Clara Zetkin 19210800 Die Zweite Internationale Konferenz der Kommunistinnen zu Moskau

Clara Zetkin: Die Zweite Internationale Konferenz der Kommunistinnen zu Moskau

[„Die Kommunistische Fraueninternationale“, 1. Jahrgang, Heft 5/6, August/September 1921, S. 181-198]

Der Rahmen der zweiten internationalen kommunistischen Frauenkonferenz: Moskau. Ein unvergleichlicher Rahmen von eigenartigem Reiz und höchster geschichtlicher Bedeutung. Hier haben seit Jahrhunderten der Osten und Westen, haben Asien und Europa miteinander um Macht und Kulturherrschaft gerungen, haben im Gegeneinander, Nebeneinander und Durcheinander, haben in Kampf und Vermischung der Gestaltung und dem Leben der Stadt das Gepräge gegeben. Der äußere Rahmen aber, mit seiner weiten Spannung, der schillernden Buntheit seiner Farben und dem Gewirr seiner eigenwilligen Linien geht unmittelbar über in den gewaltigen geschichtlichen Hintergrund unserer zweiten Tagung.

Moskau hat aufgehört, der Ausdruck, das Sinnbild eines panslawistischen, zaristischen Moskowitertums zu sein, das sich starr und brutal der „Kultur des faulenden Westens“ entgegenstemmen wollte. Moskau ist heute der Ausdruck, das Sinnbild, die erste Siegesetappe der proletarischen Weltrevolution, die die Bahn offen legt für die höchste Menschheitsentwicklung, indem sie den schöpferischen Kräften jeder Nationalität und Rasse freien Spielraum schafft und dabei jede nationale Kultur nach ihrer geschichtlich gegebenen Besonderheit wertet. Moskau, das „rote Moskau“, das heiß klopfende Herz und das kühn denkende Hirn der ersten Räterepublik der Welt! Ist es nicht die eindringliche Mahnung an alle Ausgebeuteten, handelnd die Erkenntnis zu beweisen, dass sie durch die Weltrevolution ihre Ketten sprengen müssen? Hier sind Straßen und Plätze, Einrichtungen und Menschen Zeuge davon, dass die proletarische Revolution mit dem Hammer philosophiert hat und noch philosophiert.

Hier künden zerschlagene Tafeln der Knechtschaft und Bausteine eines neuen, höheren sozialen Lebens, dass das Proletariat die Staatsmacht in seine Faust genommen hat. Hier reden bewusst getragene Leiden und Opfer, aber auch die willensgestrafften Reihen der roten Arbeiter- und Arbeiterinnenkompanien von der unerschütterlichen Entschlossenheit des Proletariats, seine Macht allen feindlichen Gewalten zum Trotz zu behaupten. Hier erinnern die heroisch ertragenen Entbehrungen der werktätigen Massen, erinnern die geradezu ungeheuren Schwierigkeiten des wirtschaftlichen und sozialen Aufbaues an ein Anderes. Wie langsam die Weltrevolution seit den stolzen Oktobertagen 1917 vorwärts geschritten ist — nicht objektiv, geschichtlich, jedoch gemessen an den Bedürfnissen der Schaffenden, und das nicht bloß in Russland —‚ und wie viel die Proletarier der noch kapitalistischen Länder sich selbst und damit auch ihren voran gestimmten russischen Brüdern und Schwestern schuldig geblieben sind.

Rings um Sowjetrussland kapitalistische Staaten, wo die Besitzenden mit allen Mitteln des Betrugs und der Gewalt versuchen, ihre in den Fugen krachende Ausbeutungswirtschaft auf Kosten gesteigerter Ausplünderung und Versklavung der werktätigen Massen wieder zu befestigen. Jedoch auch dort beginnen die Enterbten sich zu zählen und zum Kampf wider die Nutznießer ihres Mühens und ihres Elends zu stellen. Die Welt der kapitalistischen Herrschaft und Kultur ist erfüllt vom Verwesungsgeruch der Verfallszeit, und über ihr hängen dräuend die Wetterwolken der proletarischen Revolution. Überall, wo der Kapitalismus die Leiber und Seelen der Menschen knechtet, um aus ihrem Leben und Weben Profit zu münzen, ein Vorwärtsdrängen, ein Aufbäumen revolutionärer Kräfte. Immer zielklarer und wegsicherer und damit immer dichter, entschlossener, zuversichtlicher werden die Kämpferscharen, die sich um die Dritte Internationale sammeln. Um die junge, sich dehnende und reckende kampfdürstende Weltmacht des Proletariats zur Weltrevolution. Der Sitz der Dritten Internationale ist Moskau, muss Moskau sein.

Es ist das Beste, was zum Lobe der Zweiten Internationalen Konferenz der Kommunistinnen gesagt werden kann, dass sie des bedeutsamen Rahmens und des großen geschichtlichen Hintergrunds würdig gewesen ist. Sowohl was ihre Beschickung anbetrifft, wie auch ihren Verlauf, ihren Charakter, den Wert ihrer Leistung. In alledem war die Tagung ein erheblicher Fortschritt über die vorjährige Konferenz hinaus. Diese war mehr ein erster, tastender, rasch improvisierter Versuch gewesen, die Kommunistinnen der einzelnen Länder international zu einheitlicher Arbeit, zu einheitlichem Kampf zusammenzufassen. Sie war ursprünglich nicht vorgesehen und nicht vorbereitet worden und hatte aus 16 Ländern 21 Delegierte vereinigt, die Mandate zum allgemeinen Kongress der Dritten Internationale erhalten hatten und nun die gute Gelegenheit benützen wollten, das kommunistische Wirken unter den Frauen international zu fördern und möglichst planmäßig zu gestalten.

Auf der heurigen Konferenz dagegen waren 28 Länder durch 82 Delegierte vertreten — darunter einige Genossen — von denen 61 als Beauftragte kommunistischer Organisationen beratende und beschließende Stimme hatten, 21 als geladene oder delegierte Gäste nur beratende Stimme. Die Eröffnungssitzung der Konferenz fand statt unter Anwesenheit vieler Tausende Moskauer Arbeiterinnen und Abeitern und zahlreicher ausländischer Delegierten zu den verschiedenen anderen internationalen Tagungen. Und wahrhaftig: wer an dieser Massenversammlung teilgenommen hat, der empfand es heiß, beglückend, dass nicht nur die Augen und Ohren der dicht gedrängten Massen bei der Veranstaltung waren, nein, ihre ganze Seele, ihr Innerstes, heilig glühendes Leben. Diese Massen suchten nicht Schaugepränge, sondern gemeinsames Fühlen, Denken, Wollen, Handeln. Vom ersten bis zum letzten Tage hatten die Arbeitssitzungen der Konferenz eine zahlreiche und sehr aufmerksame, ja leidenschaftlich beteiligte Zuhörerschaft, die überwiegend von russischen Genossinnen gestellt wurde.

Vergleicht man die zweite Moskauer Konferenz der Kommunistinnen mit den beiden internationalen Tagungen der sozialistischen Frauen unter der Zweiten Internationale,1 so ist ebenfalls ein rüstiges Vorwärts zu vermerken. Nicht nur in der Zahl der vertretenen Länder und Teilnehmerinnen. Nein, vor allem auch in dem inneren Verhältnis, dem festen Verbundensein mit der Internationale selbst, in deren Zeichen damals und heuer getagt wurde. In der Tat! Die beiden internationalen sozialistischen Frauenkonferenzen der Vorkriegszeit hatten zwar für ihre organisatorische Vorbereitung die helfende Hand der sozialdemokratischen Partei des Tagungslandes, allein sie fanden statt ohne die Mitwirkung, die Unterstützung der Zweiten Internationale. Diese stand ihnen gegenüber auf dem Standpunkt des Iaisser faire, laisser passer, des Geschehenlassens, der Duldung. Mit mehr Wohlwollen oder mit unverhehlter süßsaurer Miene seitens der einzelnen Mitglieder des internationalen Büros bzw. der Führer der verschiedenen sozialdemokratischen Landesparteien. So ging den internationalen sozialistischen Frauenkonferenzen ein stiller zäher Kleinkrieg voraus. Die Außerordentliche Sozialistische Frauenkonferenz zu Bern 1915 gar wurde von den einflussreichsten Führern und den größten Parteien der Zweiten Internationale mit Acht und Bann belegt. Von ihrem Standpunkt aus mit Fug und Recht. War doch die Tagung die erste zielbewusste, organisierte internationale Rebellion gegen den Verrat des Sozialismus an den kapitalistischen Imperialismus durch die Scheidemann, Renaudel, Vandervelde & Co.

Wie anders lagen die Dinge für die internationale Konferenz der Kommunistinnen! Sie wurde einberufen, vorbereitet, organisiert im engsten Einvernehmen mit der Exekutive der Dritten Internationale. Sie hatte deren uneingeschränkte Unterstützung und wurde von ihr eingeschätzt als ein wertvoller, notwendiger, unentbehrlicher Teil des Wirkens der Internationale selbst. Es tragen verschiedene Umstände dazu bei, dass die Dritte Internationale zur Frauenbewegung und damit auch zu den internationalen Frauenkonferenzen so anders, so richtiger eingestellt ist als die Internationale, die aus Zweifel an der Revolution und aus Furcht vor ihr die Proletarier in den imperialistischen Raubkrieg taumeln ließ, ja kommandierte. Allein letzten Endes ist der Hauptgrund dafür unstreitig der große geschichtliche Unterschied, der die Zweite und Dritte Internationale ihrem Wesen nach voneinander trennt. Die Dritte Internationale ist die bewusste Tochter des Zeitalters der proletarischen Weltrevolution, ist nicht bloß Erkenntnis und Bekenntnis, vielmehr auch Wille und Tat. Sie zieht die praktischen Nutzanwendungen aus den Erfahrungen des revolutionären Ringens in Russland für die Eroberung und Behauptung der Macht durch das Proletariat, für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neuaufbau. Ohne die bewusste freudige Beteiligung der Frauen kein entscheidender Kampf, kein Sieg, keine schöpferische Arbeit, das lehrt die Erfahrung der Revolution. Das fruchtbare Weiterwirken dieser Lehre beherrschte auch die Konferenz selbst, prägte den Charakter ihrer Beratungen und Beschlüsse.

Soll mit dem allem vielleicht gesagt sein, dass die Zweite Internationale Kommunistische Frauenkonferenz zu Moskau eine Sonne ohne Flecken gewesen sei, eine mustergültige Veranstaltung? Durchaus nicht. Solche Darstellung würde im schärfsten Gegensatz stehen zu der geradezu brutalen Offenheit, mit der die russischen Vorkämpfer der Dritten Internationale die Schwächen und Mängel in den eigenen Reihen und bei der eigenen Betätigung aussprechen. Das Aussprechen dessen, was ist, steht am Anfang des Besserwerdens. So darf nicht verschwiegen werden, dass Vorbereitung und Organisierung der Konferenz noch viel zu wünschen übrig ließen. Wiederholt machte es sich während der Tagung fühlbar, dass die Vorbereitungszeit dafür zu kurz gewesen war. Die Genossinnen der meisten Länder hatten sich nicht eingehend mit den zu erörternden Fragen beschäftigt, hatten keine Fühlung untereinander nehmen und dadurch wertvolle Vorarbeit leisten können. Die Gründe dafür habe ich bereits in Heft 2 und 3 dieser Zeitschrift dargelegt. Hier sei nur nochmals unterstrichen, wie außerordentlich feindlich der Entwicklung und Festigung unserer internationalen Beziehungen die Absperrung Sowjetrusslands durch die kapitalistischen Staaten ist, die die revolutionäre Sintflut des „Bolschewismus“ zurückzudämmen wähnen. Zufolge dieser Absperrung und des davon beeinflussten mangelhaften Funktionierens unseres technischen Verkehrsapparates war z. B. rechtzeitig für die Konferenz abgeschicktes Material bis Ende Juli noch nicht in Moskau eingetroffen! Zieht man die vorliegenden Schwierigkeiten in Betracht, so muss man freudig anerkennen, was vom Frauensekretariat zu Moskau und den russischen Genossinnen an vorbereitender, organisierter Arbeit geleistet worden war und noch in den letzten Tagen vor den Beratungen, ja zwischen den öffentlichen Sitzungen der Konferenz geleistet wurde. Die russischen Genossinnen haben mit nie versagender, aufopfernder Energie mit den ausländischen Delegierten zusammengewirkt, damit möglichst nachgeholt werden konnte, was unfreiwillig unterblieben war. So für die Ausarbeitung der Thesen, Resolutionen usw.

Es ist schon weiter oben des überwältigenden Eindrucks der Eröffnungssitzung gedacht worden. Sie fand am 9. Juni in einem großen Moskauer Theater statt, das in stimmungsvollem Schmucke prangte. Sie war eine prächtige Einleitung der nachfolgenden arbeitsreichen Beratungswoche. Die weit fassende, tief empfundene internationale Solidarität, ganz besonders mit Sowjetrusslands heldenhaftem Proletariat, die feste Eingliederung in die Dritte Internationale, der leidenschaftliche Wille zu höchster, opferwilliger, mutiger Kraftentfaltung im Dienste der proletarischen Befreiung, des Kommunismus: das waren die Leitmotive aller Begrüßungsreden. Die Konferenz wurde von Genossin Kollontai im Auftrage des Internationalen Frauensekretariats zu Moskau und der Landes-Frauenkommission der Kommunistischen Partei Russlands begrüßt, von Genossin Zetkin im Namen der Kommunistinnen in den nichtrussischen Ländern; ihr Gruß feierte zugleich die bewunderungswürdigen, beispielgebenden Leistungen der russischen Genossinnen, Arbeiterinnen und Bäuerinnen bei dem revolutionären Kampf wie bei dem revolutionären Aufbau. Die Exekutive der Dritten Internationale ließ durch die Genossen Bucharin und Thalheimer den Tagenden die ernsteste Anteilnahme an ihren Beratungen versichern. Das war keine Höflichkeitsformel, Vertreter der Exekutive haben an allen Sitzungen der Konferenz teilgenommen. Diese wurde noch begrüßt von Genossen Kalinin, dem Vorsitzenden des Allrussischen Zentralkomitees, von Genossen Losowski, dem Vorsitzenden der Vereinigten russischen Gewerkschaftsverbände, von den Vertretern und Vertreterinnen der Roten Armee, der jungen Sowjetrepublik Georgien, der Kommunistinnen Frankreichs, der Vereinigten Staaten und der Ukraine. Besonders eindrucksvoll waren die Ausführungen, die Genossin Potschuwarowa, eine Proletarierin, im Namen der Moskauer Arbeiterinnen an die ausländischen Delegierten richtete. Frisch, ungekünstelt, warm, von stärkster revolutionärer proletarischer Gesinnung getragen, ließen sie durch den überfüllten Raum den lebendigen Odem der Klasse wehen, die in schwerer, entscheidender Stunde den Mut hatte, die Faust erobernd nach der Staatsgewalt auszustrecken. Reden der Genossin Mussabekowa aus Armenien des Genossen Nam-Mantsschun brachten die bedeutsame Tatsache zum Ausdruck, dass die schaffenden Frauen des Ostens zu erwachen beginnen und sich der Kampffront des internationalen Proletariats einreihen. Genosse Nam-Mantsschun, Delegierter der Kommunistischen Partei Chinas und Koreas erklärte, dass die Frauen beider Länder „wegen der japanischen Barrikade“ keine Vertreterin zur Konferenz entsenden konnten, jedoch jenseits dieser Barrikade kämpften sie tapfer. Hunderte seien gefallen oder ermordet worden, Hunderte füllten die Gefängnisse.

Die Beratungen der Konferenz begannen am 11. Juni, der 10. war Vorbesprechungen, der Formulierung von Vorlagen usw. gewidmet. So hatte die Konferenz bei Beginn ihrer Arbeit so gut wie keine überflüssigen Form und Nebenfragen zu regeln: Mit ihrer Zustimmung wurden die Beratungen von den Genossinnen Kollontai, Lilina und Zetkin geleitet. Ihnen stand ein Ehrenpräsidium zur Seite, das mit ihnen gemeinsam vorbereitet und entschied und aus gewählten Genossinnen der wichtigsten vertretenen Länder zusammengesetzt war. Die vorgeschlagene Tagesordnung und Geschäftsordnung wurde ohne erhebliche Debatte angenommen, wie die Konferenz sich überhaupt dadurch ausgezeichnet hat, dass außerordentlich wenig Zeit mit Geschäftsordnungsfragen und Ähnlichem verloren ging. Es kam nicht oft vor, dass Rednerinnen die festgesetzte Redezeit überschritten, die weitaus meisten sprachen sachlich, wenn es sich auch manchmal ereignete, dass mit Ausführungen etwas von dem einen auf das andere Verhandlungsgebiet übergegriffen wurde. Auffallend war die gute Schulung der russischen Rednerinnen. Ich denke bei dieser Feststellung selbstredend nicht an international bekannte und hervorragende Führerinnen, wie die Genossinnen Kollontai und Lilina (Zina), sondern an die Genossinnen aus Reih und Glied.

Fast alle Arbeiterinnen, frühere Bäuerinnen, die noch bis kurz vor der Revolution des Lesens und Schreibens nicht kundig gewesen, zeichneten sie sich durch die Gewandtheit, wie durch den Inhalt ihrer Ausführungen aus. Von praktischen Erfahrungen, vom Leben der schaffenden und emporstrebenden Frauen ausgehend, von klassenbewusstem, klarem Empfinden und Denken durchtränkt, waren sie überwiegend auf praktische Nutzanwendung, aufs Handeln gerichtet, Antworten auf die Fragen: Was tun, und wie tun? Reden, wie die der Genossin Nikolajewa, der Vertreterin der Petersburger Arbeiterinnen, Potschuwarowa, Smidowitsch und anderer rückten in helles Licht, welch reicher Schatz von Fähigkeiten und Talenten in den werktätigen Massen ruht, und welch gewaltiges Stück Erziehungsarbeit, Kulturarbeit seine Hebung bedeutet. Sie zeigten aber auch, wie viel die Frauen des russischen arbeitenden Volks für ihre Erweckung und Hebung der revolutionären Bewegung und nicht zuletzt der bolschewistischen Partei verdanken. Genossin Krupskaja, Lenins Lebens- und Kampfesgefährtin, schrieb noch unter dem Zarismus die erste Broschüre für die russischen Arbeiterinnen, und die Bolschewiki haben von Anfang an der Agitation unter den proletarischen Frauenmassen ernste Aufmerksamkeit und kräftige Förderung angedeihen lassen. Doch das alles ist ein Stück Betätigungs- und Entwicklungsprozess, das unter veränderten Umständen überall dort hervortritt, wo Proletarierinnen, Frauen von der Arbeiterbewegung, von dem Willen erfasst werden, freies Menschentum zu erringen. Was der Entwicklung, der Einstellung der russischen proletarischen Delegierten zu den Tagesordnungspunkten, den Dingen und Meinungen die besondere Art gab, war der fühlbare, greifbare Einfluss darauf, dass die Revolution die Frauen befreit, dass sie neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Lebens und Wirkungsmöglichkeit für sie geschaffen hat. Mit der Diktatur des Proletariats, der Räteordnung werden für die Frauen nicht nur neue Aufgaben und veränderte Bedingungen und neue Prägungen alter Aufgaben geschaffen, sondern mit dem allem empfangen die Frauen selbst starke Anstöße persönlicher Entfaltung. Zu Fleisch und Blut verkörpert stand das vor der Konferenz in Gestalt russischer Delegierter aus dem Proletariat und der Bauernschaft. Trotz der kurzen Frist, die seit der Oktoberrevolution 1917 verstrichen ist und der ungeheuer schwierigen besonderen Verhältnisse, die sich in Sowjetrussland dem vollen und raschen Auswirken der Umwälzung entgegenstellen.

Die Konferenz behandelte zuerst die Frage: Herstellung und Befestigung der internationalen Verbindung zwischen den Kommunistinnen und Ausgestaltung des Internationalen Frauensekretariats zu Moskau. Das anregende, reichhaltige Referat darüber erstattete zusammen mit dem Tätigkeitsbericht des Sekretariats Genossin Kollontai. Das Sekretariat konnte seine Arbeit erst am 8. November 1920 aufnehmen. Es ist keine Sondereinrichtung, sondern ein Organ der Exekutive für die besonderen internationalen Aufgaben der kommunistischen Betätigung zur Revolutionierung der schaffenden Frauen. Zwei der Genossinnen, die dem Sekretariat angehörten, waren außerhalb Russlands tätig, um die Verbindung mit den Kommunistinnen dort herzustellen und zu unterhalten. Internationale Sekretärinnen waren außer Genossin Kollontai die Genossinnen Dora Montefiore, Henriette Roland-Holst und Clara Zetkin. Genossin Kollontai schilderte die sehr großen Hindernisse, die sich der Anbahnung und dem Ausbau der internationalen Verbindungen zwischen den Kommunistinnen in den Weg stellen. Was sie gab, war Bestätigung und Illustration der diesbezüglichen Darlegungen in dem Doppelheft 2 und 3 der „Kommunistischen Fraueninternationale“. Sie stellte fest, dass die internationale Verbindung insbesondere erschwert werde durch das Nichtvorhandensein von Frauenausschüssen, bzw. Frauensekretariaten der Kommunistischen Partei mancher Länder. Die technischen Schwierigkeiten der Verbindung bewirkten, dass erst in letzter Stunde beim Sekretariat Berichte eingelaufen sind aus Deutschland, Schweden, England, Amerika, der Schweiz, Frankreich, Bulgarien. Von Russland abgesehen, ist die Kommunistische Frauenbewegung gut organisiert und vorangeschritten in Deutschland und Bulgarien. In den anderen Ländern steht sie noch am Anfang der Entwicklung. Ein drakonisches Ausnahmegesetz gegen die Kommunisten erschwert in den Vereinigten Staaten und in Finnland aufs äußerste, die Frauen zu erfassen und zwingt zu illegaler Arbeit. Trotzdem geht es dort vorwärts, namentlich in Finnland bewähren sich die werktätigen Frauen als unentmutigte, aufopfernde revolutionäre Kämpferinnen.

Das internationale Frauensekretariat versuchte den internationalen Frauentag der Kommunistinnen einheitlich zu organisieren, unter den äußeren Schwierigkeiten jedoch nur mit halbem Erfolg. Es richtete ein Informations- und Organisationsbüro ein, gründete eine Presse-Rundschau und gab einen Enquetebogen über die kommunistische Frauenbewegung in 23 Sprachen heraus, erhielt aber nur aus 10 Ländern Antwort. Es organisierte einen Zyklus von Vorträgen und Unterweisungen für ausländische Genossinnen, die nach Russland kamen, um dort die Verhältnisse kennen zu lernen. Es veröffentlichte zahlreiche Artikel im Bulletin der Exekutive, in der „Kommunistin~, dem Frauen Organ der KP Russlands, und verschickte nach dem Ausland Leitsätze zum Frauentag, wie über die Prostitution und die künstliche Schwangerschaftsunterbrechung, laufende Mitteilungen über die Beteiligung der Frauen an den Verteidigungskämpfen und Aufbauarbeiten Sowjetrusslands, Frauenagitationsbroschüren etc. in russischer Sprache, Radios etc. Genossin Kollontai musste feststellen, dass die meisten Sendungen gar nicht oder erheblich verspätet eingetroffen sind, und dass Antworten, Nachrichten, Material etc. aus dem Ausland ganz unregelmäßig und spärlich eingingen. Um den dringend nötigen Wandel herbeizuführen, begründete sie die Annahme der weiterhin abgedruckten Resolution zur Frage.

Die Debatten bewiesen das klar empfundene Bedürfnis der Genossinnen aller Länder, feste und regelmäßige Beziehungen untereinander und mit dem internationalen Sekretariat zu Moskau zu schaffen. Delegierte aus Deutschland, der Schweiz, Russland, der Ukraine, Frankreich, Holland, Schweden, Armenien, der Tschechoslowakei und Ungarn nahmen das Wort. Besonders eindringlich befürwortete Genossin Braunthal-Deutschland die Schaffung besserer Verbindung im Hinblick darauf, dass das internationale Sekretariat nicht bloß informierend und vermittelnd tätig bleiben dürfe, sondern politisch führend werden, die Initiative ergreifen müsse. Sie kritisierte, dass es die Frauen nicht international zur Unterstützung von Sowjetrusslands Kampf mit der Gegenrevolution in Kronstadt, wie des Streiks der englischen Bergarbeiter und der Märzaktion in Deutschland aufgerufen habe. Genossin Nikolajewa-Russland bedauerte lebhaft, dass die russischen Kommunistinnen ganz ungenügend darüber unterrichtet seien, unter welchen Bedingungen die Proletarierinnen und Bäuerinnen außerhalb Sowjetrusslands arbeiten, leiden und kämpfen. Sie bemängelte es scharf, dass das Frauensekretariat Leitsätze über die Prostitution und die Fruchtabtreibung herausgegeben habe und nicht über politische Fragen, wie die Diktatur des Proletariats. Genossin Bloch-Schweiz wies auf die „Kommunistische Fraueninternationale“ als auf ein geistiges Bindeglied zwischen den aktiven Genossinnen der einzelnen Länder hin. Sie forderte, dass der internationale Verbindungsapparat der kommunistischen Parteien auch für die Zwecke der internationalen Beziehungen der Genossinnen zur Verfügung stehen müsse. Die Mitschuld der kommunistischen Parteien mancher Länder an dem unbefriedigenden Stand der Dinge geißelten viele Rednerinnen. So besonders Genossin Colliard-Frankreich. Die Entsendung von erfahrenen Agitatorinnen und Organisatorinnen durch das internationale Sekretariat in Länder mit noch schwacher kommunistischer Frauenbewegung empfahl Genossin Roland-Holst-Holland, Delegierte anderer Länder vertraten die gleiche Forderung. Genossin Mussabekowa-Armenien hielt es für notwendig, dass ein eigenes Zweigsekretariat für den Osten errichtet würde.

Betreffs der Einsetzung und der Aufgaben internationaler Korrespondentinnen waren alle sich äußernden Genossinnen einer Meinung. Hingegen gingen die Ansichten auseinander, was die Schaffung eines Hilfsorgans des Sekretariats in Westeuropa anbelangt. Sie wurde von den dortigen Genossinnen begrüßt, von den russischen Rednerinnen dagegen — von Genossin Kollontai abgesehen — abgelehnt oder mit großem Bedenken betrachtet, wie von Genossin Lilina, die erklärte, gleichzeitig dafür und dagegen zu sein. Ursache dieser Stellungnahme war die nahe liegende Befürchtung, es könne sich aus dem Hilfsorgan eine selbständige Einrichtung entwickeln und dem Wirken, der Bedeutung des Moskauer Sekretariats Eintrag tun. Die eingehenden Ausführungen, die Genossin Zetkin über die Notwendigkeit, die Aufgaben, den Charakter der beantragten Neuerung gab, zerstreuten solche Befürchtungen. Nach Genossin Kollontais Schlusswort gelangte die Resolution zur einstimmigen Annahme. Worauf schon bei der Behandlung des ersten Punktes der Tagesordnung Streiflichter gefallen waren, das trat klarer, greifbar bei den weiteren Beratungen hervor. Nämlich die Schwäche und Jugend der kommunistischen Frauenbewegung in vielen der auf unserer Konferenz vertretenen Länder. Die Sache erklärt sich zum guten Teil dadurch, dass es einzelne kommunistische Landesparteien — im Gegensatz zu der Leitung der Dritten Internationale — an Einsicht und Förderung der Agitations-, Organisations- und Erziehungsarbeit unter den Frauen mangeln lassen. In manchen Ländern waren den Genossinnen nicht die „Richtlinien der internationalen Frauenbewegung“ bekannt, die die Exekutive in Ausführung der Beschlüsse des zweiten Weltkongresses herausgegeben hat, Die Presse hat sie nicht einmal im Auszug mitgeteilt oder auf sie hingewiesen.

Die Organisierung der Genossinnen in den entsprechenden Landesparteien und die Eingliederung ihrer Betätigung in deren Leben und Weben ist nur in Russland, Deutschland und Bulgarien Tatsache; in andern Ländern ist sie angebahnt; in einer dritten Gruppe — nicht etwa nur Holland, auch in Skandinavien und sonst noch — haben die Kommunistinnen eigene Organisationen, die sich zwar die Propagierung der kommunistischen Ideen angelegen sein lassen, aber so gut wie keinen Einfluss haben, die schaffenden Frauenmassen für die proletarischen Klassenkämpfe zu mobilisieren. Zwischen diesen Organisationen und ihrem Wirken einerseits, der Kommunistischen Partei andererseits besteht nur eine ganz lose Fühlung. Es wurde wiederholt von Delegierten mit herbem Tadel festgestellt, dass das Nichtkümmern um die Organisation, die Betätigung der Genossinnen, dass die Vernachlässigung der kommunistischen Arbeit unter den Frauen zu den Erbübeln gehört, die die Kommunisten leider von den alten sozialdemokratischen Parteien übernommen haben. Es fehlte jedoch auch nicht an der Anerkennung, dass in Frankreich, Holland, der Tschechoslowakei und anderwärts die Partei jetzt am Werk ist, planmäßiges Wirken in die Wege zu leiten, um die Genossinnen in den eigenen Reihen zu organisieren und breite Frauenmassen für den proletarischen Befreiungskampf zu gewinnen.

Fast in allen Ländern mit noch rückständiger kommunistischer Frauenbewegung ist es eine kleine Kerntruppe überzeugter, begeisterter Bekennerinnen des Kommunismus, die die Hauptlast der Arbeit und des Ringens um die Seelen der Frauen des schaffenden Volkes trägt, und die die kommunistischen Parteien vorwärts treibt zur einschlägigen Pflichterfüllung. Jedoch diese Vorhut der Bewegung hat noch nicht die erforderliche Zahl praktisch erfahrener, theoretisch durchgebildeter Agitatorinnen und Organisatorinnen. Nur langsam wachsen solche aus der Bewegung heraus. So zeigt diese mit den Vorzügen der Jugend auch ihre unvermeidlichen „Kinderkrankheiten“. Bei den Debatten über die internationalen Beziehungen der Genossinnen und die Formen und Methoden der kommunistischen Arbeit unter den Frauen traten mehr die praktischen Mängel hervor: die Unsicherheit und Unbeholfenheit, vorliegende organisatorische Aufgaben richtig zu erkennen und zu bewältigen, die Überschätzung von Formen und Formeln und das Zurückschrecken vor der Ausnutzung der gegebenen Verhältnisse. Die noch nicht genügend vertiefte theoretische Durchbildung zeigte sich auch bei den Beratungen über die Formen und Methoden unserer Arbeit, allein in noch höherem Grade bei den Debatten über die Diktatur des Proletariats, die Eingliederung der Frauen in den Kampf dafür und die Stellungnahme zu der Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts und der Ausnutzung des Wahlrechts. Einigen Delegierten deuchte es eine Preisgabe des grundsätzlichen Klassenstandpunktes, dass unsere Werbearbeit sich nicht auf die Industriearbeiterinnen beschränken, vielmehr auch die berufstätigen Frauen der Mittelschichten, die Kleinbäuerinnen und Hausfrauen des Proletariats und der Kleinbürger erfassen solle. Andere verurteilten. den Kampf für Mutterschutz, Arbeiterinnenschutz usw. als „Opportunismus“ und „Reformismus“. Das Eintreten für die Hebung der Dienstbotenlage wurde von Dritten mit der Begründung abgelehnt, es stehe im Widerspruch zu unserer Auffassung, dass die Lösung der Dienstbotenfrage nur durch das Verschwinden der alten bürgerlichen Einzelwirtschaft erfolgen könne.

Den Kampf für die volle politische Gleichberechtigung der Frau betrachteten nicht wenige Delegierte lediglich im Lichte bedenklicher bürgerlicher Frauenrechtelei und den Gebrauch des Wahlrechts als ein gefährliches Hineingleiten in den Sumpf des bürgerlichen Parlamentarismus, als ein verwerfliches Paktieren mit der bürgerlichen Demokratie etc. Kurz man hörte zu diesen Fragen Ausführungen, in denen sich die Forderung einer sektenhaften Propaganda der reinen Idee des Kommunismus mit derjenigen des revolutionären Kampfes, des Bürgerkriegs paarte. Genossin Smith-England verwarf aber sogar den Kampf für die proletarische Diktatur, da diese nur Übergangsmaßregel, nicht Endziel sei. Ausführungen dieser Art spiegelten meist wieder, dass in den betreffenden Ländern der Selbstverständigungsprozess der kommunistischen Parteien über manche grundsätzlichen und taktischen Fragen noch nicht abgeschlossen ist. Sie dürfen daher den Genossinnen nicht besonders angekreidet werden. Die Debatten brachten eine Klärung der umstrittenen Einstellung. Sie arbeiteten heraus, dass unsere Agitation und Propaganda an alle Nöte, Interessen, Forderungen der schaffenden Frauen anknüpfen müssen, um ihr Vertrauen für die kommunistischen Parteien zu gewinnen, den Führerinnen in den sich steigernden Kämpfen des Proletariats zur Eroberung der Staatsmacht. Sie wiesen nach, dass die Kommunisten alle vorhandenen Mittel und Wege zu nützen haben — auch den bürgerlichen Parlamentarismus — um die werktätigen Massen zu erfassen, zu sammeln, zum revolutionären Kampf zu führen. So wurden auch die betreffenden Resolutionen einstimmig gefasst.

Mit welchem tiefen Ernst die tagenden Genossinnen aller Länder bestrebt waren, in fester ideologischer und organisatorischer Einheit mit den kommunistischen Parteien ihre revolutionäre Pflicht zu erfüllen, davon legte rühmliches Zeugnis die Behandlung der Frage ab: Formen und Methoden der kommunistischen Arbeit unter den Frauen. Sie nahm die meiste Zeit der Konferenz in Anspruch und erhärtete durch ihre Ausdehnung und ihre Gründlichkeit, wie dringend das Bedürfnis der Genossinnen in allen Ländern war, durch internationalen Meinungsaustausch Anregung, Wegweisung, Ermutigung zu erhalten. Es haben sich Delegierte aus so ziemlich allen vertretenen Ländern zu der Materie geäußert, von manchen Delegationen sprach mehrere Genossinnen. Man spürte es den Ausführungen der Rednerinnen an, dass sie nicht aus „Liebe zum Schwätzen“ das Wort ergriffen, nicht bloß, „um etwas gesagt zu haben“. Nein, sie alle brannten vor Eifer, durch ihre Darlegungen, durch das Hören von der Betätigung der Schwestern anderer Nationalitäten reicher an Wissen zu werden, mehr zu leisten, Besseres zu leisten. Ein wundervoll frischer Lern- und Tätigkeitsdrang belebte die Debatten mit ihrem bunten Allerlei von tastenden Versuchen, kleinen und großen Missgriffen, Enttäuschungen und erfüllten Erwartungen, halben und ganzen Erfolgen. Die gesamten Beratungen sind ein Beweis dafür, wie richtig und zweckmäßig es war, die Erörterungen dieser Frage an den Anfang der Konferenz zu stellen. Es war unstreitig die Frage des allgemeinsten Interesses und des allgemeinsten geistigen Zusammenwirkens der Delegierten.

Genossin Kollontai bereitete den Boden für die Debatten durch ein treffliches, inhaltsreiches Referat vor. Grundgedanken waren die Ablehnung der Sonderorganisation der Kommunistinnen, die straffe, zentralisierte Eingliederung ihrer Betätigung in das allgemeine Wirken der Partei, die notwendige Beachtung der konkreten geschichtlichen Umstände, die das Dasein der Frauen bestimmen. Aus diesen Grundgedanken leitete Genossin Kollontai die Formen und Methoden der kommunistischen Arbeit unter den Frauen ab. Sie zeigte an der Organisation und der Betätigung der russischen Genossinnen die geschmeidige, vielseitige, erfolgreiche Praxis. Für die Forderungen des Referats sei auf die Resolution verwiesen, für die Illustrationen der Praxis auf die seither in dieser Zeitschrift erschienen Beiträge und Berichte aus Sowjetrussland. Genossin Kollontais lebendige Darstellung ließ erkennen, wie ausgedehnt, wie reich das Arbeitsfeld der Genossinnen, der Frauen dank der Räteordnung geworden ist, wie groß aber damit auch das Bedürfnis nach g. und Vertiefung durch Theorie und Praxis.

Die Ausführungen er Genossinnen Krupskaja und Nikolajewa ergänzten wertvoll die Schilderung von der Betätigung der Genossinnen in Russland. Genossin Nikolajewa gab einen Rückblick auf die Entwicklung des Wirkens der Kommunistinnen unter den Frauen für die Partei, für die Revolution. Zuerst war die Agitation und Propaganda unter den Frauen des schaffenden Volks keine planmäßig organisierte. Dann erfolgte ihre Organisierung durch Frauenausschüsse und Frauensektionen, die in Verbindung mit den Zellen der Partei tätig waren. Durch diese Ausschüsse wurden viele Frauen revolutioniert, die bis dahin dem öffentlichen Leben, dem Befreiungskampf ihrer Klasse fern standen, so genannte „Parteilose“. In den einzelnen Fabriken, Betrieben, Bezirken bildeten sich Stämme geschulter Proletarierinnen, die mit Feuereifer eine rege revolutionäre Werbearbeit betrieben. In der Folge konnten in Petersburg allein 18000 parteilose Proletarierinnen erfasst und für den Kampf mobilisiert werden. Schließlich erprobten die Genossinnen die Delegiertenversammlungen und Delegiertenkonferenzen als vorzügliches Mittel, breitere Massen aufzuklären, Agitatorinnen und Organisatorinnen zu schulen. Solche Veranstaltungen führen auch die Proletarierinnen und Bäuerinnen zusammen und rüsten die Frauen für die verschiedensten Arten der Mitarbeit in den Räten und Räteinstitutionen. Dem Petersburger Sowjet gehörten zuerst nur 45 Frauen an, dann rund 200 und jetzt 500. Als Mitarbeiterin in den Räten und Räteinstitutionen wird die Frau als „Baumeister am Staats und Gesellschaftsaufbau anerkannt“. Genossin Krupskaja unterstützte die Ausführungen der Genossin Zetkin, dass die kommunistische Agitation auf die Hausfrauen, Angestellte, Lehrerinnen, kurz auf alle Arten schaffender Frauen ausgedehnt werden müsse. Das geschehe auch in Russland, wo insbesondere der aufklärenden, erzieherischen Arbeit unter den Bäuerinnen das größte Gewicht beigelegt werde. Eindringlich verbreitete sich Genossin Krupskaja darüber, dass die Genossinnen den Wert auch des besten Organisationsapparates nicht überschätzen dürfen. Entscheidend sei zuletzt der Geist, von dem er beherrscht, in dem er ausgenutzt werde. Die organisierte Arbeit der Genossinnen, müsse dazu beitragen, eine revolutionäre, eine kommunistische Atmosphäre zu schaffen, die die Kraft für Kampf und Aufbau nähre.

Voller wichtiger Anregungen und Fingerzeige war für die Delegierten der meisten nichtrussischen Länder, was die Genossinnen Mildner und Faber über die Organisation der Kommunistinnen in Deutschland berichteten, über die Art, die Mittel und Wege ihres Wirkens in der Partei und für die Partei; den Aufgabenkreis der Frauensekretariate; die Arbeitsteilung bei der Agitation; die Ausgestaltung und den Vertrieb ihres Zentralorgans, der „Frauenseiten“ der Parteiblätter, die Verteilung der kommunistischen Literatur; die Werbe- und Schulungsarbeit unter den Arbeiterinnen, Hausfrauen, Dienstboten usw. Genossin Faber sprach eingehend über die Bedeutung und das Wie der Arbeit unserer deutschen Genossinnen in den Gewerkschaften, in den kommunistischen Zellen der Betriebe. Sie begründete einen Antrag der Konferenz, auf die Tagesordnung des bevorstehenden Gründungskongress es der Roten Gewerkschaftsinternationale die Frage zu stellen: Die Frauen in den Gewerkschaften. Auch die Vertreterin der Kommunistinnen in den Vereinigten Staaten, Genossin Emmons-Bloor, befürwortete nachdrücklich eifrige Agitations- und Schulungsarbeit unter den gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen. Dabei sei der Forderung besondere Beachtung zu schenken: gleicher Lohn für gleiche Leistung von Frau und Mann. Sie stützte sich bei ihren Darlegungen auf die reiche Erfahrung ihrer langjährigen Gewerkschaftsarbeit. Entgegen der Meinung vieler Rednerinnen erklärte Genossin Smyth, die Hausfrauen seien wenigstens in England leichter durch unsere Agitation zu erfassen, als die Arbeiterinnen, da sie nicht doppelte und dreifache Pflichtbürde trügen wie diese. Ihrer Überzeugung nach gewinnen wir die Frauen am besten, wenn wir ihrem mühe- und sorgenbeladenen Dasein unter dem Kapitalismus die gewaltigen Vorzüge der kommunistischen Ordnung gegenüberstellen. Besonderes Interesse erweckten die Ausführungen der Vertreterinnen und Vertreter von Finnland, Persien, Armenien, China und Korea über die ungeheuren Schwierigkeiten, unter denen in diesen Ländern Genossinnen und Genossen für die Erweckung, Sammlung und Schulung der Frauen tätig sind. Wir werden in einem folgenden Heft Auszüge aus diesen Reden veröffentlichen. Die vorgelegte Resolution samt dazu gehörenden ausführlichen Thesen und der Antrag für den internationalen Gewerkschaftskongress fanden einmütige Zustimmung, nachdem Genossin Kollontai in ihrem Schlusswort schiefe Auffassungen und Missverständnisse zurückgewiesen hatte.

Die drei übrigen Punkte der Tagesordnung— der Kampf für die Eroberung und Behauptung der Diktatur des Proletariats, die Eingliederung der Frauen in diesen Kampf, die politische Gleichberechtigung der Frau vor dem Gesetz und in der Praxis — bildeten ein innerlich zusammenhängendes Ganze. Genossin Lilina-Russland zog in ihrem logisch scharf durchdachten Vortrag über das zuerst genannte Thema die Schlussfolgerungen, die sich für das Proletariat und damit für die schaffenden Frauenmassen aus der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Lage ergeben. Sie beleuchtete die Beteiligung der Frauen am Kampfe der Arbeiterklasse für die Eroberung und Behauptung der Diktatur und ihrer Auswirkung in den gesellschaftlichen Verhältnissen zumal mit eingehender Bezugnahme auf Russland. Welches sind die wirtschaftlichen und sozialen Interessen und Forderungen, die die breiten Massen des weiblichen Geschlechts in den kapitalistischen Ländern als Berufstätige, als Mütter, als Hausfrauen bestimmen müssen, den revolutionären Kampf des Proletariats zu dem ihrigen zu machen? Wo müssen wir als Kommunistinnen ansetzen, um die Frauenmassen zielklar, entschlossen zu Opfer und Gefahr diesem Kampf einzureihen? Das waren die Fragen, auf die Genossin Sturm-Deutschland in einem formvollendeten Vortrag Antwort gab, der konkrete Umstände und Bedürfnisse erkennen und ausnutzen lehrte, in Anschluss an die Märzkämpfe in Deutschland betonte sie, wie unerlässlich es sei, dass auch die Kommunistinnen klar und entschieden Stellung zu allen auftauchenden Streitfragen um die Taktik des revolutionären Ringens nehmen. Genossin Zetkin erörterte den Kampf um die proletarische Diktatur und ihre Auswirkung im Zusammenhang mit der grundsätzlichen und praktischen Bedeutung für die Frau als Staatsbürgerin, als vollberechtigtes und voll verpflichtetes Gesellschaftsglied. Sie wies dabei jede bürgerliche, opportunistische Einschätzung des Parlamentarismus und der formalen politischen Demokratie zurück und setzte dieser die soziale Demokratie, die Rätedemokratie entgegen. Die an anderer Stelle abgedruckten Resolutionen zu den drei Referaten zeigen ihre Hauptgedankengänge.

Die Debatten über die darin aufgerollten grundsätzlichen und taktischen Fragen waren lebhaft, aber nicht ausgedehnt und erschöpfend. Es sei davon Nachstehendes herausgegriffen. Genossin Wertheim-Österreich sprach über den Wert der Kämpfe als großes Aufklärungs- und Erziehungsmittel der Massen. Sie wendete sich gegen die Ansicht, dass eine scharfe Trennungslinie zwischen Agitation, Organisation und Aktion bestehe, im Fluss des Geschehens geht eins in das andere über. Dass die deutschen Proletarierinnen sich in den revolutionären Kämpfen dieser Jahre, bei Generalstreik und bewaffnetem Aufstand tapfer, selbstverleugnend gehalten, zeigte Genossin Geffke. „Es ist mir eine schmerzliche Enttäuschung, dass in Westeuropa die Verhältnisse noch so rückständig, die Frauen noch so reaktionär sind, dass über den Kampf für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts und den richtigen Gebrauch des Wahlrechts diskutiert werden muss!“ Mit diesem Ausruf begann Genossin Kalugina, eine Vertreterin der Petersburger Proletarierinnen, ihre Ausführungen über den richtigen Gebrauch, den die schaffenden Frauen in Sowjetrussland von dem aktiven und passiven Wahlrecht zu den Räten machen. Genossin Bloch vertrat die Meinung, dass angesichts der gegebenen Lage in der Schweiz der Kampf für die politische Gleichberechtigung der Frau fast als bedeutungslos in den Hintergrund trete, die Verhältnisse zum Kampf für die Eroberung der Staatsmacht durch das Proletariat drängen.

Nach Genossin Roland-Holsts Auffassung muss die Stellung der Kommunistischen Parteien in der Frage: Ausnützung oder Boykott des Parlamentarismus eine elastische sein. Leider stehe das Proletariat nicht so nah vor der Revolution, dass die Frage unbedingt verneint werden könne. Die Antwort müsse den Kommunistischen Parteien der einzelnen Länder freigegeben werden und nach den vorliegenden jeweiligen Umständen erfolgt sen. Die Ausnutzung des Parlamentarismus berge eine zwiefache Gefahr in sich. Die der Anpassung an das parlamentarische Milieu und der Versumpfung. Die der Erreichung kleiner Konzessionen für das europäische Proletariat auf Kosten der verschärften Kolonialausbeutung. In der Folge würden Illusionen über die Klassenlage des Proletariats entstehen und dessen Vorbereitung auf den Kampf um die Diktatur hemmen, mit deren Verwirklichung allein das Leiden der ausgebeuteten Volksmassen enden kann. Es sei wichtig, die Proletarierinnen und Proletarier zu dem Gefühl der Würde zu erziehen, nicht nach kleinen Verbesserungen zu streben, sondern den ganzen Kommunismus durch bewusst und freudig getragene Leiden, Opfer und Kämpfe zu erringen. Weiter oben sind bereits Ausführungen charakterisiert worden, die sich gegen die grundsätzlichen und praktischen Schlussfolgerungen der Resolutionen Sturm und Zetkin wendeten. Sie stammten von Genossinnen aus Italien, Bulgarien, Russland, Schweden, England und bekundeten zum Teil eine erklärliche, wenn auch falsche Reaktion gegen das frühere Liebäugeln und Paktieren proletarischer Frauenorganisationen mit bürgerlich-frauenrechtlerischer Auffassung. Es wäre jedoch unzutreffend und ungerecht, den Charakter der Debatten über die umstrittenen Fragen lediglich nach Äußerungen zu beurteilen, die eine noch unausgegorene, unklare Meinung verrieten. Hauptzug auch dieser Auseinandersetzungen war stürmisches und revolutionäres Empfinden, entschlossener Wille zu fruchtbarer vorwärts treibender Arbeit, zu entscheidenden Kämpfen. Begreifliche und wertvolle revolutionäre Ungeduld war noch nicht durch theoretische Erkenntnis und politische Erfahrung gereift. Das verspricht und verbürgt Entwicklung und ist einem sich überlegen klug gebärdenden Abwarten und der Furcht vor dem Handeln vorzuziehen. Die Schlussworte, in denen die Genossinnen Sturm und Zetkin falsche Einstellungen und missverstandene Gedanken berichtigen, haben ihre klärende Wirkung nicht verfehlt. Die Abstimmung über die eingebrachten Resolutionen beweist es.

Auf Antrag der bulgarischen Delegierten beauftragte die Konferenz das Internationale Frauensekretariat, rechtzeitig die Initiative zu ergreifen, damit der Internationale Kommunistische Frauentag 1922 in allen Ländern einheitlich an dem nämlichen Tage abgehalten werde. Das Datum dafür soll der 8. März sein, der historische Tag, an dem 1917 die Petersburger Proletarierinnen durch ihre gewaltige Demonstration den Anstoß zur ersten Revolution des denkwürdigen Jahres gegeben haben. Die Konferenz setzte außerdem eine Kommission ein, die ein Manifest an die Kommunistinnen und einen Aufruf an die schaffenden Frauen aller Länder auszuarbeiten hatte. Beide Veröffentlichungen wurden von Delegierten der vertretenen Länder begutachtet und unterzeichnet. In das Internationale Sekretariat wurden von der Exekutive, dem Vorschlag der Genossinnen entsprechend, gewählt: für Russland die Genossinnen Kollontai und Kasparowa, für die nichtrussischen Länder die Genossinnen Colliard, Sturm und Zetkin.

Die Konferenz schloss unter zwei starken, befeuernden Eindrücken. Genosse Trotzki begrüßte sie in einer längeren Rede. Aus seinen Worten sprach der tiefe Ernst der geschichtlichen Stunde und der von klarer Einsicht geleitete, unerschütterliche Wille der Dritten Internationale, ihr revolutionäres Gebot zu erfüllen. Sprach die stolze Siegeszuversicht und die Würdigung der Rolle, die den Frauenmassen des schaffenden Volks aller Länder als Vorkämpferinnen der Revolution, als Mitschöpferinnen der neuen Zeit zufällt, da das Proletariat mit gewaltigem Arm den Besitz vom Thron stößt und den Menschen in sein Recht einsetzt. Die Konferenz stimmte jubelnd zu, als in ihrem Namen, im Namen der Kommunistinnen aller Länder Genossin Zetkin dem unsterblichen Organisator der Roten Armee dankte und in ihm das glorreiche revolutionäre rote Heer selbst grüßte. Sie war jubelnd bei den herzlichen Grüssen an Lenin, in dem das klar denkende Hirn und das kühne Herz des revolutionären russischen Proletariats verkörpert ist, an Sinowjew, dem verständnisvollen, treuen Förderer der internationalen kommunistischen Frauenbewegung.

Die Stimmung lässt sich nicht beschreiben, die das Erscheinen einer vielköpfigen Delegation von Frauen der Völker des nahen und fernen Ostens entfesselte. Diese Begebenheit und seine Wirkung muss man erlebt haben. Eine stürmische Woge tiefster Ergriffenheit, lodernder Begeisterung ging durch die Konferenz. Zu ihr waren Schwestern aus der fernsten Ferne gekommen, aus der fernsten Ferne nicht bloß räumlich, auch der eigenartigen Kulturentwicklung nach. Von uns verschieden in Sprache, Farbe, Rasse, Tracht, Lebensgepflogenheiten, sind sie Fleisch Von unserem Fleisch, Geist von unserem Geist in der Erkenntnis: der Kapitalismus ist unser Todfeind, der Kommunismus ist unser Erlöser, sind sie die unseren in dem Willen: Kampf und Sieg für die Weltrevolution. Manchen mochte es dünken, als sei mit den fremdländischen Frauen — viele von ihnen tief verschleiert — als sei mit den bunten, leuchtenden Gewändern das Märchen zu uns gekommen, das Märchen aus unserer Kinderzeit und der Kinderzeit der Menschheit. Aber es war Wirklichkeit, denn das vorwärts stürmende, unerschöpfliche, sich selbst verzehrende und gebärende Leben ist und bleibt das tiefste und überraschendste aller Märchen. Es ist Wirklichkeit, dass die Versklavtesten der Versklavten, dass die Frauen der Orientvölker erwachen und aus Jahrtausende alter Knechtschaft und moderner kapitalistischer Ausbeutung den Weg zu freiem Menschentum suchen. Es ist Wirklichkeit, dass sie sich heißen Herzens, gläubig, vertrauensvoll zum Kampf um die Dritte Internationale scharen. Und diese Wirklichkeit des Heute ist eine Bürgschaft, ein Teil Erfüllung der Wirklichkeit des Morgen für uns alle, die wir das Land der Freiheit nicht nur mit der Seele suchen, sondern mit kämpfender, stürmender Hand erobern wollen. Die vereinigten Proletarier werden den verderbenden und mordenden Kapitalismus niederringen, wenn sich gegen ihn die starken Reserven seiner Sklaven in den Kolonialländern empören. Die Kommunistische Internationale wird die kämpfende, die sich selbst erlösende Menschheit sein. “s‘ist der Geschichte eh‘rnes Muss“.

Leidenschaftliche Reden von Frauen in östlichen Sprachen ließen das hoffen, in Sprachen, dergleichen noch nie eine internationale Tagung vernommen, auch der zahlreichst beschickte Weltkongress bürgerlicher Frauenrechtlerinnen nicht. Und es waren nicht einzelne gelehrte Damen aus Indien oder China, denen der Reichtum den Eingang zu Europa und seiner Kultur geöffnet hatte. Die da mit feurigen Zungen von ihren Leiden, Sehnen, Wollen, Kämpfen sagten, sind schlichte Töchter der Völker, und hinter ihnen stehen Tausende und Abertausende von Bäuerinnen, Heimarbeiterinnen, Lohnsklavinnen in den Baumwollplantagen, den Reisfeldern, der Tabak und Erdölindustrie. Tief bewegt würdigten die Genossinnen Kollontai und Zetkin die Bedeutung des unvergleichlichen geschichtlichen Augenblicks in dem herzlichen Willkommensgruss, den sie den Delegationen aus dem Osten im Namen der Konferenz und der Kommunistinnen außerhalb der Konferenz zuriefen. Unsere Tagung endete mit dem Eidschwur des Willens zu Tat und Kampf für die Weltrevolution unter den feierlichen Klängen der Internationale.

In langem Zug—Moskauer Arbeiterinnen hatten sich angeschlossen — marschierten die Konferenzdelegierten aus dem Kreml, wo sie getagt hatten, vor die geschichtliche „Rote Mauer“. Dort wurden unter kurzen, aus der Seele strömenden Gedenkworten Palmen und Kränze an den Gräbern zweier hervorragender Vorkämpferinnen der Weltrevolution niedergelegt. Beide Genossinnen hatten noch lebensfrisch und tatbereit an der vorjährigen Internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz teilgenommen: die kühne, treue russische Genossin Inessa-Armand und die aufopfernde, unermüdliche norwegische Genossin Aasen.

Das Konferenzwerk hatte seine Ausläufer auf dem großen Weltkongress der Dritten Internationale und dem Gründungskongress der Roten Gewerkschaftsinternationale. Die meisten Delegierten unserer Konferenz nahmen an der einen oder anderen dieser wichtigen Tagungen teil, manche auch an beiden. Auf beiden wurde die Frage der Organisierung und Eingliederung der Frauen in die Arbeits- und Kampfesfront behandelt. Vor dem Weltkongress der Dritten Internationale referierte Genossin Zetkin über die Internationale Frauenkonferenz und die kommunistische Frauenbewegung. Ihre Ausführungen wurden durch die Genossinnen CoIIiard und Kollontai ergänzt und unterstützt. Der Kongress machte sich die Entschließungen der Konferenz zu Eigen. Auf dem Kongress der Roten Gewerkschaftsinternationale behandelte Genossin Sturm in einem Vortrag von grundsätzlicher Klarheit das Thema der Berufsarbeit und gewerkschaftlichen Organisierung der Frau. Sie umschrieb dabei die Aufgaben, die die Kommunisten in den Gewerkschaften zu erfüllen haben, um die weiblichen Mitglieder aufzuklären und zu schulen. Ihre Gedankengänge wurden nach der praktischen Seite hin vervollständigt durch Genossin Bloch und weitere tätige Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Das Ergebnis der Beratungen war die Annahme der Resolution und Thesen, die die Leserinnen an anderer Stelle finden.

Der gedrängte Überblick über die internationale Moskauer Tagung darf nicht abgeschlossen werden, ohne das schmerzliche Bedauern, dass sie im Gegensatz zu den internationalen Beratungen vieler Jahre die talentvolle, aufopfernde Mitarbeit der Genossin Angelika Balabanoff, namentlich auch als Übersetzerin entbehrte. Er muss ausklingen mit herzlichem Dank für die unermüdliche treffliche Übersetzungsarbeit der Genossin Bloch, für alles, was führende russische Genossinnen geleistet haben, um die Konferenz möglich und erfolgreich zu machen. Und Dank, innigsten Dank zuletzt und nicht zum mindesten den Tausenden Moskauer Proletarierinnen, die mit ihrem Verständnis und ihrer Sympathie die Tagung getragen haben. Die nichtrussischen Delegierten der Konferenz haben in Moskau einen großen Anschauungsunterricht revolutionärer Tatsachen und revolutionärer Menschen genossen. Sie haben aus eigenem Erleben die ganze Last des Kämpfens, Aufbauens, der gewaltigen geschichtlichen Verantwortlichkeit der russischen Kommunisten, der Opfer des russischen Volks der Arbeit kennen gelernt. Die Atmosphäre Moskaus hat dazu beigetragen, muss dazu beigetragen haben, dass der hervorstechendste Wesenszug unserer zweiten internationalen Konferenz der entschlossene Wille zur stärksten Aktivität war. Auch sie sandte gleich dem Weitkongress die Losung an die Mühseligen und Beladenen, die empor ins Licht drängen: weder Kräfte lähmender Opportunismus, noch Kräfte zerstörender Unopportunismus. Ihr Wille war, dass für die Kommunistinnen die einleitenden Worte zum ersten Beratungstag Leben und Tat werden: „Nicht bloß vorwärts, nein, im Sturmschritt vorwärts, dem Sieg, dem Endziel entgegen“. Und das Gelöbnis, das dem Weltkongress gegeben wurde: Wir Frauen, die wir das Land des Kommunismus mit glühender Seele suchen, wir, die wir die stärksten, die unversöhnlichen Hasserinnen des Kapitalismus sein müssen, wir wollen danach streben, das kühle Wägen der konkreten Verhältnisse, mit dem kühnen Wagen für das hohe Ziel, für den Sieg zu verbinden.“ An den Genossinnen aller Länder, von den Führerinnen bis zur letzten Kommunistin in Reih und Glied, das Werk der Konferenz in seinem ganzen Umfang und seiner vollen Bedeutung auszuwerten.

Schwerste Nöte und Gefahren ziehen über Sowjetrussland herauf. Hungersnot und Seuchen in den sonst fruchtgesegnetsten Gegenden stellen den jungen, um Existenz und Aufbau ringenden Arbeiter und Bauernstaat vor tatsächlich unerhörte Aufgaben. Seine Todfeinde rüsten sich, die furchtbare Lage zu nützen. Aber zwischen den sich drohend heranwälzenden Wolken leuchtet hell, hoffnungsreich der Morgenstern, der Sowjetstern. Kühne und kluge Männer steuern das Schiff Räterusslands. Seine Bemannung ist ein Volk der Arbeit, dem es bitterer Ernst mit dem Wort ist: „Besser tot als Sklave“. Wir alle wären unwert, in Moskau gewesen zu sein, wollten wir nicht mit Sowjetrussland und für Sowjetrussland handeln.

Clara Zetkin.

1 Stuttgart 1907, Kopenhagen 1910

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