Glossar‎ > ‎

Trotzkis defensive Rede im Petrograder Sowjet

In der Sitzung des Petrograder Rates vom 18./31. Oktober 1917 erklärte Trotzki aus Anlass der Mitteilungen der bürgerlichen Presse über eine bevorstehende Aktion, dass weder die Bolschewiki noch der Petrograder Rat einen Aufstand für die nächsten Tage vorbereiten oder irgendwelche bewaffneten Aktionen angesetzt haben, sie werden es aber nicht gestatten, dass die revolutionäre Garnison aus Petrograd entfernt wird, und bei dem ersten Versuch der Konterrevolution, den Rätekongress zu sprengen, wird das ganze revolutionäre Russland mit einer energischen Gegenaktion antworten, die rücksichtslos sein wird und die wir bis zu Ende durchführen werden. Kamenew, der nach ihm das Wort ergriff, erklärte, dass er jedes Wort Trotzkis unterschreibe („Rabotschij Putj, Nr. 40 und 41 vom 19. Oktober/1. November und 20. Oktober/2. November 1917). In der Sitzung des ZK vom 20 Oktober/2. November teilte Trotzki mit, dass seine Erklärung erzwungen wurde durch die Drohung Kamenews, in der Sitzung des Rates eine Resolution gegen die Aktion einzubringen („Protokolle der Sitzungen des ZK der SDAPR", „Proletarskaja Rewoluzija", Nr. 10 [69], 1927). [Lenin, Sämtliche Werke, Band 21, Anm. 156]

In den letzten Tagen vor dem Aufstand hat die gesamte antibolschewistische Presse die Frage nach dem Aufruhr der Bolschewiki hochgepuscht. Unsere Partei versuchte, die Wachsamkeit des Feindes zu beruhigen, indem sie auf die Absurdität solcher Aussagen hinwies. Die von L. D. Trotzki bei dieser Sitzung gemachte Aussage spielte eine Rolle bei der allgemeinen „militärisch-politischen Täuschung" der Bourgeoisie und der Kompromissler (über die Taktik der militärischen Täuschung in jenen Tagen siehe das Kapitel „Bewaffneter Aufstand und sowjetische Legalität" in der Einleitung von L. D. Trotzki zum vorliegenden Band).

Es ist interessant festzustellen, dass andere Vertreter unserer Partei auch auf die Erklärung von L. D. Trotzki in dieser Sitzung verwiesen haben. So erschien zum Beispiel im „Rabotschij Putj" vom 20. Oktober der folgende Brief des Genossen Lunatscharski:

An die Redaktion von Rabotschij Putj."

In den letzten beiden Nummern der „Birschewskaja Wjedomisti" wird immer wieder ein Gerücht verbreitet, als ob offizielle Vertreter der Stadtmiliz mich mit einer Anfrage bezüglich eines angeblich bevorstehenden Aufruhrs angesprochen hätten. Ich gab ihnen auch meine Antwort, begleitet von allen möglichen bösartigen Äußerungen der Redaktion.

Ich erkläre, dass all diese Nachrichten vom ersten bis zum letzten Wort Fiktion sind. Wenn jemand eine solche Frage gestellt hätte, hätte ich Wort für Wort dasselbe gesagt, was Genosse Trotzki im Treffen des Petrograder Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten am 17. Oktober“ (nicht exakt: am 18. Oktober – die Red.) „gesagt hat.

A. Lunatscharski.“

Wir erfahren über Lenins Einstellung zu dieser Rede des Genossen Trotzki aus dem Buch „Über Lenin":

In der Zeit zwischen der zuletzt geschilderten Sitzung des ZK und dem 25. Oktober kann ich mich nur an eine Zusammenkunft mit Wladimir Iljitsch erinnern, und auch an diese nur unklar. Wann war es? Vermutlich etwa zwischen dem 15. und 20. Oktober. Ich entsinne mich, dass es mich sehr interessierte, wie Lenin auf den „defensiven" Charakter meiner Rede in der Sitzung des Petersburger Sowjets reagieren werde: ich hatte das Gerücht, dass wir für den 22. Oktober (den „Tag des Petersburger Sowjets") einen bewaffneten Aufstand vorbereiteten, für falsch erklärt und warnend erklärt, dass wir jeden Angriff mit einem resoluten Gegenschlag beantworten und bis zum Legten gehen würden.

Die Stimmung Wladimir Iljitschs war bei dieser Begegnung, wie ich mich erinnere, ruhiger und zuversichtlicher, ich möchte sagen: weniger misstrauisch. Er hatte nicht nur keinerlei Einwände gegen den äußerlich defensiven Ton meiner Rede, sondern er fand diesen Ton durchaus geeignet, die Wachsamkeit des Feindes einzuschläfern. Nichtsdestoweniger schüttelte er hin und wieder mit dem Kopf und fragte: „Werden sie uns aber nicht zuvorkommen? Werden wir nicht überrumpelt werden?" Ich argumentierte, dass das Weitere sich fast automatisch abwickeln werde.” (S. 73-74). [Trotzki, Sotschinenija 3.2]

Kommentare