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Räte in Polen

Während des Rückzugs der deutschen Truppen aus Polen (im Herbst 1918) begann im polnischen Proletariat eine spontane Bewegung für die Gründung von Arbeiterräten als Organe der Arbeiter im Kampf um die Macht.

Die ersten Räte wurden (am 8. November 1918) im Dąbrowa-Becken und (am 11. November 1918) in Warschau organisiert. An der Spitze des Warschauer Arbeiterrates stand der Vereinigte Ausschuss der Sozialdemokratie Polens und Litauens und der „Lewica“ (der Linken) der Polnischen Sozialistischen Partei. An der Leitung des Arbeiterrates nahm auch der Warschauer Gewerkschaftsrat teil, wodurch dem Arbeiterrat der Einfluss auf die breitesten Arbeitermassen gesichert wurde.

Als Gegengewicht zu dem revolutionären Arbeiterrat organisierte die Polnische Sozialistische Partei einen besonderen Rat, dessen Führung in den Händen der Sozialverräter lag. Der „Bund“ seinerseits schuf zusammen mit anderen jüdischen Parteien ebenfalls einen Rat, der die Arbeiter und Angestellten nach nationalen Gesichtspunkten zusammenfasste.

Alle diese Räte schlossen sich jedoch auf Drängen des Vollzugsausschusses des Warschauer Arbeiterrates zu einem Rat zusammen, der 303 Betriebe mit 48 383 Arbeitern umfasste. In diesem Arbeiterrat hatte die Polnische Sozialistische Partei 313 Delegierte und 73 Sympathisierende, während die Kommunistische Partei Polens, die sich damals aus der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens und aus der Linken der Sozialdemokratischen Partei Polens bildete, 305 Delegierte und 33 Sympathisierende aufwies. Insgesamt gab es zusammen mit dem „Bund“, den sonstigen Parteien und den Parteilosen 1163 Delegierte.

Kurze Zeit darauf, als ein Proteststreik gegen die Repressalien und die Verhöhnung der Arbeiter durch die damalige bürgerliche Regierung Polens beschlossen wurde, wandte sich die Polnische Sozialistische Partei gegen den Streik und durchkreuzte ihn. Das war auch der Beginn der Sprengung des Arbeiterrates selbst. Die Polnische Sozialistische Partei bezeichnete die Räte als Organe, die „dem polnischen Staat feindlich gegenüberstellen, die daher entschieden bekämpft werden müssen“, und machte den Vorschlag, die Räte zu „allgemeinen Wirtschafts- und Kulturinstitutionen“ „umzubauen“. Im Juni 1919 spalteten sich die PPS-Anhänger vom Warschauer Rat ab und organisierten von neuem ihren eigenen Arbeiterrat aus Leuten, die auf dem Standpunkt einer „unabhängigen polnischen Sozialistischen Republik“ standen. Das war ein Manöver, das die endgültige Liquidierung der Arbeiterräte in Polen bezweckte. Die Ochrana (politische Polizei) und die Polizei zerschlugen mit Unterstützung der Polnischen Sozialistischen Partei die Räte, darunter auch den Warschauer Rat.

Die eben erst aus zwei Parteien – der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens und der Lewica der Polnischen Sozialistischen Partei – gegründete Kommunistische Partei Polens führte, gestützt auf die Räte, die Massen in den Kampf, doch verfolgte sie dabei nicht die konsequent bolschewistische Taktik der Umwandlung der Räte in Organe des bewaffneten Aufstandes des Proletariats, da sie damals in den programmatischen und taktischen Hauptfragen noch keinen wirklich bolschewistischen Standpunkt einnahm. [Ausgewählte Werke, Band 8]

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