Clara Zetkin 19200728 Gegen die Politik von Spa — für ein Bündnis mit Sowjetrussland

Clara Zetkin: Gegen die Politik von Spa — für ein Bündnis mit Sowjetrussland

(Rede im Reichstag, 28. Juli 1920)

[“Verhandlungen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920”, Bd. 344, Berlin 1921, 12. Sitzung, S. 328-32. Nach Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. II, Berlin 1957, S. 223-235]

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, Partei zu ergreifen in dem Zwist, der hier entbrannt ist über die persönlichen Tugenden und die politischen — ich weiß nicht, darf ich sagen — Schwächen oder Laster des Herrn Außenministers [Dr. Simons]. Dieser Zwist hat sich gestern fast bis zur Leidenschaftlichkeit der homerischen Kämpfe um die Leiche des Patroklos gesteigert. Bei der nach meinem Dafürhalten außerordentlich vorraschen Freudenbezeugung der Unabhängigen Sozialdemokratie über einige Äußerungen des Herrn Dr. Simons hörte ich bereits im Geiste die ungeduldigen Füße derer, die sich anschickten, sobald als möglich einen abgetanen Minister aus dem Saale zu tragen. Und gestern, in der Rede des Herrn Abgeordneten Hoetzsch, konnten Sie schon die recht kräftigen Männertritte hören. Ich glaube aber, dass die Ausführungen des Herrn Reichsministers weder Anlass gegeben haben zu der freudigen Zustimmung auf der äußersten Linken noch zu der außerordentlich zornigen Kritik auf der Rechten.

Was hat der Herr Außenminister getan? Er hat in der fleckenlos weißen Weste des anständigen Mannes eine kurze Extratour getanzt nicht mit der äußersten Linken, aber vor ihr. In anderen Worten: Ich halte das für völlig belanglos. Die Worte, die er ausgesprochen hat, stehen im schärfsten sachlichen Gegensatz zu der Politik, die er vom ersten bis zum letzten Tage in Spa getrieben hat. Seine Politik in Spa hat nicht das geringste freundliche Augenzwinkern nach links hin gebracht, sie war ausschließlich nach rechts orientiert. Es war von unserem Standpunkte aus eine ausgesprochen gegenrevolutionäre Politik, die Herr Dr. Simons namentlich in der Entwaffnungsfrage befolgt hat. Sie wurde eingeleitet durch eine Erklärung, dass es sich darum handele, die alten militärischen Formen durch neue Methoden für den Schutz des deutschen Wirtschaftslebens zu ersetzen. Wir wissen ganz genau, was Sie unter dem Schutz der deutschen Wirtschaft verstehen, nämlich den Schutz der kapitalistischen Ausbeutungswirtschaft.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Diese Einleitung hat Herr Dr. Simons mit wünschenswerter Deutlichkeit in seinem Gespräch mit Lloyd George unterstrichen. Da winkte der Deutsche dem Engländer außerordentlich deutlich, die so genannten äußeren Feinde der Ententekapitalisten möchten sich doch vorkommendenfalls mit den deutschen Gegenrevolutionären zusammenschließen zur gemeinsamen Niederwerfung des so genannten inneren Feindes, zur Niederwerfung einer deutschen Kommune.

Meine Damen und Herren! Einzelne journalistische und parlamentarische Führer der Arbeiterklasse mögen diese Äußerung vergessen. Ich hoffe aber und bin fest überzeugt, dass die deutsche Arbeiterklasse diese Äußerung nie vergessen wird.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Sie muss ihre Schlussfolgerung für ihr Verhalten daraus ziehen. Aber ich meine, dass einem Minister, der so gesprochen, so unzweideutig die Interessen des gegenrevolutionären Deutschlands in Spa vertreten hat, alles andere gebührt, nur nicht der Zorn und die Empörung von Seiten der Rechten.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Denn in Wirklichkeit ist er nur ihr Minister, ist er ihr Vertreter gewesen.

(Lebhafte Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten — Widerspruch und Zurufe rechts.)

Ich hatte den Eindruck, dass das ganze Unwetter, das der Herr Abgeordnete Hoetzsch auf den Herrn Außenminister niedergehen ließ, doch bloß ein Theaterdonner mit Kolophoniumblitzen gewesen ist,

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

um zwei Tatsachen zu verhüllen. Die erste Tatsache ist die, dass Aug in Auge mit der zermalmenden Wucht der realen Tatsachen die auf der rechten Seite kultivierten nationalistischen Phrasen zusammengebrochen sind und die Waffen strecken mussten. Die andere Tatsache ist, dass in Spa, trotz aller nationalen Gegensätze, die kapitalistischen, die besitzenden Klassen Deutschlands und der Entente einen Versuch zur Verständigung gemacht haben, bei dem auch die deutschen und nicht nur die französischen Kapitalisten zu ihrem Profit kommen werden. All das, was der Herr Abgeordnete Hoetzsch über den Mangel an Würde usw. sagte, all der schöne Schwung. mit dem er vom Vaterland, seinen Gefühlen, Tugenden usw. sprach, verblasst vor einer ganz nüchternen, prosaischen Tatsache, die beleuchtet, was ich behauptete, nämlich, dass infolge des Abkommens von Spa die Aktien der Bergwerke rasch und riesig in die Höhe gegangen sind.

(Lebhafte Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Zurufe rechts.)

Die Aktien des Köln-Neu-Essener Bergwerkvereins zum Beispiel sind ganz plötzlich um 40 Prozent auf 805 Prozent gestiegen.

(Hört! Hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Die Aktien der Harpener Gesellschaft und anderer Kohlenzechenvereine sind ebenfalls um 25 und 30 Prozent gestiegen.

(Zuruf rechts.)

Die Zeitung, die das berichtet, fügt hinzu, dass diese Tatsachen beweisen, die Konjunktur- und Preisschwankungen würden jetzt für keine Industrie so in den Hintergrund treten wie für die Bergwerksindustrie. Sie sehen also, dass es trotz aller Deklamationen von Deutschlands tiefem Unglück bestimmte Kreise deutscher Kapitalisten gibt, die infolge des Abkommens von Spa recht große Profite einstreichen werden.

(Lebhafte Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Widerspruch und Zurufe rechts.)

Die Tatsachen, die ich hier angeführt habe, stammen nicht etwa aus einem “spartakistischen” Blatt, sondern aus der “Deutschen Allgemeinen Zeitung”, dem Blatt, das von Herrn Stinnes angekauft worden ist, offenbar zum Zwecke der Förderung und Wahrung der Meinungsfreiheit in Deutschland.

(Zustimmung und Heiterkeit bei den Unabhängigen Sozialdemokraten — Lachen und Zurufe rechts.)

Meine Damen und Herren! Herr Hoetzsch hat es noch für nötig gefunden, sich auch gegen die Ausführungen des Herrn Dr. Simons, betreffend Russland, zu wenden. Er war unzufrieden mit den paar objektiven Sätzen, die der Herr Außenminister zur Charakterisierung der Verhältnisse in Russland, des Wirkens der Sowjetregierung gesprochen hat, und das, obgleich Herr Dr. Simons selbst gestern schon sehr löblich “pater peccavi” gesagt hat. Herr Abgeordneter Hoetzsch stellte die Frage, woher denn das Material stamme, aus dem der Herr Reichsaußenminister seine Wertung der russischen Verhältnisse geschöpft habe. Ich weiß wohl: Gegenfragen sind unangenehm und unbeliebt. Ich muss aber doch hier die Gegenfrage aufwerfen: Woher stammt denn das Material, das die Grundlage geboten hat für die Ausführungen und für die Stellungnahme des Herrn Professor Hoetzsch? Was er hier vorgetragen hat, klang sehr bedenklich nach den Veröffentlichungen der Antibolschewistischen Liga

(Lebhafte Zustimmung und Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.),

einer internationalen Lügen- und Verbrechergesellschaft,

(erneute lebhafte Zustimmung und Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.),

die sogar die Ermordung ihrer politischen Gegner organisiert. Es klang bedenklich auch nach dem Klatsch und Tratsch in den gegenrevolutionären Emigrantenkreisen. Wer würde sich unterfangen, eine Geschichte der Großen Französischen Revolution schreiben zu wollen nach den Episoden, nach den Jammer- und Klageliedern, die die damals geflüchteten französischen Adligen an die Höfe des gegenrevolutionären Europas, in die Schlösser ihrer Standesgenossen getragen haben? Oder auch nach den Anekdötchen, die die französischen Tanzlehrer, Friseure, Perückenmacher und Fechtmeister in Deutschland verbreiteten?

(Zurufe von der Deutschen Volkspartei.)

Ich meine, nach Veröffentlichungen dieser Art kann man kein Urteil über die geschichtlichen Dinge in Russland gewinnen.

Viel maßgebender ist das, was der Herr Abgeordnete Stresemann hier vorgetragen hat, der denselben Faden weitergesponnen hat wie Herr Professor Hoetzsch, allerdings mit mehr Geschick, muss ich sagen.

(Aha! bei der Deutschen Volkspartei.)

Denn es war offizielles Material, auf das er sich berief, Material

(Lebhafte Rufe rechts: Hört! Hört!),

das die bolschewistische Regierung selbst veröffentlicht hat.

(Erneute Rufe: Hört! Hört!)

Wir bestreiten das nicht. Aber der Herr Abgeordnete Stresemann hat unterlassen, die Tatsachen anzuführen, die die jetzige Zerrüttung der Wirtschaft in Russland erklären. Da ist zunächst zu nennen die Zerrüttung der Wirtschaft durch den Zarismus

(Lautes Lachen rechts.)

und die Räubereien, die Korruption seiner Bürokratie und Seiner anderen Werkzeuge.

(Anhaltendes Gelächter rechts. Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Bitte, meine Damen und Herren, geschichtliche Erscheinungen von Dauer und Tiefe lassen sich nicht über Nacht mit einem Zauberstab beseitigen. Das wissen wir genau.

(Abgeordneter Ledebour: Sie [nach rechts] wollten ja Russland vom Zarismus befreien! Mit der Parole sind Sie ja in den Krieg gezogen! — Zuruf rechts: Das sagen Sie den Mehrheitssozialisten !)

Der Herr Abgeordnete Stresemann führte nicht an, dass nach der Revolution die russischen Gegenrevolutionäre, die zaristischen Generäle, die russische Wirtschaft planmäßig zertrümmert haben. Es ist eine Tatsache, dass zum Beispiel Koltschak Hunderte und aber Hunderte von Fabriken und Betrieben in der barbarischsten Weise zerstört hat, als ob er mit seinen Horden die Rolle der deutschen Besatzung in Belgien und Nordfrankreich hätte spielen wollen.

(Unruhe rechts.)

Er hat mehr getan: Er hat die Produktionsapparate verschleppt und zertrümmert und hat Zehntausende und Zehntausende von Arbeitern nach Sibirien getrieben, als ob es belgische Arbeiter und Frauen oder Frauen aus Lille, Tourcoing und Armentières gewesen wären.

(Stürmische Unterbrechungen rechts — Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten — Zuruf rechts: Das Ausland wird Ihnen dankbar sein! — Wiederholte Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten — Anhaltende Unruhe.)

Ich meine, geehrter Herr (nach rechts), Deutschland hat mir dankbar zu sein, wenn ich die Wahrheit ausspreche.

(Lebhafte Zustimmung bei den Unabhängigen Sozialdemokraten — Zuruf rechts: Fragen Sie Morel! — Andauernde Unruhe.)

Durch Anerkennen und Aussprechen der Wahrheit gewinnt man mehr, als wenn man geschichtliche Tatsachen bestreitet und leugnet. Durch Bestreiten und Leugnen erhebt man sich nicht, dadurch erniedrigt man sich in den Augen des Auslandes und macht sich dort verächtlich.

(Zuruf rechts: Fragen Sie Morel in England! — Abgeordneter Ledebour nach rechts: Mit Lügen heben Sie das Ansehen Deutschlands im Auslande nicht, wenn Sie ableugnen, dass Stinnes einer der Treiber bei den Deportationen gewesen ist! — Große Unruhe und stürmische Zurufe rechts.)

Über die geschichtliche Tat, — ja, ich gehe weiter und sage: über die geschichtliche Ruhmestat des revolutionären Russlands wird eines Tages die Geschichte zu Gericht sitzen, und sie wird ein anderes Urteil fällen als Sie, die sich eines Wesens mit der Gegenrevolution fühlen.

(Sehr richtig ! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Es haben unbefangene Leute über die Verhältnisse in Russland seit der Revolution geurteilt: Alfons Paquet von der “Frankfurter Zeitung”, der nichts weniger als ein Bolschewist ist; Ransome und Price von den Engländern, Marchand und Sadoul, französische Offiziere, die als Gegner des Bolschewismus im Auftrage ihrer Regierung nach Russland gegangen sind und die ihr Urteil unter dem Anschauungsunterricht der Tatsachen ganz erheblich geändert haben.

Soll damit gesagt werden, dass in Russland unter der Herrschaft der Bolschewiki alles rosig und alles vollkommen sei? Absolut nicht! Aber die entscheidende Tatsache ist das eine, dass überall in Russland sich die hoffnungsreichen Zeichen eines neuen, eines gesunden, höheren gesellschaftlichen Lebens zeigen. Den Tatsachen von der Zerrüttung der Wirtschaft steht zum Beispiel zur Seite, dass sich, der Losung der Kommunistischen Partei folgend, erst Hunderttausende und jetzt Millionen Arbeiter zur freiwilligen und unbezahlten Samstagnachmittags- und Sonntagsarbeit gemeldet haben.

(Hört! Hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. Zuruf rechts.)

Es ist genau festgestellt, wie viele sich an dieser freiwilligen Arbeit beteiligen und wie viel sie leisten. Sie alle dürfen erst zu Gericht sitzen über die Verhältnisse in Russland, wenn Sie aus Ihren Kreisen ein gleiches Beispiel der Aufopferung und der Hingabe an die Allgemeinheit, an eine Idee aufweisen können.

(Bravo! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten)

Doch nun zurück zu dem Abkommen von Spa! Unsere Beurteilung unterscheidet sich von der Ihren grundsätzlich

in der tiefsten Weise. Für Sie ist maßgebend die horizontale Scheidung der Menschheit nach den Grenzpfählen, für uns die vertikale Scheidung nach den Klassenunterschieden, den Klassengegensätzen.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.),

Was Sie national nennen, das nennen wir kapitalistisch, und unseren Maßstab entnehmen wir den dauernden Klasseninteressen des Proletariats in diesem besonderen Augenblick, der beherrscht wird von der in Fluss gekommenen Weltrevolution. Von diesem Standpunkt aus erklären wir Kommunisten folgendes: Wir verweigern mit aller Entschiedenheit unsere Zustimmung zu dem Abkommen von Spa, wie wir auch dem Friedensvertrag von Versailles unsere Zustimmung verweigert haben würden, dessen zwangsläufige Folge das Abkommen von Spa ist.

(Hört! Hört! rechts.)

Ein aufrichtiges Friedens- und Freundschaftsverhältnis zwischen Deutschland und den Ententevölkern halten wir für dringend notwendig. Nicht nur, um dadurch dem andauernden Unheil des Krieges “in anderen Formen” und “mit anderen Mitteln” endlich Halt zu gebieten, sondern auch, um in friedlichem wirtschaftlichem und kulturellem Wetteifern und zusammenwirken der verschiedenen Völker die Fähigkeiten und Eigenarten eines jeden einzelnen zur höchsten, freien Entfaltung zu bringen. Das zunächst und vor allem bei der Aufgabe, durch gemeinsame Arbeit die unsäglichen Gräuel und Zerstörungen des Krieges wieder gut zu machen und aufzubauen, besser aufzubauen, was in Nordfrankreich die militärische Barbarei im Bunde mit dem kapitalistischen Konkurrenzneid vernichtet hat.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Dann aber zu dem weiter gesteckten Ziel, vereint mit den Arbeitenden, den Schaffenden aller Nationen und aller Rassen den Menschheitsbesitz an materiellen und kulturellen Werten zu mehren.

(Sehr gut! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Unserer Überzeugung nach kann aber ein solcher Friede, der den Namen in Wahrheit und Tat verdient, nun und nimmer das Werk kapitalistischer Regierungen sein, denn für diese ist und bleibt die Friedensfrage wie die Kriegsfrage auch letzten Endes doch nur eine Frage des kapitalistischen Profits,

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

der Interessen der besitzenden, ausbeutenden und herrschenden Minderheit, und nicht eine Frage des Wohls, des Interesses der ungeheuren Mehrzahl der Besitzlosen, der Wenigbesitzenden, Ausgebeuteten und Beherrschten.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Kapitalistische Regierungen in den Ententestaaten und in Deutschland sind es gewesen, die zu Nutz und Frommen der kapitalistischen Profit- und Ausbeutungsmacht die furchtbare Katastrophe des Weltkrieges heraufbeschworen haben. Kapitalistische Regierungen tragen in allen diesen Ländern die Verantwortung für die 4½-jährige Dauer des Krieges, für die unmenschlichen Methoden der Kriegführung, für die Schlammflut chauvinistischer Lügen und Beschimpfungen, für die tiefe verbitternde Verhetzung der Völker untereinander.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Die kapitalistischen Regierungen Frankreichs und Englands setzen die äußerste Kraft daran, um das Frieden suchende, Frieden heischende Sowjetrussland mit Krieg und Blockade abzuwürgen.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Sie haben die Tschechoslowaken, die zaristischen Generäle der Gegenrevolution, sie haben alle möglichen und unmöglichen Staaten, Stäätchen und Völkerschaften gegen die junge russische Republik gehetzt, gerüstet und unterstützt, und sie stehen gegenwärtig mit ihrer wirtschaftlichen, politischen und militärischen Hilfe hinter dem eroberungstollen polnischen Imperialismus.

Versteckt und verheuchelt aber haben sich die deutschen Regierungen seit November 1918 der gleichen Verbrechen schuldig gemacht.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Denn obgleich sie ihren Ursprung der Novemberrevolution verdanken, haben sie doch eine ausgesprochen kapitalistische Politik getrieben,

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

mit sozialdemokratischen Phrasen aufgegeputzt. Kapitalistische Regierungen, an deren Händen das Blut klebt, das der Kapitalismus bei seinem Ausbeutungsgeschäft auch im Frieden vergießt, können nicht Friedensstifter sein.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Meine Damen und Herren! Das Abkommen zu Spa trägt die Brandmale eines Werkes der kapitalistischen Regierungen hüben und drüben. Es ist ein erster Versuch zur Verständigung der kapitalistischen, der ausbeutenden Klassen Deutschlands und der Entente auf Kosten der breitesten arbeitenden Massen im Deutschen Reiche. Es besagt die Sammlung dieser Klassen zu dem Zwecke, durch die befestigte und gesteigerte Ausbeutung des deutschen Proletariats die durch den Krieg zerschlagene kapitalistische Wirtschaft wiederaufzurichten

(sehr gut! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

und mit neuer Lebenskraft zu erfüllen. Es bedeutet die Sammlung dieser gegenrevolutionären Elemente, um die Vorbedingung dafür zu schaffen: nämlich die Entwaffnung und Abwürgung der proletarischen Revolution.

Das Abkommen zu Spa in der Entwaffnungsfrage besagt keineswegs Fesselung und Überwindung des deutschen Militarismus durch den Ententeimperialismus. Sein offenkundiger, eingestandener Sinn ist vielmehr die Vereinigung der deutschen und der Ententekapitalisten und -imperialisten, um vereint das Proletariat waffen- und wehrlos grenzenloser Ausbeutung und Bewucherung durch die einheimischen und ausländischen Kapitalisten zu unterwerfen, um die volle soziale und menschliche Befreiung des Proletariats durch die proletarische Revolution zu verhindern.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Das aber nicht bloß in Deutschland, sondern in allen kapitalistischen Ländern. Das Abkommen zu Spa in der Entwaffnungsfrage richtet sich gegen Deutschland als gegen das Herz der Weltrevolution. Nut die Entwaffnung der Bourgeoisie durch die Arbeiter ist, wie in allen Staaten so auch in Deutschland, die Bürgschaft für die Überwindung des Militarismus und für den Völkerfrieden

Das Abkommen zu Spa in der Kohlenlieferungsfrage besagt keineswegs Wiederaufbau der Wirtschaft Frankreichs dank dem brüderlichen Zusammenwirken des Volkes der Arbeit diesseits und jenseits der Grenze. Sein Sinn ist Sicherung der konkurrenzlosen Wiederaufrichtung der kapitalistischen Wirtschaft in Frankreich, als deren wohlbestallte Fronvögte die deutschen Kapitalisten amtieren werden.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Das Abkommen zu Spa in der Kohlenlieferungsfrage gibt den deutschen Kapitalisten den Vorwand, die im Interesse ihres Profits und ihrer Macht begonnene Sabotage der Wirtschaft fortzusetzen, auszudehnen, zu steigern und zu verschleiern. Seine Wirkung wird sein die ungeheuere Bereicherung einiger kapitalistischer Gruppen in Deutschland und in Frankreich; die unerhörte Verschärfung der Ausbeutung und Knechtschaft des deutschen Grubenproletariats und weiterwirkend des Grubenproletariats anderer Länder, das Verkümmern, die Verkrüppelung einzelner Zweige der deutschen Wirtschaft und mit dem allen eine riesige Steigerung des Massenelends in Deutschland. Die volle Auswirkung des Abkommens in der Kohlenlieferungsfrage kann nur festgestellt werden, wenn die Arbeiter durch ihre Betriebs- und Wirtschaftsräte die Kontrolle der Wirtschaft in die eigene Hand nehmen, als Vorstufe für die Übernahme der Verwaltung der Wirtschaft und die Vergesellschaftung der großen Produktionsmittel.

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten)

So bestätigt unserer Überzeugung nach das Abkommen zu Spa, dass ein Friede, der tatsächlich das Massenelend und das Massenunheil des Weltkrieges überwindet, einzig und allein die Tat des Proletariats sein muss, das in allen Ländern, auf dem Boden seiner Heimat, den Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus im revolutionären Kampfe niederringt, indem es die politische Macht erobert und seine Diktatur aufrichtet.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Meine Herren und Damen! Indem wir Kommunisten das Abkommen zu Spa als eine Frucht der internationalen Gegenrevolution in der schärfsten Weise verurteilen und ablehnen rufen wir alle Hand- und Kopfarbeiter in Deutschland auf, in gewaltigen Kundgebungen zum Ausdruck zu bringen, dass die Vertreter der Kapp-Ersatz-Regierung, die in Spa mit dem Wohle und mit dem Rechte des deutschen Proletariats gehandelt haben, wohl Vertreter der besitzenden und ausbeutenden Klassen Deutschlands und ihrer Interessen sind, aber nicht die Vertreter der breitesten schaffenden Massen des Volkes und ihrer Interessen; dass diese Massen es deshalb ablehnen, ihre billigende Unterschrift unter das Abkommen von Spa zu setzen; dass sie den Proletariern, den Kleinen, Ausgewucherten und Unterdrückten in den Ententestaaten die Hand entgegenstrecken zum Bruderbund des Friedens, der Wiedergutmachung der Kriegsschäden und der Regelung all der umstrittenen Fragen der Politik und Wirtschaft. Sie erklären sich insbesondere bereit, mit den französischen Arbeitern und Kleinbauern zusammen in brüderlicher Arbeit das freventlich verwüstete Nordfrankreich aufzubauen, aber — das ist der Unterschied — nicht unter der Peitsche und unter den Maschinengewehren des Kapitalismus und nicht zur Bereicherung ausbeutender Kapitalisten in Frankreich und Deutschland.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Die Massen erklären, dass sie mit herzlichster Begeisterung die Siege Sowjetrusslands über das gegenrevolutionäre Polen begrüßen, allein, sich dessen klar bewusst sind: Räteordnung und Kommunismus können nicht von einer roten Armee als Geschenk über die Grenze getragen werden, sondern müssen ihr eigenstes Werk sein,

(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

dass sie aber auch richtig einschätzen die Bedeutung des Unterschiedes, ob im Osten Deutschlands ein gegenrevolutionäres, imperialistisches Polen steht oder aber ein Polen, befreit von Imperialismus und Kapitalismus, und ein sozialistisches Räterussland. Sie sind deshalb entschlossen, sich mit aller Entschiedenheit jedem Versuch entgegenzustemmen, unter dem Missbrauch der formalen Neutralität Deutschlands in irgendwelcher Form dem imperialistischen Polen in seinem verbrecherischen Waffengang gegen Räterussland Beistand zu leisten. Sie fordern mit aller Energie die sofortige Aufhebung des Belagerungszustandes über Ostpreußen

(lebhafter Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

und den Verzicht der Regierung auf die Absicht, dort unter dem Vorwand des Grenzschutzes eine Militärmacht gegen die russischen und gegen die deutschen Arbeiter zusammenzuziehen.

(Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Wir Kommunisten rufen gleichzeitig die Proletarier der Ententestaaten auf, sich ihrer revolutionären Pflicht und ihres revolutionären Erstgeburtsrechts zu erinnern. Wir mahnen sie daran, in dem gleichen Sinne und zu dem gleichen Ziele wie die revolutionäre Vorhut des deutschen Proletariats den Kampf wider den Kapitalismus in ihrem Lande aufzunehmen und durchzufechten. Wir rufen sie in die einheitliche, geschlossene Front der Dritten Internationale.

(Lebhafter Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Wir rufen und grüßen Sie im Namen der Weltrevolution, die auch ihr Werk sein muss. Denn die Weltrevolution — meine Damen und Herren, lächeln Sie darüber, wie Sie wollen —‚ die Weltrevolution allein wird die Liquidation des Weltkrieges und gleichzeitig die Vorfrucht des Weltfriedens sein.

(Lebhaftes Bravo bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

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