Clara Zetkin 19130917 Zum Frauentag 1914

Clara Zetkin: Zum Frauentag 1914

(17. September 1913)

[Protokoll über die Verhandlungen des Parteitags der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, abgehalten in Jena vom 14. bis 20. September 1913, S. 381f.]

Ich möchte der Anregung beitreten, die von Genossin Zietz bereits ausführlich begründet worden ist. Nämlich dass der Parteitag sich heute lediglich im Prinzip für die Veranstaltung eines Frauentages im Jahre 1914 ausspricht, dass er aber die Festsetzung des Datums; überhaupt die Durchführung des Beschlusses Parteivorstand und Parteiausschuss überträgt. Warum wollen wir hier nicht einen für längere Zeit unbedingt bindenden Beschluss des Parteitags herbeiführen? Wir Genossinnen in Deutschland stehen der sozialdemokratischen Partei anders gegenüber als die Genossinnen anderer Länder. Wir sind her vollständig in den Rahmen der allgemeinen Partei eingegliedert, wir nehmen teil mit unserer ganzen Kraft an allen Arbeiten und Kämpfen der Sozialdemokratie. Wir wissen sehr genau, dass in den nächsten Monaten und Jahren wirtschaftliche und politische Situationen eintreten können, die es vielleicht unmöglich machen, das jetzt schon beschlossen wird, einen bestimmten Tag für unsere Frauendemonstration festzusetzen und zu erklären, dass diese alljährlich sich erneuern muss. Deshalb wollen wir nur im Prinzip den Frauentag für 1914 beschließen, aber dem Vorstand und dem Ausschuss es überlassen, die Situation dahin zu prüfen, in welchen Umfange, unter welchen Bedingungen und in welcher Art die Durchführung möglich ist. Wenn die Dinge sich so ernst gestalten sollten, dass die Abhaltung eines Frauentages überhaupt unmöglich wäre, weil die ganze Kraft der Partei auf die Ausnutzung einer bestimmten Situation konzentriert werden müsste, so sind wir Genossinnen in Deutschland wahrhaftig politisch reif genug, um die Lage vollauf würdigen zu können. Wir sind aber andererseits der Überzeugung, dass eine ganze Reihe von Ereignissen und Aufgaben, die an die Sozialdemokratie herantreten können, gerade in Verbindung mit einer Demonstration und Agitation der Frauen erst im vollsten Umfange der Partei nutzbar gemacht werden können. Es kann z.B. sehr wohl der Fall sein, dass im nächsten Jahre das deutsche Proletariat Stellung nehmen muss zu einer Reform des Strafgesetzes. Dann treten zahlreiche und wichtige Forderungen und Interessen in den Vordergrund des politischen Lebens, die die proletarischen Frauen in erster Linie angehen und die sehr wohl auch in den Vordergrund des Frauentages gerückt werden können. Uns liegt auch deshalb sehr viel daran, dass der Parteitag im Prinzip sich für den Frauentag im nächsten Jahr ausspricht, weil wir 1914 die internationale sozialistische Frauenkonferenz in Wien zu erwarten haben. Vor diese Konferenz wollen wir mit dem Erfolg in den Händen treten, dass wir seit Kopenhagen jedes Jahr einen Frauentag abgehalten haben. Das, was die Genossinnen in Deutschland organisatorisch und agitatorisch erreicht haben, ist unzweifelhaft von großem dauernden Einfluss auf die Entwicklung der sozialistischen Frauenbewegung in anderen Ländern. Gerade dort, wo vielfach die proletarische Frauenbewegung noch schwächer ist als bei uns, ist das Beispiel der sozialistischen Frauenbewegung Deutschlands außerordentlich wichtig und maßgebend. Wir sind ferner der Ansicht, dass der Frauentag so ausgestattet werden muss, dass auch die kleineren Orte von unserer Agitation erfasst werden können. Das kann dadurch geschehen, dass wir nur in den großen Städten und Industriezentren den Frauentag einheitlich, womöglich an einem Sonntage durchführen, dass aber in kleineren Orten, je nach dem Bedürfnis eine ganze Woche für die Demonstration zur Verfügung gestellt wird. Dann wird die Veranstaltung dazu beitragen, nicht nur die Forderung des Frauenwahlrechts, sondern vielmehr die ganze Frauenfrage vom sozialistischen Standpunkt aus in Orten und vor Arbeiterschichten zu behandeln, die bis dahin von unserer Bewegung noch nicht erfasst wurden. Ich verweise auf die Tatsache, dass gerade in diesem Jahre, wie man so oft Klagen gehört hat über die geringe Zunahme der männlichen Mitglieder, der Löwenanteil des Zuwachses an Parteimitgliedern auf die neu gewonnen Genossinnen entfällt. Wer aber die Frauenbewegung verfolgt, der weiß auch, dass ein außerordentlich hoher Prozentsatz der neu gewonnen weiblichen Mitglieder gerade durch unseren Frauentag gewonnen worden sind. Der Frauentag ist ein Tag der Agitation, der Organisierung und gleichzeitig auch ein Tag der Demonstration, die den breitesten Massen zeigt, dass in Deutschland die Sozialdemokratie bis heute immer noch die einzige großem Partei ist, die sich nicht bloß mit den Lippen widerwillig zu einem bisschen mehr Gleichberechtigung für das weibliche Geschlecht bekennt, wie es die Fortschrittliche Volkspartei tut, sondern die in Theorie und Praxis voll auf dem Boden der Gleichberechtigung beider Geschlechter steht. Beweisen Sie das, indem Sie der Anregung der Genossin Zietz zustimmen. (Beifall.)

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