Clara Zetkin 19230600 Zum dreijährigen Jubiläum des Frauenorgans der proletarischen Revolution Sowjetrusslands

Clara Zetkin: Zum dreijährigen Jubiläum des Frauenorgans der proletarischen Revolution Sowjetrusslands

[„Die Kommunistische Fraueninternationale“, 3. Jahrgang, Heft 6, Juni 1923, S. 1030-1034, auch in: Internationale Pressekonferenz Nr. 101, 16. Juni 1923, S. 848f.]

Sind wirklich in diesem Monat erst drei Jahre verrauscht, seitdem die „Kommunistka“ zum ersten Mal unter die Genossinnen, unter die Proletarierinnen und Bäuerinnen Sowjetrusslands trat, eine Freundin und Führerin, die ihnen wegweisend voranschreiten und ihre Kraft steigern soll, für ihre Befreiung durch den Kommunismus zu arbeiten und zu kämpfen! Wie viele und welch gewaltige Ereignisse haben sich seitdem in Sowjetrussland selbst und in der Welt außerhalb seiner Grenzen vollzogen! Ereignisse, zahlreich und wichtig genug, um mit ihrer Darstellung und Untersuchung ganze Geschichtsbände zu füllen, Ereignisse, wie sie sonst wohl in Jahrzehnten, ja in Jahrhunderten die Gesellschaft verändern und bestimmend in das Leben der Völker ein­greifen. Ihre Helden aber sind Klassen, die bis vor kurzem im Dunkel standen und nun mächtig empordringen in den Lichtkreis der Geschichte, sind jene, die in anderen Ländern noch als Kulturdünger zerstampft werden: Arbeiter und Bauern. Die drei Jahre des Bestehens und Wirkens der ‚.Kommunistka“ sind so nicht in dem Maße gewöhnlicher Zeitläufte zu messen. Sie sind Jahre der proletarischen Revolution, der Revolution der schaffenden Massen, und das gibt dem dreijährigen Jubiläum der „Kommunistka“ seine Bedeutung.

In der Tat! Das Werk und der Wert der „Kommunistka“ kann nur richtig gewürdigt werden im Zusammenhang mit dem großen weitgeschichtlichen Geschehen, aus dem dieses Frauenorgan hervorgegangen ist, und dem es dient. In ihm aber ist das Werden von Jahrhunderten und die Sehnsucht, das Wollen zahlloser Geschlechter zusammengedrängt. Es sind drei Jahre des Lebens und Webens der Revolution und oben­drein der proletarischen Revolution, die sich nicht gleich einer bürger­lichen Umwälzung darauf beschränkt, die Staatsgewalt in die Hände einer bis dahin unterdrückten und beherrschten Klasse zu legen, son­dern die die Staatsgewalt dieser Klasse sofort an ein ungeheures Ziel setzt. An die Umwälzung der Wirtschaft und Gesellschaft in der Richtung zum Kommunismus, der allein wie alle Mühseligen und Be­ladenen so auch die Frauen in die Sonne voller Freiheit und allseitig erblühenden Menschentums emporträgt.

Die „Kommunistka“ erschien als Organ der Revolution, die sich schon der stolzesten Siege rühmen durfte. Allein gerade deswegen hatte die Revolution riesigste und schwierigste Aufgaben vor sich. Sie musste ihre Eroberungen wider die tückischen, skrupellosen An­schläge der Gegenrevolutionäre im Lande und die nicht minder tückischen, skrupellosen Machenschaften der Weltbourgeoisie verteidigen. Sie musste gleichzeitig danach trachten, die Wirtschaft aufzubauen und zu verbessern, im kommunistischen Sinne zu erneuern und zu heben. Eine Wirtschaft, die zum großen Teil in der Rückständigkeit vergangener Zeiten steckte, in der sich die schlimmsten Sünden des Zarismus und Kapitalismus auswirkten, und die durch das Verbrechen des räuberischen Weltkriegs in Grund und Boden zerrüttet war. Bei diesem beispiel­los dastehenden Werk trat den russischen Arbeitern kein Helfer zur Seite. Die Proletarier der kapitalistisch hoch entwickelten Länder hatten sich von reformistischen Führern das Gift des Kleinmuts, des Misstrauens in die eigene Kraft einflößen lassen. Erschreckt waren sie vor ihrer ge­schichtlichen Pflicht zurückgewichen, die Weltrevolution weiter zu tragen, die ihre russischen Brüder und Schwestern so umsichtig und opferfreudig begonnen hatten. Sowjetrussland ist der Schauplatz eines titanenhaften Ringens um das Werden einer neuen sozialen Welt, die verwirklichen soll, was als der Traum von Denkern, Dichtern und Propheten, was als Schrei der Plage und der Hoffnung Ungezählter durch die Mensch­heitsgeschichte gegangen ist: eine Gesellschaft der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für alle, eine Gesellschaft des Friedens auf Erden und allen Menschen ein Wohlgefallen.

Die Proletarierinnen und Bäuerinnen Sowjetrusslands, deren leuch­tende Fackel die „Kommunistka“ ist, waren und sind keineswegs müßige, tatenlose Zuschauerinnen dieses Ringens. Ihr bestes Wollen und Können geht darin ein. Die proletarische Revolution ist auch Fleisch von ihrem Fleisch, Blut von ihrem Blut, Geist von ihrem Geist. Waren es nicht Arbeiterinnen und Soldatenfrauen, die als erste die Sturmglocke der Revolution zogen, indem sie zu vielen Zehntausenden in Petrograds Straßen mit dem Rufe demonstrierten: Brot und Frieden! Frauen fehlten bei keinem Kampfe, den die Arbeiter unter der zielklaren Führung der Bolschewiki für die Eroberung der politischen Macht aus­gefochten haben, und Frauen waren unter den Opfern dieser Kämpfe. Frauen standen als todverachtende Kämpferinnen, als barmherzige Samariterinnen, als Kommissare und auf anderen verantwortlichen Posten in Reih und Glied der heldenhaften Rotarmisten, als diese den von der Revolution geheiligten Boden Sowjetrusslands gegen die Heere der Judenitsch, Denikin, Koltschak, Wrangel, die Horden des weißgardisti­schen Polens verteidigten. Millionen Arbeiterinnen und Bäuerinnen machten durch ihr entbehrungsreiches Mühen in den „Schützengräben“ der Industrie und Landwirtschaft die Rote Armee unüberwindlich. Mit heißem Herzen, sorgendem Verstand und nie rastender Hand nahmen sie 1921 den Kampf gegen die Hungerkatastrophe und ihre furchtbaren Folgen auf. Selbstverleugnend schaffen sie an dem wirtschaftlichen und sozialen Bau, in dem freie, glückliche Menschen wohnen sollen.

Gewiss: Noch ist es nicht die ganze ungeheure Gesamtheit der Proletarierinnen und Bäuerinnen Sowjetrusslands, die verstehend und opferfreudig an der gewaltigen, fruchtbaren Schöpfung der Revolution teilhat. Es ist zunächst nur die revolutionäre Vorhut, die Elite dieser Riesenmassen. Aber was diese revolutionäre Vorhut geleistet hat und täglich, stündlich leistet, beweist eindringlich, wie wertvoll, wie un­erlässlich es ist, dass auch die noch abseits stehenden breitesten Frauenmassen des schaffenden Volks vom klaren, scharfsichtigen Geist und vom starken Willen der Revolution beseelt werden. Die große ge­schichtliche Stunde muss ein ihr ebenbürtiges Frauengeschlecht finden. Der Kommunismus, der die Fesseln sprengt, die der ausbeutende Be­sitz dem Menschentum von Mann und Weib anlegt, kann nur als ge­meinsames Werk von Mann und Weib erstehen. Mit dem allem ist die große Ehre, aber auch die Schwere der Aufgaben und Verantwortlich­keit für das Leben und Weben der „Kommunistka“ gegeben. Sie hat das heilige Feuer der revolutionären Erkenntnis, Tatkraft und Begeisterung unter den Proletarierinnen und Bäuerinnen wach zu halten und zu immer stärkerer, schöpferischer Glut anzufachen. Den noch Schlafenden muss sie die Erweckerin sein, den Erwachten und Un­sicheren die erklärende und bildende Erzieherin, den Ziel- und Wegkundigen die freundschaftliche Anregerin und Beraterin, ihnen allen eine treue, zuverlässige Führerin, die Stimme der Revolution, die Stimme des sozialen, proletarischen Gewissens.

Drei Jahre lang hat die „Kommunistka“ diese vielseitige Aufgabe getreulich und mit Erfolg erfüllt. Erfüllt unter den Gefahren und Schwierigkeiten, mit denen das revolutionäre Sowjetrussland zu ringen hatte, und denen sich gar manches besondere Hindernis zugesellte, das in der Art des Organs und seines Wirkungskreises verwurzelt war.

Die „Kommunistka“ hat sich ungeachtet dessen behauptet, und sie ist an ihrem erhabenen Ziel gewachsen. So konnte sie das Ihre dazu helfen, dass die revolutionären Proletarierinnen und Bäuerinnen die schwere geschichtliche Stunde verstehen und tragen, in der sie sich sagen müssen, dass ihre Blütenträume vom Kommunismus nicht über Nacht reifen können. Die „Kommunistka“ hat ihnen die Notwendig­keit und Unvermeidlichkeit der „neuen Politik“ begreifen gelehrt, als einer Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus unter den geschichtlich gegebenen Umständen. Sie stählt ihnen den Willen und Mut, trotz alledem und alledem ihre ganze Kraft an den wirt­schaftlichen und sozialen Aufbau zu setzen und nach immer höherer Leistungstüchtigkeit für alle vorliegenden Aufgaben zu streben. Sie schärft den Blick für die besonderen Probleme und Leiden, die mit der „neuen Politik“ für die Frauen verbunden sind, und sie weist Mittel und Wege nach, solche Probleme der Lösung entgegenzuführen und solche Leiden wenigstens zu lindern. Es sei an Arbeitslosigkeit und Prostitution erinnert.

Indem die „Kommunistka“ den Proletarierinnen und Bäuerinnen Wissen, Erkenntnis gibt, verbindet sie sie im Geiste und Willen fest, unlöslich mit der Revolution und der Sowjetordnung, der Bürgschaft dafür, dass die Entwicklung zum Kommunismus führt. Mit den Bauern verbündet halten unter dieser Ordnung die Arbeiter die politische Macht in ihrer Faust, üben sie ihre Diktatur aus, und ihre Vertreterin, die Kommunistische Partei steuert das Schiff der Revolution durch das stürmische Meer unverwandt dem kommunistischen Ziele zu. Sowjetmacht besagt Proletariermacht und Proletariermacht besagt Umsturz der Gesellschaft, Vernichtung des Kapitalismus, Aufrichtung des Kommu­nismus. „Die Kommunistka“, die die Proletarierinnen und Bäuerinnen über die geschichtlichen Verknüpfungen aufklärt, wirbt und sammelt sie zur treuesten Unterstützung der Sowjetmacht. Sie hämmert es ihnen ins Bewusstsein, dass Sowjetmacht auch ihre Macht bedeutet, dass Sowjetmacht ihre Zukunftsfreiheit sichert.

Ein feuriges Banner wird die „Kommunistka“ den schaffenden Frauen Sowjetrusslands in den harten, kampfreichen Tagen voranflattern, die sich gegenwärtig ankünden. Die Weltbourgeoisie ist drauf und dran, ihre Generaloffensive gegen das Proletariat, die Enterbten aller Länder, gipfeln zu lassen in einem neuen Feldzug gegen Sowjetrussland.

Sowjetrussland ist die erste große proletarische Machtposition, die von der Weltrevolution geschaffen worden ist. Es ist die starke Burg aller Ausgebeuteten und Versklavten, die sich Freiheit, Menschentum, Glück verlangend wider die knechtenden Gewalten auflehnen. Solange der russische Arbeiter- und Bauernstaat unbezwungen steht, kann das Weltkapital nicht die Habenichtse und Wenigbesitzenden völlig ver­knechten und auf ihrer Verelendung seine Herrschaft auf lange, auf ewige Zeiten aufrichten. Und Sowjetrussland steht nicht nur, es erholt, es entwickelt sich bei friedlicher Arbeit. Eine verhältnismäßig kurze Spanne Zeit, und die Räterepublik wird ein blühendes Gemein­wesen sein, während die kapitalistischen Staaten ringsum verfallen. Dazu kommt, dass die reichen Naturschätze und die vielen Millionen Arbeiter und Bauern die Ausbeutungsgier der Kapitalisten reizen.

Die englischen Imperialisten schleifen gegenwärtig das Schwert, das Sowjetrussland morden soll. Die Vasallenstaaten der Entente vom finnischen Meerbusen bis zur Donaumündung rüsten zu Überfällen. Im Bewusstsein der Bedeutung des Friedens für den Aufbau seiner Wirtschaft, für die schaffenden Massen der ganzen Welt ist Sowjetrussland bis an die äußerste Grenze der Verständigungsmöglichkeit ge­gangen. In einer Front mit ihm für den Frieden stehen die denkenden Arbeiter der ganzen Welt. Und im Kriegsfalle stehen hinter ihm seine unbezwungene Rote Armee und seine Rote Flotte. Aber der Krieg wider Sowjetrussland würde unvermeidlich zu einem neuen Weltkrieg werden. Ein solcher wird auch an der Ruhr durch den französischen Im­perialismus vorbereitet, dem die wirtschaftliche Ausplünderung Deutschlands nicht genügt, der dessen politische Zerstückelung erstrebt. Der Krieg um die Dardanellen, die Ausraubung der Türkei, die Herrschaft über den nahen und fernen Osten kann kommen wie der Dieb in der Nacht.

So häufen sich rings die Wolken von Ungewittern, deren sengende Blitze auch der Wirtschaft des russischen Arbeiter- und Bauernstaats und seiner allgemeinen Entwicklung verderblich werden können. Aber Sowjetrussland ist gewappnet und gerüstet. So leidenschaftlich es den Frieden will, so entschlossen und ruhmreich wird es kämpfen. Und wieder werden es seine Proletarierinnen und Bäuerinnen sein, die so­wohl im friedlichen Ringen für die Aufrichtung der Wirtschaft wie im schwerterklirrenden Kampf für seine Existenz ihre ganze Kraft dafür einsetzen, dass der Sieg sich an seine Fahnen heftet. Die „Kommu­nistka“ aber wird so morgen wie heute unter diesen Heldinnen stehen, ihre Energie und Hingabe befeuernd, die Macht ihrer Arbeit und ihres Kampfes erhöhend. In dieser Gewissheit grüßen in allen Ländern die revolutionären Proletarierinnen und ihre Vorkämpferinnen, die Kommu­nistinnen, die „Kommunistka“ an ihrem Jubiläumstage. Sie grüßen in ihr all die tapferen, selbstverleugnenden Proletarierinnen und Bäuerinnen Sowjetrusslands, die für die Sache der Revolution leben und bereit sind, ihr Herzblut für sie zu geben. Sie grüßen in ihr ein bedeutsames Stück proletarischer Revolution, der die Zukunft gehört. In Sowjetrussland, in der ganzen Welt!

Clara Zetkin.

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