Clara Zetkin 19240300 Die Aufgaben der Dritten Internationalen Konferenz der Kommunistinnen

Clara Zetkin: Die Aufgaben der Dritten Internationalen Konferenz der Kommunistinnen

[„Die Kommunistische Fraueninternationale“, 4. Jahrgang, Heft 3, März 1924, S. 1079-93]

I.

Der Wille zur Machteroberung, zur Revolution.

Im Anschluss an den Fünften Weltkongress der Kommunistischen Internationale wird in Moskau die Dritte Internationale Kommunistische Frauenkonferenz tagen. Eine lange Zeitspanne trennt sie von ihrer Vorgängerin, die im Sommer 1921 vor unserem Dritten Weltkongress abgehalten worden ist. Dazwischen haben 1922 zwei Konferenzen der Internationalen Korrespondentinnen stattgefunden, außerdem im gleichen Jahre, anlässlich des Vierten Weltkongresses, Sitzungen und Besprechungen der zu dieser Tagung delegierten Genossinnen und von Genossen, die die Wichtigkeit der kommunistischen Arbeit unter den werktätigen Frauenmassen erkennen. Leider sind infolge verschiedener Umstände — zumal infolge der Terrorherrschaft und der Illegalität in Italien, Bulgarien, Deutschland usw. — die Internationalen Korrespondentinnen 1923 nicht ein einziges Mal zusammengetreten. Wir werden noch auf diesen Umstand zurückkommen, denn er ist sowohl für die Bewertung der letzten Tätigkeitsperiode von Wichtigkeit, wie für das künftige Wirken.

Das Leitmotiv unserer Internationalen Frauenkonferenz ist gegeben durch das innere, unlösbare Verbundensein der „Kommunistischen Frauenbewegung“ mit der Kommunistischen Internationale als der kämpfenden, führenden Weltorganisation des Proletariats für seine Befreiung durch die Weltrevolution. Bei den Beratungen und Beschlussfassungen über alle Gegenstände der Tagesordnung muss das stark, beherrschend hervor klingen. Deshalb wird die Konferenz im Zeichen der Stellungnahme des vorausgehenden Weltkongresses stehen. Seine Beschlüsse werden ihr oberstes Gesetz sein. Unmissverständlich muss sie es zum Ausdruck bringen, dass es Hauptpflicht der Genossinnen aller Länder ist, in vollster Übereinstimmung mit den grundsätzlichen und taktischen Richtlinien des Kongresses und den von ihm gewiesenen nächsten Aufgaben die höchste Aktivität zu entfalten. Nicht etwa bloß im allgemeinen, bei allen Arbeiten und Kämpfen der verschiedenen nationalen Sektionen und der Kommunistischen Internationale als Gesamtheit, nein auch auf dem Sondergebiet des Wirkens zur Revolutionierung der großen, schaffenden Frauenmassen. Dieses Wirken muss stets als Teil des Ganzen und in seiner festen Verknüpfung mit ihm erfasst werden.

Kühn greift die Kommunistische Internationale nach den Sternen der freien Zukunftsgesellschaft, jedoch sie steht dabei mit „markigen Knochen auf der wohl gegründeten, dauernden Erde.“ Mit ihr spielen ebenso wenig die Wolken und Winde anarchistelnder, putschistischer Strömungen, als dass die Sumpfwiesen des Reformismus sie an die bürgerliche Erde fesseln, ihren Vormarsch aufhalten. Ihr Begründer und Führer Lenin hat ihr durch das gewaltige, weltgeschichtliche Beispiel der russischen Revolution gezeigt, dass sie keine Wolkenkuckucksheimerei sein darf, dass sie revolutionäre Realpolitik treiben muss. Daher wird der Weltkongress die nächsten Aufgaben der Kommunisten auf Grund einer tief schürfenden Überprüfung der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Lage festsetzen. Hat sich die kapitalistische Profitwirtschaft und mit ihr die politische Klassenherrschaft der Bourgeoisie wieder derart befestigt, dass mit einer längeren Periode ihres Fortbestehens und der Stagnation des revolutionär-proletarischen Klassenkampfes gerechnet werden muss? Anders gefasst: darf die revolutionäre Vorhut der Arbeiterklasse sich daran genügen lassen, die Ausgebeuteten und Unterdrückten zur Defensive gegen den Kapitalismus zu sammeln und zu führen, oder muss sie nicht vielmehr mutig in die Offensive übergehen und zum Sturm für die Eroberung der Staatsmacht vorstoßen? Die Meinungen darüber sind geteilt.

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Unbestritten, dass in der Weltwirtschaft bald in dem, bald in jenem Lande jetzt in einem Industriezweig, dann in einem anderen ein Aufschwung eintritt, in der Industrie der Vereinigten Staaten wurde im vorigen Jahr eine Zeit schwersten Niedergangs von geradezu glänzendem Aufschwung abgelöst. In England und Frankreich haben sich einzelne Wirtschaftszweige belebt. Sogar in Deutschland ist der Gang der Wirtschaft zeitweilig etwas weniger holpernd und stolpernd als seit langem. Überall sind die Kapitalisten am Werk, durch Verlängerung der Arbeitszeit, Lohnsenkungen und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen höhere Profite aus den Ausgebeuteten herauszupressen. Über Italien regiert der Faschistenhäuptling Mussolini, in den Balkanstaaten herrscht der Terror; Seeckts Militärstiefel steht auf dem Nacken des werktätigen Deutschlands; in Frankreich und England mitsamt ihren Vasallenstaaten, wie in der nordamerikanischen Union tobt sich der knechtende, raubende Imperialismus aus. Wer vermöchte sich die schmerzliche Tatsache zu verhehlen, dass die Gegenrevolution stark, mächtig ist, weil das Proletariat bis nun zu passiv, zu tatenlos, opferscheu und feig war, ihre Gewalt zu zerschmettern. „Die bürgerliche „Ordnung“ ist vor dem zerstörenden „Bolschewismus“ gerettet. Der Kapitalismus geht einer neuen Blüte entgegen, bei der auch für die Arbeiter ein paar Reformbrosamen abfallen werden.“ Die reformistischen Führer trillern es mit den Lerchen um die Wette in die Lüfte. Zu früh, und ohne dass ihr Schmettern den Frühling bringt.

Denn unbestreitbar sind auch andere Tatsachen. Jeder den Kapitalisten und Reformisten lächelnde Aufschwung bleibt eine isolierte, vorübergehende Erscheinung. Der hervorstechendste Wesenszug der Weltwirtschaft ist da, Fragwürdige, Unbestimmte, das Schwanken, die Unsicherheit. Verhältnismäßig kleine Vorgänge genügen, die wichtigsten Industrien eines Staats heute mit guter Konjunktur zu segnen, morgen schon mit Depression zu züchtigen. Die Eisen- und Stahlproduktion der Vereinigten Staaten stieg z. B. mit dem Sturz des französischen Franken und fiel mit seiner Stabilisierung. Agrarkrisen und Bauernbewegungen, die nach politischer Macht drängen, künden in allen Ländern mit nennenswerter Landwirtschaft, dass der Kapitalismus bis in seine Tiefen aufgewühlt, und dass mit ihm der bürgerliche Staat erschüttert ist. Die Gier der imperialistischen Staaten nach Kolonialherrschaft und Kolonialausbeutung — als der letzten Lebensmöglichkeit der bürgerlichen Gesellschaft — schürzt überall Konfliktsknoten, die das Schwert zerhauen soll. Die Flammen nationaler und sozialer Rebellion wider Unfreiheit und Ausplünderung züngeln immer häufiger und stärker in den Ländern empor, die Kolonialbesitz sind oder denen die Kolonisation droht. Überall in der kapitalistischen Welt Streiks, Streiks von Riesenumfang, langer Dauer und bewundernswürdigem Opfermut. Meist von den Ausbeutern, ihrer Polizei und ihrem Militär niedergeschlagen, von ihren Zivilbehörden und ihren „reformistischen Arbeiterführern“ abgewürgt, sind sie beredtes Zeugnis von dem proletarischen Kampfeswillen, der sich weder durch Gewalt noch durch Tücken auf die Dauer unterdrücken lässt.

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Zusammengefasst: Die Genossinnen müssen sich des widerspruchsvollen chaotischen Charakters der Zeit, der Weltlage klar bewusst bleiben. Das gilt für die Aufgaben, die ihnen unsere internationale Konferenz stellt, allein nicht minder auch für die Stimmung, den Geist, die Kampfentschlossenheit, den Willen, die Freudigkeit, mit der sie an diese Aufgaben herantreten und sie lösen. Nichts wäre kurzsichtiger und verhängnisvoller, als wenn wir übersehen wollten, dass heute gegensätzlichste Tendenzen nebeneinander herlaufen, einander durchkreuzend, lähmend, aber auch entwickelnd, vorwärts treibend, kräftigend, Tendenzen der Revolution und der Gegenrevolution. Nach wie vor ist die soziale Atmosphäre mit Zündstoff der Revolution geladen. Ob der entfachende Funke in ihn fährt, hängt davon ab, dass die lahmgeduldigen, proletarischen Kreuzesträger des Kapitalismus sich endlich als willensstarke, revolutionäre Kämpfer wider die bourgeoise Klassenherrschaft erheben, hängt von Menschen ab. Das besagt von einer Menge Imponderabilien, unmessbarer, unwägbarer Gefühls- und Gedankenwerte, die sich kaum je alle überschauen lassen und deren Auswirkung, scheinbar plötzlich durch einen Zufall ausgelöst, als Wille in die Geschichte treten kann. In der gegebenen Weltlage als Wille proletarischer Massen zur Revolution.

Heiligste Pflicht der Kommunistinnen aller Länder ist es daher, bewusst, ständig, planmäßig darauf hinzuarbeiten, dass in den Millionen werktätiger Frauen dieser Wille zur Revolution entsteht, wächst, zielklar wird, sich mit dem Willen der Brüder zum Massenwillen zusammenballt und einheitliche Entschlossenheit zu einheitlichem Handeln, zu einheitlicher Tat wird. In den einzelnen kapitalistischen Staaten sind die gegebenen Verhältnisse sehr mannigfaltig, unter denen die Genossinnen diese ihre oberste Pflicht zu erfüllen haben. Gewiss, die Weltsituation ist schwankend, unstet. Jedoch die tragende, objektive Grundlage für den Willen zur Revolution ist breit und fest genug, dass dieser das international einigende Band für die Arbeit, den Kampf der Genossinnen und der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht ihrer Tagesaufgaben sein muss.

Bei solcher geschichtlicher Auffassung darf nicht die Rede davon sein, dass die Genossinnen ihre Arbeit unter den werktätigen Frauen einseitig und starr nur auf eine der beiden vorhandenen Möglichkeiten einstellen. Entweder nur darauf, dass ein lange währendes Stocken der geschichtlichen Entwicklung den Kampf des Proletariats zur Eroberung der Macht, die Revolution in weite Ferne rückt. Oder aber einzig und allein darauf, dass die vorgeschrittene Zerrüttung der bürgerlichen Gesellschaft, dass die blutigen Nöte der Ausgebeuteten und Unterdrückten todsicher machen, heute schon proletarische Massenheere, vom Willen zur proletarischen Revolution erfüllt, für die Machteroberung in den Kampf treiben werden. Die Kommunistinnen müssen bei ihrer revolutionierenden Tätigkeit beide Möglichkeiten im Auge behalten. Hauptsache ist, dass wir den werktätigen Frauenmillionen die Notwendigkeit der Machteroberung ins Bewusstsein hämmern. Nicht als abstrakte, theoretische Formeln, sondern als höchst konkrete Forderung, als das „Karthago muss zerstört werden“ ihrer Sorge um Brot, Obdach und Kleidung, ihrer heißen Sehnsucht nach Wissen und Schönheit, ihrer Sorge um Nahrung, Pflege, Erziehung, Natur- und Kulturgenuss, ihrer Kinder. Hat die kommunistische Propaganda, Agitation und Aktion ins Denken der Frauenmassen die innere Verbindung zwischen deren Lebensbedingungen und der Machteroberung geschaffen, so wird auch in diesen Massen die Kampfentschlossenheit zur Machteroberung und Aufrichtung der proletarischen Diktatur emporwachsen und zur Tat drängen.

Die Genossinnen müssen also jede theoretische und praktische Aufgabe, zu deren Erfüllung unsere internationale Konferenz sie aufruft, im Lichte dieser Leninschen Lehre erfassen und durchführen: Die entscheidende Bedingung für die Machteroberung des Proletariats ist die Eroberung der Mehrheit des Proletariats, der schaffenden Bevölkerung für die kommunistische Überzeugung von der Notwendigkeit, die Klassenherrschaft der Bourgeoisie durch die proletarische Diktatur zu ersetzen, ist die Eroberung der erdrückenden werktätigen Mehrheit für den Gedanken und den Willen der Machteroberung. Heran an die Massen! Tägliche, dauernde, feste, organisierte Verbindung der Kommunistischen Partei jedes Landes auch mit den schaffenden Frauenmassen. Diese Verbindung wird durch die energischste, treueste, rücksichtsloseste Verteidigung der Lebensinteressen der Proletarierinnen, Kleinbäuerinnen, Kleinbürgerinnen geschaffen: durch den Kampf gegen die vielgestaltigen Nöte, die sie geißeln, durch den Kampf für alles, du ihre Lage zu heben vermöchte. Solches Handeln führt zwangsläufig zu dem tatsachengestützten Nachweis, dass die Bourgeoisie die Lage der Ausgesogenen und Unterdrückten nicht verbessern will, und dass die reformistischen Führer, weit davon entfernt, für dieses Ziel zu kämpfen, verräterisch schützend vor die Ausbeutenden und Herrschenden treten.

Das kommunistische Wirken und Kämpfen für die Interessen der geschundenen und getretenen Massen muss um so umfassender, kraftvoller sein, weil in der gegebenen Situation auch ein plötzliches Anschwellen und Aufbäumen des Revolutionswelle möglich ist. Das besagt: die Herstellung der Verbindung zwischen den Kommunisten und den Massen muss in eine kurze Zeitspanne zusammengedrängt werden. Diese Verbindung bewirkt, dass die stete Kampfbereitschaft der Kommunistischen Partei sich jederzeit zur Kampfbereitschaft größter Massen erweitern und verstärken kann. Sie verhindert, dass während einer längeren revolutionären Ebbe die Massen in stumpfe, müde Passivität versinken, sie hält sie vielmehr im Ringen um Tagesforderungen frisch und stählt ihren Willen, ihre Kraft für den raschen Vorstoß. Die Genossinnen müssen sich überall ganz klar darüber sein. Denn ihnen fällt dabei die Rolle der Vermittlerinnen und Dolmetscherinnen zwischen der Kommunistischen Partei und den werktätigen Frauenmassen zu. Lernen sie diese Aufgaben im Großen wie im Kleinen erfüllen, so wird auch in den millionenköpfigen Frauenschichten die heilige Flamme revolutionärer Kampfentschlossenheit in den träge dahin schleichenden Zeiten der Stagnation nicht verlöschen und bei Zuspitzung der Verhältnisse nicht im raschen, unbeherrschten Aufflackern nutzlos niederbrennen. Sie wird Flamme des Weltbrands sein, der die ausbeutende Klassenherrschaft der Bourgeoisie verschlingt.

II.

Unterschiede Im Charakter und In den Bedingungen der kommunistischen Arbeit unter den Frauenmassen in den kapitalistischen Staaten und In den Räterepubliken.

Der bestimmende Einfluss der Revolution auf unsere nächsten Aufgaben als Kommunistinnen wird noch in anderer Beziehung bei jedem Verhandlungsgegenstand der internationalen Konferenz sich zeigen. Und zwar in der besonderen Bedeutung, die den Vorschlägen und Anregungen unserer Genossinnen aus den Sowjetrepubliken zukommt, wie in ihrer besonderen Einstellung zu allen Fragen, mit denen unsere Tagung sich zu beschäftigen hat.

In der Tat! Die russischen Kommunistinnen haben eine Revolution hinter sich, eine siegreiche, weltbewegende Revolution, die gewaltigste, weitestgehende, die die Geschichte bis nun kennt. Sie standen in Reih und Glied der führenden, proletarischen Klassenpartei. Sie werden den Genossinnen der kapitalistischen Staaten, wo das Proletariat seinen Ausbeutern die Staatsmacht noch nicht entrissen hat, die Erfahrungen des Kampfes für die Eroberung und Behauptung der Macht übermitteln. Diese Erfahrungen werfen heiles Licht auf die Wege, die die Genossinnen außerhalb der Arbeiter- und Bauernstaaten zu beschreiten haben, damit sie Zutritt zu den Ohren und Seelen der schaffenden Frauenmassen erhalten. Sie werden die Herausarbeitung von solchen Formen und Methoden der Tätigkeit unter den Frauen befruchten, die diese sicher und aktiv mit der Kommunistischen Partei des Landes verbinden. Sie werden stark, fortreißend den revolutionären Geist hervortreten lassen, der die Wege führen, die Formen und Methoden beleben, beherrschen muss. Revolutionäre Tat spricht durch die Genossinnen aus den Sowjetrepubliken zur Konferenz. Das muss das Bewusstsein der Pflicht steigern, international die Kommunistinnen wie die werktätigen Frauenmillionen in höchster Kampfesbereitschaft zur Machteroberung mit der Kommunistischen Internationale zusammenzufassen.

Der Sieg der proletarischen Revolution hat im Bunde der Sozialistischen Räterepubliken die Hauptaufgabe der Kommunistinnen verändert. Sie haben nicht mehr die schaffenden Frauen mit der Kommunistischen Partei für die Machteroberung des Proletariats zu vereinigen. Das Proletariat besitzt die Staatsmacht und hat seine Diktatur aufgerichtet. Dank der Sowjetordnung ist jede Proletarierin ein Teil dieser Macht. Jedoch die Revolution ist noch nicht vollendet. Sie geht weiter als das titanenhafte Ringen unter den schwierigsten Umständen, die Wirtschaft und die Gesellschaft in der Richtung zum Kommunismus umzuwälzen. In dieser Periode handelt es sich für das Proletariat um den Gebrauch, die Ausnutzung seiner Staatsmacht und Diktatur zu dem Ziel, neue, befreiende, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse zu schaffen. Wie die Schlachten für die Eroberung und Behauptung der Macht durch das Proletariat nur Dank des heldenmütigen, opferbereiten, revolutionären Mitkämpfens der Frauen siegreich geschlagen werden konnten, also ist auch ihre bewusste, freudige, nie versagende Mitarbeit an der Neuaufrichtung der Gesellschaft eine unerlässliche Bedingung dafür, dass ein sozialer Bau ersteht, in dem Frauen und Männer als frei Arbeitende, als Gleichverpflichtete, Gleichberechtigte und Gleichgewertete nebeneinander wohnen. Schon der Gründungskongress der Kommunistischen Internationale hat das in einer Resolution ausgesprochen.

Das Emporsteigen des Proletariats zur herrschenden, zur diktierenden Klasse ändert in den Arbeiter- und Bauernstaaten dem Fortschreiten der Revolution gemäß die Hauptaufgabe der Kommunistinnen unter den Frauenmassen. Sie haben diese zur eifrigsten, einsichtsvollen Mitarbeit am wirtschaftlichen und sozialen Umbau heranzuziehen, sie mit Verständnis für seine Bedingungen, sein erhabenes Ziel zu erfüllen, seine Bedeutung gerade auch für ihre Erlösung von Ausbeutung und Knechtschaft, für das Erblühen ihres Menschentums. Im Hinblick auf dieses Ziel haben sie darauf hinzuwirken, dass wie der frohe, hingebungsvolle Leistungswille der werktätigen Frauen für den Aufbau sich hebt, so auch ihre Leistungsfähigkeit und Leistungskraft. Nicht nur durch ihre Zahl allein, auch durch die Güte, den Wert der Leistungen müssen die Frauenmassen die schöpferischen Kräfte der Revolution für die Aufrichtung der kommunistischen Gesellschaft steigern. Kurz, bei dem Aufbauwerk setzen die Genossinnen der Sowjetrepubliken fort, was sie beim Kampfe für die Machteroberung begonnen. In unzerreißbarer ideologischer und organisatorischer Gemeinschaft mit der Partei und als ihre Beauftragten sind sie tätig, die schaffenden Frauenmillionen mit unerschütterlichem Vertrauen zur Kommunistischen Partei zu erfüllen und fest mit ihr zu verknüpfen.

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Die Aufrichtung der Sowjetordnung hat für die Tätigkeit der Genossinnen eine weitere Folge. Sie zeitigt „eine Umwertung der Werte“, sie gibt den kommunistischen Einzelaufgaben unter den Frauenmassen den kommunistischen Forderungen für sie eine veränderte Bedeutung, ein neues Gesicht. Das kommunistische Werben um die schaffenden Frauenmassen hat in den kapitalistischen Staaten diesen Sinn: Erweckung, Sammlung, Schulung von Kämpferinnen für die proletarische Revolution, für die Eroberung der Macht durch das Proletariat. Die kommunistischen Reformforderungen, um die zermalmenden Nöte der ausgebeuteten und unterdrückten Frauen zu mildern, um ihr Recht durchzusetzen, dienen diesem Zweck: Steigerung der revolutionären Kampfeskraft, den bürgerlichen Staat und die kapitalistische Wirtschaft niederzuzwingen. Deshalb stößt die kommunistische Arbeit unter den Frauen und für die Frauen auf den erbitterten Hass, den zähesten, schärfsten Widerstand der kapitalistischen Unternehmer der gesamten Bourgeoisie und ihres Staates mit seinen gewaltigen Machtmitteln. Nicht minder auch auf die unversöhnliche Bekämpfung durch die bürgerlichen Parteien und Organisationen jeder Art, die frauenrechtlerischen Vereinigungen und die Organisationen der Reformisten dabei nicht zu vergessen.

In den Arbeiter- und Bauernrepubliken dagegen trägt das kommunistische Wirken unter den Proletarierinnen und Bäuerinnen den Charakter sozialer Aufbau- und Erziehungsarbeit. Alle Maßnahmen und Einrichtungen, die das nicht bloß formale, sondern tatsächliche Recht der Frau auf freie Lebensentfaltung und Lebensgestaltung erweitern und sichern, die ihr Emporsteigen aus engen, drückenden Lebensbedingungen begünstigen, sind Bausteine, Baumaterial einer neuen, höheren sozialen Ordnung, für die die Diktatur des Proletariats den Boden freilegt, an deren Aufrichtung der Sowjetstaat seine volle Kraft setzt. In den Räterepubliken betätigen sich daher die Genossinnen unter den Massen der Proletarierinnen und Bäuerinnen im harmonischen Zusammenwirken mit dem Sowjetstaat und seiner Organe, von diesen politischen, sozialen Mächten unterstützt und gefördert.

Dieser Tatbestand ist selbstredend von bestimmendem Einfluss auf die Methoden und Formen der kommunistischen Arbeit unter den Frauen des werktätigen Volks. Diese Methoden und Formen können sich frei herausbildet, frei zur Anwendung kommen und geprüft werden, von keinem anderen Gebot beherrscht als dem der Zweckmäßigkeit, der Rücksicht auf den Erfolg. Sie sind darauf gerichtet im Dienste der Revolution, der freien Zukunft für alle die volle Kraft der kommunistisch Arbeitenden, Gebenden zu entfalten und wirksam werden zu lassen, aber ebenso alle Kräfte der Empfangenden zu wecken, zu lösen, zu aktivisieren. Wie anders in den kapitalistischen Staaten! Hier lastet auf der Entwicklung der Methoden und Formen unserer Arbeit unter den Frauenmassen und ihrer Praxis die Gewalt der kapitalistischen Unternehmer, die „Herr sind im Hause ihres Betriebs“; der bleierne Druck bürgerlicher Gesetze und ihre Handhabung durch schneidige Polizeier; die niederbüttelnde Macht des Bourgeoisiestaats, seiner Gummiknüppel, Säbel, Gewehre und Kerker, die tückische Feindschaft und Konkurrenz der bürgerlichen und reformistischen Organisationen. Gewiss! Die Genossinnen in den kapitalistischen Ländern müssen selbstredend den Kampf gegen alle diese verkümmernden, knechtenden Gewalten aufnehmen. Er ist ein Teil des proletarischen Befreiungskampfes, des Kampfes für die Machteroberung. Allein bis der Machtkampf entschieden ist, werden die Methoden und Formen ihres Wirkens unter den Frauen Fesseln tragen. In dem einen kapitalistischen Lande mehr, in dem anderen weniger; frei werden sie sich in ihnen allen erst dann herausbilden und erproben können, wenn das Proletariat sich zum Herr im Hause des Staats gemacht hat.

Es liegt auf der Hand, dass bei jedem Verhandlungsgegenstand unserer internationalen Konferenz der entscheidende, umgestaltende, befreiende Einfluss der Machteroberung durch das Proletariat zum Ausdruck kommen wird. Wer besitzt die Staatsmacht? Für welches Ziel wird die Staatsmacht eingesetzt? Die Antwort auf diese Fragen entscheidet auch über wichtigste Fragen der internationalen kommunistischen Arbeit unter den schaffenden Frauenmassen. Sie besagt entweder Behinderung, Einengung dieser Arbeit oder aber Freiheit, Förderung. Tatsachen sind steifnackige Dinge. Sie lassen sich weder durch kapitalistischen noch durch reformistischen Schwindel bannen. Tatsachen erwachsen auf dem Boden der Sowjetrepubliken, unter dem Schutze der proletarischen Diktatur und zeigen uns die Bedingungen unserer kommunistischen Arbeit unter den weiblichen Werktätigen, den Unterschied von Arbeiterstaat und Kapitalistenstaat. Dieser Wesensunterschied verwehrt uns, als Formel auf kapitalistische Länder mechanisch, automatisch zu übertragen, was unter dem Sowjetstern schöpferisches, blühendes Leben ist. Wohl aber muss er die Willens- und Tatkraft der Kommunistinnen in diesen Ländern bis zur Weißglühhitze entflammen zum Kampf für die Eroberung der Staatsmacht durch das Proletariat. International muss er sie in dem Eide verbinden, für den proletarischen Machtkampf unter Führung der Kommunistischen Internationale Millionen von Frauen zu wecken und zu werben, die der Kapitalismus des Lebensglücks, der Kultur, des Rechts, ja des trockenen Brots beraubt, für die er nur Elend und Ketten hat. Der Wille zur Revolution muss das Alpha und Omega der Dritten Internationalen Konferenz der Kommunistinnen sein.

III.

Die einzelnen Aufgaben.

Da die Fragen, mit denen die Konferenz sich zu beschäftigen hat, In besonderen Artikeln ausführlicher behandelt werden, genügt es hier einen kurzen, charakterisierenden, wertenden Blick auf sie zu werfen. Besondere Bedeutung kommt den Beratungen über die kommunistische Arbeit zur Erfassung der Frauen in den Betrieben und Gewerkschaften zu. Dabei handelt es sich darum, bis jetzt nur spärlich fließende, aber stärkste Quellen revolutionärer Kraft voll zu erschließen und in den Strom des proletarischen Klassenkampfes zu leiten. In der Produktion, dem Handel und Verkehr der kapitalistischen Länder spielt die Frauenarbeit eine hervorragende Rolle. In manchen Industriezweigen ist sie ein beherrschender, ausschlaggebender Faktor. In den Betrieben empfinden Millionen ausgebeuteter, abgehetzter, sorgengequälter Frauen unmittelbar die volle versklavende Macht des kapitalistischen Unternehmertums, der bourgeoisen Klassenherrschaft. Hier haben unsere Genossinnen die Elite der weiblichen Truppen zu werben und zu sammeln, die unter Führung der Kommunistischen Partei die wirtschaftlichen und politischen Massenaktionen des Proletariats tragen, die großen, geschichtlichen Schlachten des Proletariats schlagen helfen. Einbeziehung der Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten in die revolutionäre Betriebsrätebewegung, tätigste Beteiligung an ihrer Organisierung, ihren Aktionen und Kämpfen ist daher ein kommunistisches Tätigkeitsziel. Es gilt nicht bloß Arbeiterinnenmassen zusammenzuballen, in einheitlichem Kampfeswillen und in Einheitsfront mit ihren Brüdern. Es muss zu diesem Zweck auch ein Stab von Arbeiterinnen erzogen werden, die gleich verpflichtet und gleichberechtigt an der Herausbildung fest organisierter Stützpunkte der gemeinsamen Massenaktionen beteiligt und Führerinnen ihrer Schwestern sind. Dass unser planmäßiges Wirken die Arbeiterinnen breit und tief erfasst, ist unerlässlich, damit jeder große Betrieb zu einer uneinnehmbaren Festung gegen den Kapitalismus wird, damit auch in allen kleineren Betrieben die Kampfestruppen bis zum letzten Mann, bis zur letzten Frau sich vereinigen.

Unsere kommunistische Arbeit in den Betrieben greift naturgemäß auf die Gewerkschaften über. Hier muss ihre Aufgabe sein, die Hunderttausende und Hunderttausende bereits erweckter und organisierter Arbeiterinnen auf eine höhere Stufe ihres Erkennens und Handelns zu heben. Wir haben sie zum Kampf gegen die Schutztruppe des Unternehmertums, der Bourgeoisie zu rufen und zu führen, zum Kampf gegen die grundsatzlose, treulose reformistische Gewerkschaftsbürokratie. Im Zeichen des „Burgfriedens“ hat diese die Gewerkschaften von Kampforganisationen gegen den Kapitalismus zu Bollwerken seiner unersättlichen Beutegier und rücksichtslosen Herrschaft herabgedrückt. Dafür müssen die Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten im Besonderen büßen. Ihre Hungerlöhne allein schon beweisen es. Trotzdem sind die weiblichen Gewerkschaftsmitglieder in ihrer Mehrzahl passiv oder sogar aktiv die zuverlässigste Gefolgschaft der reformistischen Bürokratie. Unsere aufklärende Arbeit muss sie zu deren unversöhnlichen Gegnerinnen machen, zu treibenden Kräften für die Revolutionierung der Gewerkschaften. Sie hat die Gewerkschafterinnen den kommunistischen Zellen, Fraktionen usw. zuzuführen und ihnen den Weg zur Kommunistischen Partei zu zeigen, hat aus ihren Reihen zielklare Agitatorinnen und Organisatorinnen heranzuschulen. Nur eine auf dieses Ziel gerichtete Tätigkeit gibt unserer Losung in den Betrieben Berechtigung und Sinn: Hinein in die Gewerkschaften!

Es ist eine tief bedauerliche Tatsache, dass die Kommunistischen Parteien in allen kapitalistischen Ländern bei uns nur winziges Verständnis dafür bewiesen haben, wie bedeutsam, wie brennend nötig die Mobilisierung und Aktivisierung der Arbeiterinnen in den Betrieben und Gewerkschaften ist. Es ist im Allgemeinen bitter gering, was in dieser Hinsicht geleistet worden ist, nicht viel sogar in Deutschland und in der Tschechoslowakei, wo es verhältnismäßig noch am besten damit steht. Soviel auch von der Notwendigkeit der „Einheitsfront“ für die Teilkämpfe und das Machtringen des Proletariats geredet wurde, so wenig beachten es die Genossen, dass diese Einheitsfront ohne die Eingliederung der Arbeiterinnenmassen die größte, empfindlichste Lücke aufweist, durch die der Feind eindringt. Die Umstellung der Parteiorganisation auf die Betriebszelle ist ein Ansporn, dass dem anders werde und schafft günstige Bedingungen dafür. Pflicht der Genossinnen ist es, diese Situation zu nützen. Ihr internationaler Meinungsaustausch auf der Konferenz wird die praktischen Mittel und Wege aufzeigen, um die vorliegende große und dankbare Aufgabe zu bewältigen. Die Behandlung der einschlägigen Fragen wird bestätigen, was bereits über den Unterschied im Charakter und den Mitteln unserer Arbeit unter den Frauenmassen in den Sowjetrepubliken und den kapitalistischen Staaten dargelegt worden ist.

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Die Erwerbslosigkeit der Frauen steht als eines der kennzeichnendsten und schwersten Zeitprobleme vor der Konferenz. Als Anzeichen der Zerrüttung der kapitalistischen Weltwirtschaft, der Rückständigkeit und Schwäche der industriellen Produktion in den Arbeiter- und Bauernstaaten redet sie durch erschütterndes Massenelend, Frauenelend zu ihr. Die Erwerbslosigkeit von Massen berufstätiger Frauen hat ihr besonderes Gepräge. Bei ihr selbst, wie bei der Einstellung zu ihr von allen, die bürgerlich empfinden und denken, offenbart sich eine Verflechtung der Klassenlage und Klassenknechtung der Berufstätigen als Proletarierin mit ihrer Minderwertung und Minderberechtigung als Weib. Die bürgerliche Gesellschaft auferlegt der Proletarierin den Zwang zur Arbeit, jedoch sie anerkennt nicht ihr Recht auf Brot, gleichzeitig leugnet sie das Recht der Frau auf Arbeit, unabhängig vom Mann und der Familie. Auf der Grundlage dieser Widersprüche hat sich die Frage der so genannten „Doppelexistenz der Frau“ entwickelt. Ihr brutaler, waschecht kapitalistischer Sinn ist: Wer in der Gesellschaft des Privateigentums an den Produktionsmitteln leben will, muss verkaufen, was er auf dem Markt loswerden kann. Die Proletarierin kann außer ihrer auszubeutenden Arbeitskraft ihr Geschlecht, ihr Weibtum verkaufen. Sie muss das tun, wenn anderenfalls der Mann seine Arbeitskraft nicht abzusetzen vermag.

Es ist eine bekannte Erscheinung, dass während der „normalen“ Krisen der kapitalistischen Wirtschaft die Arbeiter zuerst aufs Pflaster flogen und durch billigere weibliche Kräfte ersetzt wurden, dass die Frauenarbeit sich ausdehnte, ja in neue Berufsgebiete eindrang. Im Gegensatz dazu wurden im Verlauf der jetzigen Weltkrise des Kapitalismus die Frauen die ersten und zahlreichsten Opfer der Erwerbslosigkeit. Nicht etwa bloß, weil die Rüstungsindustrie und „kriegswichtigen“ Unternehmungen, Verkehrsanstalten, Verwaltungen usw. nicht mehr wie zur Zeit des imperialistischen Völkermordens der weiblichen Berufstätigen als „Nothelferinnen“ bedürfen und Wirtschaftszweige mit starker weiblicher Arbeiterschaft schwer darnieder liegen. Nein! die Tore der Betriebe schließen sich den tüchtigsten Arbeiterinnen und Angestellten, erprobte Lehrerinnen, Beamtinnen usw. werden aus langjährigem Wirkungskreis entfernt, denn sie sind — Frauen. Die Herren Kapitalisten zahlen die höheren Männerlöhne und Männergehälter als Versicherungsprämie gegen die Revolution, und ihr „Vater“ Staat tut desgleichen. Man rechnet mit der politischen Rückständigkeit und Passivität der Frauen, mit ihrer schwachen „Begehrlichkeit“ in punkto Lebenshaltung und ihr entsprechendes Hungerniveau der Arbeitslosenunterstützung. Schließlich und vor allem: wie die Ausbeuter und ihre regierenden Geschäftsführer bei Festsetzung der Frauenlöhne und Frauengehälter die mögliche Verschacherung des Frauenkörpers in Anschlag bringen, also auch bei Frauenentlassen aus Verdienst und Nahrung. Ob die „einfache Existenz“ von ungezählten Darbenden, Verkümmernden bestritten wird durch „Geschlechtsarbeit“ in der Familie oder in der Straße macht grundsätzlich und erst recht praktisch für die Kapitalisten keinen Unterschied.

Aber wie stets: je skrupelloser, je gemeiner der ehrbare Bourgeois handelt, wenn sein Profit und seine Herrschaft auf dem Spiel steht, umso lieber beschwört er Grundsätze und Ideale. Und so werden jetzt die verstaubtesten Grundsätze und Ideale von der „gott- oder naturgewollten“ Tätigkeitssphäre der Frau im Hause hervorgeholt. Der Kampf der Geschlechter um das „Recht“, sich ausbeuten zu lassen, ist aufs neue mit der Heftigkeit wie vor Jahrzehnten entbrannt und verdunkelt für viel zu viele die Erkenntnis, dass es sich letzten Endes um eine Erscheinung der kapitalistischen Klassenmacht handelt, die nur durch den gemeinsamen Klassenkampf der lohnfrondenden, ob Mann, ob Weib, ob erwerbend oder erwerbslos zurückgeworfen werden kann. Die Reformisten aller kapitalistischen Länder bestätigen Aug in Auge mit der Erwerbslosigkeit größter Frauenmassen, dass sie alles vergessen und verraten, was sie von Marx über die Bedeutung der produktiven Frauenarbeit in der Gesellschaft gelernt hatten. Durch heuchlerische Gemeinplätze über „harte Notwendigkeiten der harten Zeit“ suchen sie zu verschleiern, dass ihre Praxis die des bürgerlichen Kampfes gegen die angebliche „Doppelexistenz der Frau“, die schmähliche Preisgabe des Rechts der arbeitenden, berufstätigen Frau ist.

Grundsätzlich und praktisch von weit reichender Bedeutung fordert die Frage der Erwerbslosigkeit von unserer Konferenz entscheidendste Stellungnahme. Die Frage eröffnet uns einen ausgedehnten Tätigkeitsbereich, wo in Gestalt von Martern des Leibes und der Seele sich die Ansatzpunkte drängen, um Frauenheere aus der lähmenden Enge bürgerlicher und reformistischer Anschauungen auf das Blachfeld des proletarischen revolutionären Klassenkampfes zu leiten. Darunter Scharen weiblicher Berufstätiger aus dem Klein- und Mittelbürgertum, deren Abmarsch in das Lager des Kommunismus unsere Feinde schwächt. Unsere Arbeit unter den erwerbslosen Frauen muss getragen werden von heißem Mitgefühl für unbeschreiblich Leidende; von der Treue zu unserem Grundsatz, vom Recht des Weibes auf eigene gesellschaftliche Tätigkeit, unabhängig und selbständig vom Mann; von unserer geschichtlichen Erkenntnis, dass wir auch in den erwerblosen Frauenmassen Kräfte der Revolution kampftüchtig zu erhalten und zu sammeln haben. Die erwerbslosen Arbeiterinnen, Angestellten, Lehrerinnen, Telefonistinnen usw. dürfen nicht unter der Wucht ihres Loses in das passiv verfaulende Lumpenproletariat versinken. Sie müssen fest sich mit den produktiv tätigen Arbeitern verbinden und erkennen lernen, dass nur der revolutionäre Klassenkampf des Proletariats, nicht aber Frauenrechtelei ihre Leiden zu mildern und zu enden vermag.

Die konkreten Einzelforderungen, für die wir international kämpfen müssen, liegen auf der Linie unserer grundsätzlichen Einstellung. Sie sind ohne jede schwächliche, reformistische Rücksicht auf das Privateigentum der Großkapitalisten als Kampfesziele zu stellen, in dem klaren Bewusstsein, dass sie ohne tiefe, respektlose Eingriffe in dieses Allerheiligste der Bourgeoisie nicht durchgeführt werden können. Von der Forderung einer sozialen Unterstützung der Erwerbslosen, die eine menschenwürdige Existenz sichert und gleich bemessen für Mann und Frau ist, bis zu jener entschädigungslosen Beschlagnahme aus Profitgier stillgelegter Betriebe durch den Staat und ihre Weiterführung unter Kontrolle der Betriebsräte. Die Beratungen der Konferenz über die Erwerbslosen-Frage werden illustrieren, wie viel die Frau als Erwerbslose wie als Erwerbende an Recht, Schutz, sozialer Fürsorge und Förderung durch die Machteroberung des Proletariats gewinnt. Gewinnt sogar dann, wenn die Wirtschaft so vielstufig, so wenig entwickelt ist wie in dem Bunde der Räterepubliken, wenn die vorwärts treibenden Kräfte heiß ringen müssen mit den noch starken Mächten der Vergangenheit und den kapitalistischen Todfeinden jenseits der Grenzen. Unbestritten, dass auch in den Arbeiter- und Bauernstaaten Frauenmassen unter den Plagen der Erwerbslosigkeit stöhnen. Jedoch alle Sowjetorgane, die Regierung, die einzelnen Volkskommissariate, die Sowjets jeder Art usw. wirken zusammen mit den Gewerkschaften, Genossenschaften usw., um unter kommunistischer Führung das Elend der Frauen ohne Verdienst und Brot zu lindern und um sie durch Artels, Genossenschaften und andere Mittel als Tätige der Wirtschaft einzugliedern.

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Unsere bevorstehende Konferenz kann sich nicht darauf beschränken, den Genossinnen bestimmte Aufgaben unter den Frauenmassen zuzuweisen. Sie muss auch prüfen, ob wir an Wissen, Schulung und Können ausreichend gerüstet sind, um diesen Aufgaben, wie den allgemeinen Parteipflichten gerecht zu werden; ob die Formen und Methoden unserer Arbeit verbesserungsbedürftig sind; ob unsere internationale Verbindung ihren Zweck erfüllt, die Genossinnen der einzelnen Länder bei Arbeit und Kampf mit der Kommunistischen Internationale und ihren Sektionen einheitlich zusammenzufassen. Die Beantwortung dieser Fragen begreift Rückschau und Vorschau in sich. Eine Grundlage dafür wird gegeben durch die drei großen Berichterstattungen über die Tätigkeit des internationalen Frauensekretariates und den Stand der „kommunistischen Frauenbewegung“ in den kapitalistischen Ländern, in den Sowjetrepubliken und in dem nahen und fernen Osten. Ferner durch die zwei Punkte der Tagesordnung: „Formen und Methoden der kommunistischen Arbeit unter den Frauenmassen“ und „Erziehungsfragen“.

Die Berichterstattungen, durch Mitteilungen der Delegierten aus den verschiedenen Ländern wertvoll ergänzt und bereichert, werden in jeder Hinsicht zeigen, was sich bewährt hat, was der Änderung und Vervollkommnung bedarf und in welcher Richtung erneuert und verbessert werden muss. Aus der Fülle der internationalen Praxis und Erfahrung heraus muss sachverständige Beurteilung und Wegweisung gesucht werden. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass für die uns vorliegenden praktischen Fragen der internationalen Verbindungsmittel wie der Formen und Methoden unserer Arbeit nur der Grundsatz gilt: höchste Zweckmäßigkeit. Wollen wir sie erreichen, so dürfen wir weder zurückschrecken vor freimütiger, sachlicher Kritik dessen, was ist, noch im Unklaren über das sein, was wir wollen und können. Bei Kritik wie bei Vorschlägen, Anregungen, Weisungen müssen wir auf den festen Boden der Tatsächlichkeit bleiben.

Was die internationale Verbindung zwischen den Genossinnen anbelangt, so wird das Internationale Frauensekretariat als technisches Hilfsorgan der Kommunistischen Internationale und ihrer Exekutive im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen. Eine Reihe wichtiger Fragen verlangen Antwort. Soll der Sitz des Internationalen Frauensekretariats in Berlin bleiben oder nach Moskau verlegt werden? Sind seine Aufgaben zu verändern, zu erweitern und nach welcher Richtung hin? Was muss geschehen, damit die „kommunistische Frauenbewegung“ der einzelnen Länder sich rascher und kräftiger entwickle als seither und die internationale Verbindung zwischen den Genossinnen fruchtbarer werde? Wie müssen im Hinblick auf die Information, die theoretische und praktische Schulung der Genossinnen die persönlichen Beziehungen zwischen ihnen und dem Wirken des Internationalen Frauensekretariats, wie muss im Hinblick darauf das internationale Frauenorgan gestaltet werden? Sind die Konferenzen der internationalen Korrespondentinnen beizubehalten und auf regelmäßige Termine festzulegen? Im Zusammenhang mit diesen Fragen heischt mancherlei anderes Antwort. Bei dem Suchen danach haben wir festzuhalten, dass engste Wechselwirkung besteht zwischen der Entwicklung, dem Leben der „kommunistischen Frauenbewegung“ in den einzelnen Ländern und der Tätigkeit des Internationalen Frauensekretariats.

Eine Selbstverständlichkeit, ja eine Notwendigkeit ist die Einleitung der Konferenzverhandlungen über die Methoden und Formen unserer Arbeit unter den Frauen durch das Referat einer Genossin aus den Sowjetländern. Hier stellte früher die Illegalität, dann der leidenschaftliche Kampf um die Macht und wider die Zettelungen der Gegenrevolution, hier stellt dauernd das Analphabetentum der überwiegenden Mehrzahl werktätiger Frauen die höchsten Anforderungen an die Kunst, durch scharfsinnige Beobachtungen und Berücksichtigung der gegebenen Umstände Formen und Methoden ausfindig zu machen, die unserer kommunistischen Arbeit unter den Frauen Erfolg sichern. Die von unseren sowjetischen Genossinnen angewandten Methoden und Formen der Arbeit sind mit den Erfahrungen der Revolution gesättigt und können sich in Freiheit entwickeln. Inwieweit und mit welchen Modifikationen sie in den kapitalistischen Staaten angewendet werden können, darüber entscheiden Tatsachen. Sicher ist, dass die Kommunistinnen von dort durch Kenntnis und Vergleich reiche Anregung und starken Anstoß für die Überprüfung und Ausbildung ihrer Methoden und Formen der Arbeit unter den Frauenmassen erhalten werden. Das Beharrungsvermögen ist ein Erbteil menschlicher Gebundenheit und das Alte und Erprobte wird gern zur festgehaltenen Routine. „Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, und die Gewohnheit nennt er seine Amme.“ In der vorliegenden Situation müssen wir uns bei der kommunistischen Arbeit unter den Frauen gewiss vor nervösem, zappeligen Experimentieren hüten. Allein nicht minder verhängnisvoll wäre die Fesselung durch das Hergebrachte und Vertraute. Diese revolutionsschwangere Zeit fordert Beweglichkeit, den Blick auf das Ziel gerichtet — Revolutionierung der Frauenmassen — bei gewissenhafter Wertung des Konkreten.

Von unvergleichlicher fortwirkender Wichtigkeit für die Erfüllung unserer Aufgaben ist unser geistiges Gerüstetsein durch Wissen und theoretische Schulung. Wollen wir die schaffenden Frauenmillionen wecken und dauernd mit der Kommunistischen Partei zum Umsturz und zum Neubau der Gesellschaft verbinden, so müssen wir aufs genaueste mit der Welt der Wirklichkeiten um uns bekannt sein, müssen sie aber auch gleichzeitig mit unserem Geist bemeistern, indem wir inmitten ihrer Widersprüche die geschichtliche Entwicklungslinie zum Kommunismus klar erkennen und sonder Wanken und Schwanken unser Wollen und Tun auf sie einstellen. Ernste, gründlichste Sachkenntnis im Einzelnen bei Wertung und Zusammenfassung mit dem Großen, Ganzen, Allgemeinen gibt unserem Wirken unter den Frauen eine tragfeste Basis. Herz und Hirn der Frauen wird sich uns nur öffnen, wenn wir mit ihrem grauen Werktagsdasein vertraut sind. Wir können sie nur aus müder, zermürbender Hoffnungslosigkeit zur entschlossenen, siegesfrohen Kampfbereitschaft emporheben, wenn wir imstande sind, ihnen überzeugend nachzuweisen, dass nur der revolutionäre Klassenkampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten der Weg ist, der aus der Hölle ihres Elends führt, dass einzig und allein der Kommunismus ihnen eine Heimat in freier Luft und Sonnenglanz gibt. Wer zum Kommunismus heranziehen, für ihn erziehen will, der muss selbst durch den Kommunismus herangezogen und erzogen worden sein, ihm mit Leib und Seele gehören.

Die Behandlung der Erziehungsfrage auf unserer internationalen Tagung soll die Aufmerksamkeit der Genossinnen auf die elementare Bedeutung des Gegenstands lenken. Zugleich soll sie ihnen starken Anreiz und sichere Wegweisung für umfassende und gründliche Ausbildung geben. Es ist eine entscheidende Bedingung für die erfolgreiche Eingliederung größter werktätiger Frauenmassen in den Dienst der proletarischen Revolution, dass in allen Ländern ein Stab theoretisch durchgebildeter, praktisch erfahrener, agitierender, organisierender, führender Genossinnen heranwächst, gleich tüchtig und zuverlässig bei der unscheinbaren, oft eintönigen Alltagsarbeit, wie in den großen leidenschaftlichen Kämpfen. Lernen wir! Theoretisch vor allem aus der noch lange nicht ausgeschöpften reichen Geisteswelt von Marx und Engels, wie aus den kaum angeblätterten Werken von Rosa Luxemburg und Lenin, dem Meister revolutionärer Lehre und Praxis. Studieren wir dabei das durch die Revolution weit geöffnete Buch des lebendigen geschichtlichen Lebens — jenes gewaltige Dokument des ewig fließenden Vergehens und Werdens. Mit dem unendlichen Reichtum seiner Erscheinungen ist es das beste Kriterium der Theorie, stützt oder revidiert alte Erkenntnisse durch neue Wahrheiten und verhindert das Erstarren des Gedankens in toten Formeln, das Herabsinken der Praxis zum Trotten in ausgefahrenen Geleisen.

Die Erziehungsfrage lässt sich jedoch nicht in den engen Rahmen der umrissenen Aufgabe zwängen. Sie ist Frage der Volkserziehung, der Volkskultur im Geiste, in der Weltauffassung des Kommunismus und als solche nicht etwa bloß eine Frage der Wissenschaft und Sache der Pädagogen, vielmehr eine politische Frage und die Sache der werktätigen Massen. Zur Revolutionierung der Millionen ausgeplünderter und geknechteter Frauen bedürfen wir sowohl der geschulten Führerinnen wie der Menge bildungssehnsüchtiger, lernend emporsteigender Ungenannter und Unbekannter. Wir bedürfen zumal der Jugend, des Nachwuchses. Die Stellungnahme unserer Konferenz zur Erziehungsfrage muss international vereinigend und vorwärts treibend wirken. In seiner Auseinandersetzung mit dem Anarchisten Stirner schrieb Marx, dass es sich darum handele, neue soziale Verhältnisse zu schaffen und neue Menschen zu bilden, die diese Verhältnisse schaffen können. Von dieser Auffassung durchdrungen, muss die Dritte Internationale Konferenz der Kommunistinnen uns für die einzelnen Aufgaben rüsten, die uns der revolutionäre Kampf und der revolutionäre Aufbau stellen. Zum unzerbrechlichen Ring muss sich international Wille und Tat schließen im Zeichen der Revolution.

Klara Zetkin.

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