Karl Kautsky‎ > ‎1907‎ > ‎

Karl Kautsky 19071211 Jack London, Wenn die Natur ruft

Karl Kautsky: Jack London, Wenn die Natur ruft

Deutsch von L Löns. Mit Bildern von Bull und Goodwin. Hannover, Adolf Sponholtz. 4,50 Mark.

[Nach „Die Neue Zeit: Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie.“ - 26.1907-1908, 1. Band (1907-1908), Heft 11 (11. Dezember 1907), S. 376 f.]

Der Name Jack Londons hat unter den amerikanischen Sozialisten einen guten Klang. Die vorliegende Erzählung verfolgt indes keine politische Tendenz und auch keinen agitatorischen Zweck. Es ist die Geschichte eines Hundes. Aber auch sie entbehrt nicht einer sozialen Note. Sie zeigt, wie das Individuum das Produkt der Verhältnisse ist. Der Held der Geschichte, der riesenhafte Hund Buck, eine Kreuzung von Bernhardiner und Schäferhund, wächst aus einem schönen Landgut im sonnigen Kalifornien auf, als Luxushund, der seine Kräfte voll entfaltet. liebenswürdig und stolz, aber ohne jedes tiefere und stärkere Empfinden. Er wird gestohlen und nach Klondike verkauft, wo er als Schlittenhund in die elendeste Sklaverei gerät. anfänglich verkommt. sich aber durchringt zu erhebender Freundschaft und inniger Hingebung gegenüber einem einfachen und liebenswürdigen Menschen.

Das ist vortrefflich beobachtet und höchst anziehend geschildert. Aber neben dem Einfluss des Milieus und des Kampfes dagegen will uns Jack London auch den anderen Faktor unseres Tuns wirksam zeigen, die ererbten Fähigkeiten, und da ist er weniger glücklich. Er präsentiert uns da einen mystischen Darwinismus. In Buck lebt eine Art Atavismus, nicht etwa bloß in der Weise, dass in ihm Fähigkeiten und Neigungen schlummern, die seine Urahnen besaßen und die nur eines Anstoßes bedürfen, um wieder lebendig zu werden. Nein, er bewahrt auch Vorstellungen der Vorzeit, er träumt von dem Leben, das seine Urahnen mit dem Urmenschen führten, einem scheuen haarigen Gesellen, der auf Bäumen wohnt und trotzdem sonderbarerweise schon den Urhund gezähmt hat!

Und die Sehnsucht nach diesem Urzustand wird zur Katastrophe in Bucks Leben. Er fühlt sich immer mehr zu den Wölfen hingezogen und schließt sich ihnen dauernd an, nachdem er seinen Herrn verloren.

Ein wenig Mystizismus, freilich im Gewande der Naturwissenschaft, gehört einmal zu den Ingredienzien moderner Literatur, wie es scheint, auch solcher, die vom Baume sozialistischer Erkenntnis gekostet hat.

Indes ist dieser mystische Einschlag nicht aufdringlich, und er wird mehr als wettgemacht durch die sonstigen guten Eigenschaften des Buches. Wäre sein Preis nicht ein so hoher, könnte man es sehr wohl zur Ausnahme in die Liste unseres Jugendschriftenausschusses empfehlen.

K.K.

Kommentare