Clara Zetkin 19100919 Probleme einer sozialdemokratischen Modezeitung

Clara Zetkin: Probleme einer sozialdemokratischen Modezeitung

(19. September 1910)

[Protokoll über die Verhandlungen des Parteitags der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten in Magdeburg vom 18. bis 24. September 1910, S. 217f.]

Gestatten Sie mir einige Ausführungen zu den beiden Anträgen, welche in verschiedener Form im Wesen das Gleiche bezwecken; nämlich, dass von Seiten der Partei ein Organ geschaffen wird, das den Charakter eines Modeblattes tragen soll. Ich begreife ganz gut die nicht nur bestechenden, sondern im Kern stichhaltigen Ausführungen, die zur Begründung der Anträge gemacht worden sind. Kein Zweifel, dass die von bürgerlichem Geist durchseuchten, so genannten unparteiischen Modeblätter in einer gewissen Hinsicht ein Hindernis für das Eindringen der sozialistischen Literatur in die Kreise der noch indifferenten proletarischen Frauenwelt sind. Kein Zweifel auch, dass in breiten Kreisen des weiblichen Proletariats das praktische Bedürfnis sehr stark empfunden wird, einen berufstechnischen Ratgeber für die Herstellung von Wäsche und Kleidung in der Familie zur Seite zu haben. Es fragt sich aber, ob die hier vorgeschlagenen Wege praktisch durchführbar sind und zum Ziele führen würden. Ich selbst war der Ausgestaltung der ”Gleichheit” in der geforderten Weise sympathisch gesinnt. Ich habe deshalb bereits vor längerer Zeit eine entsprechende Ausgestaltung der ”Gleichheit” angeregt und zusammen mit Fachleuten, deren Kompetenz nicht angezweifelt werden kann, sehr eingehende Vorberatungen über die Möglichkeit einer solchen Ausgestaltung gepflogen. Es gibt zwei Wege dazu: Wir können der ”Gleichheit” eine besondere Modebeilage beigaben, aber dann müssten Umfang und Kosten so vergrößert werden, dass der Verbreitung des Blattes in den Kreisen des weiblichen Proletariats offensichtliche Hindernisse entgegengesetzt würden. Oder aber, wir behalten den jetzigen Umfang und den jetzigen Preis der Gleichheit bei und schränken den übrigen Inhalt der ”Gleichheit” zugunsten der Modezeitungen nebst Text ein. Dem würde ich mich allerdings mit aller Entschiedenheit widersetzen. Die ”Gleichheit” hat im Interesse der politischen und gewerkschaftlichen Erweckung und Schulung der Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen so vielseitige Aufgaben zu erfüllen, dass wir schon bei dem jetzigen Umfang kaum allen Ansprüchen gerecht werden könnten. Wir sind gezwungen, die Behandlung wichtiger Fragen zu verschieben, wertvolle Artikel von Nummer zu Nummer zurückzustellen, weil plötzlich auftauchende Probleme in politischer, gewerkschaftlicher oder genossenschaftlicher Hinsicht zu anderer Disposition zwingen. Aus diesem Grunde erschiene mir eine Beschränkung des Umfangs der ”Gleichheit” zugunsten einer solchen Beilage nicht ratsam. Sie würde zu einer Beschränkung des Inhalts werden, ich könnte die Neuerung nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Nun aber die andere Frage! Soll unter diesen Umständen bei der Bedeutung der Sache und den praktischen Folgen, die sie haben kann, nicht die Partei die Schaffung eines eigenen Modeorgans in Erwägung ziehen? Mit Rücksicht auf die großen praktischen Schwierigkeiten, die dabei für sie zu überwinden wären, wenn die Frage wirklich in erfolgreicher und der Partei würdiger Weise gelöst werden soll, würde ich Ihnen empfehlen, sich hier nicht auf einen bindenden Beschluss festzulegen, sondern die ganze Angelegenheit zu einer ausgiebigen sachlichen Prüfung und Vorberatung den in Betracht kommenden Parteiinstanzen zu überweisen. (Bravo!)

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