kapitalismus auf den Kampf für die Losung verzichtete: gleicher Lohn für gleiche Leistung, ohne Unterschied, ob Mann oder Weib. Sie hat sie ein zweites Mal verraten, indem sie es widerstandslos geschehen. ließ, ja es billigte, dass nach Kriegsende in erster Linie die Frauen aus den Betrieben, aus den Amtsstellen hinausflogen, Warum das? Weil man die hungernde Frau wegen ihrer politischen Rückständigkeit weniger fürchtet als den Mann. Außerdem weil man vorheuchelt, sie sei versorgt, da ihr ja der Weg zur Prostitution in der Straße oder in einer Schacherehe offen stehe. Die Gewerkschaftsbürokratie verriet die Interessen der berufstätigen Frau ein drittes Mal, indem sie nicht den Kampf gegen das schreiende Unrecht aufnahm, dass die erwerbslose Frau mit einer kleineren Entschädigung abgespeist wird, als der erwerbslose Mann, oder gar leer ausgeht. Das sind meines Erachtens Momente, die von unseren kommunistischen Zellen in den Gewerkschaften beachtet und ausgenützt werden müssen, um die Frauen in den Betrieben zu revolutionären Kämpferinnen zu erziehen. Zu würdigen ist ferner die große Bedeutung der beruflichen, der gewerkschaftlichen Schulung der Frauen für den kommunistischen Aufbau nach der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat.

Doch weiter mit dem, was die Konferenz beschlossen hat oder richtiger, was sie beschlossen hat, dem Kongress vorzulegen, zum Zwecke der besseren internationalen Verbindung der Kommunistinnen der einzelnen Länder. Ich habe schon angeführt, dass die Parteien internationale Korrespondentinnen wählen sollen, die miteinander und mit dem Kommunistischen Frauensekretariat in Moskau in regelmäßiger, dauernder Verbindung stehen. Aber dieses Sekretariat selbst muss leistungsfähiger gemacht werden. Wir wollen, dass es nicht bloß Informationsorgan für die Arbeit, den Kampf der Kommunistinnen sein soll, sondern führendes und leitendes Organ, das die revolutionäre Betätigung, die Beteiligung der Proletarierinnen an den Kämpfen des Proletariats vereinheitlicht, verschärft und steigert. Zu diesem Zwecke soll im Auslande ein internationales Hilfsorgan geschaffen werden. Das Sekretariat selbst muss in Moskau bleiben, nicht bloß wegen der engen organisatorischen Verbindung nut der Exekutive. Nein, aus demselben sachlichen-historischen Grunde, aus dem die Exekutive selbst in Moskau ihren Sitz haben muss. Weil Moskau das Herz der Revolution, weil Moskau die Hauptstadt des revolutionären Russlands ist, weil hier die Erfahrungen des revolutionären Kampfes zusammenströmen und zu theoretischen Erkenntnissen und. praktischer Wegweisung ausgenützt werden können. Genossinnen und Genossen! Wir sind überzeugt, dass ein bescheidenes Hilfsorgan in Westeuropa dem Frauensekretariat der Exekutive zu Moskau wertvolle Dienste leisten kann, und wir ersuchen Sie deshalb, unserer einschlägigen Resolution zuzustimmen.

Die Konferenz. hat noch geprüft, was Pflicht, was Leistungsmöglichkeit der Frauen im Kampfe für die Erringung und Behauptung der proletarischen Diktatur, der Räteordnung ist. Wir haben diese Frage zuerst und vor allem erörtert nach ihrer allgemeinen grundsätzlichen Bedeutung für den revolutionären Kampf des Proletariats und damit für die volle Befreiung des weiblichen Geschlechts. Wir haben sie folglich betrachtet im Zusammenhang mit der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Lage, jener Lage, angesichts deren dein Proletariat nur eine Wahl frei steht: entweder revolutionär die Macht zu erobern oder sich unter verschärfte Ausbeutung und Knechtschaft zu beugen. Freiheit oder Rückfall in die Barbarei, das ist die Entscheidung, vor die das Proletariat und auch die Frauen der breitesten Massen von der Geschichte gestellt worden sind. Wir haben dann die Frage erörtert im Zusammenhang mit der Beteiligung der Frauen an der Arbeit, am Kampf für die Verteidigung der Diktatur, was in sich begreift ihre Mitwirkung am Wiederaufbau des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens nach der Eroberung der Diktatur. Wir haben die Frage des proletarischen Klassenkampfes für die Eroberung und Behauptung der politischen Macht endlich behandelt im Zusammenhang mit dem Kampfe für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts vor dem Gesetz und in der Praxis.

Die Konferenz war einmütig der Überzeugung, alle Wege führen nach Rom. Mit anderen Worten: alle Forderungen, die die Frauen als Berufstätige, als Mütter, als Menschen zu erheben haben, alle Forderungen, die sie erheben müssen, um auf der Grundlage sozialer Arbeit vollberechtigte und voll verpflichtete Glieder der Gesellschaft zu werden, alle Schmerzen und Nöte ihres Lebens, alle Sehnsüchte ihres Strebens, sie laufen zusammen in der einen Mahnung: aktive, kühne, hingebungsvolle Beteiligung au den revolutionären Kämpfen für die Eroberung der Diktatur des Proletariats, für die Aufrichtung der Räteordnung. Und nach Erreichung dieses Zieles: opferfreudige Arbeit bis zum letzten Fünkchen Kraft, um die Sowjetordnung zu verteidigen, nicht nur mit der Waffe in der Hand, sondern auch mit der Kelle am Aufbau des neuen gesellschaftlichen Lebens, das die Rechtfertigung, das die festeste Grundlage ist für die Behauptung der Diktatur des Proletariats, für die Räteherrschaft.

Genossen, wir haben bei der Erörterung dieser Fragen keinen Zweifel darüber gelassen, dass die kommunistische Frauenbewegung nicht lebt und webt in einer Wolke der politischen Neutralität. Auch wenn unsere Tagung nicht die grundsätzlichen und taktischen Fragen behandelt hat, die im gegebenen Augenblick zur Entscheidung vor der Dritten Internationale standen und stehen, so ist doch eine selbstverständlich jede Kommunistin hat ihrer allgemeinen grundsätzlichen und taktischen Überzeugung entsprechend selbständig nachgedacht und Stellung zu den Problemen genommen, die uns in ihrer Rückwirkung auf die Frauenbewegung beschäftigen. Und ein anderes versteht sich noch. Dass innerhalb jeder Kommunistischen Partei Eure Kämpfe um Grundsätze und Taktik unsere Kämpfe sein werden und müssen.

Genossen und Genossinnen! Wir Delegierte der Internationalen Konferenz der Kommunistinnen wollen hinausgehen in alle Länder, um den Frauen dort zu zeigen, dass Russland ein großes geschichtliches Beispiel ist. Es lehrt: ohne Eroberung der politischen Macht, ohne Aufrichtung der Rätediktatur kein kommunistischer Aufbau, keine Befreiung, keine Gleichberechtigung der Frauen. Aber es sagt auch den Kommunistischen Parteien aller Länder: ohne Mitarbeit, ohne den Mitkampf der Frauen keine Eroberung der politischen Macht, kein kommunistischer Aufbau. Das Proletariat bedarf für seine Schlachten zur Überwindung des Kapitalismus, wie für die Verwirklichung des Kommunismus der Mitarbeit der Frauen nicht bloß der Quantität nach, wie die Zahlen zeigen, die ich früher angeführt habe. Nein, Ihr befreiungssehnsüchtigen, Ihr befreiten Proletarier, Ihr könnt unserer Mitarbeit nicht entraten, auch der Qualität unserer Leistungen nach. Wir sind, dem Himmel sei Dank, nicht Eure Affen, nicht Eure missratenen, schlechten Kopien. Wir setzen unsere eigenen geistigen und sittlichen Werte ein, sowohl in den revolutionären Kampf, wie an den revolutionären Aufbau. Und das bedeutet nicht etwa eine Bedrohung, eine Abschwächung des revolutionären Kampfes, nein, es bedeutet seine Steigerung und Verschärfung. Und es bedeutet nicht eine Verarmung und Verpfuschung, Verflachung des neuen gesellschaftlichen Lebens, sondern seine Bereicherung, seine größere Mannigfaltigkeit, Vertiefung und Verfeinerung.

Deshalb hinein mit den Frauen der Sowjetstaaten in alle beschließenden, verwaltenden, kontrollierenden, aufbauenden, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen Organe und Organisationen! Deshalb hinein mit den Proletarierinnen, mit den unfreien, unterdrückten Frauen der Länder, die noch unter kapitalistischer Herrschaft schmachten, in alle Kämpfe, in alle Schlachten des Proletariats. Vergessen wir nicht, was einer der besten Kenner der früheren revolutionären Bewegung Russlands geschrieben hat. Stepniak sagte in seinem berühmten Buche: “Das unterirdische Russland”, dass die revolutionäre Bewegung in diesem Lande ihren hohen idealen Schwung, ihre geradezu religiöse Begeisterung und Kraft der Mitarbeit, dem Mitkämpfen, dem Mitleben und Mitsterben der Frauen verdankte. Das ist die große Tradition, die in Russland lebendig geblieben ist, das muss die große Tradition werden, die für den Kampf des Proletariats in allen kapitalistischen Ländern, in allen Ländern des Ostens leitend ist.

Genossen und Genossinnen, wir haben hier auf diesem Kongress gehört: Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht, um nicht die Fühlung mit den breiten proletarischen Massen zu verlieren, die die entscheidenden Schlachten der proletarischen Revolution schlagen. Und wir wissen, wie wahr, wie richtig das ist. Wir haben aber aus der Geschichte der Revolution auch noch ein anderes gelernt: Kühnheit, Kühnheit und nochmals Kühnheit, um die Massen, die revolutionären Massen voranstürmen zu machen. Und ich versichere Euch: wir Frauen, die wir das Land des Kommunismus mit glühender Seele suchen, wir, die wir die stärksten, die unversöhnlichsten Hasserinnen des Kapitalismus sein müssen, wir wollen danach streben, das kühle Wägen der konkreten Verhältnisse mit dem kühnen Wagen für das hohe Ziel, für den Sieg zu verbinden. Wir wissen, in welcher gefährlichen Situation wir stehen. Nicht bloß dort, wo wir um die Eroberung der Macht ringen, auch dort, wo die Macht schon errungen ist und bedroht wird von der ausländischen und inländischen Gegenrevolution und allen Schwierigkeiten des Aufbaues unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen. Uns Frauen aber entmutigt nicht, was hinter uns liegt, uns schreckt nicht, was vor uns dräut. Wir haben die Augen unverwandt gerichtet auf das leuchtende Ziel, den menschheitsbefreienden Kommunismus. Wir sehen klar den Weg zum Ziel: den Bürgerkrieg, den revolutionären Kampf mit seinen Schrecken und Gefahren. Und trotz alledem haben wir nur eine Losung: Durch! (Langanhaltender, lebhafter Beifall.)

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