Clara Zetkin 19121127 Aufruf zum Internationalen Sozialistenkongress zu Basel

Clara Zetkin: Aufruf zum Internationalen Sozialistenkongress zu Basel

(November 1912)

[“Die Gleichheit”, Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen, Stuttgart. 27. November 1912. Nach Ausgewählte Reden und Schriften, Band I, S. 561-563]

Der Kapitalismus lässt neben Teuerung und Hungersnot die Kriegsgefahr zu einer dauernden Erscheinung werden. Der Balkankrieg mit seinen drohenden Folgen ist ein neuer Beweis dafür. Dem Schrecken ohne Ende gilt es, das erwachte internationale Proletariat in geschlossener Front entgegenzustellen. Welt gegen Welt! Drüben die Welt der profittollen, kriegshetzenden Ausbeutenden, hüben die Welt der freiheitssehnsüchtigen Ausgebeuteten. Unter dem Drucke der ernsten Situation berief das Internationale Sozialistische Büro einen Außerordentlichen Internationalen Sozialistischen Kongress nach Basel ein. Er wird nur einen Punkt behandeln:

Die internationale Lage und die gemeinsame Aktion gegen den Krieg.

Bei dieser wichtigen Willenskundgebung des Weltproletariats dürfen die sozialistischen Frauen so wenig fehlen wie im heiligen Kriege gegen den Krieg. Die Internationale Sekretärin der Genossinnen aller Länder ließ daher der Einberufung des Kongresses sofort diesen Aufruf folgen:


An die sozialistischen Frauen aller Länder! Genossinnen! Das gräuelvolle Völkerringen auf dem Balkan droht durch die Schrecken eines Weltkrieges überboten zu werden. Die Folgen solchen Geschehens für die Arbeiterklasse sind unabsehbar. Für die Arbeiterklasse — das besagt aber für den gewaltigen Kampf; der die kapitalistische Ordnung stürzen und Raum für den Sozialismus und die höhere Entwicklung schaffen muss. Für das kämpfende Proletariat ist es die heiligste Verpflichtung dieser ernsten Stunde, Schützer und Bewahrer des Friedens zu sein. Die Sozialistische Internationale, vertreten durch das Internationale Sozialistische Büro, hat daher die Arbeiterklasse aller Länder aufgerufen, ihren ehrlichen, unerschütterlichen Friedenswillen der verbrecherischen Kriegshetze von Minderheiten entgegenzustellen, für die der Völkermord zum Geschäft gehört. Ein bedeutsames Glied in der Kette der Massenkundgebungen gegen den Krieg wird der Außerordentliche Internationale Sozialistische Kongress bilden, der für den 24., 25. und 26. November nach Basel einberufen worden ist.

Genossinnen! Die ungewöhnlichen, verantwortungsschweren Umstände schlossen eine längere Vorbereitungszeit für die Tagung aus. In der Folge ist es euch nicht möglich, euch an diesem Kongress in einer Stärke zu beteiligen, die eurem Interesse an der Erhaltung des Friedens und der Bedeutung eurer Betätigung im Kampfe gegen Imperialismus und Kriegsgefahr entspricht. Um so dringlicher ist es, dass ihr euch sofort mit den Genossen über die Entsendung weiblicher Delegierter verständigt. Auf dem Kongress muss es zum Ausdruck kommen, dass in allen Ländern die sozialistischen Frauen mit der gesamten Sozialistischen Internationale zum Kampfe zusammengeschlossen sind. Das Blut, das die Schlachtfelder tränken soll, ist den Proletarierinnen kostbarer als der eigene Lebenssaft: Es ist das Blut der Ihrigen. Frauenmühen, Frauentränen hängen an dem Gut, das Rüstungswahnsinn und Eroberungstollheit gewissenlos vergeuden. Hoffnung auf künftiges Erbe, das der Sozialismus unserem Geschlecht ganz erschließt, ist uns die Kultur, die von eines Weltkrieges ehernem Tritt und bluttriefender Faust bedroht wird.

Genossinnen! Sorgt in fester Ideen- und Kampfgemeinschaft mit der Sozialistischen Internationale dafür, dass es niemals an dem Verständnis und der Opferfreudigkeit der arbeitenden Frauenmassen fehlt, wenn das kämpfende Proletariat seine breite Brust der Kriegshetze entgegenstemmt. Unser Kampf gegen den Krieg gilt unserem Todfeind: dem Kapitalismus. Der Friede soll uns Wegbereiter des Sozialismus sein.

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