Clara Zetkin 19210500 Zu den Aufgaben der Zweiten Internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz

Clara Zetkin: Zu den Aufgaben der Zweiten Internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz

[„Die Kommunistische Fraueninternationale“, 1. Jahrgang, Heft 2/3, Mai/Juni 1921, S. 46-76]

Mit leidenschaftlichem Interesse, mit höchster Arbeits- und Kampfesbegier sehen die Kommunistinnen aller Länder der bevorstehenden zweiten Weltkonferenz zu Moskau entgegen. Wie vom elektrischen Scheinwerfer belichtet, wirbeln an ihnen Ereignisse über Ereignisse vorüber, tauchen vor ihnen Probleme über Probleme auf, die die weltgeschichtliche Lage künden, in der die Kommunistische Internationale kämpfen und siegen muss. Die Kommunistische Internationale! Was besagt das anders als dass auch die Frauen kämpfen und siegen müssen, deren Erkenntnis klar ist, dass ihrem Geschlecht Vollmenschentum erst dann werden kann, wenn sich über den Trümmern der knechtenden kapitalistischen Gesellschaft der luft- und lichtdurchflutete Bau der kommunistischen Ordnung erhebt; die Frauen deren Willen daher unerschütterlich ist, den Kapitalismus niederzuringen, den Kommunismus zu verwirklichen.

Der Kapitalismus erlebt seine Weltkrise. Nicht im Sinne einer „vorübergehenden Erscheinung“, die aus einer Periode schwerer wirtschaftlicher und sozialer Erschütterungen und Nöte zu einer Zeit neuen Aufschwungs, blühenden Lebens hinüber leitet. Nein, Weltkrise als Weltkatastrophe, in der der Kapitalismus verenden muss. Wenn die kapitalistische Profitwirtschaft in dem oder jenem Lande eine Schwindelblüte treibt, so ändert das an seinem allgemeinen geschichtlichen Schicksal nichts. Die Schwindelblüte welkt rasch und fruchtlos ab, sie steigert und beschleunigt in ihren Auswirkungen nur den Zerfall des Kapitalismus, den sie aufzuhalten, zu heilen schien.

In allen kapitalistischen Ländern die gleichen beherrschenden Erscheinungen. Die Wirtschaft windet sich in den Krämpfen und Zuckungen der Versuche einer Wiederbelebung und Wiederaufrichtung, die es ermöglichen würde, auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln die vorliegenden zwingenden Bedürfnisse der schaffenden Massen aller Hand- und Kopfarbeiter mit dem kapitalistischen Profit, mit dem eigensüchtigen Interesse der besitzenden und ausbeutenden Minderheit zu vereinigen. Bildlich gesprochen: die Nutznießer und Weisen des Kapitalismus suchen die Quadratur des Zirkels, und das obendrein jetzt, wo der Zirkel selbst schon zerbrochen ist, nicht einmal für seinen Zweck mehr taugt. Zerrüttung und Verfall der kapitalistischen Wirtschaft bezeugen durch Wucherpreise, Hungerentlohnung, Unternehmersabotage, Arbeitslosigkeit, bezeugen durch blutige Massennöte, dass den ausbeutenden und herrschenden Klassen weder die Fähigkeit noch der Wille eignet, die gewaltigen Produktionsmittel und Produktionskräfte so zu verwalten, zu lenken, zu leiten, dass den schaffenden Massen der leibliche und geistige Lebensbedarf, Brot und Kultur gesichert, dass der Aufstieg der Gesellschaft zu höheren Formen und reicherem Inhalt des Lebens verbürgt sei, gefördert werde. Klaffender, himmelschreiender als je ist der unüberbrückbare wirtschaftliche und soziale Gegensatz zwischen dem Interesse, dem Recht der Vielen, die materielle Güter und Kultur schaffen, ohne die Frucht ihres Mühens zu ernten und dem Vorteil der Wenigen, die sich die Frucht dieses Mühens aneignen, sogar wenn sie selbst nicht die geringste persönliche Arbeitsleistung aufweisen, nur weil sie Besitzende sind. Kurz, die objektiven Bedingungen dafür sind gegeben, dass die „Stunde der Expropriation der Expropriateure schlägt“.

Die Weltenuhr hat zum Schlage ausgeholt, noch aber ist — von Sowjetrussland abgesehen — ihr Hammer nicht niedergesaust, noch ertönt nicht sein befreiender Schlag. Mit der in rasender Schnelle vorwärts stürmenden objektiven Entwicklung zur sozialen Revolution hat die subjektive Entwicklung im Bewusstsein der Proletarier, des schaffenden Volks nicht Schritt gehalten. Von den wirtschaftstechnischen Fortschritten und den Auswirkungen des Weltkriegs beflügelt, jagt die eine im Tempo des Wettrennautos einher, die andere jedoch humpelt bedächtig hinterdrein, der Postkutsche aus Urgroßväter Zeiten vergleichbar. Und dennoch! Seit die erste internationale kommunistische Frauenkonferenz zu Moskau getagt hat bis heute — ein kurzer geschichtlicher Augenblick, ein winziges Nu — welch ein Erwachen schlafender Proletarier, ausgebeuteter und unterdrückter Massen, welch ein Werden und Reifen revolutionärer Erkenntnis und revolutionären Tatwillens Erwachter!

in allen kapitalistischen Staaten Bewegungen, Vorstöße, Kämpfe von Proletariern, die sich gegen die Bisse der Schlange ihrer Qualen wehren, die diesem Ungeheuer den Kopf zertreten wollen. Bewegungen, Vorstöße, Kämpfe von Angestellten, Beamten, denen die harten Existenzsorgen die Tatsache ins Bewusstsein hämmern, dass auch sie Ausgewucherte, Geknechtete sind, die mit den Handarbeitern zusammen den Kapitalismus zu Boden schmettern müssen. Ein Ringen zwischen den Erzeugern und den Aneignern der gesellschaftlichen Güter und Werte, das mit elementarer Gewalt immer wieder aufs Neue anhebt, wenn es beendet zu sein scheint. Wirtschaftliche Streiks, die politischen Charakter annehmen, politische Kämpfe für die Durchsetzung wirtschaftlicher Forderungen. Dazu nationale Erhebungen und Aufstände — mehr oder minder stark sozial geprägt — in den Kolonialländern kapitalistischer Herrschaft; Kriege um die nationale Unabhängigkeit in Gebieten, denen diese Herrschaft aufgezwungen werden soll.

Überall aber, wo Proletarier, wo Versklavte und Ausgesogene sich erheben, um ihr Lebensrecht zu fordern, zu erkämpfen, wirft der Klassenstaat seine Maske ab. Kann er das Denken und Wollen der rebellierenden Lohnsklaven nicht mehr durch das Gift von Lügen, Listen und leeren Versprechungen lähmen, nicht mehr durch den Taumeltrank armseliger Reformen und billiger Zugeständnisse, so nimmt er seine Zuflucht zur brutalsten Gewalt. Seine Demokratie tritt nackt den fronenden Massen entgegen als die Klassenherrschaft der Besitzenden über die Habenichtse, als die blutige Klassendiktatur jener über diese. Den Proletariern, den Enterbten allerwärts wird es mit der Aufhebung der so genannten politischen Freiheiten und dem Belagerungszustand, wird es mit Maschinengewehren, Gummiknüppeln und Henkerjustiz eingebläut, dass ihr Weg zur Befreiung nicht über die bürgerliche Demokratie führt, sondern im heißen, opferreichen Kampfe gegen die Demokratie zur Eroberung der politischen Macht und zur Aufrichtung ihrer Diktatur durch die Räteordnung. Revolutionäre Massenaktion mit allen unter gegebenen geschichtlichen Umständen verfügbaren und gebotenen Mitteln, revolutionäre Massenkämpfe in jeder Form sind das Gebot der Stunde. Nach dem imperialistischen Weltkrieg um die Ausbeutungs- und Herrschaftsmacht der Kapitalisten verschiedener Nationen hat der Bürgerkrieg begonnen, ehernen Fußes über den Erdball zu schreiten, der Bürgerkrieg, in dem das Proletariat gegen die Bourgeoisie für Vernichtung jeglicher Ausbeutungs- und Knechtschaftsverhältnisse von Mensch zu Mensch ringt.

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Noch immer ist Sowjetrussland der einzige Staat, in denn das Proletariat in todesmutigem revolutionärem Ansturm die politische Macht erobert und seine Diktatur im zähen opferreichen Bürgerkrieg wie im Kampfe mit der internationalen Gegenrevolution behauptet hat. Mit des Schwertes Schärfe und mit schier übermenschlichem Dulden und Entbehren hat es „eine Atempause“ errungen für den kommunistischen Aufbau. Unter Umständen, die den Beginn dieses Aufbaus zu der gewaltigsten geschichtlichen Aufgabe machen, die je einer Klasse, einem Lande gestellt worden ist. In der Tat! Die große französische Revolution, die die Umhämmerung des feudalen in das bürgerliche Frankreich einleitete, erscheint trotz ihrer heroischen Kämpfe und kühnen Neuerungen fast liliputartig neben dem titanenhaften Unterfangen der proletarischen Revolution Russlands, die Grundmauern und Ecksteine der kommunistischen Ordnung zu setzen.

Nach den wirtschaftlichen und sozialen Kräften betrachtet, die das kommunistische Sowjetrussland tragen sollen, erscheint dieses als eine Pyramide, die auf der Spitze steht. Unten eine junge noch schwach entwickelte Fabrikindustrie, moderne Großwirtschaft die dünne junge Schicht eines neuzeitlichen Proletariats. Darüber gelagert die umfangreichen Massiven einer Bauernschaft, deren erdrückende Mehrzahl in geradezu vorsintflutlicher Weise wirtschaftet, kurz eine wirtschaftliche und soziale Struktur, die an mächtige urweltliche Formationen gemahnt. Von außen her keine Verbreiterung, keine Unterstützung der winzigen, schwachen Grundlage des kommunistischen Baus: Rings um das revolutionäre Sowjetrussland kapitalistische Staaten, deren Herren davor zittern, dass der „Bolschewismus“ ihre Lohnsklaven in revolutionäre Kämpfer verwandeln könnte. Aber auch Sowjetrusslands Wirtschaft und ihre Entwicklung zum Kommunismus ist mit tausend sichtbaren und unsichtbaren Fäden in das unzerreißbare Gewebe der Weltwirtschaft eingefügt. Kann die russische sozialistische Föderativrepublik nicht mit kommunistischen Staaten unter proletarischer Herrschaft einen Bruderbund schließen, so muss sie zu kapitalistischen Ländern unter Bourgeoisiediktatur in Beziehungen treten.

Unter den angedeuteten Verhältnissen vermehren, verwickeln, verschärfen sich für Sowjetrussland geradezu ungeheuerlich die Schwierigkeiten, die unvermeidliches Gefolge jeder sozialen Umwälzung sind. Sein oder Nichtsein! Die Antwort auf diese Schicksalsfrage heischt von dem russischen Proletarierstaat einen wirtschaftlichen und sozialen modus vivendi mit den Bauern, einen wirtschaftlichen und politischen modus vivendi mit dem kapitalistischen Ausland. Ein modus vivendi aber bedeutet Konzessionen. Sowjetrussland musste betreffs der Ablieferung des Getreides, der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und der teilweisen Wiederzulassung des freien Handels den Bauern Zugeständnisse machen, war zu Handelsbeziehungen mit kapitalistischen Staaten und zu Abkommen mit ausländischen Kapitalisten gezwungen. In diesen Konzessionen erblicken den heiß ersehnten „Anfang vom Ende“ alle, die ein Interesse und eine Lust daran haben, die russische Revolution, die Proletarierrepublik zu hassen und zu schmähen, — darunter nicht zuletzt die menschewistischen Führer aller Nationalitäten, die in ihr das böse Gewissen ihres eigenen Verrats und ihrer eigenen Feigheit verabscheuen. Das revolutionäre Proletariat hat die gemachten Zugeständnisse mit geschichtlichem Sinn anders zu bewerten. Als real politische Notwendigkeiten, die nicht gemessen werden dürfen an den einzelnen Vorteilen, die sie vorübergehend Trägern des Kapitalismus, des Privateigentums zuwenden, sondern nach ihrer Wirkung für das revolutionäre Ganze, nach der Machtstärkung der Sowjetordnung, der Proletarierdiktatur, deren dauerndes Ziel die Verwirklichung des Kommunismus ist.

Über die modi vivendi Sowjetrusslands als über eine „Verhöhnung und Preisgabe des Sozialismus“ sich zu entrüsten und über den „Bankrott des Bolschewismus“ zu jubeln, haben das allergeringste Recht jene Arbeiterführer, die bewusst oder unbewusst dazu beigetragen haben, den Kapitalismus in Westeuropa zu stützen, statt die äußerste Kraft daran zu setzen, ihn zu stürzen. Denn die harte Notwendigkeit, unter die sich der Proletarierstaat beugen muss, ist letzten Endes begründet in der Schwäche der Erkenntnis und des Willens der westeuropäischen Proletarier, im besonderen aber der deutschen Arbeiterklasse, den verfallenden, verwesenden Kapitalismus in die Grube zu stoßen und ihre Herrschaft aufzurichten. Der geschichtliche Rechenfehler Sowjetrusslands ist bis jetzt gewesen, dass es an die revolutionäre Einsicht und Tatkraft der Arbeiter aller Länder mit der heiligen Inbrunst seines eigenen Heldenmutes und Opfersinns geglaubt hat. Es ist Zeit, dass die Proletarier Westeuropas diesen Rechenfehler löschen, indem sie an die Stelle einer Null die Riesensumme ihrer zusammengeballten revolutionären Energie einstellen. Ihr ängstliches, scheues Ausweichen vor dem letzten heiligen Krieg darf nicht das Verhängnis des sturmgeprüften Proletariats werden, dessen Werk und Reich das hinreißende, glänzende Beispiel und der starke Schutz der sozialen Revolution ist.

So stellt das Zeitgeschehen die Dritte Internationale vor eine historische Aufgabe von einer Bedeutung, einem Umfang, einer Vielgestaltigkeit und Verschlungenheit, desgleichen die Geschichte noch nie gesehen. Denn die Dritte Internationale soll der Exponent, die bewusste tatfähige Zusammenfassung all der revolutionären gesellschaftlichen Kräfte sein, die in den kapitalistischen Staaten die wirtschaftliche Ausbeutungsmacht der besitzenden Klassen niederringen und ihren politischen Herrschaftsapparat zerschmettern; die in den Ländern vorkapitalistischer Entwicklung die Ketten der Unterdrückten und Ausgeraubten sprengen; die im befreiten Russland am kommunistischen Aufbau sind und den Proletariern der ganzen Weit mit dem Schwert die Kelle reichen. Sie muss die unwiderstehlichste soziale Macht werden, die Macht zielklarer, wegsicherer, geschichtlicher Erkenntnis und Erfahrung, lebendig und schöpferisch geworden in dem unbeugsamen Willen ungezählter Millionen, die die Welt nicht bloß verstehen, sondern verändern wollen. Die bevorstehenden Tagungen der Kommunistischen Internationale zu Moskau müssen Geschichte machen.

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Auf dem Boden der flüchtig umrissenen revolutionären Entwicklung und im Zusammenhang mit dem Leben und Weben der Dritten Internationale haben die Kommunistinnen ihre zweite internationale Konferenz und deren Aufgaben zu betrachten. Einige Buchstaben, einige Worte des gewaltigen revolutionären Heldengedichts unserer Zeit, doch in ihm nicht zu missen. Im Wesentlichen sind die Aufgaben der zweiten internationalen kommunistischen Frauenkonferenz vorgezeichnet durch die Vorarbeit, die ihre Vorgängerin letztes Jahr geleistet und durch die „Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung“, die die Exekutive der Dritten internationale herausgegeben hat. Worauf es nun ankommt, das ist die internationale Durchführung des aufgezeigten und begonnenen Werks.

Die Dritte Internationale ist von der Erkenntnis beseelt, dass das Proletariat ohne den zielbewussten und opfermutigen Mitkampf der Frauen die politische Macht weder erobern, noch seine Herrschaft behaupten kann; dass es ohne die einsichtige und hingebungsvolle Mitarbeit des weiblichen Geschlechts die kommunistische Ordnung nicht aufzubauen vermag. Sie hat deshalb die Frauen als gleichberechtigt, gleich verpflichtet und gleich gewertet der revolutionären Arbeits- und Kampfesmacht des Proletariats fest eingegliedert. Ideologisch und organisatorisch, national und international. So entschieden sie die Sonderorganisationen und eigenbrötlerische Bestrebungen der Kommunistinnen als Frauen verwirft, so rückhalslos gewährt sie ihnen die Bewegungsfreiheit, so großzügig schafft sie ihnen die Sonderorgane und Einrichtungen, ermöglicht sie ihnen den Gebrauch eigener Methoden, die zweckmäßig und nötig erscheinen, um die Aufgaben der kommunistischen Frauenbewegung im großen Ganzen jeder Kommunistischen Landespartei und der Internationale zu erfüllen.

Die kommunistische Frauenbewegung ist national und international im Rahmen der allgemeinen Organisation nichts als die planmäßige, organisierte Zusammenfassung aller Kräfte, die bewusst dafür wirken, große proletarische Frauenmassen zu revolutionieren, für die Überwindung des Kapitalismus und die Aufrichtung der proletarischen Diktatur in dem Kampf, für die Verwirklichung des Kommunismus an die Arbeit zu führen. Auf dass sie ihr Ziel erreichte, muss sie im Ringen um die Seelen der Proletarierinnen, der Frauen des schaffenden Volks die vorhandenen sozialen Angriffs- und Stützpunkte ausnutzen und sich den erforderlichen Arbeits- und Kampfesapparat schaffen, sich über die zweckmäßigste Art und Weise seiner Anwendung klar werden. Anders gesagt: Sie bedarf der Losungen, die ins Hirn und Herz der ausgebeuteten und unfreien Frauen dringen und ihre Sammlung, Schulung und Kampftüchtigkeit unter dem Banner der Dritten Internationale bewirken. Sie bedarf organisatorischer Maßnahmen und Einrichtungen, die die bestmögliche Arbeits- und Aktionsfähigkeit der Genossinnen bei Erfüllung ihrer Aufgabe gewährleisten.

Die provisorische Tagesordnung der zweiten internationalen kommunistischen Frauenkonferenz will der zwiefachen Notwendigkeit gerecht werden. Ihre zwei ersten Punkte gelten dem organisatorischen Rüsten für Arbeit und Kampf der Genossinnen, die drei folgenden dem Weckruf an breite Frauenmassen unter der Führung der Dritten internationale als ihrer getreuen Sachwalterin aus dem düsteren Abgrund des Gegenwartselends, darinnen der Kapitalismus die Leiber und Seelen ungezählter Millionen verderben macht, revolutionär kämpfend emporzusteigen, der sonnigen Höhe des Kommunismus entgegen.

Es dürfte manche Genossin befremden, dass trockene, nüchterne, praktische Organisationsfragen an erster Stelle zur Behandlung vorgesehen sind und nicht die zündenden Losungen, die der Kommunismus allein zu den anderen Punkten der provisorischen Tagesordnung zu geben vermag. Vergessen wir nicht, dass die Dritte internationale, ungleich der Zweiten, nicht eine Vereinigung für die Veranstaltung glänzender Paraden und die Fabrikation tönender Resolutionen sein will. Nein. Sie will bewusst werden, was das eherne Muss der Geschichte von ihr fordert. Eine Internationale der Arbeit, der Tat, des Kampfes. Deshalb ist auch für die internationale kommunistische Frauenbewegung die Gestaltung und Vervollkommnung des Arbeit, und Kampfapparates keine Nebensächlichkeit. Die Genossinnen wissen sehr wohl, dass der organisatorische Apparat und die Formen ihres Wirkens nicht die Schöpfer des revolutionären Geistes, der revolutionären Tatbereitschaft sind, vielmehr nur Werkzeuge solchen Geistes und solcher Tatbereitschaft. Allein sie sind sich auch bewusst, wie wirksam ein gut aufgebauter und funktionierender Organisationsapparat und zweckmäßige Betätigungsmethoden als Diener des Gedankens und Willens sein können. Deshalb widmen sie den einschlägigen Fragen volle Aufmerksamkeit.

Die Erfahrung hat gelehrt, dass ihre Behandlung stets zu kurz kommt, wenn sie erst gegen den Schluss einer Tagung erfolgt. Die Geister sind ermüdet, abgespannt, und die spröden Beratungsgegenstände beflügeln die wenigsten zu neuem, starkem Schwung. Ein Verebben der Aufmerksamkeit ist jedoch nicht zu befürchten, wenn erst später große Probleme aufgerollt, weittragende Forderungen begründet werden, die die schaffenden Frauen auf die Kommunistische Internationale als ihre zuverlässigste Vertreterin und sachkundigste Führerin gebieterisch hinweisen; auf die proletarische Revolution als die fesselsprengende Macht; auf den Kommunismus als den einzigen Erlöser von Ausbeutung und Knechtschaft. Hier befeuert die schöpferische Kraft der kommunistischen Idee, die kritisch wägt und misst, was geschichtlich ist und wie es ist, und prophetisch aufzeigt, was sein soll und sein kann, hier befeuert die schöpferische Kraft der Idee, die der kategorische Imperativ der Frauensehnsucht ist, die Seelen der Konferenzteilnehmerinnen zu leidenschaftlicher innerer Anteilnahme. Die Idee weitet die Grenzen ihrer Kraft. So ist bei der vorgeschlagenen Gruppierung der Beratungsgegenstände nicht zu befürchten, dass die einen oder anderen nicht zu ihrem Recht kommen würden.

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Die Behandlung von a) und b) des ersten Punktes der provisorischen Tagesordnung gehört innerlich zusammen. Die Befestigung und bessere Ausgestaltung der internationalen Verbindungen zwischen den Genossinnen der einzelnen Länder ist unstreitig von größtem Einfluss auf das Was und Wie der Leistungen des internationalen Frauensekretariats zu Moskau. Über die beiden Seiten der einen Sache ist das Grundlegende bereits in den „Richtlinien“ festgelegt. Es heißt da, dass die Landes-Frauenagitationsausschusse oder Landes-Frauensekretariate der einzelnen Sektionen der Kommunistischen Internationale eine internationale Korrespondentin zu bestimmen haben, die in ständiger Verbindung mit dem internationalen Frauensekretariat steht. Die einzelnen Landes-Frauenausschüsse oder Landes-Frauensekretariate sollen untereinander eifrigen Verkehr unterhalten. Als Aufgaben des internationalen Frauensekretariats zu Moskau sind vorgesehen:

a) Eine rege Verbindung mit den Landes-Frauenausschüssen der einzelnen Kommunistischen Parteien herzustellen und zu unterhalten, ebenso die rege Verbindung dieser Landes-Frauenausschüsse untereinander.

b) Alles Tatsachen und Agitationsmaterial zu sammeln, das sich aus dem Wirken der einzelnen Landes-Frauenausschüsse ergibt ‘und es diesen zugänglich zu machen.

c) Die Erzeugnisse der kommunistischen Frauen und Parteiliteratur der verschiedenen Länder — „Frauenseiten“, Zeitschriften, Flugblätter usw. — zu sammeln und ihren Austausch von Land zu Land zu veranlassen.

d) Die Entwicklung der Erwerbsarbeit, der bürgerlichen und öffentlichen Rechtsstellung der Frauen, ihrer beruflichen und allgemeinen Ausbildung, Fragen des Arbeiterinnenschutzes, der Fürsorgeeinrichtungen für Mutter und Kind, des Wohnungswesens usw., kurz, alle Probleme des Frauenlebens und der Frauenbetätigung. In den verschiedenen Ländern genau zu verfolgen, das darauf bezügliche Material zu sammeln, die Landes-Frauenausschüsse auf hervortretende Fragen und Aufgaben von internationaler Bedeutung aufmerksam zu machen und auf das vorliegende Studienmaterial hinzuweisen.

e) Die internationalen Korrespondentinnen der einzelnen Landesorganisationen aufzufordern, rasch über besonders wichtige Vorgänge und Erscheinungen zu berichten, mindestens aber einmal in drei Monaten.

f) Ein internationales Informationsorgan herauszugeben, das außer einem zusammenfassenden allgemeinen Bericht besonders wichtige Einzelheiten veröffentlicht und auf vorliegende allgemeine Fragen, Aufgaben und Aktionen hinweist.

g) Bei internationalen Aktionen des Proletariats unter Führung der Kommunistischen Internationale unverzüglich alle Schritte zu tun, um in allen Ländern auch bei breitesten schaffenden Frauenmassen als einsichtsvolle, opferwillige und kühne Mitträgerinnen des Kampfes dem revolutionären Heer einzureihen.

h) Internationale Konferenzen der Kommunistinnen einzuberufen und zu leiten, die dazu dienen, den Austausch der gewonnenen Erfahrungen und neuen Anregungen für die Arbeit zu erleichtern, die Verbindung zwischen den Genossinnen zu festigen und die großen Massen schaffender Frauen international zu revolutionärer Arbeit und revolutionärem Kampf zusammenzuballen.

Es wird Aufgabe der Konferenz sein, mit scharfem Tatsachensinn ohne Selbstillusionen zu prüfen, inwieweit die vorstehenden Bestimmungen der „Richtlinien“ national und international aus Theorie zur Praxis geworden sind. Ferner nach dem Wie und Warum unvollkommener Durchführung zu fragen und sich über die Maßnahmen schlüssig zu werden, die die nötige Festigkeit und Regelmäßigkeit der internationalen Verbindung gewährleisten als Voraussetzung für die erforderliche Einheitlichkeit und Raschheit des internationalen Handelns. Soweit zur Stunde ein Überblick möglich ist, tritt dieses hervor. Die internationale Verbindung zwischen den Kommunistinnen der einzelnen Länder und dem internationalen Frauensekretariat zu Moskau ist noch sehr schwach und unregelmäßig, ja zum Teil nur Ziel aufs innigste gewünscht, nicht arbeit- und kampffördernde Wirklichkeit. Das gleiche gilt von den internationalen Beziehungen, die unsere Genossinnen der einzelnen nationalen Landessektionen untereinander verknüpfen. Sie sind lose, dürftig.

Ein großer Teil der Schuld an alle dem liegt bei den Verkehrsverhältnissen, die ungeachtet des formellen Friedens im Zeichen des Kriegszustandes stehen, sei es des Krieges mit dem „äußeren“ oder dem „inneren Feind“. Die daraus sich ergebenden äußeren Schwierigkeiten haben bis heute bewirkt, dass die ernstesten wiederholten Bemühungen so gut wie fruchtlos geblieben sind, eine dauerhafte Verbindung zwischen den Kommunistinnen der Zentralstaaten des Westens und Skandinaviens auf der einen Seite, denen der Balkanstaaten auf der andern Seite herzustellen. Zu den Genossinnen in Amerika fehlen noch jede Beziehungen. Alles in allem sind auch die Versuche vergeblich geblieben, die Verbindung mit den Kommunistinnen verschiedener Länder mit Hilfe von Genossen aufzunehmen, die aus jenen Ländern kamen oder nach ihnen reisten. Kein Echo dieser Versuche hat geantwortet. Als unzulänglich haben sich weiter die Einrichtungen erwiesen, die dem regelmäßigen Verkehr zwischen dem internationalen Frauensekretariat zu Moskau und seiner Vertretung im Ausland wie auch den Kommunistinnen der nichtrussischen Länder dienen sollten. Kurz wir müssen feststellen: in puncto der Organisierung und Zentralisierung fester und, schneller internationaler Verbindung zwischen den Kommunistinnen ist noch viel, sehr viel, ja fast noch alles zu tun.

Jedoch wäre es grundverfehlt, die Schwäche und Lückenhaftigkeit unserer internationalen Beziehungen lediglich auf das Schuldkonto des offiziellen und revolutionären Verkehrsdienstes zu setzen. Es spiegelt sich darin vielmehr ein weit wichtigerer Tatbestand wieder. Das ist die Jugend, Schwäche und organisatorische wie politische Unfertigkeit der kommunistischen Frauenbewegung sehr vieler Länder. Sehen wir die Dinge ehrlich, wie sie sind, nicht wie wir sie sehen möchten. Der Prozess der ideologischen und organisatorischen Herauskristallisierung einer kommunistischen Partei aus den verschiedenen alten sozialdemokratischen Parteien, den Gewerkschaften und Genossenschaften, den erwachenden unorganisierten proletarischen Massen ist erst in wenigen Staaten und erst vor kurzem zu einem gewissen Abschluss gekommen, in anderen hat er kaum begonnen oder ist er noch in stärkstem Fluss.

Dieser Prozess vollzieht sich fast überall in heißen Kämpfen mit den Gewalten der ausbeutenden und herrschenden Minderheit und unter leidenschaftlichen, schmerzhaften Auseinandersetzungen im Proletariat selbst. Diese Situation müsste für die Kommunistische Partei der in Betracht kommenden Länder ein Ansporn sein, die Organisierung und Betätigung der Kommunistischen Frauenbewegung kraftvoll zu fördern. Leider wirkt sie häufig auf deren Vernachlässigung und Nichtbeachtung hin. Das Verhalten der Kommunistischen Partei zur Kommunistischen Frauenbewegung hat noch nicht in allen Staaten das Erbe alter Vorurteile vollständig von sich abgeschüttelt. Nur zu oft wird es beherrscht durch die geschichtlich wohl begreifliche, aber trotzdem politisch unentschuldbare Einstellung von Führern, die diese Bewegung unterwerten, weil sie in ihr nur „Frauensache“ erblicken, statt eines bedeutsamen organischen Teils des proletarischen Emanzipationskampfes. So erfolgt der Aufbau, die organisatorische Zusammenfassung und Gestaltung der Kommunistischen Partei hier und dort, ohne dass der inneren und äußeren Eingliederung der Kommunistischen Frauenbewegung die gebotene Beachtung geschenkt wird. Im Allgemeinen geht diese Eingliederung in dem Masse vor sich, als eine Kerntruppe überzeugter, geschulter und energischer Genossinnen sie durchzusetzen vermag.

Die den „Richtlinien“ entsprechende ideologische und organisatorische Eingliederung der kommunistischen Frauenbewegung in die Partei und damit in die Dritte Internationale ist in den wenigsten Landessektionen vollzogen. Sie ist selbstverständliche Tatsache in der Kommunistischen Partei Russlands, ist durchgeführt in Bulgarien und Deutschland, wo die Partei die gemeinsame Organisation der Männer und Frauen von den alten sozialdemokratischen Parteien übernahm und nur die Überspannung eines erstarrten Organisationsschemas beiseite stoßen musste; sie besteht in der Tschechoslowakei und in Österreich, wo diese Organisation seit Jahren ein Ziel der Arbeiterbewegung war, das erreicht werden konnte, als das alte Vereinsgesetz fiel. Sie bildet sich in der Schweiz heraus, in Italien und Frankreich; in Holland liegt sie noch im Argen und hat in England kaum begonnen. Wie es damit in den übrigen Ländern Europas und in Amerika steht, wissen wir nicht. Es muss dabei beachtet werden, dass die organisatorische Zusammenfassung der Kommunistinnen nicht nur in Ländern mit überwiegend kleinbürgerlich-kleinbäuerlicher Wirtschaft und Kultur langsam voranschreitet, sondern ebenso dort, wo es eine alte, kraftvolle bürgerliche Frauenbewegung gibt, von der sich die proletarische Frauenbewegung allmählich losgelöst, und mit der sie noch manches gemein hat. Wo das der Fall ist, finden wir meist eine Zersplitterung der proletarischen Frauenbewegung, gesonderte Nur-Frauenorganisationen von der Befürchtung beherrscht, das Recht und die praktisch nötige Bewegungsfreiheit der Genossinnen würde durch ihre Einreihung in die Kommunistische Partei beeinträchtigt. Das Gegenstück dazu ist auf Seiten der Genossen geringer Eifer für diese Einreihung, ja Widerstand dagegen, aus dem Misstrauen heraus, frauenrechtlerische Tendenzen und Quertreibereien würden des Leben der Partei schwächen.

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Es ist mit Händen zu greifen, dass international nicht organisiert werden, nicht funktionieren kann, was national nicht vorhanden ist. Die kräftige Entwicklung, die straffe, zentralisierte Organisierung der Kommunistischen Frauenbewegung in der Kommunistischen Partei der einzelnen Länder ist eine Voraussetzung für unsere lebendigen, festen internationalen Beziehungen. Gewiss: die internationalen Beziehungen zwischen den Genossinnen und namentlich die Bemühungen des internationalen Sekretariats können erheblich dazu beitragen, die Entwicklung, die Organisierung der Kommunistischen Frauenbewegung in den verschiedenen Staaten zu fördern und voranzutreiben. Gerade von der internationalen Zentralstelle aus kann und soll das mit Rat und Tat geschehen, sie soll helfend eingreifen, wo die Entwicklung schwach, unsicher, zögernd ist. Jedoch wir kommen um die Tatsache nicht herum, dass das internationale Frauensekretariat nur unvollständig zu arbeiten, zu wirken vermag, solange es gleichsam in der Luft steht, der breiten, tragenden Grundlage in den einzelnen Ländern ermangelt. Damit strotzendes, stark pulsierendes Leben von unserer internationalen Zentralstelle ausgehe, müssen ihr stetig von allen Seiten Säfte und Kräfte zugeführt werden. In ununterbrochenem Strom muss tätiges, kämpfendes Leben zu ihr emporsteigen und von ihr herabfluten. Das internationale Frauensekretariat muss das große Sammelbecken sein, in das aus allen Ländern die tatsächlichen Feststellungen, die Erfahrungen, Anregungen, Erkenntnisse, Tendenzen, Forderungen zusammenfließen, deren Kenntnis zur Beurteilung und Förderung der Kommunistischen Frauenbewegung erforderlich ist. Von hier aus muss zum internationalen Gemeingut an Erkenntnis, Wille, Tatkraft, Leistungstüchtigkeit werden, was in den einzelnen Ländern bei Arbeit und Kampf der Genossinnen heran gereift ist.

Das internationale Frauensekretariat ist über die Anfänge solchen Wirkens und solcher Bedeutung nicht hinausgekommen. Nicht etwa, weil es an der Fähigkeit, am Willen, an Arbeitsfreudigkeit gefehlt hat, sondern an den beiden hervorgehobenen Voraussetzungen. Die Tätigkeit des internationalen Frauensekretariats hat sich in der Hauptsache darauf beschränkt, darauf beschränken müssen, den Kommunistinnen außerhalb Sowjetrusslands Tatsachenmaterial und Arbeiten zu übermitteln über die beispielgebende heroische, opferwillige Betätigung der russischen Frauen im Kampfe für die Eroberung und Behauptung der Staatsgewalt durch das Proletariat, wie beim Aufbau der Wirtschaft, der neuen Gesellschaft, über die großzügige Verwirklichung vollen Frauenrechts durch die Räteordnung etc. Kurz es hat sich bemüht, die Genossinnen der ganzen Welt an dem gewaltigen geschichtlichen Anschauungsunterricht teilnehmen zu lassen, den die proletarische Revolution in Sowjetrussland erteilt über die enge, organische Verknüpfung, die besteht zwischen der Niederzwingung des Kapitalismus, der Aufrichtung des Kommunismus und der Befreiung der Frau in Wahrheit und Tat.

Das internationale Frauensekretariat hat damit Wertvollstes, Unentbehrliches geleistet. Allein trotz alledem ist sein Wirken nicht international im vollen Umfange des Begriffs. Es fehlen ihm dazu die lebendigen, starken Wechselbeziehungen mit der kommunistischen Frauenbewegung der einzelnen Länder, der kräftigende, vorantreibende Einfluss auf sie, die politische aktive Führung, die Arbeit und Kampf der Genossinnen der ganzen Welt Ziele setzt, Wege weist, die zur internationalen Vereinheitlichung und Zusammenballung der Erkenntnis, des Willens, der Aktion drängt. Das Alles selbstverständlich im Rahmen des Lebens und Webens der Dritten Internationale und auf dem Boden ihrer Grundsätze und Taktik. Das einzige internationale einheitliche Vorgehen der Kommunistinnen, zu dem das internationale Frauensekretariat die Initiative ergriffen hat, war die Veranstaltung des internationalen kommunistischen Frauentags, der, wie die Maifeier, ein Erbe aus der Zeit der Zweiten Internationale ist. Die Initiative vermochte die zeitliche Einheitlichkeit des Frauentags nicht zu sichern, in der Hauptsache infolge der Ungunst äußerer Umstände, unter der das internationale Frauensekretariat zu Moskau arbeitet, und die nicht in Rechnung gestellt worden war. Von dem Frauentag abgesehen, nicht ein Versuch, große Kämpfe des Proletariats wie z. B. den Kohlenarbeiterstreik in England, durch internationale Solidarität der Frauen des werktätigen Volkes zu unterstützen oder drückende Frauennöte zum Ausgangspunkt des internationalen Handelns der Genossinnen zu machen, Das internationale Frauensekretariat aber darf nicht bloß internationales Informationsorgan sein, es muss für die kommunistische Frauenbewegung international Führung, Initiative, Tatwillen geben.

Es wird eine der wichtigsten Aufgaben unserer zweiten Konferenz sein, die Voraussetzungen dafür schaffen zu helfen. Von ihr muss ein mächtiger Impuls ausgehen, die kommunistische Frauenbewegung der verschiedenen Staaten in Übereinstimmung mit den „Richtlinien“ zu organisieren, ihre Leistungstüchtigkeit zu steigern und ihre Beziehungen von Land zu Land mit dem internationalen Frauensekretariat zu festigen. Sie hat die Ausgestaltung aller technischen Verbindungsmöglichkeiten dafür sicher zu stellen. Sie muss fordern, dass dem internationalen Frauensekretariat zu Moskau das unabweisbare nötige arbeitende Hilfsorgan in Westeuropa zur Seite gestellt wird, das die jetzige Isolierung unserer internationalen Zentralstelle aufhebt. In der Tat: ohne ein solches Hilfsorgan kann diese in keiner Beziehung vollständig arbeitsfähig, aktiv werden. Die Lage ihres Sitzes und die vorliegenden Verkehrsschwierigkeiten schließen das aus. Eine Verlegung des Sitzes ist schlechterdings undenkbar. Sie wird durch Stärkeres verwehrt als allein durch das nötige enge Zusammenarbeiten mit der Exekutive der Dritten Internationale, obgleich auch dieser Grund schon durchschlagend wäre. Nämlich durch die zwingende innere Notwendigkeit, die auch die Exekutive an Moskau fesselt. Die obersten, entscheidenden, führenden Zentralstellen müssen ihren Sitz in Sowjetrussland haben, wo das glühende Herz der Weltrevolution klopft; wo ihr schöpferischer Odem aus Neuerscheinungen und Erfahrungen Erkenntnisse und fruchtbaren Willen emporwachsen macht; wo Probleme erstehen, die morgen, übermorgen die Probleme des revolutionären Proletariats anderer Länder sein werden; wo Lösungen sich durchsetzen, aus denen dieses Wegweisung für Kampf und Arbeit gewinnt. Auch für das Ringen der Frau um volle menschliche Befreiung, ja gerade für dieses Ringen ist Sowjetrussland eine Fundgrube der Erkenntnis, ein Jungbrunnen revolutionärer Energie.

Die jetzige Isolierung des internationalen Frauensekretariats kann durchbrochen werden durch die Tätigkeit eines arbeitenden westeuropäischen Hilfssekretariats, das in engster Verbindung mit der Moskauer Institution wirkt. Diese Tätigkeit darf die straffe internationale Zentralisierung der kommunistischen Frauenbewegung, der Dritten Internationale nicht durchkreuzen und abschwächen, sondern sie muss ihr dienen, muss sie festigen und sichern. Hinter der Form eines westeuropäischen Hilfssekretariats unserer internationalen Zentralstelle darf sich keineswegs im Wesen eine selbständige Leitung der kommunistischen Frauenbewegung verkriechen. Das westeuropäische Hilfssekretariat muss Beratung und Werkzeug des Internationalen Frauensekretariats zu Moskau bleiben, es ist unzulässig, dass es zu dessen heimlicher Führung und Bindung werde. Seine Aufgabe ist es, Vorarbeit und Nacharbeit für die Betätigung, Anregungen, Beschlüsse der Moskauer Zentralstelle zu leisten. Durch seine Verbindung mit den Kommunistinnen aller nichtrussischen Länder muss es ein fester Stütz- und Knotenpunkt der Beziehungen zwischen ihnen und dem Internationalen Frauensekretariat sein. Es hat das internationale Material zu suchen, zu sammeln, zu sichten und zu ordnen, dessen dieses für sein Wirken und seine Maßnahmen bedarf. Es muss der kommunistischen Frauenbewegung der einzelnen nationalen Sektionen der Dritten Internationale das Material rasch und regelmäßig übermitteln, das das Moskauer Sekretariat zur Verfügung stellt, es muss der schnelle und sichere Vermittler von deren Ratschlägen, Anregungen, Beschlüssen, Forderungen sein. Für seine Arbeit, sein Handeln ist es an die Zustimmung des Internationalen Sekretariats gebunden. Eine gewisse Bewegungsfreiheit kann ihm nur unter sehr bestimmten Umständen zustehen. Nämlich wenn eine gegebene Situation für die Durchführung von Aktionen, zu denen die Exekutive der Dritten Internationale aufgerufen hat, das sofortige Handeln der Kommunistinnen zur Mobilisierung breiter proletarischer Frauenmassen fordert, und wenn es ein schädlicher Zeitverlust wäre, die Zustimmung der Moskauer Institution abzuwarten. In so gelagerten Fällen hat das westeuropäische Hilfssekretariat im Auftrage und im Namen des Internationalen Sekretariats das Nötige zu tun.

Der bevorstehenden Frauenkonferenz zu Moskau liegt es ob, sich klar, unzweideutig zur Frage der Errichtung eines westeuropäischen Hilfssekretariats unserer internationalen Zentralstelle zu äußern. Sie muss ebenso klar und unmissverständlich seine Aufgaben, seine Befugnisse umgrenzen, sein Verhältnis zum internationalen Sekretariat feststellen. Gründe praktischer Zweckmäßigkeit sprechen dafür, dass die Hilfsinstitutionen an die Redaktion der „Kommunistischen Frauen internationale“ angegliedert werde. Mit ihr ist bereits ein Mittelpunkt vorhanden, in dem bis jetzt die meisten Fäden internationaler Beziehungen zwischen den Genossinnen verschiedener Länder zusammenlaufen und der gleichzeitig mit der internationalen Zentralstelle verbunden ist.

Das Hilfssekretariat könnte vielleicht in der Art organisiert werden, dass ihm außer der Vertreterin des internationalen Frauensekretariats in den nichtrussischen Ländern und den nötigen Hilfskräften noch eine von der internationalen Zentrale entsandte Beauftragte angehört. Es ist eine Frage nicht des Prinzips, sondern zu sichernder Arbeitsfähigkeit, ob in ihm dauernd oder zeitweilig Vertreterinnen der Kommunistischen Frauenbewegung der einzelnen Länder mitarbeiten. Darüber kann die Konferenz am besten entscheiden, nachdem sie einen möglichst umfassenden und genauen Überblick erhalten hat über die Größe unseres internationalen Arbeitsfeldes und die dafür verfügbaren durchgebildeten Kräfte. Das Hilfssekretariat müsste verpflichtet sein, bei Situationen, die unverzügliches, einmütiges Handeln der Genossinnen verschiedener Länder, bestimmter Ländergruppen erfordern, in Betracht kommende führende Genossinnen zu einer Besprechung aufzufordern, an der eine Vertretung des internationalen Frauensekretariats teilnimmt. Es hätte mindestens alle sechs Monate eine internationale Zusammenkunft der mit ihm in Verbindung stehenden Kommunistinnen zu veranstalten, ferner eine solche spätestens zwei Monate vor dem Stattfinden einer internationalen kommunistischen Frauenkonferenz, um deren gründliche Vorbereitung zu sichern. All das natürlich nach vorausgegangener Verständigung mit dem internationalen Sekretariat und unter Mitwirkung von deren Vertreterinnen. Wir sind überzeugt, dass es der Konferenz gelingen wird, die organische Vereinigung zu finden, zwischen der nötigen festen internationalen Zentralisation der kommunistischen Frauenbewegung und der ebenso unentbehrlichen Arbeitsfähigkeit der einzelnen Glieder und Teile des Arbeits- und Kampfesapparats. Die möglichste Vollkommenheit dieser Vereinigung kann nur die Frucht der Praxis sein, muss aus Arbeit und Kampf erwachsen. Sie wird im raschen Kreislauf und frischem Spiel der Kräfte reichstes Leben nach oben leiten und reichstes Leben von dort her in die Breite quellen machen.

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Die Konferenz hat sich auch mit den Methoden und Formen unserer Arbeit unter den Frauen zu befassen. Eine unscheinbare und doch eine äußerst wichtige Frage das! Die Methoden und Formen unserer Arbeit sind mit entscheidend dafür, mit welchem Erfolg für die Revolutionierung der Geister und Willen wir den kostbaren Inhalt der Partei, die kommunistische Idee, die kommunistische Auffassung des gesamten sozialen Lebens breitesten proletarischen Frauenmassen vermitteln. Was ist die zielklarste, wegkundigste Erkenntnis vom nahenden Ende des Weltkapitalismus, von dem ehernen geschichtlichen Muss der proletarischen Diktatur, wenn sie die „Geheimlehre“ einiger. Führerinnen, einer kleinen begrenzten Gruppe bleibt? Ein wundervolles Spiel des Geistes, das einige wenige über das Grauen dieser Zeit hinweg trägt in das Reich der Freiheit mit seinen Wonnen, nicht aber wirkendes revolutionäres Leben. Wir müssen die nüchterne Frage nach den Formen und Methoden unserer Arbeit unter den Frauen im Zusammenhang mit Marxens genialem Worte betrachten: „Auch die Theorie wird Gewalt, wenn sie die Massen ergreift“. Unsere Betätigung unter den Proletarierinnen, den schaffenden Frauen muss eingestellt sein auf Massenerkenntnis als Vorbedingung für Massenwillen, Massentat und Massen macht.

Die Dritte Internationale erblickt die Frage in diesem Zusammenhang. Die „Richtlinien der internationalen kommunistischen Frauenbewegung“ betonen deshalb, dass bei der Arbeit unter den Frauenmassen sowohl die psychische Eigenart des Weibes wie seine Sonderstellung in der Familie, der Gesellschaft berücksichtigt werden müsse. Damit ist unseren Genossinnen nicht nur Wegweisung gegeben, sondern auch gleichzeitig die erforderliche Freiheit und Selbständigkeit für die Wahl der Methoden und Formen ihrer Arbeit gesichert. Diese Wahl hängt von der Antwort auf zwei Fragen ab: Wie sind, wie empfinden, denken und begehren die Menschen, die wir aus Kreuzesträgerinnen der bürgerlichen Ordnung in revolutionäre Kämpferinnen für die Diktatur des Proletariats, für den Kommunismus umformen wollen? In welchen sozialen Bedingungen leben sie, müssen sie erfasst werden? Die Antwort auf diese beiden Fragen, aus dem Leben geschöpft, aus der tagtäglichen Berührung mit dem Sein und Tun der schaffenden Frauen, zeigt uns die Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit ihrer sozialen Existenzverhältnisse, den Unterschied der sozialen Schichtung zwischen ihnen, den Einfluss zunehmender Berufstätigkeit. Aber sie erweist auch ein anderes. Die überragende Macht der Familie über das Leben und Weben der schaffenden Frauen. Die Sonderstellung, die Sonderaufgaben der Frau in der Familie, die darauf beruhende Einstellung dem Leben gegenüber gestalten das äußere und innere Dasein von Millionen Frauen, auch von solchen, die gleich den Männern erwerbstätig sind. Die Methoden und Formen unserer kommunistischen Arbeit unter den Frauenmassen müssen dem Rechnung tragen. Zumal in den außerrussischen Ländern, wo die Revolution noch nicht die alten Ketten der Familienwirtschaft gesprengt hat, wo der kommunistische Aufbau noch nicht neue, das Weib befreiende Gesellschaftseinrichtungen schafft.

Die Methoden und Formen unserer Arbeit unter den Frauen müssen im Bewusstsein der revolutionären Weltsituation mehr als je darauf abzielen, große Heere schaffender Frauen dem Kampf des Proletariats für die Eroberung und Behauptung der Staatsmacht zuzuführen. Denn diese Eroberung und Behauptung ist der Anfang der sozialen Revolution. Deshalb wird besonders bedeutsam sein, was uns die russischen Genossinnen über die Formen und Methoden der Arbeit unter den Frauen zu sagen haben, und zwar über diese Formen und Methoden nicht bloß während der Revolution, sondern auch in den Jahren vor der Aufrichtung der Räteordnung. Die Methoden und Formen der Arbeit unserer russischen Genossinnen sind erprobt bei Sturm und Wogen drang, bei legaler und illegaler Betätigung, im Kampfe mit dem Zarismus und der Kerenski-Demokratie, den Kapitalismus als Todfeind stets daneben. Sie sind erprobt im letzten großen Ansturm des Proletariats für die Eroberung der politischen Macht wie nach dem Siege, als es galt, die Macht im Ringen mit der nationalen und internationalen Gegenrevolution zu behaupten, das schöpferische Aufbauwerk zu beginnen.. So können sie den Kommunistinnen aller Länder Beispiel und Anregung sein. Dass sie nicht unter allen gegebenen nationalen Umständen mechanisch nachgeäfft werden können, dass sie dem Geist nah und mit Geist angewendet werden müssen, ist eine Binsenwahrheit, über die sich nur die Sozialpatrioten und Sozialpazifisten aufregen und die Köpfe zerbrechen können. Ein Beispiel dafür.

Unstreitig erweisen sich in Sowjetrussland die parteilosen Delegiertenversammlungen und Delegiertenkonferenzen von Arbeiterinnen und Bäuerinnen als eine der erfolgreichsten Formen des Bemühens, für Kampf und Aufbau im Zeichen des Kommunismus breite Frauenmassen zu gewinnen, die diesen indifferent oder gar feindlich gegenüberstehen. Solche Delegiertentagungen wirken weckend, werbend, sammelnd auf ausgedehnte Frauengruppen ein und halten sie durch ihre Vertreterinnen in steter lebendiger Fühlung mit unseren Genossinnen wie den verschiedenen Organen ihrer Tätigkeit. Gleichzeitig bilden sie diese Vertreterinnen je nach Fähigkeit und Neigung zu verständnisvollen, tüchtigen Mitarbeiterinnen und Kämpferinnen auf den verschiedensten Gebieten heran. So erfüllen die Delegiertenversammlungen und Delegiertenkonferenzen der Arbeiterinnen und Bäuerinnen die Doppelaufgabe der kommunistischen Frauenbewegung. Frauenmassen zu revolutionieren und für den Kampf zu mobilisieren und eine zuverlässige, arbeitende, führende Kerntruppe von Genossinnen zu schulen. In Sowjetrussland, das ist zu beachten. In einem Staat, wo das Proletariat unter der wagemutigen Führung der Kommunisten die Macht in seine starke Faust genommen, seine Diktatur in der Räteordnung aufgerichtet hat. in einem Land, wo in der Folge Gewerkschaften, von revolutionären Geist erfüllt, in den Wirtschaftsinstitutionen, in den Betrieben mit ausschlaggebende Mächte sind, wo die Kommunistische Partei die herrschende Partei ist, die Willensvollstreckerin der revolutionären Arbeiter und armen Bauern. Unter diesen Bedingungen kennen die parteilosen Delegiertenversammlungen und Delegiertenkonferenzen der Arbeiterinnen und Bäuerinnen zu quasi offiziellen Einrichtungen der Sowjetrepublik werden.

Wie anders liegen dagegen die Dinge in den Ländern, die die proletarische Revolution noch nicht umgepflügt hat! Hier werden sich starke gesellschaftliche Gewalten parteilosen Delegiertentagungen, schaffender Frauen unter kommunistischer Führung, mit allen Mitteln widersetzen, weil sie sich von ihnen bedroht fühlen. Man braucht wahrlich nicht Prophet in Israel zu sein, um zu wissen, dass sich z. B. in Deutschland die Scheidemänner, Dittmänner und Dissmänner in treuer Bundesbrüderschaft mit den Hirsch-Dunckerschen und den christlichen Gewerkschaften zusammenfinden werden, um den „kommunistischen Zerstörungswahnsinn“ unter den Arbeiterinnen, weiblichen Angestellten usw. zu wehren. Für „das Recht“ der Hausfrauen, Kleinbäuerinnen und anderer auf politischen und sozialen Stumpfsinn werden „grundsätzlich“, „voll und. ganz“ alle bürgerlichen Parteien eintreten, und sie dürfen der Unterstützung durch die abhängigen und unabhängigen Sozialdemokraten gewiss sein, wenn es gegen die Kommunisten geht. Ähnlich verhält es sich in den meisten übrigen kapitalistischen Ländern, wenn nicht in allen. Unsere Genossinnen müssen hier daran gehen, das Wesentliche der parteilosen Delegiertenveranstaltungen zumindest unter anderen Formen zu erreichen. Vielleicht in Gestalt öffentlicher Arbeiterinnen, Hausfrauen, Kleinbäuerinnenversammlungen, die von Kommunisten behufs Stellungnahme zu einer bestimmten Berufs- und Lebensnot, zu einer bestimmten Forderung einberufen wenden. Die Versammelten hätten zur weiteren sachkundigen Behandlung der einschlägigen Frage Beauftragte zu wählen, die in steter Verbindung mit ihnen und der Versammlungsleitung bleiben und weitere Veranstaltungen organisieren müssten. Der zerfallende Kapitalismus, der bürgerliche Klassenstaat, der ihn erhalten will, sie greifen tagtäglich mit erbarmungslosen Faust in das Leben der schaffenden Frauen ein. Es wird daher nie ~a Angriffs- und Stützpunkten für die gekennzeichnete Arbeit unserer Genossinnen fehlen.

Aus dem Weltrevolutionsgewitter, dessen Donner zur Zeit langsam, aber sicher rollen, tönt den Kommunistinnen die Mahnung entgegen, dass die Zeit drängt, bereit zu sein und Frauenmassen bereit zu machen. Deshalb genügen die alten „bewährten“ Agitationshefte, Agitationsformeln und Agitationsmethoden allein nicht mehr. Sie müssen „umgestürzt“, ergänzt, erweitert, vertieft werden, müssen nicht bloß Diener des Gedankens, sondern der Tat sein. Unsere Arbeit in den Betrieben und Werkstätten ist auf breitere Grundlage zu stellen, ist auszudehnen auf Büros und Ämter, kurz, auf alle Stätten weiblicher Berufstätigkeit. Sie muss mit brennendem Eifer in den Gewerkschaften, den Genossenschaften, in allen Vereinigungen geleistet werden, die die Interessen schaffender Frauen zu verteidigen bestimmt sind, überall wo größere und kleinere Gruppen von Frauen sich zusammenfinden. In den Betrieben und Unternehmungen, die viel weibliche Arbeitskräfte beschäftigen, haben unsere Genossinnen die Wahl weiblicher Mitglieder der Betriebs- und Angestelltenräte durchzusetzen, in den Genossenschaften usw. die Errichtung von Frauen-Kontrollkommissionen. Mit einem Satz gesagt: sie müssen die gesamten Arbeits- und Lebensbedingungen, alle Leiden, Wünsche und Forderungen schaffender Frauen zum Ausgangspunkt kommunistischer Erkenntnis und kommunistischen Kampfrüstens machen. Geschulte Kommunistinnen sollten als Arbeiterinnen, Berufstätige in Unternehmungen eintreten, in denen die Frauenarbeit eine große Rolle spielt, sollten sich in bestimmten Proletariervierteln niederlassen, um beim gemeinsamen Schaffen und Erleben die Seelen dem Frauen auf die proletarische Revolution zu stimmen.

Die Unentbehrlichkeit und Bedeutung der Hausagitation unter den Frauen wird allgemein anerkannt. Es ist jedoch unabweisbar, sie in weit höherem Masse als bisher auf andauernde persönliche Beziehungen zwischen einzelnen bestimmten Genossinnen und einzelnen bestimmten Proletarierinnen, Frauen der Werktätigen einzustellen. Ein nachhaltiges persönliches Vertrauensverhältnis muss kommunistisch Gebende und Empfangende verbinden. Dieses persönliche Vertrauensverhältnis von Frau zu Frau muss zu einem persönlichen Vertrauensverhältnis werden zwischen Massen von Proletarierinnen und der Kommunistischen Partei, der Dritten Internationale. Der Anfang dazu kann sehr gut beim Austragen der kommunistischen Presse und der Verbreitung unserer Flugblätter usw. gemacht werden. Austragen und Verbreitung sollten die Aufgabe planmäßig arbeitender Kommunistinnen sein. Vergessen wir dabei nicht, dass in den kapitalistischen Ländern unsere Agitationsliteratur nicht bis in die Tiefen der proletarischen Frauenwelt dringt. Nicht nur, weil Lese- und Aufklärungsbedürfnis dort noch schlummert, oder kaum die Augen aufzuschlagen beginnt, sondern auch weil es uns an Stimmen fehlt, die von Herz und Hirn der schaffenden Frauen verstanden werden. Unsere Frauenagitationsliteratur ist noch sehr dürftig und überwiegend für die Elite der Proletarierinnen bestimmt. Nach Inhalt und Fassung wird sie nur in sehr beschränktem Umfang geistiges Gut der großen arbeitenden Frauenmassen. Eine Agitationsliteratur für diese zu schaffen ist eine der wichtigsten unserer Aufgaben.

Wir müssen in den kapitalistischen. Ländern weit mehr mit Flugblättern arbeiten als es der Fall ist. Nicht mit dem konventionellen langen Flugblatt, das auf zwei Seiten, womöglich eng bedruckt, die noch in Dumpfheit befangenen Frauen; des Volks mit wahren Sturzbächen sozialer Weisheit überschüttet. Nein, mit dem sehr kurzen, packenden Flugblatt im Plakatstil, das individuell wirkt, weil es sich an die Arbeiterinnen, die Berufstätigen gewisser Betriebe, Arbeitsgebiete, einzelner Orte, Bezirke wendet, weil es konkreten Dingen gilt, Übeln und Forderungen, die in ihrer Bedeutung in das Bewusstsein dieser Frauen getreten sind. Dazu das „Serien-Flugblatt“, das etwa auf vier Seiten oktav, auf gutem Papier und in geschmackvoller Aufmachung, abschnittsweise die einzelnen Seiten von Zeit- und Streitfragen etc., in ihrer Verknüpfung mit dem Leben, der werktätigen Frauen im Lichte der kommunistischen Auffassung behandelt. Jede einzelne solche Flugschrift ist für sich äußerlich abgeschlossen, bildet aber nur einen organischen Teil eines Ganzen. Die äußere Ausstattung reizt die Frauen zum Aufheben, zum Sammeln der Serie, deren Lektüre und geistige Verarbeitung Vorbereitung auf das Studium von umfangreicheren und weniger populären Broschüren ist.

Breite Frauenmassen außerhalb Sowjetrusslands müssen auch dadurch zur politischen Einsicht und zum politischen Handeln erzogen werden, dass ihre Aufmerksamkeit durch unsere Genossinnen auf die parlamentarische Arbeit der kommunistischen Partei gelenkt wird, zumal auf ihre Stellung zu Fragen, die Fraueninteressen berühren. Das Wirken der Kommunisten und Kommunistinnen in den Parlamenten muss seine fruchtbare Ergänzung finden, treibende Kraft erhalten durch die Bekundung des Massenwillens außerhalb der Parlamente, und diese Bekundung muss auch Frauenwillen zum Ausdruck bringen, manchmal sogar ganz besonders Frauenwillen. Man denke an die Fragen des Arbeiterinnen-, Mutter- und Kinderschutzes, der Ernährungspolitik usw. Namentlich, die Tätigkeit der Gemeindevertretungen empfiehlt sich als Ausgangspunkt solcher politischen Erziehungsarbeit unter den Frauen. Diese Tätigkeit bezieht sich zum großen Teil auf Dinge des unmittelbaren Lebensinteresses, außerdem ist sie verwaltend, ausführend und tritt daher in ihrem Einfluss auf, die Existenz greifbarer in das Bewusstsein der schaffenden weiblichen Bevölkerung als gesetzgeberisches Werk. Ein enges Hand-in-Hand-Arbeiten der Genossinnen mit den kommunistischen Fraktionen ist bei der gekennzeichneten Art unserer Arbeit unter den Frauen selbstverständlich. Die weiblichen Abgeordneten sind dabei die gegebenen Vermittlerinnen zwischen der Partei und den Frauenmassen. Sie müssen das Ihrige dazu tun, dass die parlamentarische Betätigung der Kommunisten das „Positivste“ leistet, was sie zu leisten vermag: werktätige Massen wach zu rütteln und zum Sturm wider den Parlamentarismus und die bürgerliche Klassenherrschaft zu sammeln.

Wir sind überzeugt, dass auf der Konferenz unsere Genossinnen aus allen Ländern eine reiche Fülle von Anregungen und Vorschlägen zur Frage der Methoden und Formen unserer Arbeit unter den, Frauen beisteuern werden. Anregungen und Vorschläge, die von Tag zu Tag aus der Praxis hervor gewachsen, die Praxis kräftig befruchten können. Zweierlei versteht sich dabei von selbst. Dass die kommunistische Frauenbewegung stets in engster Gemeinschaft mit der Kommunistischen Partei und ihren verschiedenen Organen wirkt. Ferner und vor allem, dass die Propagandaarbeit nur Einstellung der Frauenmassen auf die revolutionäre Aktion ist. Deshalb gilt es für die Genossinnen, nicht bloß durch das Wort, vielmehr auch durch die Tat für den Kommunismus, für die Revolution zu werben. Das nötige Vertrauensverhältnis zwischen den Genossinnen und den proletarischen, den werktätigen Frauen hat nicht zum wenigsten zur Voraussetzung, dass es keinen Widerspruch zwischen Worten und Taten geben darf. Die tiefen Frauenmassen des schaffenden Volkes sind politische Analphabeten. An der kommunistischen Frauenbewegung ist es, ihnen revolutionär buchstabieren und geläufig revolutionär lesen zu lehren. Sie muss Formen und Methoden der Arbeit wählen und schaffen, durch die die kommunistische Erkenntnis den ganzen Menschen in der mühsalbeladenen Frau erfasst und jeden Nerv, jeden Gedanken tatbereit auf das eine große Ziel richtet: Revolution.

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Werfen wir noch einen summarischen Blick auf die drei anderen Verhandlungspunkte der provisorischen Tagesordnung unserer Konferenz. Sie gelten nicht dem Rüsten für die Erfüllung unserer Aufgaben in dem titanenhaften Befreiungskampf des Weltproletariats, der der Befreiungskampf des Weibes, der Menschheit ist. Sie beschäftigen sich mit dem Inhalt dieses Kampfes, mit Zielen der Kommunistischen Frauenbewegung selbst. Die Fragen des Rechts der Frau auf Berufstätigkeit und vollständige politische, soziale Gleichstellung sind gleichzeitig Fragen des Anspruchs der Gesellschaft auf das volle Erblühen und Auswirken aller Fähigkeiten der Frau zu höchster Leistungstüchtigkeit, auf die gleich verpflichtete Mitwirkung der Frau an allen Aufgaben und Werken der sozialen Lebensgestaltung. Sie können nicht behandelt werden, ohne dass der Zusammenhang scharf hervortritt zwischen der heutigen Ausbeutung und Unfreiheit des weiblichen Geschlechts, dem Verkümmern und Verkrüppeln von Millionen und der knechtenden, tötenden Macht des Privateigentums, des Kapitalismus, der bürgerlichen Ordnung. Es ist unmöglich sie aufzurollen, ohne dass Tatsachen und Gedankengänge mit unwiderstehlich zwingender Logik auf den Kommunismus hinweisen als auf den einzigen Befreier des Weibes aus Niedrigkeit und Enge, aus Ausbeutung und Unterdrückung, aus Not und Tod. Damit erdröhnt erzen das Gebot der Stunde für die Frauen, alles, was sie sind und können, bis zum letzten Atom an den Kampf zu setzen für die Eroberung und Behauptung der politischen Macht durch das Proletariat und für die Aufrichtung seiner Diktatur. So schließt sich der Ring. Wer das Ziel will — den erlösenden Kommunismus — der muss den Weg wollen: den revolutionären Kampf des Proletariats, der nur über die Diktatur des Proletariats zur klassenlosen Gesellschaft führt. Die letzten drei Verhandlungsgegenstände der Konferenz bilden so ein organisches Ganze von weckender und werbender Kraft. Unserer Tagung kann die weithin haltende propagandistische Wirkung nicht fehlen.

Die Einleitung dieses Artikels, der dort gegebene Umriss der revolutionären Weltsituation hat unseres Dafürhaltens den Genossinnen die Dringlichkeit unserer Aufgabe gezeigt, in den breitesten schaffenden Frauenmassen alle latente Energie, Begeisterung, Hingabe lebendig, wirksam zu machen und zu einem gewaltigen Wollen und Handeln zusammenzuballen. Zu bewusster und kühner Beteiligung am Kampf des revolutionären Proletariats für die Eroberung und Behauptung der Staatsmacht und die Aufrichtung der Diktatur. Proletarische Staatsgewalt und proletarische Diktatur sind heute nicht mehr theoretische Programmpunkte, über die man diskutiert. Sie sind praktische Gegenwartsziele, für die man kämpft, kämpfen muss. Eroberung und Behauptung der politischen Macht durch das Proletariat, Aufrichtung der Diktatur des Proletariats sind Gegenwartsnotwendigkeiten. Der Weltkrieg hat mit seinen Folgen die Niederwerfung der bürgerlichen Ordnung, den Aufbau des Kommunismus zur Gegenwartsnotwendigkeit gemacht.

Aber jeder politische Abc-Schütze, der einmal in Marxens Schule gesessen, weiß, dass sich der Kampf des Proletariats für Eroberung und Gebrauch der Staatsgewalt, so international, so weltgemeinsam er ist, in den einzelnen Ländern unter verschieden gegebenen geschichtlichen Umständen vollzieht, in ungleichmäßigem Tempo und in wandelbaren Formen. Die Betätigung der Kommunistinnen in den einzelnen Staaten kann sich dem Gesetz nicht entziehen, mit dieser harten Tatsache rechnen zu müssen. Auch die Kommunistinnen machen Geschichte, „wie sie sie machen müssen“, um mit Engels zu reden. Die Hauptsache bleibt: „aber sie machen sie doch“. Mit anderen Worten: Die Kommunistinnen sind wohl geschichtlich gezwungen, für die Betätigung der Frauen am Kampfe für die Staatsmacht und Diktatur des Proletariats die vorhandenen konkreten Umstände zu beachten, jedoch sie dürfen nie vor ihnen abdanken, ihnen nie den Inhalt, das Ziel des Kampfes opfern. Inmitten der Vielgestaltigkeit und dem Wechselspiel der geschichtlich gegebenen Umstände bleibt das „der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht“.

Der zweite Kongress der Dritten Internationale hat die großen grundsätzlichen und taktischen Richtlinien des Kampfes für die proletarischen Staatsmacht und Diktatur klar und fest gezogen. Sie sind auch für die Beteiligung der Frauen daran maßgebend. Sie sind das international Einigende, Zusammenhaltende, wie mannigfaltig auch die Umstände des Kampfes auf nationalem Boden sein mögen. in allen Ländern haben die Genossinnen breiteste Frauenmassen mit dieser Erkenntnis zu erfüllen. Der Weg der Ausgebeuteten und Enterbten zur Staatsmacht und zur Freiheit führt nicht über die bürgerliche Demokratie. Er ist Kampf gegen diese Demokratie, die gleichbedeutend ist mit Klassenherrschaft der Bourgeoisie und sich als gewalttätigste; blutige Diktatur der Bourgeoisie enthüllt, sobald proletarische Massen ernsthaft an ihren Ketten rütteln. Teilung der politischen Macht zwischen Proletariat und Bourgeoisie im Zeichen der Demokratie läuft hinaus auf Betrug und weitere Ausbeutung und Versklavung der schaffenden Massen. Das Proletariat kann die politische Macht weder erbetteln, noch erschleichen, es muss sie erkämpfen. Der Stimmzettel der Arbeiterin, der werktätigen Frau ist keine entscheidende Waffe zur Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat. Die Frauen können und müssen ihn im Kampfe gegen die Ausbeutungs- und Herrschaftsgewalt der Besitzenden ausnützen — dafern nicht besonders gelagerte Verhältnisse es verbieten — allein sie müssen sich dabei stets bewusst bleiben, dass das Proletariat nie durch Häufung von Stimmen und Mandaten, nie durch Mehrheitsbeschluss eines Parlaments in den Besitz der politischen Macht gelangen wird. Diese kann einzig und allein im revolutionärem Kampf, im Bürgerkrieg mit bewaffneter Hand erobert werden. Dieser Kampf aber ist ebenso Sache der Frauen wie der Männer des werktätigen Volks.

Die großen Lehren der proletarischen Revolution, die Sowjetrussland geschaffen hat, bestätigen dies sinnenfälligst. Sie zeigen den werktätigen Frauen aller Länder, wie unentbehrlich, wie bestimmend ihre zielklare und hingebungsvolle Beteiligung am Kampf für den Sieg, die Herrschaft ihrer Klasse ist. Die Schlachten der proletarischen Revolution müssen auch von Frauenmassen geschlagen werden. In der glühenden Luft des gewaltigsten Freiheitskampfes den die Geschichte kennt, schmelzen rasch die Vorurteile von Dem, was „weiblich“ und „unweiblich“ ist.

Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,

Wenn Mensch dem Menschen gegenübersteht.

Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr verfangen will,

Ist ihm das Schwert gegeben."

Tausende russischer Frauen haben die Wahrheit dieser Schillerschen Verse durch revolutionären Kampf und Tod erhärtet. Sie haben durch ihr unsterbliches Beispiel den Schwestern der anderen Länder den Weg des Heldenmuts und Märtyrertums gewiesen, den auch sie um der Freiheit willen gehen müssen. Bei unscheinbaren, ungenannten Diensten, die ewig im Dunkeln liegen, gleich den vielen Tausend Saft saugenden Würzelchen eines stolzen Baumes, wie als „Rote Schwestern“ beim milden und doch heroischen Samariterwerk und als todesmutige Kämpferinnen in den offenen Feldschlachten zwischen Proletariat und Bourgeoisie. So oder so stets mit dem Einsatz der ganzen Persönlichkeit und des Lebens. Das Leben gewinnt nur; wer das Leben wagt.

Die russische Revolution hat jedoch auch ein anderes hell belichtet. Die Behauptung der politischen Macht und der proletarischen Diktatur fordert von den Frauen nicht minder schwere Opfer, nicht geringeren Heldensinn als der Kampf für die Eroberung der Macht und die Aufrichtung der Diktatur. Es genügt nicht, dass der kapitalistische Todfeind des vollen Menschentums der Frau niedergeworfen ist, er muss für die Dauer unschädlich gemacht werden. Solange aber das Proletariat noch nicht in allen Ländern als Sieger über den Kapitalismus auf der Wahlstatt steht, bedeutet das Ringen der Arbeiterklasse eines Landes für die Behauptung ihrer politischen Macht und Diktatur, Kampf wider die einheimische Gegenrevolution, verbündet mit den Gegenrevolutionären der ganzen kapitalistischen Welt. In der begonnenen geschichtlichen Endabrechnung zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, Herren und Sklave,, die das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie vornimmt, kennen und üben die Bourgeois eine internationale Solidarität, die die Proletarier leider noch vermissen lassen. Sowjetrusslands dreijähriger isolierter Heldenkampf wider alle Gewalten der internationalen Gegenrevolution ist ein Beleg dafür.

Er lenkt die Aufmerksamkeit der Frauen aller Länder auf ein Weiteres. Behauptung der proletarischen Macht und Diktatur begreift in sich schöpferische Arbeit für den Aufbau des Kommunismus. Der revolutionäre Proletarierstaat muss seine Existenzberechtigung nicht nur mit dem Schwert, sondern auch mit der Kelle nachweisen. Das ist ohne die einsichtige und freudige Mitwirkung breitester Frauenmassen unmöglich. Es muss auch Frauenwerk sein, dass unter der Herrschaft und Diktatur des Proletariats aus Ruinen neues, höheres gesellschaftliches Leben erblüht, dass die Wirtschaft sich hebt, dass soziale Einrichtungen entstehen, Neuerungen durchgeführt werden, Dank deren die Massen, ohne Unterschied des Geschlechts, in der Sonne der Kultur wohnen und wirken können. Für dieses hohe Ziel müssen Hunderttausende, Millionen Frauen mit Bienenfleiß die Hände regen, müssen lernend, grübelnd, organisierend und gestaltend ihres Geistes Kraft an das Leben der Allgemeinheit hingeben. Kurz, zur Beteiligung der Frauen am Kampfe für die Behauptung der politischen Macht des Proletariats und seiner Diktatur gehört auch die aufbauende, fruchtbare Arbeit. Nicht nur als Quelle der Lebenserhaltung der Menschen, nein, auch als Grundlage der Lebenserhaltung des Proletarierstaats, der Revolution. In dieser Beziehung haben Sowjetrusslands revolutionäre Frauen ebenfalls unter unerhörten Schwierigkeiten mit höchster Entsagung Wegzeigendes geleistet.

Die Zeit des Kampfes für die Eroberung der Staatsmacht durch das Proletariat, für die Aufrichtung seiner Diktatur und die Zeit des Kampfes für die Behauptung dieser Errungenschaften stellen mithin auch den Frauen verschiedene Aufgaben. Zuerst: straffste Zusammenfassung und Einsetzung aller revolutionären Frauenkräfte für den Kampf zur Niederzwingung des Feindes. Dann: weitere Zusammenfassung dieser Kräfte zur Verteidigung der siegreichen, aber bedrohten Revolution und gleichzeitig höchste Energie beim Aufbau. Die Doppelaufgabe darf nicht bedeuten Zersplitterung und Schwächung der revolutionären Frauenkraft. Umgekehrt: riesigste, wunderbar dünkende Steigerung und Entfaltung. „Es wächst der Mensch mit seinen höh‘ren Zwecken“. Krafterprobung ist die Vorbedingung von Krafterstarken, Kraftwachstum. Nur die Kämpferin, die um ihres Menschentums willen von strengstem Verantwortlichkeitsgefühl und leidenschaftlicher Ehrfurcht vor der Revolution beseelt, nie danach fragt, wo die Grenzen ihrer Kraft sind, wird wirklich im revolutionären Kampf bis an die Grenzen ihrer Kraft gehen und nicht kleinmütig, feig und faul hinter ihnen zurückbleiben. Uns Kommunistinnen ist es selbstverständliche Ehrenpflicht, im Kampfe für die proletarische Staatsmacht und Diktatur diese Auffassung durch die Tat unseres Lebens und Webens zum Leitmotiv freiheitsverlangender Frauenmassen zu machen.

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Unsere Forderungen nach der vollen politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts vor dem Gesetz und in der Praxis, nach gleichberechtigter Berufstätigkeit müssen im Lichte der angedeuteten sozialen Zusammenhänge betrachtet werden. So bedeutsam sie sind: sie sind Teilforderungen, die wir sowohl im Interesse des weiblichen Geschlechts wie des Proletariats in dessen Generalabrechnung mit der Bourgeoisie einzustellen haben. Schaf müssen wir jeden Versuch abweisen, sie vom bürgerlich-reformistischen Standpunkte des „Nur-Frauenrecht“ und „Nichts-als-Frauenrecht“ aus der großen Verknüpfung mit der allgemeinen sozialen Frage und dem revolutionären Klassenkampfe des Proletariats zu lösen. In keinem Augenblick dürfen wir sie dem Kampf der Arbeiterklasse für die Eroberung und Behauptung der politischen Macht und die proletarische Diktatur voranstellen. Umgekehrt: wir müssen sie diesem Kampfe unterordnen und nutzbar machen.

In der Tat! Jede angebliche Lösung der beiden Fragen, die die Internationale Konferenz beschäftigen werden, bleibt auf dem Boden der kapitalistischen Wirtschaft, der bürgerlichen Ordnung, stümperhaftes Stück- und Flickwerk. Jede solche angebliche Lösung mittels Reformen lässt neue soziale Widersprüche und Übel entstehen. Die Diktatur des Proletariats durch die Sowjetordnung schafft dagegen die gesellschaftlichen Voraussetzungen sowohl für die volle politische Gleichberechtigung, wie für die gleichberechtigte Berufstätigkeit der Frau. Ja, mehr noch. Die Verwirklichung der einschlägigen Forderungen ist Bedingung für die Sicherung der proletarischen Herrschaft, für den gesellschaftlichen Neubau, der ihr Ziel ist. Mit dem Kampf des revolutionären Proletariats um den Besitz der Staatsmacht wird auch in Wirklichkeit der Kampf der Frauen um volles politisches Recht, um selbständige gesellschaftliche Arbeit entschieden. Das Eintreten für diese Forderungen enthält einen wesensverschiedenen Charakter nach der proletarischen Revolution. Diese bedeutet auch dafür einen Bruch mit der Vergangenheit.

In allen kapitalistischen Staaten mit so genannter demokratischer Verfassung ist das Los der Arbeiter ein einziger riesenhafter geschichtlicher Beweis dafür, dass politische Gleichberechtigung nur formales Recht, nur Demokratie auf dem geduldigen Papier ist. Sie bricht nicht die Macht des Besitzes, löscht nicht die wirtschaftliche Ungleichheit aus, die in geistige und politische Gewalt der Besitzenden umschlägt, die wirtschaftlich Schwachen auszubeuten und zu knechten. Die politische Emanzipation des weiblichen Geschlechts ist das letzte Wort der bürgerlichen Demokratie und keine Zauberformel, die für die ausgebeuteten Frauenmassen die Zuchthausmauern des bürgerlichen Klassenstaats sprengt. Die herrschende Bourgeoisie versagt oder gewährt sie, teilweise oder auch ganz, je nachdem sie davon eine Positionsstärkung in ihrer Auseinandersetzung mit dem begehrlichen, meuternden Proletariat erhofft. Mit dem Vorrecht des männlichen Geschlechts, dessen Grundlage das Privateigentum ist, sucht sie die Macht des Besitzes zu kräftigen und zu festigen. Sie gibt dieses Vorrecht nur preis, wenn sie wähnt, das Damenwahlrecht oder auch das allgemeine Frauenwahlrecht könne zum Damm werden gegen die steigende Flut des proletarischen Klassenkampfes. Das Vorrecht des Mannes auf die politischen Posten und Ämter sucht die Bourgeoisie so lange als möglich hartnäckig zu verteidigen mit bemoosten Vorurteilen gegen das „schwache Geschlecht“, mit morschen Prinzipien vom „heiligen Naturberuf des Weibes“, kurz mit Ausflüchten, die schlecht die dahinter lauernde wirtschaftliche Konkurrenzfurcht des „starken Geschlechts“ verhüllen.

Wie den Kampf unterdrückter Nationalitäten und Völkerschaften müssen wir auch den Kampf des politisch unterdrückten, unfreien weiblichen Geschlechts in das weite Strombett des proletarischen Befreiungsringens lenken. Die Forderung voller politischer Gleichberechtigung der Frau vor dem Gesetz und in der Praxis wird zu einem Ausgangs- und Stützpunkt des proletarischen Kampfes für die Eroberung der politischen Macht. Das Eintreten dafür hilft uns die Hohlheit der bürgerlichen Demokratie, des Parlamentarismus zu entlarven, den Schwindel von der „großen einen Schwesternschaft aller Frauen ohne Unterschied der Klasse“ zu Tode zu stäupen, die werktätigen Frauen für den revolutionären Kampf ihrer Klasse zu mobilisieren. Es führt diesem Kampf rechtshungrige, freiheitssehnsüchtige Frauenscharen zu und trägt Verwirrung und Zersplitterung in das bürgerliche Lager. In den kapitalistischen Staaten bedeutet so der Kampf für die politische Gleichberechtigung der Frau vor dem Gesetz und in der Praxis weit mehr als ein Niederringen von Vorurteil, Herkommen, Sitte, als ein Niederringen des männlichen Vorrechts. Er wird zum Kampf gegen die bürgerliche Klassenherrschaft, gegen den bürgerlichen Klassenstaat, er vereinigt sich mit dem Sturm zur Eroberung der Staatsgewalt durch das Proletariat.

Wesentlich anders der Sinn, die Bedeutung der gleichen Forderung in Sowjetrussland, dem Proletarier- und Bauernstaat. Hier ist die politische Gleichberechtigung der Frauen vor dem Gesetz nicht die Errungenschaft von Kämpfen, in denen allmählich altersgraues Männervorrecht gefesselt wird. Hier ist sie die Siegesfrucht des revolutionären Proletariats, das die gesamte Staatsgewalt in seine Faust nahm, um nun die Riesenaufgabe zu vollbringen, die Wirtschaft zum Kommunismus umzuwälzen. Die Sowjetordnung kann weder den Besitz, noch das formale philosophische „Naturrecht der Gleichheit Aller“ zur Grundlage des politischen Rechts machen. Sie muss es in der gesellschaftlichen Arbeitsleistung fest fundieren. Der proletarische Sowjetstaat kennt für normale Menschen nur einen einzigen politisch, sozial entrechtenden Grund: Müßiggang, Ausbeutung fremder Arbeit. Indem er zum Träger der politischen Macht gleich verpflichtete und gleichberechtigte Arbeitende; Schaffende machte, musste er auch die volle politische Gleichberechtigung der Frau anerkennen, die gesellschaftsnotwendige und gesellschaftsnützliche Arbeit leistet.

Nach der Eroberung der Macht durch das Proletariat konnte sich das politische Frauenrecht nicht auf das Wählen und Gewählt werden beschränken, um in der Praxis vor den verwaltenden und regierenden Stellen fast durchweg Halt z~ machen. Von der breiten Grundlage bis zur obersten Spitze und in all ihren Organen baut sich die Sowjetordnung auf der Wahl von frei gewählten Beauftragten der Arbeitenden auf, Beauftragte, die jederzeit abberufbar sind. Die Sowjetordnung beseitigt ferner den Gegensatz zwischen Gesetzgebenden und Verwaltenden, Regierenden. Indem sie darauf abzielt, bei kommunistischer Wirtschaft den zünftigen Parlamentarismus, wie die zünftige Bürokratie zu vernichten, verwandelt sie jedes politische Amt, jede Art politischer Betätigung in eine gesellschaftliche Arbeit, wie eine andere auch. Damit sterben die sozialen Wurzeln ab, die auch auf politischem Gebiet den Konkurrenzkampf der Geschlechter um Brot, Stellung, befriedigende Wirkungssphären nähren. Wie der arbeitende Mann, so hat auch die arbeitende Frau das selbstverständliche Recht und die praktische Möglichkeit sich um jedes politische Amt zu bewerben, mit jeder verwaltenden, ausführenden Funktion betraut zu werden. Ja mehr noch. Die Sowjetordnung hat zur Voraussetzung ihres Bestandes und ihrer Entwicklung, dass auch auf politischem Gebiet jeder einzelne höchste Tüchtigkeit betätige. Sie kann für den Aufbau des neuen gesellschaftlichen Lebens der Fähigkeiten nicht entraten, die die große weibliche Hälfte der Gesellschaftsmitglieder dafür einzusetzen vermag.

Sowjetrussland, das unter hundertfach gehäuften Schwierigkeiten und Gefahren an diesen Aufbau gegangen ist, ruft und ermutigt die Frauen zum politischen Wirken in allen Organen, auf allen Posten. Es legt in ihre Hand zumal die Errichtung von gesellschaftlichen Institutionen und die Durchführung von Maßnahmen, die dem Wohl der Frauen und Kinder, die der Fürsorge für Schwache und Leidende dienen. Es geht weiter. Unter Führung der Kommunistischen Partei schafft, vervielfältigt, erweitert es die Bildungsgelegenheiten der Frauen für politische Theorie und Praxis. Sein Politisches Leben ist eine fortlaufende Erziehungsanstalt für politische Arbeit der Frau, ist in dieser Hinsicht für sie Elementarschule wie Hochschule. Gleichzeitig schafft Sowjetrussland gesellschaftliche Einrichtungen, die die hauswirtschaftliche Bürde von der Frau nehmen, ihr Werk am Kinde erleichtern und ergänzen und ihr dadurch Zeit und Kraft für politische Betätigung sichern. Nun erst wird die Frau in Wahrheit und Tat zum politisch gleichberechtigten Glied der Gesellschaft, denn nun erst kann sie unter den gleichen sozialen Bedingungen wie der Mann ihren vollen Teil zum politischen Leben beitragen.

Ist damit nach der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat das Eintreten für die volle politische Gleichberechtigung des Weibes nicht gegenstandslos geworden? Noch nicht, jedoch es wechselt den Charakter, erhält nun neue Prägung. Die Sowjetordnung pflügt den sozialen Boden um, der die politische Minderwertigkeit und Minderberechtigung des weiblichen Geschlechts trägt, es entwurzelt die eine oder die andere. Jedoch noch sind im Empfinden, Denken und Handeln der Menschen starke Überlebsel des alten sozialen Standes der Dinge wirksam. Es gilt sie zu überwinden. Das aber nicht minder bei den Frauen selbst wie bei den Männern. In beiden muss das neue Recht, die neue höhere Ordnung voll, lebenskräftig, gestaltend werden. Es heißt den geschichtlich erwachsenen Hochmut des Mannes niederringen, dass dieser allein politisch schöpferisch sei und der Gesellschaft zu geben habe. Es heißt ebenso den Kleinmut der Frau besiegen, dass sie politisch eine Null sei, die für die Allgemeinheit keine politischen Werte beizusteuern vermöge. Die Frauenmassen müssen lernen, dass die kraftvollste Betätigung auf allen Gebieten, in allen Organen des politischen Lebens nicht nur ihr gutes Recht ist, sondern ihre heilige Pflicht. Unter der Räteordnung, der proletarischen Diktatur erfolgt die Umwertung des Kampfes für die volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts zu einer Erziehungsfrage.

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Mutatis mutandis steht es grundsätzlich ebenso betreffs der Berufstätigkeit der Frau, die die feste unerschütterliche Basis der sozialen Gleichwertung und Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ist. Das Recht des Weibes auf Arbeit in der gesellschaftlichen Wirtschaft und das Recht der Gesellschaft auf die Arbeit des Weibes wirken sich unter dem Kapitalismus aus als die volle Geltendmachung, als der Triumph des Gesetzes der freien Konkurrenz aller wider aller. Der Mann der besitzenden und herrschenden Klassen bestreitet und bekämpft das Recht der Frau auf Erwerbstätigkeit auf dem Gebiet der so genannten „höheren Berufe“, die sein konkurrenzfreies Monopol bleiben sollen. Der Mann der nichts und wenig besitzenden Klasse dagegen wird der Konkurrenz der Frauenarbeit durch den kapitalistischen Ausbeuter unterworfen, ja dieser steigert sie zur schärfsten Schmutzkonkurrenz, um seinen Profit zu mehren. Wirtschaftstechnische Fortschritte, kapitalistischer Profithunger und proletarische Klassennot wirken zusammen, um die Proletarierin, die Frau der Minderbemittelten als Erwerbende in die gesellschaftliche Wirtschaft einzuführen. Die Erwerbende wird in der Folge unabhängig von der Familienwirtschaft, in der der Mann ihr Herr sein soll.

Solange jedoch der Kapitalismus aus lebendigen Menschen Reichtum presst, wird trotz des entscheidenden Umschwungs die Berufstätige keineswegs gesellschaftlich frei. Sie wird allen Gesetzen der kapitalistischen Profitwirtschaft untertan und gerät in die Ausbeutung, die knechtende Gewalt der Kapitalisten. Ihr „Recht auf Berufstätigkeit“ ist in Wirklichkeit nicht Sicherheit ihre Kräfte gesellschaftsnützlich auszuwirken, sondern der Zwang, für einen Kapitalisten Profit zu erzeugen. Auf dieses Ziel ist und bleibt die erwerbende Frauenarbeit unter der kapitalistischen Herrschaft und bürgerlichen Ordnung eingestellt. Die Frau der besitzenden Klassen soll sich in allgemeinen darauf beschränken, Koch- und Gebärmaschine zu sein, die Frau der Besitzlosen muss dazu auch noch Profitmaschine werden, „aller guten Dinge sind drei“. Als Profitmaschine — „Hand“ nennt es der Engländer, der das Ding kurz und drastisch mit dem rechten Namen zu bezeichnen liebt — wird die Berufstätige unter alle Gesetze der kapitalistischen Profitwirtschaft gebeugt. In diesen steht kein Sterbenswörtchen der Rücksicht darauf geschrieben, dass an der weiblichen „Hand“, der weiblichen Profitmaschine, lebendiges Weibtum, lebendiges Menschentum hängt mit seinen Bedürfnissen und Interessen, mit seiner Sehnsucht und Qual. Das mag verderben und sterben, dafern Verderben und Sterben nur den kapitalistischen Profit steigert. Die Berufstätige trägt die Dornenkrone und die Wunden unfreier, ausgebeuteter Arbeit.

Der Kampf für das Recht der Frau auf Berufstätigkeit in seinem eigentlichen geschichtlichen Sinn, d. h. als notwendige Wiedereinführung der Frau in die soziale Wirtschaft, hat den kurz umrissenen Verhältnissen entsprechend ein doppeltes Gesicht. Er kann sich nicht darauf beschränken, die Monopolstellung des Mannes als Arbeitender, Schaffender zu brechen, für die bürgerlichen Frauen die Zulassung zu höherer Berufsbildung und Berufstätigkeit durchzusetzen. Er muss sich ausweiten zum Kampf gegen die Macht der besitzenden Klassen, die Proletarierinnen als sozial schwache und rückständige Frauen noch härter, schonungsloser auszubeuten wie die Proletarier, jede Rücksicht auf das Weibtum und Menschentum der Frauen unter die Füße zu stampfen, ja sogar aus der Mutterschaft widerstandslos besonders fette Profite zu pressen.

Das Recht der Proletarierin auf Berufsarbeit ist in der Praxis eine Farce, wenn es schrankenlose kapitalistische Ausbeutungswillkür bedeutet. Das Ringen dafür muss umschlagen in den Kampf für die gleiche Entlohnung gleicher Leistung von Frau und Mann; in den Kampf für den durchgreifenden gesetzlichen Schutz aller berufstätigen Frauen und Mädchen; in den Kampf für soziale Einrichtungen, die die Hausfrau und Mutter entlasten und sie für die Arbeit in der gesellschaftlichen Wirtschaft frei machen. Mit anderen Worten: der Kampf für das Recht der Frau auf Berufstätigkeit ist ein Teil des proletarischen Klassenkampfes gegen die kapitalistische Ausbeutungsmacht des Unternehmertums, der besitzenden Klassen, gegen den Kapitalismus selbst als Wirtschaftsordnung und seinen Staat. Aber auch dieser Teilkampf für das Frauenrecht muss von dem gesamten Proletariat geführt werden ohne Unterschied des Geschlechts. Nicht bloß unter dem Gesichtswinkel einer idealen Forderung auf Recht und Gerechtigkeit. Nein, im Hinblick auf die ureigensten Interessen des Proletariats als Klasse. Mit dem Recht der berufstätigen Frau auf Schutz gegen das ausbeutende Kapital und soziale Fürsorge zusammen verteidigt dieses auch das Recht des ausgebeuteten Mannes gegen die Herabdrückung seiner Arbeits- und Lebensbedingungen durch das Unternehmertum, verteidigt es das Recht seiner Kinder auf gesunde Mütter, sachkundige und liebevolle Pflege und Betreuung. Mit dem Recht der Frau auf Betätigung in der gesellschaftlichen Wirtschaft schützt es das Recht der Gesellschaft, dass zur Mehrung ihres Reichtums und ihrer Kultur auch die Leistungsfähigkeit weiblicher Arbeitskraft gesteigert werden muss durch ihre Verwendung im modernen Produktionsprozess. Das Proletariat schirmt seine Gegenwart und Zukunft, wenn es auch in puncto Berufstätigkeit das Recht der Frau im Kampfe gegen die kapitalistische Ordnung zu seiner Sache macht.

Dieser Kampf erhält augenblicklich durch eine besondere Erscheinung ein besonderes Gepräge. Durch die Arbeitslosigkeit breitester Frauenmassen, zumal von proletarischen wie bürgerlichen Frauenmassen, die während des imperialistischen Raubkrieges in die Rüstungsindustrie, in den Verkehrs-, Verwaltungs-, Schuldienst und andere Berufsgebiete geradezu hineingepeitscht oder auch hineingelockt worden sind, die früher nur den Männern offen standen. Bei den gewöhnlichen vorübergehenden Krisen in der kapitalistischen Wirtschaft wiederholte sich stets diese Erscheinung. Die Rücksicht auf den kapitalistischen Profit bestimmte die Unternehmer, an erster Stelle die höher entlohnten Männer aus Lohn und Brot zu entlassen und den Betrieb, — so weit dies möglich — mit billiger Frauenarbeit weiterzuführen. Deshalb bewirkten Krisen häufig eine relative, manchmal sogar eine absolute Ausdehnung der Frauenarbeit.

Auch heute zeigt sich hier und da dieser Vorgang. Soweit sich nach sehr unzulänglichen statistischen Feststellungen urteilen lässt, in Wirtschaftszweigen und Unternehmungen, in denen zeitweilig eine Belebung eintritt. Im großen Ganzen fliegt dagegen heute zuerst die berufstätige Frau: erwerbslos aufs Pflaster. Es geht um mehr als um den kapitalistischen Profit, um den Bestand der kapitalistischen Wirtschaft selbst. Dass Frauen ihre Arbeitsplätze den Männern müssen vornehmlich auch als Lehrerinnen, Beamtinnen usw. —— ist die Quittung ihrer politischen und sozialen Rückständigkeit. Die Kapitalisten und ihr Staat erblicken in der erwerbslosen Frau weniger als in den Männern ohne Verdienst Todfeinde der bürgerlichen Ordnung. Sie heucheln, dass die brotlosen Frauen in der Familie Unterhalt finden können und verweisen sie auf die Prostitution. Wie der Kapitalismus die Kriegswirtschaft in die Friedenswirtschaft umstellte, so stellt er die weibliche Profitmaschine um zur Lustmaschine. Auch das Weibtum der Erwerbslosen noch macht er den Zwecken der Besitzenden dienstbar.

Die Arbeitslosigkeit breiter Frauenmassen in unseren Tagen ist ein handgreiflicher Beweis von dem Widersinn, ja ausgewachsenen Wahnsinn der bürgerlichen Ordnung. Als unabwendbares Verhängnis verdammt sie Millionen schaffenswilliger Frauen zu bittersten Sorgen und qualvollen, zermürbenden Entbehrungen, lässt Kindern und halbwüchsigen Mädchen keine andere Wahl als zu hungern oder in die Gosse herabzusteigen. Und das nicht bloß während, sondern auf dass eine Minderheit zu prassen und ihre Existenz als ausbeutende und herrschende Klasse zu wahren vermag. Der Kapitalismus versagt Millionen Frauen die Berufstätigkeit und treibt sie mit ihren Mühen um den Lebensunterhalt im Heim, ausgerechnet in den Zeiten, wo sein Krieg Millionen Männer gefressen oder zu Krüppeln geschlagen hat, die nicht Reime gründen und erhalten können. Der Kapitalismus windet Millionen Frauen: die modernen. ergiebigen Produktionsmittel aus den fleißigen Händen, verjagt die Frauen scharenweise aus Büros, Amts- und Schulstuben, derweilen sein Krieg ungeheure Warenarrmut geschaffen, hat, es den werktätigen Massen am nötigsten Bedarf gebricht, und das Los der ungeheuren Mehrzahl nach einer Mehrung. der materiellen und kulturellen Güter geradezu. schreit. Der Kapitalismus, jener Verbrecher, der, in Amerika zum erhabenen Zweck der Preishochhaltung riesige Baumwollvorräte verbrennen ließ, während in Europa zahllose Proletarier ohne Hemd laufen und in Deutschland Neugeborene in Papier gewickelt werden!

Anschaulichst offenbart sich in der Erwerbslosigkeit großer Frauenmassen die Unvereinbarkeit des kapitalistischen Profitinteresses mit dem Geschlechtsinteresse, das zum Wohle aller die Nutzbarmachung aller verfügbaren Arbeitskräfte und Arbeitsmittel auf der höchsten Stufe der Produktionsmöglichkeit heischt. Anschaulichst offenbart sich darin, dass die besitzende und herrschende Minderheit nicht länger die in der Gesellschaft vorhandenen gewaltigen Produktionsmittel und Produktivkräfte verwalten und leiten kann, dass sie nicht länger deren Eigentümerin und Nutznießerin sein darf. Die Expropriateure müssen expropriiert werden. Das Proletariat muss zur Lösung dieser geschichtlichen Aufgabe die politische Macht erobern und seine Diktatur aufrichten. Das predigen die vielgestaltigen Nöte des Leibes und der Seele den erwerbslosen Frauenmassen mit Donnerstimme. Der Kampf gegen die Zurückstoßung der Frau aus der sozialen Wirtschaft in das Heim — außer Bettelalmosen das einzige „Mittel“ der bürgerlichen Ordnung gegen die Erwerbslosigkeit und den Hunger von Millionen — ist ein organischer Teil des proletarischen Kampfes für die Eingliederung aller leistungsfähigen Arbeitskräfte in die gesellschaftliche Wirtschaft. Er ist ein organischer Teil des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse gegen die Sabotage, die Zertrümmerung der Wirtschaft durch skrupellose, profitsüchtige Unternehmer und für die Wiederbelebung, die Steigerung der Produktion. Er ist ein organischer Teil des revolutionären Kampfes für die proletarische Diktatur. Die gegenwärtige Erwerbslosigkeit wahrer Frauenheere in ihrem Zusammenhang mit dem heftigen Aufflammen der Gegnerschaft wider die weibliche Berufstätigkeit gibt Stützpunkte über Stützpunkte für die Revolutionierung des weiblichen Proletariats, ja auch klein- und mittelbürgerlicher Frauenschichten. Die kluge, grundsätzliche Auswertung dieser Möglichkeit sammelt Frauenmassen zum Ansturm gegen die Herrschaft, den Staat der Bourgeoisie, gegen die bürgerliche Ordnung.

Mit der Eroberung der politischen Macht durch. das Proletariat hört die Frage der Berufstätigkeit des weiblichen Geschlechts auf, eine Frage des Kampfes zu sein gegen die wirtschaftliche und soziale Vorrechtsstellung des Mannes, gegen die wirtschaftliche und soziale Macht der Bourgeoisie. Die Räteordnung kann um ihres Bestandes und ihrer Entwicklung zum vollen Kommunismus willen nicht darauf verzichten, ihrer Wirtschaft und Kultur all die weiblichen Kräfte und Talente wirkend zuzuführen, die in der bürgerlichen Ordnung zum Teil brach liegen bleiben, zum Teil sich in der krüppelhaften Zwergwirtschaft der Familie an zahllosen Nichtigkeiten zersplittern und vergeuden. Einbeziehung der Frauen als Werktätige, Schaffende in die große Gesellschaftswirtschaft, Mitarbeit der Frauen auf allen Gebieten des öffentlichen, des kulturellen Lebens ist für den proletarischen Staat eine Lebensbedingung. Er bedarf der beruflichen Frauentätigkeit sowohl wegen ihrer Quantität als ihrer Qualität. Er hat seine Überlegenheit über den bürgerlichen Staat dadurch erweisen, dass er die starken unversiegbaren Springquellen des Allgemeinwohls, der Allgemeinkultur öffnet und strömen macht, indem er jedem einzelnen Glied der Gesellschaft allseitige Entfaltungs- und Wirkungsmöglichkeit verbürgt. Wollte er das Weib in die Enge und Kümmerlichkeit des Heims, in die kleinbürgerliche Gartenlaubenidylle bannen, so würde er sich eine starke, ragende Wurzel seiner Kraft und seiner Emporentwicklung abgraben.

Deshalb begnügt sich der Sowjetstaat Russland nicht damit, das Recht der Frau auf Berufstätigkeit anzuerkennen, die berufstätige Frau bei ihrem Wirken gegen Schädigungen und Gefahren zu schützen, ihr zweckmäßige, zuträgliche Arbeitsbedingungen und soziale Fürsorge in jeder Lebenslage zu sichern, in der sie des Beistandes bedarf. Er bietet der Frau wie dem Mann Gelegenheit, ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu höchstmöglicher Leistungstüchtigkeit zu entwickeln, denn auch ihr hat er alle Stätten der beruflichen und allgemeinen Bildung erschlossen. Und Sowjetrussland tut vor allem Entscheidendes um die Berufstätigkeit des Weibes aus einem unbestrittenen formalen Recht in lebensvolle Praxis zu verwandeln. Es erlöst das Weib von der Bürde der alten Haus und Familienwirtschaft. In Gestalt von Kommunal- und Fabrikküchen, Gemeinschaftsspeisehäusern, Waschanstalten, Mütter und Säuglingsheimen, Krippen usw. schafft er die gesellschaftlichen Vorbedingungen dafür, dass die Frau gleich dem Manne der sozialen Wirtschaft eingegliedert wird, auf allen Tätigkeitsgebieten sich auswirken kann. Nun erst kann weibliche Begabung bei gesellschaftlicher Berufstätigkeit die Schwingen weit ausbreiten und die höchsten Flüge wagen.

Wie für die Durchführung der politischen Gleichberechtigung des. weiblichen Geschlechts also auch für die Verwirklichung seines Rechts auf Berufstätigkeit in der Gesellschaft biegt die proletarische Diktatur den Kampf der Massen gegen den Kapitalismus um in die Erziehung der Massen für den Kommunismus, in die Aufbauarbeit am Kommunismus. Die einschlägigen sozialen Institutionen und Maßnahmen verlieren ihren Charakter als Schutzwehren des Weibtums, des Menschentums der Frau wider die kapitalistische Raffgier und die Unbill der bürgerlichen Ordnung. Sie werden zu Bausteinen der neuen, höheren Lebensgestaltung in einer ausbeutungsfreien Gesellschaft. Im Bewusstsein der Massen aber — und namentlich der Frauenmassen — gilt es, das engstirnige Hängen und Kleben am alten Einzelkochtopf auszurotten und alle Kräfte in freudigem leidenschaftlichem Arbeitsdrang einstellen zu machen auf das Wirken in der Gesellschaft und für die Gesellschaft. In stolzem, frohem Wetteifer mit männlichen Leistungen müssen die Frauenmassen begreifen, dass die Eroberung der politischen Macht, dass der Kommunismus verpflichtet., Es darf ihnen nicht genügen, Genießerinnen der kommunistischen Kultur zu sein. Der Ehrgeiz muss ihr Herz bewegen. ihren Willen straffen, Mitträgerinnen und Mitschöpferinnen dieser Kultur zu werden.

Die Verhandlungen der zweiten kommunistischen Frauenkonferenz zu Moskau werden zweifelsohne reichstes Tatsachenmaterial beibringen, das zur Frage der politischen und wirtschaftlichen Gleichberechtigung der Frau dem grauen Elend des Kapitalismus, der bürgerlichen Ordnung die schillernden Hüllen abreißt. Dieses Tatsachenmaterial wird scharf hervortreten lassen, wie unendlich mannigfaltig und verschlungen die konkreten Umstände sind, unter denen die kommunistische Frauenbewegung in den einzelnen Ländern ihre Pflicht zu erfüllen hat. Es wird nicht minder scharf die große internationale einheitliche geschichtliche Entwicklungslinie aufzeigen, die ihre Widerspiegelung in den Grundsätzen und in der Taktik der Dritten Internationale findet. So wird die Konferenz bei aller Rücksicht auf das national Besondere bedeuten: internationale Zusammenballung zu einem einzigen revolutionären Willen. So wird ihr weder die klärende, festigende und vorantreibende Wirkung auf die Kommunistinnen aller Länder fehlen, noch die erweckende und sammelnde Kraft für breiteste Frauenmassen. Diese revolutionäre Zeit jagt auf Sturmesflügeln vorwärts. Wir Frauen sind die letzten, deren mahnendes, sehnsüchtiges Menschentum ein Wanken und Schwanken, ein Zögern und Zaudern dulden dürfte. Wir haben keine Zeit zu verlieren, keine Kraft zu verschwenden. Wir beziehen unsere Posten im revolutionären Kampfe für die Eroberung und Behauptung der politischen Macht durch das Proletariat. Wir legen die Hand ans Werk des kommunistischen Aufbaus. Woher auch immer wir nach Moskau kommen, nach Moskau blicken, wir sind eins in der Entschlossenheit: revolutionäre Erkenntnis muss revolutionäre Tat werden. Aus dem glorreichen Sowjetbanner raunt und rauscht es uns zu: handelt!

Clara Zetkin

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