I. 1. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung

1. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung

Grundlage der Warenwirtschaft ist die gesellschaftliche Arbeitsteilung. Die verarbeitende Industrie trennt sich von der Rohstoffindustrie, und beide teilen sich wieder in kleinere Gruppen und Untergruppen, die besondere Produkte in Warenform erzeugen und sie gegen alle anderen Produkte austauschen. So vermehrt die Entwicklung der Warenwirtschaft die Zahl der selbständigen Industriezweige; solche werden nicht nur für jedes einzelne Produkt geschaffen, die Tendenz der Entwicklung geht dahin, diesen Vorgang auch auf das einzelne Teilprodukt und schließlich auch auf die Teiloperationen zu übertragen, aus denen das verbrauchsfertige Erzeugnis hervorgeht. In der Naturalwirtschaft bestand die Gesellschaft aus einer großen Zahl gleichartiger Wirtschaftseinheiten (patriarchalische Bauernfamilien, primitive Dorfgemeinschaften, feudale Güter), und jede dieser Einheiten pflegte alle Arten wirtschaftlicher Arbeit, von der Gewinnung der verschiedenen Rohstoffe an bis zu ihrer abschließenden Zubereitung für den Verbrauch. In der Warenwirtschaft werden verschiedenartige Wirtschaftseinheiten geschaffen, es vergrößert sich die Zahl der besonderen Wirtschaftszweige, es vermindert sich die Zahl der Wirtschaften, die ein und dieselbe Wirtschaftsfunktion verrichten. Diese fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist für die Entstehung des inneren Marktes für den Kapitalismus ausschlaggebend.

Auf Basis der Warenproduktion und ihrer absoluten Form, der kapitalistischen Produktion – sagt Marx – sind diese Produkte Waren, Gebrauchswerte, die einen Tauschwert, und zwar einen realisierbaren, in Geld verwandelbaren Tauschwert besitzen, nur in dem Umfang, worin andere Waren ein Äquivalent für sie bilden, andere Produkte ihnen als Waren und als Werte gegenübertreten; in dem Umfang also, worin sie nicht produziert werden als unmittelbare Subsistenzmittel für ihre Produzenten selbst, sondern als Waren, als Produkte, die nur durch Verwandlung in Tauschwert (Geld), durch ihre Veräußerung, zu Gebrauchswerten werden. Der Markt für diese Waren entwickelt sich durch die gesellschaftliche Teilung der Arbeit; die Scheidung der produktiven Arbeiten verwandelt ihre respektiven Produkte wechselseitig in Waren, in Äquivalente füreinander, macht sie sich wechselseitig als Markt dienen." („Das Kapital", Bd. III, 2, S. 177 u. 178. Von uns gesperrt, wie in allen Zitaten, bei denen nicht das Gegenteil vermerkt ist.)

Selbstverständlich ist, dass die erwähnte Trennung der verarbeitenden Industrie von der Rohstoffindustrie, der Manufaktur von der Landwirtschaft auch die Landwirtschaft selbst in einen Industriezweig umwandelt, d. h. in einen Zweig der Warenwirtschaft. Der Spezialisierungsprozess, der die verschiedenen Arten der Produktenbearbeitung voneinander trennt und eine ständig wachsende Zahl von Industriezweigen schafft, tritt auch in der Landwirtschaft in Erscheinung, wo er eine Spezialisierung nach Bezirken (und Systemen der Wirtschaftsführung*) hervorruft und einen Produktenaustausch nicht nur zwischen Landwirtschaft und Industrie, sondern auch innerhalb der Landwirtschaft selbst zustande bringt. Diese Spezialisierung der für den Markt produzierenden (und kapitalistischen) Landwirtschaft zeigt sich in allen kapitalistischen Ländern, zeigt sich in der internationalen Arbeitsteilung und, wie wir weiter unten ausführlich darlegen werden, nach der Reform auch in Russland.

Somit ist die gesellschaftliche Arbeitsteilung Grundlage der ganzen Entwicklung der Warenwirtschaft und des Kapitalismus. Es ist deshalb ganz natürlich, dass die Theoretiker unserer Narodniki-Ideologie, die diesen Prozess als ein Resultat künstlicher Maßnahmen, als eine „Abweichung vom Wege" usw. usw. hinstellen, sich bemühten, die Tatsache der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in Russland zu übergehen oder ihre Bedeutung abzuschwächen. In seinem Aufsatz: „Die industrielle und landwirtschaftliche Arbeitsteilung in Russland" („Wjestnik Jewropy", 1884, Nr. 7) „verneinte" W. W. „die Herrschaft des Prinzips der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in Russland" (S. 347) und erklärte, dass bei uns die gesellschaftliche Arbeitsteilung

nicht aus den Tiefen des Volkslebens herausgewachsen sei, sondern versucht hätte, von außen in dieses einzudringen" (S. 338).

N.-on beurteilte in seinen „Skizzen" die Vergrößerung der zum Verkauf gelangenden Getreidemenge folgendermaßen:

Diese Erscheinung könnte man dahin deuten, dass das produzierte Getreide sich gleichmäßiger im Reiche verteilt, dass der Fischer in Archangelsk jetzt Brot aus Samara isst, während der Landwirt in Samara sein Mahl durch Fische aus Archangelsk schmackhafter gestaltet. In Wirklichkeit geschieht nichts derartiges." („Skizzen unserer Volkswirtschaft nach der Reform", Petersburg 1893, S. 37.)

Ohne irgendwelche Beweise, im Widerspruch mit allgemein bekannten Tatsachen, wird hier einfach das Fehlen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in Russland dekretiert! Es wäre ja auch unmöglich, die Theorie der Narodniki über die „Künstlichkeit" des Kapitalismus in Russland zu konstruieren, ohne die Grundlage jeder Warenwirtschaft selbst – die gesellschaftliche Arbeitsteilung – zu verneinen oder als „künstlich" zu bezeichnen.

* In seinen „Grundlagen der Agrikultur" unterscheidet z. B. I. A. Stebut die landwirtschaftlichen Wirtschaftssysteme nach ihrem Hauptmarktprodukt. Er nennt drei Hauptsysteme der Wirtschaft: 1. Feldwirtschaft (nach der Bezeichnung von Skworzow Körnerwirtschaft); 2. Viehwirtschaft (Hauptmarktprodukt: Produkte der Viehhaltung); 3. Betriebswirtschaft (technische Wirtschaft nach dem Ausdruck des Herrn A. Skworzow; Hauptprodukt: landwirtschaftliche Produkte, die einer technischen Bearbeitung unterzogen werden), siehe A. Skworzow: „Einfluss des Dampftransports auf die Landwirtschaft". Warschau 1890, S. 68 ff.

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