Clara Zetkin 18961223 Ein letztes Wort zur Erwiderung

Clara Zetkin: Ein letztes Wort zur Erwiderung

(Dezember 1896)

[„Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen”, Stuttgart. Nr. 26, 23. 12. 1896, S. 205-207]

Frau Fürths vorstehende Ausführungen erweisen, dass sie sich über meine scharfe Kritik ihrer Auffassung der Frauenfrage geärgert hat. Das ist ihr unveräußerliches Menschenrecht, das ich ihr nicht neide. Meine Kritik ihres grundsätzlichen Standpunktes und seiner schuldig gebliebenen, ja nicht einmal ernstlich versuchten Begründung stellt sie ein gut Teil Geschimpfe auf meine Person entgegen. Das ist ihr Privatvergnügen, in dessen Genuss ich sie nicht zu stören gedenke: ein Jeder kämpft mit den Waffen, dessen Führung ihm an geläufigsten ist. Des Weitren behauptet sie in der Rolle der lieben verkannten Unschuld vom Lande, weder den Klassenstandpunkt verworfen, noch die bürgerliche Frauenbewegung gepriesen, noch aber die Verwirklichung des Sozialismus von der Mitarbeit der bürgerlichen Frauen erwartet zu haben. Das ist eine Unvorsichtigkeit, denn ich kann der diesbezüglichen Behauptung Frau Fürths eigene Ausführungen gegenüberstellen. Endlich lässt sie sich angelegen sein — und zwar in des Wortes verwegenster Bedeutung — „das Wenig, was den Kernpunkt ihrer kurzen Darlegung bildet, der öffentlichen Aufmerksamkeit etwas ausführlicher näher zu bringen.” Das ist eine gut gemeinte Liebenswürdigkeit, die aber ihren Zweck verfehlt — zu überzeugen — so lange Frau Fürth ihren „Kernpunkt” nicht mit einer einzigen kleinen Tatsache begründet, vielmehr auf die eigene subjektive Meinung, welche mit dem Pastoralen „und so soll, muss und wird es sein, ergo ist es so” operiert.

Was denn erklärte Frau Fürth in ihrem ersten Artikel? Dass die „zielbewusste Proletarierin nichts gelernt und nichts vergessen hat und heute predigt, wie sie vor dreißig Jahren getan: die Befreiung der Proletarierin durch die Proletarierin selbst, nichts Gemeinsames mit anderen Klassen.” Andererseits, dass die bürgerlichen Frauen „dazu getan haben”. Weiter: dass die proletarische Frauenbewegung nichts geleistet hat. „Auch auf dem Gebiete der Selbst- und Massenerziehung ist nichts geschehen. Man ist ‚revolutionär‘ wie am ersten Tage und nimmt sich gar nicht erst die Mühe, über die engen Schranken des Klassenstandpunktes und des Klasseninteresses hinwegzukommen.” Dagegen: „dass die bürgerliche Frauenbewegung sich je länger je mehr zu einem Kampf um die geistigen und sittlichen Rechte, um die rechtliche und wirtschaftliche Gleichstellung der gesamten Frauenwelt auswächst.” Bestimmte Minimalforderungen der proletarischen Frauenbewegung sind nach ihr „Programmforderungen und vielfach ausdrücklich vertretene Programmlosungen des linken Flügels der bürgerlichen Frauen.” „Es ist nicht einzusehen, warum er (der Sozialismus) sich gegen die Klassen durchsetzen, warum er nicht versuchen soll, alle Klassen zu durchdringen, zu erobern, über sie emporzusteigen.” Entweder haben diese Worte einen Sinn: dann beruhen sie auf den Vordersätzen und führen zu den Schlussfolgerungen, die ich bezüglich des Fürthschen Standpunktes formulierte. Oder aber sie haben keinen Sinn: dann allerdings hat Frau Fürth volle Freiheit aus ihrem herzen Heraus zu interpretieren, dass sie mit aller Schärfe das Prinzip des Klassenkampfes festhält und nur als getreuer Eckard das deutsche Proletariat vor „chauvinistischer” (sic!) Überhöhung und „Proletarismus” (sic!) warnte. Aber ich brauche zur Charakterisierung der Auffassungen von Frau Fürth nicht einmal auf den ersten Artikel zurückzugreifen. Auch ihre heutigen Ausführungen beweisen, dass sie in der Frauenfrage grundsätzliche nicht auf dem Boden der Klassengegensätze steht. Ist der Kernpunkt derselben doch, dass die bürgerliche Frauenrechtelei „eines Tages von der sozialen Einzelfrage zu der sozialen Gesamtfrage übergehen, und dabei je länger je mehr zu der Einsicht kommen wird, dass durch Teilkuren dem Volksorganismus nicht zu helfen ist. Die bürgerliche Frauenbewegung muss und wird eines Tages klar darüber werden, dass sie sozialistisch sein oder nicht sein wird.” Was bedeutet das anders, als dass für Frau Fürth die geschichtlichen Gesetze der Klassengegensätze und Klassenkämpfe innerhalb der Frauenwelt ihre Geltung verlieren? Der Beweis dafür? Frau Fürth sprach: die bürgerliche Frauenbewegung muss und wird eines Tages klar darüber werden etc. und siehe, es geschah also. Von dem Warum des Müssen und Werden, von den geschichtlich treibenden Kräften des „Klarwerdens” keine Spur. Mit Müssen, Werden, Sollen und Wollen wie mit Wenn und Aber macht man nicht bloß aus Häckerling Gold, auch wie Figura zeigt Zukunftsgeschichte. Oder liegt die „Gewähr” für die prophezeite Entwicklung wirklich darin, dass eine „der Zahl, nicht der Qualität nach unbedeutende Schar bürgerlicher Frauen” über die „Damenfrage” hinaus Fragen von allgemeiner Bedeutung sich zuwendet? Warum dann nicht aus der gleichen Tatsache innerhalb der Männerwelt die gleiche Schlussfolgerung ziehen bezüglich der Haltung der Bourgeoisie überhaupt dem Sozialismus gegenüber? Das schlösse den Ring der famosen Theorie vom „Emporsteigen des Sozialismus über alle Klassen.” Die Behauptung, die Frauenrechtelei wird sozialistisch sein oder sie wird nicht sein, widerspricht nicht bloß der Auffassung von der geschichtlichen Rolle der Klassengegensätze und Klasseninteressen. Sie steht auch im schärfsten Widerspruch zu der geschichtlichen Erfahrung. Überall zeigt sich, dass die bürgerliche Frauenrechtelei, je zielklarer und kräftiger sie ist, und je erfolgreicher im Kampfe; um so schärfer ist der Gegensatz, in welchem sie sich zur sozialistischen Bewegung stellt. Begreiflich genug. Ihr siegreiches Vordringen beseitigt das Moment flüchtiger, äußerlicher Berührung mit dem kämpfenden Proletariat: das soziale Unterdrücktsein. Es hebt den wirtschaftlichen und rechtlichen Gegensatz der Geschlechter innerhalb der bürgerlichen Klassen auf und lässt dafür den Klassengegensatz zu den besitzlosen in um so klarere Erscheinung treten. Die Konsequenz einer voll entwickelten, erfolgreichen Frauenrechtelei ist der innigere Zusammenschluss zwischen bürgerlicher Männer- und Frauenwelt, zum gemeinsamen Kampfe gegen das Klassenbewusste Proletariat. Die Ansätze zu dieser Entwicklung der Dinge lassen sich überall verfolgen, wo die Frauenrechtelei nennenswerte Erfolge errungen hat, z.B. in Amerika, England, Neuseeland.* Wo die Frauenwelt sozialen Einfluss oder gar politische Rechte besitzt, erweist sich klärlich, dass die Klassenlage und nicht die Geschlechtslage für den Gebrauch der Macht ausschlaggebend ist. Kein theologisches Müssen, Sollen und Werden vermag das zu ändern.

Frau Fürth wird jedenfalls auch dieser meiner Beweisführung gegenüber behaupten, dass dieselbe „daneben haue”, weil sie selbst nichts, aber auch gar nichts gesagt habe, was meiner Auffassung von der Klassenlage widerspräche. Im Gegensatz zu meiner „Scheuklappen”-bewehrten „Einseitigkeit” nimmt aber Frau Fürth „das Gute, wo sie es findet”. Ihr Standpunkt setzt sich deshalb aus jenem für den „deutschen Professor” charakteristischen „Einerseits und Andrerseits” zusammen, welcher ermöglicht, alles zu behaupten und alles zu bestreiten. Sie steht unentwegt auf dem Boden der Klassengegensätze, aber sie weissagt in tönenden Zukunftsfanfaren das Sozialistischwerden der bürgerlichen Frauen. Sie hofft nichts von dem „Gerechtigkeitsgefühl der Besitzenden”, nichts von der „wolkenseligen Idealität der Ethiker und „Auch-Sozialisten”, aber „sie denkt so hoch von dem Prinzip des Sozialismus, dass sie nicht einsieht, weshalb er sich gegen alle Klassen durchsetzen, warum er nicht alle Klassen zu erobern versuchen soll” etc. „Nie konnte sie sich mit der bürgerlichen Frauenbewegung befreunden”, aber sie erblickt in ihr „eine Bundesgenossin die von innen (sic) heraus den von unten drängenden Arbeitermassen die Wege bereitet”, und der nur wer „töricht und eitel” ist, die Hand zum Schwesternbunde verweigert. „Erkläre mir, Graf Örindur, diesen Zwiespalt der Natur.” Frau Fürth entwickelt in ihren beiden Artikeln keine einheitliche Auffassung, bei der sich Gedanke an Gedanke logisch unlösbar wie die Glieder einer Kette fügt. Sie äußert „Meinungen”, die wie bunt schillernde Seifenblasen in loser Reihenfolge nacheinander, aneinander und gegeneinander vorbeitanzen. Sobald sie bloße Worterklärungen abgibt, ist sie stramme Sozialdemokratin. Sobald sie beweisen will, plätschert sie munter im ideologischen Fahrwasser, erweist sie sich als „Ideologin wider Willen”. Dass man, zumal wenn man aus nichtproletarischen Kreisen stammt, die ideologische Auffassung nicht von heute auf morgen absteift, weiß ich aus eigener persönlicher Erfahrung.

Doch nicht bloß auf dem Gebiete der Theorie, auch auf dem der Taktik hält es Frau Fürth mit dem Sich-Widersprechen. Stolz wie ein Spanier versichert sie, dass sie „von Petitionen um ein gutes Recht nichts hören mag”. Etliche Sätze weiter macht sie es mir verblümt zum Vorwurf, dass ich Verwehrung einlege gegen eine Beteiligung der Proletarierinnen an einem frauenrechtlerischen Bittgang vor die Regierung um eine Reform des Verein- und Versammlungsrechts. Denn „wäre ein etwaiger Erfolg dieser Bemühungen den proletarischen Frauen nicht auch zu Gute gekommen?” Frau Fürth widerspricht sich hier durchaus nicht, sie ist nur nicht wie ich „töricht und eitel” genug, die zum gemeinsamen Vorgehen gebotene Hand zurückzuweisen. Vielleicht ist auch für Frau Fürth das Vereins- und Versammlungsrecht ein schlechtes Recht, von dessen Erpetitionierung sie hören mag! Zur Sache selbst: Angesichts der Drangsalierung der proletarischen Frauenvereine und -versammlungen von den Bemühungen der Frauenrechtlerinnen einen „etwaigen Erfolg” erwarten heißt im buchstäblichen Sinne des Wortes: naiver sein als die Polizei erlaubt. Den Proletarierinnen aber ansinnen, in frommem Bittgang vor die Regierung in dem nämlichen Augenblick zu wallfahren, wir diese ein Ausnahmegesetz gegen die deutsche Arbeiterkasse fordert, heißt innerhalb des deutschen Proletariats die nämliche Hundedemut und Knechtseligkeit voraussetzen, welche die deutsche Bourgeoisie auszeichnet.

Der Hinweis auf Bebels Unterschrift unter die Petition für Sitzgelegenheiten der Ladnerinnen — die, wie der „Vorwärts” wiederholt konstatiert hat, so gut wie wirkungslos geblieben ist — beweist absolut nichts im Punkte der Haltung unserer Bewegung bürgerlichen Petitionen gegenüber. Die Unterzeichnung eines solchen, durchaus unpolitischen Ansuchens seitens des Einzelnen ist Privatsache, ist Geschmackssache, wie das Almosengeben. Niemand wird aus Parteirücksichten sich gegen das Almosengeben verwahren. Aber niemand wird es einfallen, den Beitritt zu einem Verein zur Unterstützung Notleidender als Aktionsmittel der Partei zur Bekämpfung des Massenelends zu empfehlen. Bebel selbst würde als erster dagegen protestieren, dass man aus seiner Unterschrift zu Gunsten der Ladnerinnen Konsequenzen für die Taktik der Partei zöge. Wie Frau Fürth dazu kommt, Bebels Ausführungen auf dem Parteitage zu Erfurt mir zum Beispiel-Nehmen für eine Kompromisselei mit den Frauenrechtlerinnen vorzuführen, das mag sie mit ihrer Kenntnis des einschlägigen Protokolls ausmachen. Was Bebel in Betreff von zu erringenden Zugeständnissen sagte, bezieht sich auf Reformen, welche das Proletariat im Klassenkampfe der bürgerlichen Gesellschaft entreißen soll. Keineswegs auf Zugeständnisse an die Halbheit und Unklarheit himmelblauer bürgerlicher „Auch-Reformer”. Gerade in Erfurt wandte sich Bebel messerscharf wie je gegen die empfohlene Taktik des „Dem-guten-Willen-die-offene-Hand”, gegen freundschaftliche Paktiererei mit „Krethi und Plethi”, der sich an die Partei drängt. Und wenn Frau Fürth wissen will, wie Bebel das „gemeinsame Vorgehen” von Sozialdemokraten und „freigesinnten Männern der verschiedenen Parteien” bei sozialpolitischen Aktionen beurteilt, dann lese sie einmal seine Ausführungen vom Kölner Parteitag über den Kanossagang der Gewerkschaftler zum sozialpolitischen Kongress zu Frankfurt nach.

Dass die Sozialdemokratie im Reichstage wie bei den Wahlen „je nachdem gemeinsame Sache mit den radikalen Bourgeoisparteien macht”, wird der Parteigenossenschaft neu sein. Wohl berührt sich die Aktion der Sozialdemokraten und der bürgerlichen Radikalen und Reformer in Forderungen, die beiden gemeinsam sind. Wohl tritt die Sozialdemokratie bei Stichwahlen für den oder jenen bürgerlichen Kandidaten als für das kleinere Übel ein. Aber stets haben die Vertreter bei Parallel- und Hilfsaktionen durch Hervorheben der Unterschiede in Qualität und Quantität bürgerlicher und sozialistische Reformforderungen nachgewiesen, dass „wenn zwei dasselbe tun, es nicht dasselbe ist”. Stets haben die prinzipiellen Gegensätze verhindert, dass das Vereintschlagen ein Vereintmarschieren war. Frau Fürth, die ihre Visitenkarte als Neuling in der Bewegung abgegeben, ist sicher nicht verpflichtet, die Parteientwicklung und -geschichte zu kennen. Aber sie konnte die Liebesmüh‘ sparen, die Parteigeschichte falsch zu zitieren. Und eine schon ganz und gar überflüssige Grausamkeit ihrerseits ist es, ihre irrtümliche Auffassung, als ob Einstehen für Reformen und Bundesbrüderschaft mit bürgerlichen Elementen gleichbedeutend sei, durch einen gut gemeinten, aber entsetzlich unpoetischen Vers zu bekräftigen, einen jener Verse, wo einem tendenziösen Gedanken zu Liebe die Kunst, nach dem Motto misshandelt wird: „Der Vogel, welcher sonsten fleucht, wird hier zu einem Tier, das kreucht.” Nicht zu kritisieren, nur als Kuriosum festzunageln brauche ich, dass Frau Fürth von „freigesinnten Männern” angeregte sozialpolitische Enqueten, Theatervereine, Volksvorlesungen und hygienische Maßregeln weitherzig auf gleiche Stufe rangiert mit der sozialpolitischen Aktion einer politischen Partei, und dass der Frauenrechtelei recht sein soll, was der freien Bühne billig ist. Frau Fürth sei des einen versichert: so wenig ich für frauenrechtlerische Harmonieduselei zu haben bin, so wenig ich im Einzelfalle die Möglichkeit eines Vereintschlagens bei Getrenntmarschieren — auch auf Grund einer vorausgegangenen Verständigung von Macht zu Macht — bestreite, so bereit bin ich, trotz aller „chauvinistischen Einseitigkeit” mit nationalökonomisch geschulten Männer und Frauen in einer sozialwissenschaftlichen Enquete zusammen zu sitzen, für deren Zusammensetzung nicht die politische Parteistellung ausschlaggebend ist, sondern die wissenschaftliche Tüchtigkeit zur Arbeit; so bereit bin ich, meinetwegen sogar mit König Stumm zusammen einem Verein zur Versorgung der Negerkinder mit Seife und Kämmen beizutreten. Vorausgesetzt immer das eine, dass der Dienst der Partei mir Zeit und Kraft lässt, derartigen nützlichen Beschäftigungen und harmlosen Liebhabereien nachzugehen.

Darüber, dass ich den „Internationalen Frauenkongress” mit meiner Gegenwart „beehrte” und angeblich damit meine Auffassung ad absurdum führte, ein Wort. Ich wohnte dem Kongress nicht offiziell als Teilnehmerin bei, sondern als Redakteurin der „Gleichheit”, auf Grund einer Pressekarte. In die öffentlichen Debatten einzugreifen, hielt ich für Ehrenpflicht, wie ich es für Ehrenpflicht eines charaktervollen Gegners halte, in unseren Versammlungen sich der Diskussion zu stellen. Den Einfluss der Frauenrechtelei auf die in der Bewegung geschulten Genossinnen fürchte ich keineswegs. Aber es gilt, diesen das Klassenbewusstsein trübenden Einfluss von den noch nicht politisch erzogenen proletarischen Frauenmassen fernzuhalten. Stehen diese erst zielklar im Lager der Sozialdemokratie: kann Frau Fürth im Nebenamt das Eiapopeia des Zusammengehens flöten, soviel ihr beliebt.

Meine Ansicht, die Familie betreffen, hat Frau Fürth freundlichst durch ein Zitat von der einen „zahlreichen” Schrift von mir bestätigt. Das Zitat besagt im Wesentlichen, was ich in voriger Nummer erklärte. Eines bekenne ich mich allerdings schuldig: in einseitiger Schärfe die Erziehung der Kinder durch die Gesellschaft betont zu haben, ohne auf den gleichzeitig fortbestehenden, aber meiner Ansicht nach durchaus nicht vorherrschenden Einfluss der häuslichen Erziehung hinzuweisen. Es erklärt sich daraus, dass die Ausführungen als Polemik gegen die Anschauung des Nur-Naturberufs der Frau entstanden. Ferner ging mir damals die Bekanntschaft mit Sozialisten ab, welche die sozialistische Gesellschaft im Lichte von Eugen Richters „Irrlehren” betrachten und von der Erziehung der Kinder durch die Gesellschaft nicht hören können, ohne dass vor ihrer geängstigten Spießbürger-Phantasie das Bild der Zwangserziehungsanstalt und der Schatten der unglückseligen Strampel-Annie auftaucht. Im Wesentlichen ist meine Ansicht über die Erziehung die gleiche geblieben.

Zurückweisen muss ich die Behauptung, ich habe gegen Frau Fürth „die große Entrüstungstrommel” geschlagen. Ich habe vom Standpunkt der nüchternen geschichtlichen Logik aus gesprochen. Nicht „im Namen der Gerechtigkeit”, der „Vorurteilslosigkeit”, des „hohen Prinzips”, auch nicht wie Frau Fürth unter Hervorschwenken des papiernen Selbstführungs- und Belobigungsattests, dass es mir heiliger Ernst um die soziale Sache sei. Solche Mätzchen überlasse ich denen, die glauben, sie nötig zu haben. Im Übrigen wird es Frau Fürth, die sich wiederholt sicher richtig einschätzt, begreifen, warum ich das mir liebenswürdige „kleine Vergnügen” — meine Stimme laut zu erheben — nicht ausnutze: auf zwitschernde Spatzen schießt man doch nicht mit Kanonen.

* Der vorige Jahrgang der „Gleichheit” enthält Tatsachenmaterial zu der Frage.

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