Clara Zetkin 19240700 Die Ergebnisse der Dritten Internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz

Clara Zetkin: Die Ergebnisse der Dritten Internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz

[„Die Kommunistische Fraueninternationale“, 4. Jahrgang, Heft 7, Juli 1924, S. 1137-61]

Die Dritte Internationale Konferenz der Kommunistinnen stand von vornherein im Schatten. Nachdem sie früher für den September in Aussicht genommen worden war, musste sie überraschend schnell für Juli einberufen worden. Bei der inneren Verbindung mit dem Weltkongress der Kommunistischen Internationale besagte dies, dass die wichtigsten Vorarbeiten für unsere Tagung bereits vor dessen Eröffnung im Juni abgeschlossen sein, und dass die meisten zu ihr delegierten Genossinnen und Genossen entsprechend zeitig nach Moskau abreisen mussten. Es liegt auf der Hand, dass die Vorbereitung der Konferenz darunter gelitten hat. Das war um so unvermeidlicher, als in keinem Lande — von dem Bund der Sozialistischen Räterepubliken abgesehen — die Kommunistischen Parteien sich die Organe für die Arbeit unter den Frauenmassen vollständig eingegliedert haben, und als in Italien, Deutschland, den Balkan- und Baltikumstaaten, Finnland usw. halbe oder ganze Illegalität und weißer Terror die Schwierigkeiten unserer Betätigung außerordentlich steigern. Die engste Verknüpfung unserer internationalen Konferenz mit dem Weltkongress der Kommunistischen Internationale war jedoch unter den vorliegenden Umständen so unerlässlich, dass wir die Nachteile eines überstürzten Stattfindens der Tagung mit in den Kauf nehmen mussten.

Nicht günstig war es dieser dann, dass gleichzeitig mit ihr der Kongress der Roten Gewerkschafts-Internationale und die Konferenz der Jugend-Internationale tagten. Zumal auf dem Kongress der Roten Gewerkschafts-Internationale wurden Fragen von größter grundsätzlicher und praktischer Bedeutung für die Kommunistische Internationale umkämpft und entschieden, Fragen, die (las Werk des fünften Weltkongresses fortsetzten und zum Abschluss brachten. Nach dort gravitierte das leidenschaftliche Interesse aller, für die die Weltrevolution kein entschwindender Traum ist, sondern zu erreichende Wirklichkeit. In der Folge trat die Konferenz der Kommunistinnen nicht stark demonstrativ in die Erscheinung. Zwar ging es bei ihr um die gleichen großen Ziele, zwar ward sie vom gleichen heißen Herzschlag bewegt, und es redete der gleiche unerschütterliche Wille, wie auf dem roten Gewerkschaftskongress. Allein bei unserer heurigen Konferenz war kein harter, klirrender Zusammenprall der Geister im Ringen um grundsätzliche und taktische Erkenntnisse zu erwarten. Sie war deshalb nur ein Anziehungspunkt für jene Genossinnen und Genossen, die sich über die planmäßigen Bestrebungen, die praktischen Formen und Methoden unterrichten wollten, die die großen grundsätzlichen revolutionären Erkenntnisse zur Tat auch der breitesten schaffenden Frauenmassen machen sollen. Die Zahl dieser Genossinnen und Genossen war erfreulich groß, und die anhaltende Aufmerksamkeit, mit der sie unseren Verhandlungen folgten, bezeugte ihr waches Bewusstsein dafür, dass ohne die überzeugte Beteiligung der werktätigen Frauen an Kampf und Arbeit des revolutionären Proletariats der Kommunismus nicht verwirklicht werden kann.

Die Verhandlungsgegenstände und damit die Aufgaben unserer Konferenz waren umgrenzt und eingestellt worden, getreu unserer grundsätzlichen Auffassung von der einen kommunistischen Bewegung. Ihre Festlegung war davon ausgegangen, dass in der vorliegenden Situation der fünfte Weltkongress der Kommunistischen Internationale die grundsätzlichen und taktischen Richtlinien und die nächsten großen Aufgaben für Arbeit und Kampf der revolutionären Vorhut des Weltproletariats aufzeigen und beschließen werde. Es war platte Selbstverständlichkeit, dass der Weltkongress dabei auch die Auswirkungen der wirtschaftlichen und politischen Weltlage auf die schaffenden Frauen berücksichtigen musste — die große Hälfte der Werktätigen! —‚ wie die Tragweite ihrer Stellung zu den revolutionären Kämpfen und dem revolutionären Aufbau des Proletariats und den daraus erwachsenden Aufgaben aller Kommunisten. Soweit das nicht genügend bewusst, klar und bestimmt geschehen sein würde, waren insbesondere die weiblichen Delegierten des Kongresses verpflichtet, die richtige grundsätzliche Würdigung und praktische Schlussfolgerung durchzusetzen. Unter diesen Voraussetzungen konnte sich die Internationale Kommunistinnen-Konferenz darauf beschränken, sich das grundsätzliche Ergebnis des Weltkongresses zu eigen zu machen, es in seinem Zusammenhang mit den Interessen der werktätigen Frauen zu beleuchten, wie mit den dadurch gegebenen Aufgaben der Kommunistischen Parteien; Kern und Stern der Konferenzberatungen musste die Durchführung in der Praxis sein. Die Tagung hatte Antwort auf die Frage zu geben: Wo und wie erfassen, halten und schulen wir am erfolgreichsten breite Frauenmassen, namentlich die Arbeiterinnen, als revolutionäre Kämpferinnen, als Erbauerinnen des Kommunismus? Welches sind die besten Formen und Methoden der kommunistischen Arbeit unter ihnen?

Die einschlägigen Beschlüsse des Weltkongresses schließen sich daher mit denen der Frauenkonferenz zum Ring. Sie sind nach ihrem Wesen, ihrem Ziel zusammen als ein Ganzes, als ein Ergebnis zu werten. Der innere Sachverhalt hat seine äußere Bestätigung, seinen normalen Ausdruck gefunden. Die Beschlüsse der Kommission des Weltkongresses über die Aufgaben der kommunistischen Arbeit unter den Frauenmassen und

über die feste Eingliederung der Organe dieser Arbeit in die Kommunistischen Parteien wurden von der Erweiterten Exekutive der Kommunistischen Frauenkonferenz überwiesen, und deren gesamte Beschlussfassungen sind vom Präsidium unserer Internationale im Namen des Weltkongresses bestätigt worden. Nicht bloß die Dritte Internationale Kommunistinnen-Konferenz steht also hinter den gesamten Beschlüssen, vielmehr die Autorität des fünften Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Diese wichtige Tatsache in Verbindung mit der gründlichen Durchberatung der Verhandlungsgegenstände in Kommissionen, wie im Plenum der Konferenz entschädigt dafür, dass die äußere Aufmachung nicht glänzender, die unmittelbare agitatorische Fernwirkung unserer Tagung nicht stärker gewesen ist. Was ihr an äußerem Glanz und rascher, explosiver Ausstrahlung gebrach, das wird aufgewogen durch ruhige, stete Auswirkung von Dauer. Diese Konferenz war kein schnell verpuffendes Brillantfeuerwerk, sie glich einem guten Hausfeuer, das lange wärmt.

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Die vor der Internationalen kommunistischen Frauentagung stehenden Aufgaben begriffen in sich eine unbefangene, objektive Überprüfung der seitherigen kommunistischen Arbeit für die Revolutionierung der breiten Frauenmassen. Die Kritik an dieser Arbeit in den kapitalistischen Ländern war vor Kongress und Konferenz reichlich und scharf zum Wort gekommen. Die Fortschritte dagegen waren fast unerwähnt geblieben, obgleich sie nicht unerheblich sind und sich in den einzelnen Ländern neben der Entwicklung und Aktion der Partei und der proletarischen Massen sehen lassen können. Unbestritten, dass unter den Genossinnen noch hier und da frauenrechtlerische, neumalthusianische, opportunistische und linksradikale Tendenzen herumspuken, jedoch ebenso unbestreitbar, dass ihre politische Orientierung zugenommen hat, namentlich was an der Oberfläche liegende Tageslosungen anbelangt. Der Prozentsatz der politisch und gewerkschaftlich organisierten Genossinnen ist noch keineswegs befriedigend, allein er steigt, und die noch vorhandenen Überreste selbständiger kommunistischer Frauenorganisationen sind verschwunden.

Der Einfluss der Kommunistischen Parteien auf die werktätigen Frauen ist unzweifelhaft gewachsen. Vom Ruhrgebiet bis nach Indien und Ägypten haben sich größere Massen von ihnen als je in der Vorkriegszeit an den wirtschaftlichen und politischen Kämpfen der revolutionären Vorhut des Proletariats beteiligt, und das zumeist trotz halber oder ganzer Illegalität, trotz Faschismus, Militärdiktatur und Justizterror. So in Deutschland, Polen, Bulgarien, Italien, Norwegen, England und Frankreich. Bei Arbeit und Kampf haben sich neue Agitations-Methoden herausgebildet, um Frauenmassen zu mobilisieren, und neue Organisationsformen, um die Mobilisierten zusammenzuhalten und mit den Kommunistischen Parteien zu verbinden. So besonders in Deutschland. Hier sind unter regster aktiver Betätigung von Frauen im Kampfe gegen den Lebensmittelwucher Kontrollausschüsse entstanden, im Kampfe gegen den Raub des Achtstundentages und die Hungerlöhne Belehrungs- und Ernährungskommissionen, Betriebs- und Streikversammlungen der Arbeiter mit Beteiligung der Hausfrauen usw. Dieses entscheidende Vorwärts im Verständnis und Handeln des weiblichen Proletariats ist unstreitig das Verdienst der Genossinnen und Genossen — und zwar vor allem der Genossinnen die ungeachtet geringer Unterstützung seitens ihrer Partei, ja manchmal auch ohne sie, unermüdlich unter den Proletarierinnen für die Kämpfe geworben haben. Jedoch alles Erreichte ist zwerghaft, gemessen an der Größe der Aufgaben, die die Situation mit ihren revolutionären Möglichkeiten uns stellt. Und dass gerade die Genossinnen den Abstand schwer, schmerzlich empfanden, dass sie zuerst und am schärfsten die Fehler und Mängel des kommunistischen Wirkens zur Revolutionierung der schaffenden Frauenmassen erkannten, ist eine Bürgschaft für die baldige Überwindung der Fehler und Mängel und den kräftigen Aufschwung dieses Wirkens.

Abgesehen von Entgleisungen und Schwächen im Einzelnen waren in den kapitalistischen Ländern besonders zwei Grundfehler hervorgetreten. Die nicht genügend feste und konsequente organisatorische Einbeziehung der Arbeit unter den Frauenmassen in die allgemeine Parteitätigkeit, anders gesagt, die ungenügende Verbindung der Organe dieser Arbeit mit den allgemein arbeitenden und führenden Organen der Partei und als Folge davon nicht bloß „Unstimmigkeiten“ der Praxis zwischen den einen und anderen, sondern auch eine schwache Politisierung der Bestrebungen, das weibliche Proletariat zu erfassen. Die durchaus unzulängliche Verbindung mit den Massen der werktätigen Frauen selbst und in erster Linie mit ihren Kerntruppen: den Lohnsklavinnen jeder Art. Beide Schwächen waren zum Teil gleichsam als der Arbeit unter den Frauen anhaftende „weibliche Erbfehler“ und als „persönliches Verschulden“ der Genossinnen betrachtet worden. Allein vorurteilslos prüfende Genossen mussten zugeben, dass es sich dabei letzen Endes um ideologische, politische und organisatorische Schwächen und Fehler der Kommunistischen Parteien im Allgemeinen handelte. Aus verständlichen Gründen machten sich diese auf dem Gebiet des Wirkens unter den Frauen besonders stark geltend.

Im Widerspruch zu den Organisationssatzungen der Kommunistischen Internationale und zu wiederholten Beschlüssen ihrer Kongresse haben nur die weitaus wenigsten nationalen Sektionen bereits den Erfolg ihrer Betätigung zur Revolutionierung der Frauenmassen dadurch gesichert, dass sie die dafür nötigen Organe geschaffen und sich organisatorisch fest und systematisch von unten bis oben eingegliedert haben. Ebenso ist die beschlossene Umstellung unserer Parteiorganisationen auf die Betriebe in den meisten Ländern ein frommer Wunsch geblieben oder steckt noch in den ersten bescheidenen Anfängen. Angesichts dieses Tatbestandes war es geradezu zwangsläufig, dass es der Arbeit unter den Millionen ausgebeuteter und unterdrückter Frauen, die der Kapitalismus auf das schonungsloseste zerfleischt, und die deshalb seine glühendsten Bekämpferinnen sein müssen, an politischem Zusammenhang mit dem Leben und Weben der Kommunistischen Parteien, an politischem Feuer und politischer Kraft fehlte. Ebenso auch, dass diese Arbeit häufig genug nur unter Ach und Krach, von unerquicklichen, unfruchtbaren Reibungen begleitet vorwärts ging. Der Blick für die unabweisbare Notwendigkeit wurde getrübt, mit unserem Wirken in die tiefen Schichten der Arbeiterinnen, der berufstätigen Frauen zu dringen und sie planmäßig zusammengefasst und gerüstet in die wirtschaftlichen und politischen Kämpfe ihrer Klasse zu führen, solange die Kommunistischen Parteien nicht mit verzehrender Energie dabei waren, für diese Kämpfe „jeden Betrieb in eine Festung zu verwandeln“.

Soweit die organisatorischen Unterlassungssünden der Kommunistischen Parteien die Arbeit unter den Frauenmassen beeinflussten, lag ihnen jedoch ein anderes zugrunde, als nur die mangelhafte Einschätzung der Bedeutung, die den betreffenden Organisationsformen zukommt. Eine falsche, schiefe grundsätzliche Einstellung zu dieser Arbeit selbst, eine Einstellung, die letzen Endes ein Überbleibsel sozialdemokratischer Auffassung ist. In der Tat! Die Vernachlässigung der organisatorischen Maßnahmen spiegelt die alteingesessene Meinung wider, dass die Arbeit zur Revolutionierung und Schulung der proletarischen und proletarisierten Frauenmassen für die Klassenkämpfe des Proletariats eine Nebenaufgabe der Kommunistischen Parteien sei, die parallel zu deren Hauptaufgaben und nur lose mit ihnen verbunden von den Genossinnen allein zu erfüllen sei.

Wenn wir nur erst die Mehrzahl der proletarischen Männer für uns haben, dann werden wir auch bald die meisten Proletarierinnen in unserem Lager sehen, die nötige Energie entfalten, sie dorthin zu führen.“ Dieser alte Singsang, der trotz dem Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter und zur Bedeutung der Frauen als Mitkämpferinnen das Denken und die Praxis der meisten in der Zweiten Internationale beherrschte, erklang auch in den Sektionen der Dritten Internationale weiter. Es wurde hier von viel zu Vielen vergessen, dass Text und Melodie aus der Zeit stammen, wo der Aberglaube an die allein selig machende Macht des Parlamentarismus, an die alles bezwingende Sieghaftigkeit des Stimmzettels die Einstellung der organisierten Arbeiter im Bann hielt. Als Nichtwählerin hatte die Frau damals keinen Kurswert auf dem Markt des politischen Schachers. Es war die Zeit der „friedlichen“ Evolution des Imperialismus siehe die Kolonialexpeditionen und Kolonialmetzeleien! wo die aus „wilden“ Völkern „zivilisiert‘ herausgeschundenen Extraprofite den kapitalistischen Herren in den „Kulturnationen“ kleine Zugeständnisse an ihre Lohnsklaven als gut zinsende Anlage erscheinen ließen. Die wirtschaftlichen und politischen Klassenkämpfe griffen nicht so einschneidend in das Leben großer Massen und der einzelnen Proletarier ein, dass die einsichtsvolle Beteiligung der Frauen daran allgemein als zwingende Notwendigkeit erkannt wurde.

Muss es nicht unbegreiflich dünken, dass der alte Schlendrian des Denkens und Handelns sich so lange, so zäh in den Reihen der Kommunistischen Internationale erhielt? Ist diese doch der lebendige historische Ausdruck der Tatsache, dass die Eroberung der Staatsgewalt durch die russischen Arbeiter die Periode der proletarischen Weltrevolution eingeleitet hat, und dass die Zeit gewaltige, tief wühlende Kämpfe in ihrem Schosse trägt. Das Unbegreifliche wird als Ereignis verständlich, wenn man es in seinen Verknüpfungen erfasst. Es entpuppt sich als vulgäre kleinbürgerliche Auffassung von der Frau und ihrer Stellung in der Gesellschaft, ihre Beziehungen zum Manne inbegriffen. Durchaus nicht allen Kommunisten ist schon jene Erkenntnis zu Fleisch und Blut geworden, die Lenin nicht müde wurde, wieder und wieder zu betonen. Nämlich, dass der Kommunismus nur verwirklicht werden kann, wenn seine Aufrichtung auch das Ziel, die Tat von Millionen und Abermillionen Frauen ist, die zusammen mit den Proletariern für ihn kämpfen und um sein Aufblühen sich mühen. Den Kommunismus verwirklichen, begreift als Werk der schaffenden Massen in sich, das Fühlen, Denken, Wollen, Handeln ungezählter Millionen in kommunistischem Geiste zu revolutionieren. Die dementsprechende geschichtliche, soziale Wertung der Frau aber hat die tiefste und gründlichste revolutionäre Umpflügung des Bewusstseins zur Voraussetzung. Denn die bürgerliche Wertung von heute hat ihre letzte, festeste Wurzel im Eigentumsbegriff. Noch vor dem Sklaven ward die Frau zum Eigentum. Es handelt sich um eine bewusste und unbewusste Mentalität, deren Keime weit zurück in der Menschheitsgeschichte liegen.

In der Kommunistischen Internationale müssen wir uns völlig klar darüber sein, dass jede Maßnahme zur konsequent durchgeführten Einbeziehung unserer Arbeit zur Mobilisierung der breiten Frauenmassen für die proletarischen Tages- und Machtkämpfe, und später für die kommunistische Aufbauarbeit über ihr unmittelbares Ziel hinausgeht. Sie bedeutet die Niederringung einer altersgrauen Auffassung, die der Entfaltung des Kommunismus als gesellschafts-gestaltender Weltanschauung im Wege steht. Maßnahmen dieser Art setzen sich in der Folge sehr schwer durch, aber sie sind auch in ihrer Auswirkung weit reichend. Sie erfüllen nicht bloß das Gebot politischer, revolutionärer Notwendigkeit, sondern sind an sich ein Stück Revolution im unscheinbaren Gewande organisatorischer Formen.

In der Kommission des Weltkongresses und auf der Kommunistinnen-Konferenz sind nur nebenbei Streiflichter auf den hervorgehobenen Zusammenhang der Dinge gefallen. Allein es scheint mir nötig, ihn an dieser Stelle stark zu unterstreichen. Nicht etwa nur aus Liebe für „die schönen Augen“ der marxistischen Theorie, die uns kommunistische Weltanschauung gibt. Vielmehr auch im Hinblick auf die Praxis der revolutionären Machtkämpfe und der revolutionären Aufbauarbeit. Gewiss! Die politische Notwendigkeit hämmert den Kommunisten in den kapitalistischen wie in den kolonialen und halbkolonialen Ländern die Einsicht ein, dass das Proletariat die nahenden entscheidungsschweren Machtkämpfe mit der Bourgeoisie nur erfolgreich durchzuhalten vermag, wenn seine Einheitsfront auch die schaffenden Frauen einschließt. Die Erfahrung hat ihnen gezeigt, dass sie für die Herstellung der Einheitsfront mit den Frauen besonderer Organe bedürfen, deren Tätigkeit ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Parteiwirkens sein muss. Allein erheblich anders sieht die Praxis von Erkenntnis und Erfahrung aus, wenn sie mit innerem Widerstreben, mit süßsaurem Empfinden geschieht, oder aber wenn freudige Zustimmung höchste Energie entfesselt. Es bedarf aber der freudigen Zustimmung und der höchsten Energie Aller in der Kommunistischen Internationale, wenn das Ergebnis unserer Dritten Frauen-Konferenz sichergestellt und für die Beschleunigung der Weltrevolution fruchtbar gemacht werden soll. Und zwar handelt es sich dabei nicht lediglich um das Einzelergebnis, betreffend die organische und organisatorische Verbindung der Arbeit unter den Frauenmassen und der allgemeinen Parteitätigkeit. In Weiterwirkung müssen dadurch alle Entscheidungen der Konferenz beeinflusst werden, deutlicher ausgesprochen: alle Bemühungen, die Millionen werktätiger Frauen aus passiven Zuschauerinnen oder gar verständnislos-verräterischen Helferinnen der Gegenrevolution in bewusste, hingebungsvolle, kühne Trägerinnen der Revolution zu verwandeln. Für die Auffassung und Praxis der Kommunistischen Parteien in dieser Beziehung darf die Vergangenheit der Lauheit und Flauheit nicht hemmende Gegenwart bleiben. Die Weltlage lässt jede Unterlassung im proletarischen Klassenkampf in eine Sünde, ein Verbrechen umschlagen.

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In der Bewertung der Weltlage, die die sichere Grundlage unserer Praxis sein muss und die von Genossin Zetkin gegeben wurde, herrschte bei den Konferenzteilnehmerinnen die vollste grundsätzliche Übereinstimmung. Die Auffassung darüber war klar, bestimmt, ohne schillernde Zweideutigkeit nach rechts oder links. Die Profit- und Machtinteressen der einzelnen Kapitalisten und kapitalistischer Riesengruppen, die Gegensätze in der kapitalistischen Wirtschaft zerstören die Ansätze zu deren Wiedergesundung und Befestigung und vernichten in ihrer Auswirkung mit jedem Tage mehr die geschichtliche Existenzberechtigung der Bourgeoisie als herrschende Klasse. Wohl treten Tendenzen auf zu einer vorläufigen weiteren Entwicklung des Kapitalismus, jedoch dicht neben ihnen und mit ihnen ringend zeigen sich auch unaufhaltsame, mächtige Tendenzen zu seiner fortschreitenden Zerrüttung, starke und tiefe, dauernde objektive Revolutionsantriebe. Die Bourgeoisie behauptet ihre Herrschaftsstellung nicht mehr auf Grund ihrer geschichtlichen Leistungen, ebenso nicht dank ihrer Machtmittel, wie gewaltig diese auch sind. Sie hält sich an der Macht und beutet aus, ja steigert die Ausbeutung und Verknechtung der werktätigen Massen, weil das Proletariat in seiner Mehrzahl noch davor zurückschreckt, in revolutionären Kämpfen mit sieghafter Faust die Macht an sich zu reißen. Reformistischer Kleinglaube für seine eigene, weltumstürzende Kraft, für die befreiende, schöpferische Macht der Revolution und reformistische Illusionen über die Demokratie als Freiheitsweg vergiften und lähmen den Willen zur Tat.

Not bricht Eisen. Sie wird auch den reformistischen Kleinmut und Wahnglauben der ausgebeuteten Massen bezwingen und die Geister empfänglich machen für die kommunistischen Ideen, für die Lehren der russischen Revolution. Heute kämpfen die Lohnsklaven der Großbourgeoisie nicht mehr für armselige Fetzen von Lebensannehmlichkeilen, sie verteidigen im buchstäblichen Sinne des Wortes ihre nackte Existenz, die nackte Existenz der Ihrigen. Große, zähe, leidenschaftliche Kämpfe in der Wirtschaft künden sich an. Sie müssen zwangsläufig zum Ringen um die politische Macht zwischen Bourgeoisie und Proletariat werden. Die nahenden Kämpfe können sich nicht auf die Stammsitze des Kapitalismus beschränken, sie werden die Kolonial- und Halbkolonialstaaten ergreifen, wo die Ausgesogenen und Unterdrückten zu erwachen beginnen. Sie werden das Geschick der Sozialistischen Räte-Republiken beeinflussen, deren Aufbauarbeit offen und heimlich von dem Hass der bürgerlichen Mächte gehemmt, deren Existenzsicherheit durch die kapitalistische Ausbeutungsgier bedroht wird. Die Kommunistischen Parteien müssen sich bereit machen, in diesen entscheidungsschweren Kämpfen die Führung des klassenbewussten Proletariats, aller Rebellen wider die Großbourgeoisie zu übernehmen. müssen die sich gegen die kapitalistische Herrschaft Aufbäumenden bereit machen, zu kämpfen und durch die vereinigte und vereinigende Macht der Ideologie und Organisation zu siegen. Das in stetem Gerüstetsein, von der Abwehr in kühnem Vorstoß zum Angriff vorzudringen, dabei aber erfüllt von überlegener Geduld, die Kraft zum Aushalten verleiht.

Die Verhandlungen und Beschlüsse der Konferenz brachten zum Ausdruck, dass die kommunistische Arbeit unter den breiten schaffenden Frauenmassen dem Gebot der Stunde entsprechend orientiert und durchgeführt werden soll. Gründliche Kenntnis der Lage der schaffenden Frauen und innigstes Mitgefühl für sie muss ihr die Kraft verleihen, Millionen zu wecken und um das kommunistische Banner zu sammeln, so dass sie mit ihren Brüdern des Mühens und der Not zusammen an den wirtschaftlichen und politischen Kämpfen teilnehmen. Mit Nachdruck wurde unterstrichen, dass alle Schlachtfelder des proletarischen Klassenkampfes, dass alle seine Formen und Kampfesmittel auch Schlachtfelder, Kampfesformen und Kampfesmittel der schaffenden Frauenmassen werden müssen. Von dem Betrieb, wo es um ein paar Pfennige Lohnerhöhung und eine kurze Sklavenrast geht, bis zu der Straße, wo um die Eroberung der Staatsgewalt gekämpft wird, von dem Streiksuppenkochen und dem Samariterdienst der „Roten Schwester“ bis zum Schuss, der verwundet und tötet.

Was die politischen revolutionären Einzelaufgaben anbelangt, die unsere Betätigung unter den Frauenmassen stellt, so trat die Konferenz dem Beschlusse der Kongress-Kommission bei, erweiterte und ergänzte ihn jedoch seinem Inhalt und Ziel gemäß. Sie war für die weiteste Ausdehnung der Kampfesfront des Proletariats und forderte deshalb auch planmäßige Agitations- und Organisationsarbeit unter den weiblichen Erwerbslosen, den Heimarbeiterinnen, Hausangestellten und proletarischen wie kleinbürgerlichen Hausfrauen. Sie befürwortete zur Mobilisierung und Schulung der werktätigen Frauen eine scharfe grundsätzlich gehaltene revolutionäre Ausnutzung des Parlamentarismus, namentlich der kommunalen Vertretungen. Sie betonte mit besonderem Nachdruck die Notwendigkeit, die Frauen in der Zeit der legalen Kampfesmöglichkeiten auf die Illegalität vorzubereiten, zu allen illegalen Arbeiten heranzuziehen und sie an der Tätigkeit zur Zersetzung der bewaffneten gegenrevolutionären Streitkräfte zu beteiligen. Kurz, sie ließ keinen Zweifel darüber, dass unsere Arbeit in den Frauenmassen unbeugsame Kampfentschlossenheit, aber auch höchste ideologische und organisatorische Kampfestüchtigkeit entfalten soll.

Die Augen fest auf dieses Ziel gerichtet, wertete die Konferenz die organisatorische Verbindung der Organe dieser Arbeit mit den allgemeinen Führungs- und Arbeitsorganen der Kommunistischen Parteien. Sie nahm daher ohne jede Änderung die einschlägigen Beschlüsse der Kongresskommission an. Das regelnde Prinzip ist die vollkommene Einheitlichkeit der Leitung und Durchführung der Arbeit unter den Frauenmassen mit der allgemeinen Leitung und Durchführung der Parteitätigkeit. Auf allen Stufen der Parteiorganisation, von der Betriebszelle oder Ortszelle bis zum obersten Vollzugsausschuss, ist ein Mitglied der führenden Körperschaften eine Genossin oder ein Genosse verantwortlich damit beauftragt, die kommunistische Arbeit unter den Frauen zu organisieren, zu leiten und durchzuführen, und zwar nicht als „Frauensache“, sondern als Parteisache. Die einzelnen Organe und Träger der Arbeit zur Mobilisierung der Frauenmassen werden durch die Parteiorganisation in horizontaler und vertikaler Richtung mit einander verknüpft. Das oberste Arbeitsorgan für das Wirken unter den Frauen ist ein Landes-Frauensekretariat, eine Reichs-Frauen-Agitations-Kommission oder eine ähnliche Körperschaft, die in Verbindung mit den verantwortlichen Ressortleitern der Parteizentrale arbeitet. In diesem Arbeitsorgan muss mindestens eine fest angestellte und besoldete Kraft tätig sein, eine Sekretärin oder ein Sekretär. Jede Kommunistische Partei wird es begrüßen, wenn sie dieses Amt einer geschulten und erfahrenen Genossin anvertrauen kann, aber nicht in jedem Land steht ihr eine solche zur Verfügung. Deshalb kann auch ein Genosse den Posten bekleiden, Hauptsache ist und bleibt, dass die vorliegende Arbeit mit Sachkenntnis und Energie durchgeführt wird.

Die festgesetzte Regelung ist eine Wiederholung früherer Bestimmungen, die jedoch bis jetzt nur von der Kommunistischen Partei im Bund der Sozialistischen Sowjet-Republiken konsequent durchgeführt worden sind. Ihre allgemeine Praxis wird nicht nur die organisatorische Geschlossenheit der nationalen Sektionen vergrößern, viel mehr auch ihren Einflusskreis unter den Frauen erweitern, Summa summarum ihre Aktionskraft steigern. Die ideologische Bedeutung der organisatorischen Form wurde bereits gewürdigt. Wird diese mit der Umstellung der Parteiorganisation auf den Betrieb allgemein und einheitlich angewendet, so kann eine ansehnliche Machtstärkung der Kommunistischen Parteien nicht ausbleiben, ebenso wenig aber auch ein stärkeres Regen und Bewegen der Massen. Der politische Betätigungsgrad der Genossinnen erhält mit den neuen, verantwortungsschweren Pflichten neue, kraftvolle Antriebe. Ungezählte Arbeiterinnen werden aus ihrem politischen Dämmerzustand emporgerüttelt und zur Selbstbetätigung gerufen, erzogen. Eine Fülle von frischen Kräften und Energien wird sich sozial, politisch auswirken. Die klare Einsicht und der unerschütterliche Wille großer Frauenheere werden dazu beitragen, dass die Kraft der Revolution schwillt.

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Die Konferenz wäre ohne Berechtigung gewesen, hätten sich ihre Arbeiten darin erschöpft, sich mit der Einstellung des Weltkongresses der Kommunistischen Internationale zu der geschichtlichen Situation zu solidarisieren und die daraus von seiner Kommission abgeleiteten politischen und organisatorischen Forderungen für die Weiterentwicklung unserer Arbeit unter den Frauen zu überprüfen. Das alles hätte auch auf dem Weltkongress geschehen können. Allein die Konferenz hatte betreffs dieser Arbeit ihre eigene bestimmte Aufgabe, deren gründliche Erörterung im Rahmen der großen Tagung kaum möglich gewesen wäre. Dazu kam noch, dass dabei Genossinnen und Genossen mitwirken mussten, denen große Erfahrung auf dem besonderen Tätigkeitsgebiet eignet, die aber infolge ihres geringeren Hervortretens im allgemeinen Leben der Kommunistischen Parteien nicht zahlreich zu den Weltkongressen delegiert werden, namentlich nicht, wenn es dort um scharfe Meinungsgegensätze geht. Eigenste Aufgabe der Konferenz war es, Klarheit zu schaffen über die sozialen Frauenschichten, die revolutioniert werden müssen und mit Erfolg revolutioniert werden können; die Möglichkeiten und Bedingungen dafür zu untersuchen; die in Betracht kommenden, Erfolg versprechenden Agitationsmethoden und Organisationsformen festzustellen. Sowohl die Erfahrungen in der Vergangenheit wie in den einzelnen Ländern hatten dabei ein gewichtiges Wort mitzusprechen, ganz besonders die Genossinnen der Sowjetstaaten mit ihrem Schatz an Erfahrungen und Lehren aus der Zeit vor und während der Revolution.

Die Fragen der Praxis drängten sich naturgemäß bereits bei der Besprechung der wirtschaftlichen und politischen Weltlage und unseren Aufgaben in den Vordergrund. Die Beratungen wurden dadurch bereichert, erhielten Frische und Lebhaftigkeit. Nicht dass grundsätzliche Meinungsunterschiede die Gemüter streitbar erhitzt hätten, aber es zeigten sich Nuancen in der Bewertung einzelner Teile der Arbeit und im Vertrauen auf die vorhandenen Kräfte, als notwendig Erkanntes zum Möglichen zu machen. Die Auflassung war einmütig, dass vollste Kraft darauf konzentriert werden müsse, die Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten in den Betrieben zu erfassen und in Wertung ihrer bedeutsamen Rolle in der Wirtschaft als eine Elitetruppe des Proletariats in dessen Kämpfe zu führen. Eine abweichende Stellung wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Schließen der Augen vor wichtigsten Wirklichkeiten. Dagegen fehlte es nicht an Stimmen, die unser Wirken zurzeit einzig und allein auf die Werbung der Arbeiterinnen beschränkt wissen wollten. Keine besondere Agitations- und Organisationsarbeit, so erklärten sie, unter den Heimarbeiterinnen, Hausangestellten, den Beamtinnen, Lehrerinnen usw. Lassen wir die Hausfrauen in der Enge ihres Heims und ihrer spießbürgerlichen Gedankenwelt. Sie sind erst und nur während großer Kämpfe zu mobilisieren. Es wäre gewiss schön, neben den Arbeiterinnen auch die übrigen Schichten des weiblichen Proletariats und die proletarisierten Kleinbürgerinnen in unsere Kampfesreihen zu ziehen. Allein unsere Kräfte und materiellen Mittel reichen dazu nicht aus.

Die große Mehrzahl der Konferenzdelegierten pflichtete Ansichten dieser Art nicht bei. Sie behielt im Auge, dass die Arbeiterfrau von heute sehr häufig gestern Arbeiterin war und vielleicht morgen schon wieder Arbeiterin sein wird; dass ihre Existenz, dass das Leben der Familie aufs engste mit der Arbeit des Mannes im Betrieb verknüpft ist; dass die Hausmutter einen starken, oft den entscheidenden Einfluss auf ihren Gatten und ihre Kinder ausübt. Sie vergaß nicht, dass gegenwärtig die kapitalistische Profitsucht die Zahl der Heimarbeiterinnen auf Kosten der Zahl der Fabrik- und Werkstättenarbeiterinnen auffallend vermehrt. Ihr waren die wertvollen Dienste gegenwärtig, die Hausangestellte, die Angestellten und Beamtinnen im Bankwesen, im Post -‚ Telegrafen- und Telefonwesen usw. der Sache der Revolution leisten können. Sie würdigte vor allem die schwere Gefahr im Rücken der kämpfenden Proletarier, die ungeheuer große Armee dieser Frauenmassen die Arbeiterfrauen bilden noch immer bei weitem die Mehrzahl des weiblichen Proletariats unaufgeklärt, ohne Kampfesverständnis und Kampfesenergie zurückzulassen, nicht bloß ein verhängnisvolles Hindernis für das Ringen an der Front, auch ein ausgedehntes Rekrutierungsfeld für die Gegenrevolution. Die geschickte, außerordentlich rührige Propaganda der Faschisten, Klerikalen, Nationalisten, Reformisten, kurz aller Gegenrevolutionäre, ist Wegweiser und Zwang zu dem, was wir tun müssen. Die Kräfte und Mittel werden mit der frischen, hingebungsvollen Inangriffnahme unserer Arbeit wachsen. Aus den zu weckenden Frauenkreisen selbst entwickeln sich begabte Agitatorinnen und Organisatorinnen, neue Quellen der Energie und Opferfreudigkeit beginnen zu strömen. Die proletarischen Hausfrauen haben während der großen wirtschaftlichen Kämpfe in Deutschland, England, den Vereinigten Staaten und anderwärts, haben wie die Bäuerinnen in Bulgarien während des Aufstandes bewiesen, dass sie revolutionäre Kämpferinnen sein wollen und sein können. Ihr Hervortreten bei Streiks für den Achtstundentag und Lohnerhöhungen, in den Kontrollausschüssen gegen den Lebensmittelwucher bekundete Initiative, Solidaritätsgefühl, Mut, Ausdauer, agitatorische und organisatorische Fähigkeiten. Also kein Verzicht, stärkste Anspannung unserer Kraft.

Referate, Debatten, Beschlüsse stellten nachdrücklichst fest, dass die Revolutionierung der Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten vor allem im Betrieb geschehen müsse. Hier hat unsere Tätigkeit jede einzelne Arbeiterin zu erfassen, mit Kampfeswillen zu erfüllen und zur Kampfestüchtigkeit zu erziehen. Die geistig regsamsten und energischsten Mädchen und Frauen werden bei einem sich darbietender Anlass — und an solchen fehlt es in keinem Betrieb — zu einem Arbeiterinnen-Ausschuss zusammengeschlossen, der Wortführer und Interessenverteidiger der gesamten weiblichen Belegschaft ist, gemeinsames Vorgehen vorbereitet, durchführt, leitet. Selbstredend muss die beauftragte Genossin die Seele dieses Ausschusses sein und dessen Mitglieder zu zielbewusster Aktivität schulen. So wird eine wachsende Zahl von Arbeiterinnen befähigt, ihrerseits unter ihren Schicksalsgenossinnen als Agitatorin, Organisatorin und Führerin zu wirken, nicht bloß als Betriebs- und Versammlungsrednerin, nein, auch als Streik- und Kampfleiterin. Dieses Ziel begreift in sich, dass In der Auffassung der Arbeiterinnen jeder Hang zur Passivität und alle Spuren und Ansätze des reformistischen Illusionsglaubens ausgetilgt werden. Nur dadurch wird der Weg freigelegt für Kampf und Sieg. Unsere Arbeit hat ihren Mittel- und Stützpunkt wie ihre Leitung in der kommunistischen Betriebszelle. Von ihr aus wird planmäßig und im Zusammenhang mit den jeweiligen allgemeinen Aufgaben der Zelle im Denken und Wollen der Arbeiterinnen die Grundlage geschaffen für ihre bewusste, entschlossene und opferfreudige Beteiligung an allen Kämpfen ihrer Klasse.

Diese Grundlage ist der .Ausgangspunkt, ist Vorbereitung für die weiter durchzuführende Arbeit im Betrieb, die in zwei Richtungen erfolgt: für die Eingliederung der Arbeiterinnen in die Kommunistische Partei und ihre Einreihung in die Gewerkschaft. Es versteht sich, dass auf jedem dieser beiden Tätigkeitsgebiete im Betrieb eigens beauftragte und verantwortliche Kräfte wirken, aber ebenso selbstverständlich ist es, dass dies in engster Verbindung miteinander geschieht, zusammengehalten und geleitet von dem übergeordneten Organ der Partei. Unsere Politisierungsarbeit im Betrieb hat ihre Ausläufer unter den weiblichen Erwerbslosen, die früher dort beschäftigt waren, unter den Heimarbeiterinnen und Hausfrauen. Sie muss Erwerbslose und Heimarbeiterinnen fest mit den Arbeiterinnen ihres Berufes im Betriebe verbinden, die Hausfrauen mit den Arbeitsgenossinnen ihres Mannes. Der Betrieb muss für alle diese Proletarierinnen zum Sammel- und Aufmarschplatz bei Bewegungen und Kämpfen werden, zur Stelle, woher sie Aufklärung, Zusammenschluss, Mut, Führung empfangen.

Die Wertung des Betriebs als Kraftzentrum für die Verteidigung der Lebensinteressen der breitesten Frauenmassen muss gleichbedeutend sein mit unerschütterlichem Vertrauen zu der Kommunistischen Partei, als der verstehenden, klugen, kühnen und treuen Führerin der Enterbten und Ausgebeuteten im Kampfe gegen alle gesellschaftlichen Mächte, die diesen feindlich sind. Solches Vertrauen will natürlich erworben sein. Voraussetzung dafür ist die tiefste, auf gründlicher Kenntnis beruhende, mitempfindende Einfühlung in das tagtägliche Leben der Frauenmassen mit seinen Bedürfnissen, Sorgen, Nöten, Wünschen und Forderungen und als praktische Schlussfolgerung davon im Kleinen wie im Großen kraftvolles, selbstloses Eintreten für jeweilig im Vordergrund stehende Fragen. Das eroberte und gerechtfertigte Vertrauen der Arbeiterinnen eines Betriebes zu den unter ihnen tätigen Kommunistinnen und Kommunisten öffnet rasch den Weg in andere Ausbeutungsstätten. Was in dieser Beziehung Genossinnen verschiedener Länder — zumal die deutschen Delegierten — von den Anfängen ihrer Praxis berichteten, wurde voll ausgereift anschaulich geschildert von den Genossinnen aus den Sowjetrepubliken, und das verdient besondere Beachtung: zum Teil auch aus der vorrevolutionären Zeit, als der Zarismus mit eisernem Druck auf der jungen Arbeiterklasse lastete.

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Bei der Diskussion sind neben dem Delegiertensystem andere Formen und Methoden unserer Agitations- und Organisationsarbeit unter den parteilosen, den nichtkommunistischen werktätigen Frauen leider etwas knapp weggekommen. Bedauerlicherweise auch ohne dass die Behandlung dieser umstrittenen Frage sachlich über den Rahmen des bereits Gesagten hinausgeführt und vertieft worden wäre. Es erklärt sich das zumeist aus Einseitigkeiten und Übertreibungen derer, die die Übertragung des Delegiertensystems in die kapitalistischen Länder mit größtem Nachdruck befürworteten und zwar, nach der Meinung der meisten Konferenzdelegierten, ohne dabei die geschichtlich gegebenen tatsächlichen Verhältnisse dort genügend zu berücksichtigen und zu würdigen, was die Genossinnen bereits geleistet, haben, um die breiten Frauenmassen zu revolutionieren und unter kommunistischer Führung der proletarischen Klassenkampffront einzureihen.

So fiel z. B. die mehr als gewagte Behauptung, die Durchführung des. Delegiertensystems überall sei „die einzige positive Idee“, um die Schwächen und Fehler der bisherigen Arbeit zu überwinden, die schaffenden Frauenmassen zu erfassen und unter kommunistischem Einfluss zu halten. Der Augenblicksstimmung entsprechend wurde das auch als „das einzige Mittel zur Bolschewisierung der Arbeiterinnen“ gepriesen. Abgesehen von der irrtümlichen geschichtlichen Auffassung der „Methode“ und ihres Verhältnisses zum „Ziel“ übersah diese Meinung, dass in England Frauenrechtlerinnen, Gewerkschafterinnen, Genossenschafterinnen der „Frauengilden“, reformistische Sozialistinnen jeder Spielart seit langem schon in den verschiedenen Frauenausschüssen für bestimmte, eng umgrenzte oder auch allgemeinere Zwecke Organe geschaffen haben, die ihrem Wesen nach in ähnlicher Weise die breiten Frauenmassen mit wirtschaftlichen Organisationen, mit verschiedenen politischen Parteien verbinden, namentlich mit der Labour Party, wie dies die Delegiertenveranstaltungen in den Sowjetstaaten tun. Was in dem imperialistischen England ihrer Tätigkeit fehlt, ist die Arbeit ihrer Mitglieder als „Praktikantinnen“ in den Organen des Staates, der Gemeindeverwaltung usw. Immerhin sind auch diese Ausschüsse, die je nach Zweck und Umständen längere oder kürzere Zeit bestehen, Schulen sozialer Arbeit für ihre Mitglieder, und Arbeiter- wie Frauen-Organisationen, Regierung und Behörden berufen gern aus ihren Kreisen Frauen in Ämter, insbesondere solche sozialer Art. Jedoch wie verwandt nach Form und Methode diese Frauenausschüsse dem Delegiertensystem sind, sie sind alles, nur nicht „Methoden zur Bolschewisierung der Proletarierinnen“, ganz im Gegenteil. „Die Kutte macht nicht den Mönch“. Jedenfalls haben sich aber solche Frauenausschüsse in England als erfolgreiches Mittel bewährt, werktätige Frauenmassen aus ihrer politischen Dumpfheit emporzurütteln und als sozial, politisch Fordernde in die Öffentlichkeit zu führen. Aus dieser Tatsache haben wir zu lernen.

Grundsätzliche Gegnerschaft wider die Einfügung des Delegiertensystems in das Arsenal unserer Werbe- und Schulungsformen wurde nicht laut. Genossin Hertha Sturm und andere Genossinnen beleuchteten nur hell die Unterschiede der Tatsächlichkeiten, die für unsere Praxis zufolge des Besitzes oder Nichtbesitzes der Staatsgewalt durch das Proletariat geschaffen werden. In den Sowjetrepubliken ist das Proletariat dank der eroberten Staatsmacht die diktierende Klasse und die Kommunistische Partei die regierende Partei. In den kapitalistischen Ländern hingegen steht die Arbeiterklasse unter dem Diktat der Bourgeoisie, und die Kommunistischen Parteien müssen im heißen Wettstreit mit den bürgerlichen und reformistischen Organisationen, verfolgt, gehetzt, häufig unter den Schwierigkeiten und Gefahren der Illegalität um die Arbeiterinnen, die schaffenden Frauen werben. Die Genossinnen dürfen nicht blind an diesem Stand der Dinge vorübergehen, denn es verändert erheblich die Bedingungen für das Zustandekommen, die Tätigkeit, die politische Verbindung usw. der Delegierten-Ausschüsse, er besagt hier Förderung, dort schwere, allseitige Hemmung. Die Entsendung von „Praktikantinnen“ in öffentliche Organe ist z.B. in den bürgerlichen Staaten eine Unmöglichkeit. Es versteht sich, dass in jedem einzelnen dieser Länder Delegiertenwahlen, -Ausschüsse und -Versammlungen den konkreten Umständen angepasst werden und sich im steten, zähen Kampf mit allen kapitalistischen Gewalten durchsetzen müssen.

Die Genossinnen, die das berücksichtigt wissen wollten, wendeten sich lediglich und mit Recht, gegen die allzu mechanische Übertragung des Delegiertensystems aus den Staaten der proletarischen Diktatur in die Reiche der Bourgeois-Herrschaft. Sie waren auch im Recht, wenn sie unter Berufung auf ihre seitherigen Arbeiten, Erfahrungen und Erfolge feststellten, dass dieses System nicht „die einzige Methode zur Erfassung und Bolschewisierung der Proletarierinnen“ sei. Und sie hatten zum dritten Male Recht, wenn sie verlangten, dass die in einzelnen Ländern bereits bestehenden, bei Kämpfen geschaffenen Arbeiterinnenausschüsse, Kontroll-Ausschüsse der Hausfrauen und ähnliche Organe zur Mobilisierung und Organisierung der Frauenmassen unter dem Feldgeschrei: „Das Delegiertensystem allein ist Aktivität, ist Bolschewismus“, nicht kurzerhand beiseite geschoben, vielmehr im Sinne dieser Agitations- und Organisationsform ausgestaltet werden sollten. Was über die Arbeit in den Betrieben und die Formen und Methoden der Agitation und Organisation in den Sowjetrepubliken dargelegt wurde — sowohl in den Referaten wie in der Diskussion — bestätigte die Berechtigung solcher Auffassung. Es bewies unwiderleglich, dass das Delegiertensystem eine sehr wertvolle, aber keineswegs die einzige Form und Methode der Arbeit unter den breiten, nichtkommunistischen Frauenmassen ist. Ferner, dass das System sich allmählich, mit Anpassung an gegebene konkrete Verhältnisse entwickelt, diesen entsprechend auch Veränderungen erfahren hat und heute in manchen Gebieten noch in den Anfängen der Entwicklung steht, nicht überall in allen Einzelheiten mechanisch gleich angewendet werden kann. Schließlich von welch entscheidendem Einfluss für Durchführung, Charakter und Ergebnis des Delegiertensystems es ist, dass das Proletariat im Besitz der Staatsmacht ist und diese dazu gebraucht, die Wirtschaft und ihren ideologischen Überbau in der Richtung zum Kommunismus umzuwälzen. Jede in dieser Beziehung berichtete Einzelheit war mithin ein Ansporn für den Willen zur Eroberung der politischen Macht.

Von dem Delegiertensystem konnte nicht berichtet werden, ohne dass sein großer positiver Wert hell hervortrat. Er erschöpft sich durchaus nicht darin, dass das Delegiertensystem durch die Wahlen, die konsequente, sachkundige Tätigkeit der Erwählten, ihre Berichterstattung vor den Wählerinnen, ihre stete persönliche Verbindung mit diesen und alle mit dem Ganzen verbundenen Veranstaltungen und Einrichtungen organisierte, engste, planmäßige, dauernde Verbindung der Kommunistischen Partei mit den werktätigen Frauenmassen herstellt. Diese Verbindung vermittelt der Partei gründlichstes Vertrautwerden mit den Arbeits- und Existenzbedingungen, mit der Psychologie dieser Frauenmassen, lehrt also auf das Genaueste das Arbeitsfeld kennen, das sie für den Kommunismus zu bestellen hat. Sie erfüllt die werktätigen Frauenmassen mit Vertrauen zu dem kommunistischen Tun und Handeln, das ihr eigenstes Interesse und das der Ihrigen berührt. Nach dem Bibelwort: „An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen“, führt die Tat, die Politik der Kommunistischen Partei zum Verständnis ihrer Lehre und des unzerstörbaren Zusammenhanges zwischen dem Einzelschicksal und der großen sozialen Gemeinschaft. Die Sympathie für die kommunistische Politik entfaltet sich bei den erfassten Frauenmassen zum Bekenntnis des Kommunismus.

Dieser Prozess des inneren Werdens und Reifens vollzieht sich in fester Verschlingung mit der Erziehung der Frauenmassen zur sozialen Aktivität, zu sozialer Arbeit und Pflichtleistung. Und das sowohl bei den Delegierten wie bei den Delegierenden. Die Gewählten eignen sich Sachkenntnis, vollständige Beherrschung bestimmter gesellschaftlicher Arbeitsgebiete an, die Wählerinnen werden zu solidarischem Erkennen, Verstehen, Wollen, Handeln erzogen, zum Bewusstsein, wie unerlässlich Selbstbetätigung jedes Einzelnen im Rahmen der Gemeinschaftsbetätigung ist. So werden die breitesten Massen der schaffenden Frauen zu einem unermesslichen Reservoir von Kräften, die in solidarischer Betätigung an der revolutionären Umwälzung der Gesellschaft mithelfen, und aus deren Reihen die an erster Stelle stehenden Kämpfenden, Erobernden, Aufbauenden hervorgehen. Zuerst nur Hunderte, beträgt heute die Zahl der Delegierten von Proletarierinnen und Bäuerinnen in den Sowjetstaaten 145.000, und ein stattlicher Teil von ihnen sind als „Praktikantinnen‘ in den verschiedensten Sowjetorganen tätig.

Zusammengefasst: Das Delegiertensystem als Mittel zur revolutionären Erweckung, Organisierung, Betätigung und Erziehung ist von so großer Bedeutung, dass die Konferenz sich nicht mit einer platonischen grundsätzlichen Anerkennung begnügen durfte. Sie hat die Verpflichtung ausgesprochen, dass die Arbeiterinnen-Ausschüsse — je nach den tatsächlichen Umständen unter Führung der kommunistischen Ortsleitung zu Ortsausschüssen vereinigt — dieselben Aufgaben zu erfüllen haben, wie die Delegiertenversammlungen in vorrevolutionärer Zeit in Russland, „wenn auch in anderer, der vorrevolutionären Periode angepasster Form“. Sie haben „eine Brücke zu sein zwischen der Partei und den unorganisierten Arbeiterinnenmassen“ und müssen diese zu .‚aktiven Trägern der Revolution“ machen. So erklärt die von der Konferenz einstimmig angenommene Resolution zu den Referaten des Genossen Kanatschikow und der Genossin Moirowa. Im gleichen Sinne bezeichnen die Thesen dieser Genossin das Delegiertensystem als „Treibriemen zwischen der Partei und den Frauenmassen“.

Die Konferenz hat einen ersten vorsichtigen Schritt getan, damit das Delegiertensystem dem verschiedenen geschichtlichen Boden und dem Charakter der Zeit entsprechend international zur Anwendung kommt. Allein dieser erste Schritt verpflichtet oder anders gesagt: er treibt über sich hinaus. Die kommunistische Arbeit unter den Hausfrauen und ganz besonders jene unter den Bäuerinnen wird in den kapitalistischen Staaten zu Agitationsmethoden und Organisationsformen führen, die mutatis mutandis die nötigen Veränderungen vorausgesetzt nach ihrem Kern dem Delegiertensystem entsprechen. Dieses wird seine Vorzüge gerade bei der Erweckung, Zusammenfassung, Aktivisierung und Schulung der schaffenden Frauen und Mädchen bewähren, die nicht gleich den Betriebsarbeiterinnen in Gruppen, ja in Massen an der Arbeitsstätte vereinigt sind, sondern durch ihre Tätigkeit von einander räumlich isoliert werden und in der Folge schwerer zum Bewusstsein ihrer Solidarität untereinander und mit der Gesamtheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten gelangen. Leider haben die Genossinnen aus den kapitalistischen Ländern diese Seite der Frage unberücksichtigt gelassen, obgleich das Referat der Genossin Moirowa und Ausführungen sowjetischer Delegierten ihre Bedeutung hervortreten ließen. Da jedoch die Konferenz keinen Zweifel darüber gelassen hat, wie bitter not planmäßiges kommunistisches Wirken auch unter den Hausfrauen und Bäuerinnen usw. tut, werden auch die einschlägigen starken Anregungen und Beispiele in den Räterepubliken sich fruchtbar weiter entwickeln. Arbeit und Kampf sind beste Lehrmeister.

Die Darstellung der Agitationsmethoden und Organisationsformen in den Arbeiter- und Bauernstaaten hat überhaupt eine Fülle von Anregung und frischer Regsamkeit vor unsere Tagung gebracht. Sie zeigte eine erstaunliche Mannigfaltigkeit der Methoden und Formen, die an alle gegebenen äußeren wie psychologischen Tatsachen anknüpfen, alle Ereignisse ausnützen, sich frei von der Schablone und Routine halten, reich, wechselnd sind, wie das Leben selbst. Der fest gefügte Organisations- und Arbeitsapparat der Kommunistischen Partei sorgt dafür, dass die bunte Mannigfaltigkeit nicht zum Chaos wird, vielmehr in strenger Einheitlichkeit und Konsequenz dem einen Ziele dient: die werktätigen Frauenmassen zu tätigen Kräften der sozialen Umwälzung zu erheben. Sinnenfällig trat dabei der Einfluss zutage, den die proletarische Diktatur auf die Möglichkeiten der Agitations- und Organisationsarbeit ausübt. Sie erlaubt nicht nur die volle praktische Auswertung aller Möglichkeiten, ihre Organe regen dazu an und fördern sie. In der Folge auch auf diesem revolutionären Arbeitsgebiet eine Entfesselung, ein freudiges Regen der Kräfte, ausgedehnte persönliche Initiative, die Gemeinschaftstätigkeit wird. Die Verhältnisse in den Ländern unter bürgerlicher Klassenherrschaft verwehrten es der Konferenz, alle in Betracht kommenden Erfahrungen aus den Sowjetstaaten in international bindende Beschlüsse zu fassen. Jedoch diese Erfahrungen werden ohne Zweifel unsere Arbeit unter den breitesten werktätigen Frauenmassen bereichern und ihr manchen neuen, starken Impuls geben. Von besonderer Wichtigkeit sind dafür die Ausführungen über die bolschewistische Parteiarbeit unter den Proletarierinnen in der vorrevolutionären Periode. Diese Arbeit ist ein glorreicher Beweis für das, was in dieser Hinsicht auch bei Illegalität und härtesten Verfolgungen geschehen kann.

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Dem Zusammenhang der Dinge gemäß musste die Dritte Internationale Kommunistische Frauenkonferenz Stellung nehmen zur Betätigung in den Gewerkschaften, die ein wesentlicher Teil unserer Bestrebungen ist, die Arbeiterinnen zu aktiven revolutionären Klassenkämpferinnen zu machen. Hier handelte es sich für die Tagung in der Hauptsache darum, in fester Geschlossenheit mit dem Weltkongress und dem Kongress der Roten Gewerkschaftsinternationale Inhalt, Ziel, Charakter unserer Gewerkschaftsarbeit unter den Lohnsklavinnen festzustellen. Nicht Selbstzweck sind uns die Losungen, die wir für die Arbeiterinnenmassen mit Leben und Kraft zu erfüllen haben: „Hinein in die Gewerkschaften! Einheitlichkeit der Gewerkschaften!“ Sie sind uns Mittel zum Zweck, die proletarische Revolution zu beschleunigen und zu organisieren, die Arbeiterinnen sollen Trägerinnen, die Gewerkschaften Organisationen des revolutionären proletarischen Klassenkampfes werden. Gewiss dürfen wir nicht vernachlässigen, den Willen der Arbeiterinnen darauf zu richten, durch den Zusammenschluss in den Gewerkschaften die Offensive der Kapitalisten zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zurückzuschlagen und ihrerseits mit ihren Brüdern zusammen vorzustoßen, um höheren Lohn, kürzere Arbeitszeit und andere Verbesserungen zu erringen. Allein von diesen Forderungen des Alltags ausgehend. müssen wir ihr unablässiges Sinnen und Trachten auf das große Ziel, auf das proletarische Klassenziel hinlenken: die politische Macht der Bourgeoisie niederzuwerfen und die proletarische Diktatur zu schaffen. Wie jeder Betrieb, so muss auch jede Gewerkschaft zu einer Festung der Revolution werden, und ohne die Politisierung der Arbeiterinnen ist das unmöglich.

Die Politik der Arbeitsgemeinschaft und des Burgfriedens der reformistischen Führer hat die Gewerkschaften als Schutzbastionen an das Unternehmertum, an die kapitalistische Profitwirtschaft ausgeliefert. Auch die Arbeiterinnen und gerade sie leiden schwer unter dem schändlichen Verrat. Denn weil sie von den Herren Gewerkschaftsführern wie von den Herren Kapitalisten als sozial Schwächere gewertet werden — d. h. letzten Endes als die sozial Einsichtsloseren, Kampfesunwilligen und Kampfesuntüchtigen — hat die gewerkschaftliche Verratspolitik in erster Linie dem Vitzliputzli des kapitalistischen Profits die Arbeiterinneninteressen geopfert. Die Hungerlöhne der Arbeiterinnen allein schon erheben vernichtende Anklage. Die Arbeiterinnen haben daher doppelten und dreifachen Grund, endlich auf die schimpfliche Rolle zu verzichten, durch ihre Gleichgültigkeit, ihren Stumpfsinn oder auch als leitungsgetreues „Stimmvieh" die reformistische Gewerkschaftsbürokratie zu stützen und damit die Organisationen selbst ihrem Klassenkampfzweck zu entfremden. Deshalb muss unsere Gewerkschaftstätigkeit zur Mobilisierung der Arbeiterinnen vor allem unerbittlichster Kampf sein gegen die reformistischen Gewerkschaftsführer, ihre bürgerlichen Schlagworte, ihre kapitalistenfromme Politik. Die Forderungen, die uns mit den Arbeiterinnenmassen verbinden, sind bekannt. Auch bei unserem Wirken in den Gewerkschaften und für die Gewerkschaften haben wir das Schwergewicht darauf zu legen, die Arbeiterinnen zur Selbstbetätigung zu erziehen. Eine Selbstverständlichkeit ist es, dass unsere Arbeit nur einen Teil der Tätigkeit der kommunistischen Gewerkschaftsfraktionen und der betreffenden kommunistischen Parteiorgane bildet. Ohne Debatten und Widerspruch solidarisierte sich die Konferenz mit dem zielklaren Referat der Genossin Isa Straßer und den entsprechenden Debatten und Richtlinien zur Gewerkschaftsarbeit.

Überzeugend kam auf unserer Internationalen Konferenz zum Ausdruck, welch weites und günstiges Tätigkeitsfeld zur Revolutionierung der größten schaffenden Frauenmassen die Genossenschaften darstellen. Auch hier muss die Revolutionierung der Frauen gleichbedeutend sein mit der Revolutionierung der Genossenschaften selbst, muss zu einem einheitlichen Prozess der Umwälzung und Erneuerung werden. Ebenso wie die Gewerkschaften, ja in noch höherem Masse als sie, sind die Genossenschaften reformistischen und nackt bürgerlichen Wesens geworden. Weiter und weiter haben sie sich von dem Ziele entfernt, das die Rochedaler Textilarbeiter in der Seele trugen, als sie die ersten Arbeitergenossenschaften gründeten als Kampfesorganisationen gegen den sich mächtig emporreckenden Kapitalismus. Nur wenn die Genossenschaften in rücksichtslosem Klassenkämpfe die Interessen der schaffenden Frauen als Verbraucherinnen, als Hausmütter gegen die nimmersatte Raffgier der Kapitalisten, ihrer Truste, Syndikate und anderer Plünderungsorganisationen verteidigen, können sie dauernde Anziehungspunkte für die Hausfrauen der werktätigen Massen werden, starke Stützpunkte ihrer Organisierung und kommunistischen Schulung. Aber diese Umwandlung, die klare, feste Herausbildung ihres Wesens, muss auch das Werk der Schaffenden selbst sein und ganz besonders der schaffenden Frauen. Durch ihr zahlreiches Einströmen in die Genossenschaften und ihre ‘zielbewusste revolutionäre Betätigung in ihnen müssen sie den Wandel herbeiführen helfen.

Dank dem Einfluss und unter hervorragender Betätigung ihrer weiblichen Mitglieder sollen die Genossenschaften bei wirtschaftlichen und politischen Kämpfen der Ausgebeuteten wider ihre Peiniger mehr leisten, als nur Kredit gewähren, großzügige Unterstützungsaktionen organisieren, gemeinsame Kinderhilfe, Speisungen der Kämpfenden und ihrer Familien usw. Alle Talente, Neigungen, Vorzüge der „guten Hausfrauen“ können sich dabei auswirken zu Nutz und Frommen einer großen Gemeinschaft und einer großen Sache, statt zum Vorteil einer Familie allein. So schlägt unsere kommunistische Arbeit in den Genossenschaften eine Brücke, über die Hunderttausende Frauen mit ihrem Empfinden, Denken, Handeln aus dem Heim auf das historische Blachfeld des revolutionären Klassenkampfes kommen. Inmitten des Schlachtgetümmels dort erhebt sie die Genossenschaft zu einer Hochschule für Praxis und Theorie der Solidarität, und zwar nicht bloß für die Proletarierinnen, sondern auch für weite Kreise von Beamtenfrauen, Kleinbürgerinnen jeder Art, vor allem aber der Bäuerinnen.

Unsere Genossenschaftsarbeit darf sich nicht damit bescheiden, werktätige Frauenmassen unter dem kommunistischen Banner in die proletarischen Klassenkämpfe zu führen. Sie muss Erziehung dieser Massen für den Kommunismus sein im Sinne jenes Wortes von Lenin, dass der Sozialismus die Anwendung des Prinzips der Genossenschaftlichkeit auf allen großen sozialen Gebieten ist. Die Konferenz hat den Blick und Willen der Kommunistischen Parteien aller Länder auf die Genossenschaften gelenkt, als ein vorzügliches Mittel zur Revolutionierung breitester Frauenmassen. Sie beleuchtete ihre Bedeutung als solches sowohl für die Periode der Machtkämpfe zwischen Proletariat und Bourgeoisie als für die Zeit der schöpferischen Aufbauarbeit in den Sowjetstaaten. Das nicht zum mindesten auch in den östlichen und südlichen Räterepubliken, wo die Eingliederung der Frauen in das soziale Sein und Wirken fest verwurzelte Wirtschafts- und Lebensformen, uralte Traditionen zu überwinden hat.

Der Arbeit unter den Bäuerinnen ist die Internationale Kommunistinnenkonferenz sehr viel schuldig geblieben. Es ist dies außerordentlich zu bedauern. Gewiss! Die tagenden Genossinnen und Genossen haben die Notwendigkeit und Bedeutung dieser Arbeit anerkannt. Sie wurde in dem Bericht über die Weltlage und die Aufgaben unserer Betätigung gewürdigt, ebenso in den Referaten über die Agitationsniethoden und Organisationsformen in den Sowjetrepubliken und über die Genossenschaften. In den Debatten nahmen mehrere Genossinnen aus dem „Rätebund“ Bezug auf sie. Allein es ist keine eingebende Erörterung der Mittel und Wege erfolgt, um durch unser systematisches Wirken die Bäuerinnen mit der Erkenntnis zu erfüllen, dass Proletariat und Kleinbauerntum einen gemeinsamen Feind haben, dessen Macht sie in gemeinsamen Kämpfen zerschmettern müssen. Was die Internationale Frauenkonferenz unterlassen hat, ist ein charakteristischer Ausdruck der Tatsache, dass die Kommunistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern sich noch nicht durchgerungen haben zur vollen klaren Wertung der Rolle des Kleinbauerntums während der revolutionären Machtkämpfe des Proletariats und nach der Aufrichtung seiner Diktatur. Trotz der eindringlichen Lehren der russischen Revolution und der .Agrarkrise, die sogar in den Vereinigten Staaten Millionen Farmer expropriiert, ohne eine höhere landwirtschaftliche Betriebsform zu schaffen.

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Dass unsere Dritte Internationale Konferenz die Frage der sozialen Erziehung behandelte, ist ein Gradmesser für das wachsende Verständnis der Genossinnen, dass die vollkommensten Methoden und Formen unserer Arbeit unter den Frauenmassen nur lebendige Kraft gewinnen, wenn sie von Menschen angewendet werden, deren ganzes Wesen selbst durch den Kommunismus revolutioniert worden ist. Für den Kommunismus ergreifen, ihn zum Lebensinhalt und Willensziel vieler machen, kann nur, wer selbst vom Kommunismus ergriffen ist, von ihm Lebensinhalt und Willensziel empfängt. Die Überwältigung des Kapitalismus, seine Ausrottung in allen sozialen Verhältnissen, die Verwirklichung des Kommunismus, einer neuen Welt der Zustände und Beziehungen diese gewaltigste, tief gehendste aller Revolutionen kann einzig und allein das Werk der Massen sein.

Kraft zu solchem Riesenvollbringen hat zur Voraussetzung, dass die Massen selbst in ihren Gefühlen und Gedanken durch und durch kommunistisch sind. Sie müssen beseelt sein von der Überzeugung, dass der Kommunismus zur seiner Durchführung fordert die höchste Entfaltung aller Talente und Kräfte jedes Einzelnen in hingebungsvoller, gemeinschaftlicher Arbeit für das gemeinschaftliche Wohl. Diese Überzeugung muss das Wollen, das Tun jedes Einzelnen beherrschen. Sie kann nicht über Nacht mit dem Parteimitgliedsbuch erworben werden, denn sie steht in unversöhnlichem Widerspruch zu dem kapitalistischen Milieu von heute, wie den durch die Jahrtausende vererbten eigensüchtigen Instinkten und Trieben, die mit der Herrschaft und Machtentfaltung des Privateigentums geil ins Kraut geschossen sind. Die soziale Erziehung muss die werktätigen Massen — Frauen wie Männer — für den Aufbau des Kommunismus vorbereiten und befähigen. Ihrem Ziel dient gemeinschaftliche Arbeit, Betätigung für die große Gemeinschaftssache des Proletariats. Die soziale Erziehung darf nicht bis nach der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat verschoben werden, wo dieses unmittelbar vor den verwickelten und folgenreichen Aufgaben der Durchführung des Kommunismus steht. Sie muss Hand in Hand mit den revolutionären Kämpfen für die proletarische Diktatur gehen und deren Wucht und sieghafte Unwiderstehlichkeit steigern. Denn diese Kämpfe selbst sind wertvollste soziale Erzieher, die durch die Einforderung jedes Willens- und Kraftatoms für solidarisches Handeln revolutionierte, kommunistische Menschen schaffen.

Die werktätigen Frauenmassen, die von der Geschichte zur Mitarbeit an dem kommunistischen Zerstörungs- und Aufbauwerk berufen sind, bedürfen in besonderem Masse der sozialen Erziehung. Ihre Stellung und Wertung in der Gesellschaft haben sie bisher überwiegend von den großen gesellschaftlichen Gemeinschaften abgetrennt. Ihr Gemeinschaftssinn, ihr Solidaritätsempfinden reicht meist nicht über die nächsten Familienangehörigen hinaus. Sie müssen zur Solidaritätserkenntnis mit der großen Gemeinschaft des kämpfenden und aufbauenden Proletariats erzogen werden, das als internationale revolutionäre Klasse mit ihrem Ziel die Befreiung und Emporentwicklung der Menschheit vertritt. Auf allen Gebieten, wo die Proletarier, die Ausgebeuteten und Unterdrückten, ihre Interessen im Ringen mit den Ausbeutenden und Herrschenden zur Geltung zu bringen suchen, werden die Frauen durch ihre Beteiligung an Arbeit und Kampf sozial erzogen. So wird das Leben selbst zu einer großen erziehlichen Kraft. Jedoch das Leben allein genügt nicht. Zur praktischen Betätigung muss sich für die Frauen die soziale Erziehung durch die Theorie gesellen. Ohne die klare, Ziel und Weg weisende Theorie kann die Praxis gemeinschaftlicher Arbeit in die Irre gehen, auf Abwege geraten, die ins bürgerliche Lager führen. Der Reformismus ist ein Beispiel dafür, das vor der Vernachlässigung der Theorie schreckt.

Theorie und Praxis müssen in steter lebendiger Wechselwirkung die breitesten Frauenmassen die Führenden wie die Geführten sozial erziehen, damit sie vollwertige Kräfte sind, heute und hier im Kampfe für die proletarische Diktatur, morgen und dort für die Umwälzung der Gesellschaft zum Kommunismus. Der Beifall, den Genossin Krupskaja für ihre Ausführungen zu diesem Gedankengang empfing, war mehr als Stimmungsausdruck, war Gelöbnis des Handelns.

Zwei geschichtlich besonders bedeutsame Umstände erinnerten die Tagenden daran, wie zwingend das Gebot der Stunde ist, alle Kraft an das höchste „Bereitsein“ für Machteroberung und Aufbauarbeit zu setzen. Der eine davon: der Ort der Tagung, das „rote Moskau“ und die Ausführungen der Genossinnen aus dem Sowjetbund, Ausführungen, die insgesamt im Zeichen siegreich durchgerungener Kämpfe und mutvoll, zielklar aufgenommener kommunistischer Aufbauarbeit standen. Der andere dieser Umstände: die rege Beteiligung von Genossinnen aus dem Orient an den Arbeiten der Konferenz. Während bei dieser leider Delegierte aus der Schweiz und aus Holland fehlten, hatten die kommunistischen Organisationen in der Türkei, in China, Japan, Persien und Korea eigene Vertreterinnen bzw. Vertreter entsendet.

Unbestritten! Auch auf internationalen Tagungen bürgerlicher Frauenrechtlerinnen waren Orientalinnen anwesend, die in den besitzenden und herrschenden Schichten ein Erwachen der Frauen meldeten, den Beginn einer Frauenrechtsbewegung. Sicherlich! Schon auf der Zweiten Internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz erschien eine zahlreiche Delegation von Frauen aus dem Osten, um feierlich zu erklären, dass ungezählte Schwestern des arbeitenden Volks ihr Menschenrecht und Menschentum begehren und im Kampfe für die Revolution erstreiten wollen. Allein die heurige Tagung hörte nicht bloß Erklärung und Gelöbnis, sie erhielt die Mitarbeit von Orientalinnen. Rege und mit Verständnis beteiligten sich Genossinnen aus dem nahen und fernen Osten an den Kommissionsarbeiten, den Debatten im Plenum. Ihre Reden fügten dem reichen und eindringliches Tatsachenmaterial des Berichts der Genossin Kasparowa weitere Beweise hinzu, dass die schaffenden Frauenmillionen des Orients in revolutionäre Bewegung geraten sind. Der in ihre Heimat einbrechende Imperialismus und ganz besonders die russische Revolution haben sie aus ihrem Schlafe emporgescheucht. Menschenrecht heischend rütteln sie an den Toren ihrer sozialen Kerker. Sie beteiligten sich an den nationalrevolutionären Bewegungen ihrer Heimat, an den sozialrevolutionären Kämpfen der Ausgesogenen und Versklavten gegen ihre Blutsauger und Herren. Ihr Emporbäumen ist ein Anzeichen mehr, dass die alte Welt der Herrschaft des toten Besitzes über den lebendigen Menschen unterminiert ist, und dass die unter ihrer Oberfläche um sich greifenden revolutionären Gluten nicht auf die Dauer zu bändigen sind.

Die Konferenz musste darauf verzichten, die für ihre Tagesordnung früher vorgesehene Frage zu behandeln: „Die Erwerbslosigkeit der Frau.“ Diese Frage ist so viel als möglich bei anderen Verhandlungsgegenständen berücksichtigt worden. Die Debatten über die Weltlage und unsere Aufgaben, die drei instruktiven Berichte des Internationalen Frauensekretariats und die Methoden und Formen unserer Agitations- und Organisationsarbeit konnten dafür um so ausgedehnter und gründlicher sein. Und das tat dringend not. Allzu lang war die Zeitspanne, in der keine allgemeine internationale Beratung der Genossinnen stattgefunden hatte, die in den einzelnen kommunistischen Parteien sich im Besonderen der Werbe- und Schulungsarbeit unter den ausgebeuteten und verknechteten Frauen widmen. Die Zweite Internationale Kommunistische Frauenkonferenz hatte im Sommer 1921 getagt, die letzte Konferenz der Internationalen Korrespondentinnen im Oktober 1922. Die Besprechungen von Genossinnen und Genossen über brennende Fragen unserer Arbeit unter den Frauenmassen anlässlich des Vierten Kommunistischen Weltkongresses waren sicher nicht ergebnislos und haben anregend, orientierend gewirkt. Allein sie konnten keineswegs eine besondere internationale Konferenz ersetzen, zu der die Sektionen die tätigsten und erfahrensten Vertreterinnen und Führerinnen des Wirkens zur Mobilisierung der Frauen entsenden.

Was in der Folge in den einzelnen Ländern versäumt wurde oder nur schleppend vorwärts ging, konnte durch die Tätigkeit des internationalen Frauensekretariats allein nicht wettgemacht werden. Ihm fehlte die nötige systematische, regelmäßige Mitarbeit der einzelnen Parteileitungen; Illegalität, Justiz- und Faschistenterror in Italien, Bulgarien, Deutschland, Rumänien und anderen Ländern lähmten die kommunistische Frauenbewegung und zerrissen oder erschwerten wenigstens die internationalen Verbindungen und planvolles internationales Handeln. Obgleich Genossinnen in einzelnen nationalen Sektionen aufopfernd bemüht waren, die Tätigkeit des Internationalen Frauensekretariats zu unterstützen, hatte dieses doch nicht die gewünschte politische Auswirkung. Ein weitschichtiger Beratungsstoff war in der Folge angehäuft, und auch manche Missverständnisse hatten sich festgesetzt.

So mussten sich z. B. die deutschen Genossinnen wiederholt gegen die irrtümliche Meinung wenden, als sei in Deutschland seitens der Kommunistischen Partei überhaupt nichts für die Erweckung der werktätigen Frauen und ihre Einbeziehung in die proletarischen Kämpfe geleistet worden, als habe die Tätigkeit der Genossinnen sich darin erschöpft, Hausfrauen mit kleinbürgerlichen Neigungen für die Partei zu gewinnen, und sei selbst dadurch opportunistisch angesteckt worden; als habe es an jeden Bemühungen gefehlt, die Arbeiterinnen in den Betrieben für die Revolution zu erziehen. Die Delegierten aus dem Bund der Sozialistischen Sowjetrepubliken legten bei Beurteilung der Verhältnisse in den kapitalistischen Ländern häufig die Maßstäbe ihrer Heimat an und waren ohne genaue Kenntnis und ohne volles geschichtliches Verständnis für die Bedingungen, unter denen die Genossinnen, die kommunistischen Parteien dort wirken und kämpfen müssen. Die Genossinnen aus den kapitalistischen Staaten waren zwar voller Anerkennung, ja Bewunderung für die Leistungen ihrer sowjetischen Schwestern, jedoch klang im Unterton ihrer Ausführungen gelegentlich eine nicht genügend starke Einschätzung der subjektiven Triebkraft der revolutionären Entwicklung an, des zielklaren, unerschütterlichen Wollens und Handelns der Menschen. Das mächtige Wirken dieses Faktors ist gerade das charakteristische Merkmal der proletarischen Revolution auf dem Boden des alten Russland und gibt auch der Betätigung unserer Genossinnen daselbst den höchsten Schwung und die stürmende, unbezwingliche, ausdauernde, beispielgebende Kraft.

Die Konferenzdebatten haben unzweifelhaft in beiden Richtungen zu einem besseren gegenseitigen Verstehen beigetragen. Sie werden auch von Einfluss darauf sein, dass sich ein gewisses hohes Durchschnittsniveau in der geschichtlichen Erkenntnis und Reife der Genossinnen herausbildet. Sie zeigten heuer noch eine auffallende Unausgeglichenheit in der theoretischen Auffassung der Genossinnen und damit auch in ihrer Einstellung zu Problemen der Praxis. Neben reifer theoretischer Schulung und vielseitiger praktischer Erfahrung kam nicht selten die größte politische und soziale Naivität zu Wort. So mahnte die Konferenz in mehr als einer Beziehung daran, wie viel noch zu tun ist, um einen zahlreichen Stamm von Genossinnen heranzubilden, die theoretisch und praktisch auf hoher Stufe der Entwicklung und des Leistungsvermögens stehend, größten werktätigen Frauenmassen aus der kapitalistischen Knechtschaft in das gelobte Land der kommunistischen Freiheit vorausgehen können, Voranschreitende im Kampf und bei der Aufbauarbeit, die diese Frauenmassen lehren, in solidarischer Selbstbetätigung zusammen mit den kommunistischen Parteien unter Leitung der Kommunistischen Internationale ihre eigenen Führerinnen zu werden. Denn so wichtig, so unabweisbar es ist, dass die mit denn revolutionären Proletariat kämpfenden Frauenmassen an Umfang, an Zahl erheblich zunehmen, so wichtig und unabweisbar notwendig ist es, dass die geschichtliche Einsicht, der opferbereite, entschlossene Wille und die hingebungsvolle Aktivität dieser Massen wachsen. Mit der Quantität zusammen wird die Qualität der kämpfenden und aufbauenden Frauenmillionen für den Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie und die Verwirklichung des Kommunismus entscheidend sein.

Die Kommunistische Internationale kann überzeugt sein, dass die Dritte Internationale Konferenz der Kommunistinnen von bestem tragendem Einfluss darauf sein wird, dass die Zahl und die revolutionäre Kraft der schaffenden Frauen wächst, die unter ihrer Führung in der ganzen Welt mit dem Proletariat zusammen kämpfen. Die Beschlüsse der Tagung verpflichten die kommunistischen Parteien aller Länder gleich der führenden Bruderpartei in den Sowjetrepubliken, die planmäßige Arbeit unter den werktätigen Frauen als wesentlichen Teil der gesamten Parteitätigkeit, als Vorbedingung für den Sieg der Revolution dem Parteiganzen organisatorisch eng einzugliedern und die für diese Arbeit nötigen Organe zu schaffen. Sie stellen scharf umrissen die nächsten wichtigsten Aufgaben fest, die erfüllt werden müssen, damit die breitesten Frauenmassen danach drängen, bei allen revolutionären Kämpfen des Proletariats in den vordersten Reihen zu stehen. Sie schärfen die Pflicht ein, mit größter Energie und Konsequenz je Arbeiterinnen, die berufstätigen Frauen und Mädchen aufzuklären, zu organisieren und zu Mitträgerinnen der Kämpfe ihrer Klasse zu machen. Sie verstärken damit die Gründe, die dafür sprechen, dass der Betrieb die unzerstörbare Basis der Parteiorganisation sein muss. Sie zeigen die erfolgversprechendsten Methoden und Formen der Agitations- und Organisationsarbeit unter den schaffenden Frauen und geben Anregungen und Fingerzeige, bei sorgfältiger Prüfung der konkreten Verhältnisse neue Wege zu beschreiten, um die kommunistischen Parteien mit den zu aktivierenden Frauenmassen zu verbinden. Sie unterstreichen, dass der Kampf gegen den Reformismus und Opportunismus ein wichtiger Teil des Kampfes gegen den Kapitalismus ist. Sie betonen angesichts der Weltlage die Notwendigkeit steter Kampfbereitschaft und zähen Durchhaltens. Sie rufen die Genossinnen auf, sich durch unablässiges Lernen in Theorie und Praxis zu rüsten für die höchste Pflichterfüllung im Kampf für die Eroberung der Staatsgewalt wie für die kommunistische Aufbauarbeit nach der Aufrichtung der proletarischen Diktatur. Sie sehen Mittel und Maßnahmen vor, um die kommunistische Arbeit unter den Frauenmassen international und durch Internationalität auf dem Boden jedes einzelnen Landes zu fördern und die erstrebte Aktivisierung der Frauenmassen als internationale revolutionäre Kraft zur Geltung zu bringen.

Zugegeben, dass die sinnvollsten Beschlüsse keinen Pfifferling wert sind, wenn sie nur eine papierne Existenz führen. Dass dies nicht das Los der Beschlüsse unserer jüngsten Internationalen Konferenz werde, dafür bürgt der Charakter und Verlauf der Tagung, bürgt der ernste, feste Wille der Genossinnen, die beraten und beschlossen haben und das volle Bewusstsein ihrer Verantwortlichkeit vor der Kommunistischen Internationale. Wille und Bewusstsein wird als international vorwärts treibende Kraft zusammengeballt werden durch die Tätigkeit des Internationalen Frauensekretariats der Kommunistischen Internationale. Die beschlossene Verlegung seines Sitzes von Berlin nach Moskau besagt wahrlich mehr als einen Ortswechsel, der die technischen und organisatorischen Möglichkeiten der internationalen Verbindung für die kommunistische Arbeit unter den schaffenden Frauen befestigt und verbessert. Die Neuerung begreift in sich engere, festere innere Verknüpfung der Tätigkeit des Frauensekretariats mit der Exekutive der Kommunistischen Internationale und damit auch der Leitung aller kommunistischen Parteien. Sie muss in der Folge dieser Tätigkeit stärkeren Pulsschlag, kraftvollere Auswirkung in den Parteien geben. Wie Autorität der Exekutive, der gesamten Kommunistischen Internationale wird künftig hinter dem Wirken des Internationalen Frauensekretariats wie hinter allen energischen Anstrengungen zur Mobilisierung der proletarischen und proletarisierten Frauen stehen. Nicht etwa nur aus dem formalen Grunde, dass Beschlüsse des Weltkongresses dies fordern. Nein, vor allem kraft der zwingenden Gewalt geschichtlicher Notwendigkeit. Das Proletariat kann nicht ohne Willen und Tat, geschweige denn gegen Willen und Tat der großen Hälfte seiner Klassenangehörigen den Kapitalismus zerschmettern und den Kommunismus verwirklichen. Diese Erkenntnis verpflichtet.

Clara Zetkin

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