Clara Zetkin 19230200 Der Internationale Kommunistische Frauentag 1923

Clara Zetkin: Der Internationale Kommunistische Frauentag 1923

[„Die Kommunistische Fraueninternationale“, 3. Jahrgang, Heft 2, Februar 1923, S. 827-833]

Und abermals ein Internationaler Kommunistischer Frauentag der — von Sowjetrussland und den ihm angegliederten Räterepubliken abgesehen — nicht im Zeichen siegreicher Kämpfe des Weltproletariats

ausbeutende und verknechtende Herrenmacht der Bourgeoisie steht! Im Gegenteil. Das unmöglich dünkende ist Ereignis. Noch furchtbarer, noch zermalmender sind die Plagen und Nöte der Schaffenden geworden. Rücksichtsloser, gewalttätiger als je nutzt die Bourgeoisie alle ihre Macht, Um die Massen in Unterwerfung zu halten. Die Mordbanden des Faschismus ergänzen das Werk der Polizisten, Richter und Soldaten. Geldentwertung, Wucherpreise des unentbehrlichsten Lebensbedarfs, Ausplünderung durch Steuern und Abgaben, hier Arbeitslosigkeit, dort Anpeitschung der Lohn- und Gehaltsfronenden zu verlängerter Arbeitszeit, zu erhöhten Leistungen bei zermürbenden Arbeitsbedingungen, wachsende Unsicherheit des Erwerbs und der Existenz, sind internationale Charakterzüge unserer Zeit. Ebenso grausigstes Wohnungselend, chronische Unterernährung, gesteigert zum nackten Hunger, Mangel an Wäsche und Kleidung, an Licht, Wärme und Reinlichkeit, an den bescheidensten Kulturgütern, Proletarisierung des Klein- und Mittelbürgertums und namentlich der „Intellektuellen“, Verwandlung von arbeitsfreudigen Besitzlosen in hungernde Bettler, unheimliche Ausbreitung von Seuchen, Verderben und Sterben in Not, namentlich von Kindern. Das aber in allen Ländern, wo der Kapitalismus noch unbeschränkter Herr ist im Hause seines Betriebs und auch im Hause seines Staats, trotz der „Demokratie“, ja gerade mit ihrer Hilfe und mit ihrem Segen.

Das grauenvolle Massenschicksal wuchtet besonders schwer auf den Frauen, die nicht zu dem Klüngel kapitalistischer Unternehmer, Händler, Spekulanten, Schieber und Wucherer gehören. Kein Jammer der Gegenwart, unter dem sie nicht doppelt, vielfach leiden. Die Arbeiterin und Angestellte, die Beamtin und Lehrerin etc. ist mehr als ihre Berufsgenossen von der Entlassung bedroht, und die Erwerbslose hungert und friert oft bitterer als der Mann ohne Verdienst, weil ihr schmälere Unterstützung wird, als ihm. Die Hausfrau trägt alle Sorgen, Entbehrungen und Schmerzen des Gatten, Sohnes und Bruders, sie leidet nicht bloß mit ihm, sondern auch für ihn. Die Mutter steht blutenden Herzens unter dem Golgathakreuz, wenn sie ohnmächtig ist, dem Hungerschrei ihrer Kinder. nach Brot, Wärme, nach ein wenig Lebensfreude, Wissen und Schönheit zu stillen, sie vor den erbarmungslosen Griffen von Siechtum, Verkommen und Tod zu schützen. Ist nicht in allen kapitalistischen Ländern das Verkümmern und Sterben von Kindern, ist nicht die steigende Zahl jugendlicher Verwahrlosten und Verbrecher eine der vernichtendsten Anklagen gegen die heutige Ordnung?

Die weiblichen Berufstätigen aber, die Hausfrauen und Mütter stehen im Allgemeinen dem gegen sie anstürmenden Elend widerstandsunfähiger, weniger gerüstet gegenüber als ihre Brüder der Plage und Pein. Sie empfinden des Lebens Nöte stark, allein sie sind schwach in der Abwehr, dagegen, sie sind Dulderinnen, statt Kämpferinnen. Das böse Erbe von vielhundertjähriger Botmäßigkeit unter dem Mann, des Eingepferchtseins in die Enge der vier Pfähle hat ihren Blick, ihren Willen kraftlos gemacht. So demütig, wie sie sich unter das Kommando des Mannes, der Familie beugt, so wenig wagt sie, sich aufzulehnen gegen die erbarmungslose Auswucherung durch die Kapitalisten, gegen die Unterdrückung durch den bürgerlichen Staat.

Dazu kommt, dass noch immer in wichtigen Staaten die Frauen der öffentlichen, der politischen Rechte ermangeln, mittels deren sie für ihre Interessen und die der Ihrigen kämpfen können. Sind nicht so heute wie gestern und ehegestern die Frauen in der Schweiz, in Frankreich, in Italien, Belgien etc. ohne das Recht des Wählens und der Wählbarkeit zu den gesetzgebenden Parlamenten, „Objekte“ der Gesetzgebung, nicht auch ihre „Subjekte“?

In den Jahren seit Ausbruch des verderbenreichen Machtkrieges zwischen den Imperialisten der großen Staaten haben sich die Mühsale und Qualen der werktätigen Frauen bergehoch getürmt. Ihre bescheidensten Hoffnungen auf Milderung wurden grausam enttäuscht, ihre Elendsbürde wuchs und wuchs. Am heutigen Internationalen Kommunistischen Frauentag finden sie sich trotzdem Aug‘ in Auge mit dem Unfassbaren. Ein weiteres Anschwellen der Not steht vor der Türe. Die Internationale Konferenz der Regierungen zu Lausanne hat hell beleuchtet, dass es den Kapitalisten der verschiedenen Länder um alles geht, nur nicht um den Frieden, die Wohlfahrt der Völker. Es geht ihnen um die Herrschaft über die Dardanellen und Konstantinopel; um Eisenbahnen, Konzessionen und Ausbeutungsgewalt auf dem Balkan, in Kleinasien und Mittelasien; um den kürzesten und sichersten Weg nach Indien; um die Baumwollplantagen und Getreidefelder Ägyptens; um die Petroleumquellen von Mossul und Baku; um die Knechtung des russischen, Arbeiter- und Bauernstaats und seine Umwandlung in ein Kolonialland der Weltbourgeoisie: kurz, um alles und jedes das ihnen einen Zuwachs an Macht und Reichtum verspricht.

Die beherrschende unstillbare Gier danach bereitet im Schosse der kapitalistischen Welt unzweifelhaft neuen Völkermord vor, größer an Umfang, furchtbarer an Schrecken und Gräueln als der imperialistische Raubkrieg, den wir vier Jahre lang schaudernd erlebt haben. Noch sind die Millionen Todesopfer dieses Verbrechens an der Menschheit nicht verwest; noch bluten Herzenswunden von Müttern, Gattinnen, Schwestern und Bräuten; noch erweckt der Anblick hilfloser, unversorgter Kriegskrüppel und Kriegskranken tiefstes Mitgefühl und leidenschaftliche Empörung; noch zeugen die Trümmerhaufen ehemals blühender Arbeits- und Kulturstätten von der imperialistisch-militärischen Barbarei: und schon bereitet der Kapitalismus neuen Krieg vor. Die militärische Besetzung des Ruhrgebiets durch den französischen Imperialismus ballt neue Wetterwolken zusammen. Ein Zufall kann darüber entscheiden, dass das Ringen zwischen den französischen Erzgewaltigen und den deutschen Kohlenfürsten, dass das Ringen zwischen dem siegestrunkenen Imperialismus der Poincarés und dem von ihm gedemütigten und gefesselten Kapitalismus der Cuno zum blutigen Waffengang wird. Ein solcher kann sich aber nun und nimmer auf Frankreich und Deutschland beschränken. Er wird sich zu einem neuen imperialistischen Weltkrieg erweitern.

Doch auch ohne diese entsetzliche Zuspitzung ist und bleibt die Ruhrbesetzung Krieg. Krieg einer ausbeutenden und herrschenden Minderheit gegen ausgebeutete und unterdrückte Massen von Werktätigen, Krieg von Kapitalisten gegen Proletarier, geführt unter nationalen Fahnen. In der Tat! Letzten Endes sind es nicht die Thyssen, Klöckner und Stinnes, sind es nicht die deutschen Industrie- und Börsenritter, die die Lasten und Leiden der Besetzung tragen. Sie scheffeln Dank ihrer Milliardengewinne ein! Und die Nutznießer des raubgierigen imperialistischen Vorstoßes sind nicht etwa die Grubensklaven Nordfrankreichs, die von fressender Gier verzehrten Arbeiter in den Hüttenwerken von Longwy und Briey, die Arbeiter, Angestellten und Kleinbauern jenseits des Rheins. Sie werden zusammen mit den Proletariern des Ruhrgebiets und ganz Deutschlands die Besiegten sein, wie sie zusammen mit ihnen und den Ausgebeuteten aller Länder als Unterworfene und Ausgeplünderte aus dem Krieg von 1914-1918 hervorgegangen sind.

Die zusammenfallende Gewalt der Bajonette des französischen Imperialismus und der Hungerpeitsche des deutschen Kapitalismus wird unvermeidlich dem Ruhrproletariat höchste Profite abzwingen wollen, wird über dieses mit gesteigerter Ausbeutung und Unterdrückung unsagbare Nöte heraufbeschwören. So, unaufhaltsam aber seine Nöte sich zu Nöten der gesamten deutschen Werktätigen auswachsen, so todsicher werden sie sich auf die Enterbten in Frankreich und den andern kapitalistischen Ländern stürzen. Also will es die internationale Solidarität der Klassenlage, die die Ausgebeuteten und Unterdrückten, hinter welchen Grenzen auch immer sie wohnen, in einer nicht abzuschüttelnden Schicksalsgemeinschaft verbindet. Frauen und Männer! Auch die Frauen des schaffenden Volks sind in diese große Schicksalsgemeinschaft eingeschlossen. Mit den Gruben- und Hüttenarbeitern des Ruhrreviers werden die Arbeiterinnen, Kleinbürgerinnen, Kleinbäuerinnen in Frankreich, in England, in Italien etc. die Wirkungen von Poincarés Säbel schmerzlich fühlen und auch sie werden erleichtert aufatmen können, wenn starke deutsche Proletarierfäuste die Stinnes- und Cunoherrlichkeit niederwerfen und eine Arbeiterregierung errichten.

So sind es verhängnisschwere Sterne, die über dem Internationalen Frauentag der Kommunisten funkeln. Und doch Sterne, die den Mühseligen und Beladenen der heutigen Ordnung nicht bloß Unheil künden. Nein, sie leuchten ihnen auch die frohe Botschaft zu, dass sie wollend, handelnd das Unheil zu wenden vermögen. Je bedrohter gerade die schaffenden Frauen sich von ihm fühlen, um so mehr ist es ihre heiligste Pflicht, dazu auch ihre Macht voll zu nützen. Der Internationale Kommunistische Frauentag ruft sie zu dieser Pflichterfüllung. Er zeigt ihnen den großen Schuldigen daran, dass sie und die Ihrigen trotz harten Schuftens und Schanzens hungernd vor leeren Tellern sitzen, während Müßiggänger roheste Genussorgien feiern. Er bringt ihnen die Möglichkeit, die Macht zum Bewusstsein, ihn zu überwinden und dadurch der Schlange ihrer Qualen den Kopf zu zertreten. Dieser große Schuldige ist weder der Franzose, noch der Deutsche, der Engländer oder Yankee. Er ist keiner Nationalität und ist von einer jeden. Es ist der Kapitalismus, der in seinem Todeskampf wild, verzweifelt um sich schlägt.

Kein Zweifel! Der Kapitalismus ist im Verfall, ist in der Auflösung begriffen. Seine Wirtschaft trägt nicht mehr genug Früchte, um die riesige Vergeudung und Vernichtung gesellschaftlichen Reichtums durch den Krieg wieder gut zu machen und die von diesem geschlagenen Wunden zu heilen; um die Parasitenklasse der Ausbeutenden in beispiellosen Luxus zu erhalten; um daneben das bescheidene, kümmerliche Dasein seiner Sklaven mit Hand und Hirn auf dem Niveau der Vorkriegszeit zu sichern. Noch aber herrscht die Bourgeoisie, die führende Klasse des Kapitalismus, in Wirtschaft und Staat. Noch eignet ihr die Macht zu den schmutz- und bluttriefenden Versuchen, auf den wundenbedeckten, gebeugten Rücken der Arbeiter, der Werktätigen alle Lasten und Leiden des Kriegs zu laden, auf ihre Kosten dem Kapitalismus das Leben zu fristen. ihm neue, gesunde Kräfte und Säfte zuzuführen. Was schert die Bourgeoisie das zerstörte Lebensglück von Ungezählten, was das zerstampfte Leben selbst von Millionen? Die Menschen sind ihr nichts, der Besitz, ihre Ausbeutungsmacht ist ihr alles.

Jedoch Hand aufs Herz! Vermöchte die Bourgeoisie ihr Sinnen und Trachten durchzusetzen, wenn die Massen sich kämpfend wider sie erheben würden? Nein und zehnmal Nein! Ihre gewaltigen Machtmittel müssen wie Glas an dem Granit der Erkenntnis, des Willens, des Kampfes der Massen zersplittern, wenn diese entschlossen sind, Ausbeutung und Knechtschaft nicht länger zu tragen. Bei fortschreitender Zerrüttung der kapitalistischen Wirtschaft herrscht und plündert die Bourgeoisie nicht mehr auf Grund ihrer sozialen Leistungen, nicht mehr auf Grund ihrer Stärke, sondern nur Dank dem Verrat der reformistischen Führer und seiner Auswirkung auf die Arbeiter. Sie kann nur noch Darbenden das letzte Stück Brot vom Munde reißen und kinderreiche Familien aus der trostlosen Mietskaserne in das Asyl für Obdachlose oder in einen leeren Stall treiben, weil die schaffenden Massen die Revolution und ihre Opfer fürchten. Es ist tief beschämend, dass die reformistischen Arbeiterführer die in Russland in Fluss gekommene proletarische Revolution verraten haben, dass sie Stützen und Diener der Bourgeoisie und ihrer Profitmühlen sind. Allein, ist es weniger beschämend und schimpflich, dass die Ausgebeuteten und Versklavten solches dulden, ihr Teil am Verbrechen der Revolutionsfurcht und Revolutionsfeigheit tragen?

Die Kommunistische Internationale hat aus dem vielgestaltigen, mörderischen Jammer der Armen und Kleinen die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Lasst Euch nicht zertreten, erklärt sie ihnen. Schließt die Einheitsfront gegen die Weltbourgeoisie! Seid Ihr so sklavischer Gesinnung, dass Ihr an Eure Freiheit nicht zu denken wagt, so hört die Stimme Eures knurrenden Magens! Auf zur Abwehr verschärfter Ausbeutung, höchster Not! Unser Internationaler Kommunistischer Frauentag gibt die Mahnung weiter an die Scharen werktätiger Frauen, denen Not und Tod ins vergrämte Antlitz starren. Wir wissen, dass die reformistischen Arbeiterführer um der nationalen Einheitsfront mit der Bourgeoisie willen die Anfänge der proletarischen Einheitsfront zu zertrümmern sich bemühen. Aber wir sind auch tief davon durchdrungen, dass diese sich gegen den verräterischen Willen der Herren bilden muss. Und wir sehen, dass die Frauen in der proletarischen Einheitsfront stehen müssen, wenn nicht eine große und verhängnisvolle Lücke in ihr klaffen soll.

So rufen wir in dieser Stunde, wo für das Proletariat Tod und Leben miteinander ringen, den Arbeiterinnen, weiblichen Berufstätigen, den Hausfrauen und Müttern ohne Unterschied des politischen Bekenntnisses und des Glaubens zu: Gedenket, dass Ihr eines Elends seid! Vereinigt Euch! Heraus aus Euren Marterwinkeln, um vor den Augen der goldtrunkenen, genusstaumelnden kapitalistischen Welt Eure Wunden zu enthüllen, Eure Forderungen heraus zu schreien und Euren Willen zu stärken, für diese Forderungen zu kämpfen. Stellt der rasenden Profitsucht der Kapitalisten und ihren Vorstößen Eure Ansprüche entgegen: Gleicher Lohn für gleiche Leistung und gleiche ausreichende Erwerbslosenfürsorge für Mann und Frau. Achtstundentag, freier Samstagnachmittag, Ausbau des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes für Erwachsene und jugendliche und sinngemäße Ausdehnung auf alle Lohnarbeitenden. Strenge Maßregeln gegen Preiswucher! Kontrolle der Produktion, der Verteilung und der Preise durch Arbeiter- und Angestelltenräte, durch Kontrollausschüsse der Verbraucher, der Hausfrauen. Umfassender wirksamer Mutter-, Säuglings- und Kinderschutz; würdige soziale Fürsorge für Alte, Kranke, die Kriegsopfer, Befreiung der Werktätigen von den Steuerlasten und deren Abbürdung auf die Besitzenden durch Sachwerterfassung und Zwangsanleihen. Sicherstellung des Koalitions- und Streikrechts. Volles politisches, soziales Recht für alle Frauen. sofortige Befreiung aller eingekerkerten revolutionären Kämpfer.

Der Internationale Kommunistische Frauentag fordert die werktätigen Frauen auf, mit ihren Brüdern zusammen den festen Willen zu bekunden, diese und ähnliche Forderungen durchzusetzen. Bekunden nicht durch Worte, vielmehr durch Taten, indem sie mutig den Kampf aufnehmen gegen die ausbeutende Eigentumsmacht der Bourgeoisie, gegen die knechtende Gewalt ihres Staats, wo immer und unter welcher Form auch diese beiden Todfeinde ihnen entgegentreten, Kampf, zähen, heißen, entschlossenen Kampf gegen die Kriegsrüstungen und Kriegstreibereien der Bourgeoisie, gegen die Ruhrbesetzung! Kampf gegen den weißen Terror, gegen den Faschismus! Kampf für die Sicherung der Rechte und die Stärkung der Machtposition der Betriebsräte und der Arbeiterkomitees. Kampf für die Entwaffnung der Bourgeoisie und die Bewaffnung der Arbeiter, der Werktätigen! Kampf für die Arbeiterregierung!

Wir sind zu klein, zu schwach, um großen Kampf für große Dinge zu wagen, werden viele Frauen erklären. Unser Frauentag antwortet ihnen: Ihr Kleingläubigen! Euer Kleinmut macht Euch schwach. Blickt auf Euere Schwestern in Sowjetrussland! Sie haben gezeigt, wie unüberwindlich, wie stark Frauen sind, wenn sie für ihre Freiheit kämpfen. Der erste Arbeiter- und Bauernstaat der Welt konnte nur geschaffen und gegen den wütenden Ansturm seiner Feinde verteidigt werden, weil auch Massen von Proletarierinnen, von Bäuerinnen für ihn kämpften, ihr Herzblut und nie rastende Arbeit an sein Werden und seinen Aufbau hingaben. Sie wussten warum. Hatte er nicht das Unrecht altersgrauer Zeiten von ihnen genommen und sie als Gleichverpflichtete, Gleichberechtigte und Gleichgewertete in das brausende, neue Leben der Gesellschaft geführt?

Bei unserem Frauentag stehen die Kommunisten Sowjetrusslands Seite an Seite mit uns, um die werktätigen Frauenmassen zu sammeln für die Verwirklichung ihrer vollen Befreiung. Kein Recht, kein Gesetz macht es ihnen streitig. Jedoch das Weltproletariat ist erschreckt vor seiner großen Aufgabe zurückgewichen, die Weltrevolution weiterzuführen. In der Folge machen sich nun auf Sowjetrusslands Boden alle Umstände geltend, die dem kommunistischen Aufbau hinderlich. ja feindlich sind. Sie wirken sich zumal in der Wirtschaft aus. In großen Scharen werden die Frauen wieder aus der modernen gesellschaftlichen Produktion ausgeschaltet und auf den Haushalt verwiesen. Arbeitslosigkeit droht ihnen mit all ihren Schrecken, mit dem Versinken in Not, dem Untergang in der Prostitution. Die zerrüttete, rückständige Wirtschaft gibt dem Sowjetstaat noch nicht die Mittel, all jene sozialen Einrichtungen für den Schutz der Mütter und Kinder zu schaffen, für die Entlastung der Hausfrau und Mutter, dank deren die Frau erst in Wahrheit und Tat frei wird.

So ist es der Widerspruch zwischen formalem Frauenrecht und der Wirklichkeit des Frauenlebens, beherrscht vom ungeschriebenen Zwangsgebot der Wirtschaft, der dem internationalen Frauentag in Sowjetrussland die Losungen vorschreibt. Sie sind im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet, diesen Widerspruch zu überwinden. Das aber durch die Erweckung und Schulung der breitesten Frauenmassen für die verständnisvolle und freudige Mitarbeit am Aufbau der Wirtschaft und des sozialen Lebens in der Richtung zum Kommunismus. Die Forderungen, die die russischen Kommunistinnen und Kommunisten am Internationalen Frauentag den Proletarierinnen und Bäuerinnen vorantragen, müssen ungleich den Verhältnissen in den kapitalistischen Ländern — nicht den sich sträubenden Gewalten einer herrschenden Bourgeoisie und des bürgerlichen Klassenstaats abgerungen werden. Von der Forderung, arbeitslose Frauen in produktiven Artelsverbänden — zusammenzuschließen bis zu jener der Errichtung von Ausbesserungswerkstätten und öffentlichen Waschhäusern, der berufstechnischen, wissenschaftlichen und praktischen Durchbildung der Frauen in allen Lern- und Lehranstalten finden sie die tatkräftige Unterstützung an der Sowjetregierung des Rätestaats, Gewerkschaften, Genossenschaften, alle Arten der proletarischen Organisationen und Sowjetorgane sind kraftvolle Helfer, dass ihnen Erfüllung wird. Von Räte-Russland ausgehend flutet der Strom erweckenden Lebens unter die Frauenmassen der andern föderierten Sowjetrepubliken und des Orients. Hier ist unser Internationaler Frauentag eines der erfolgreichsten Mittel, die Versklavtesten der Versklavten zum Kampf für ihre Freiheit wachzurütteln und unter dem kommunistischen Banner zu vereinen.

Der Kommunistische Internationale Frauentag ist Geist vom Geist, Kraft von der Kraft der Dritten Internationale. Keine Frauensache! Das gemeinsame Werk aller Kommunisten, ob Mann, ob Weib. Er ist ein Glied der Kette des Kampfes für die proletarische Einheitsfront und in proletarischer Einheitsfront. Diese Kette schließt sich nur ganz, wenn auch die werktätigen Frauen in ihr nicht fehlen. Sie dürfen in ihr nicht fehlen, Diese Kette allein ist stark und fest genug, die mörderischen, gewalttätigen Fäuste der Bourgeoisie zu binden. Und hat das Proletariat diese Fäuste gefesselt, so wird es das Selbstvertrauen gewinnen und seinen Todfeind, den Kapitalismus, niederschlagen. Auf die Abwehr schwärzesten Elends muss der Vorstoß folgen zur Eroberung der Macht durch das Proletariat, zur Errichtung seiner Diktatur. Auch unser Frauentag ist ein Schritt zu diesem Ziel.

Clara Zetkin.

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