I. 3. Der Ruin der Kleinproduzenten

3. Der Ruin der Kleinproduzenten

Bis hierher hatten wir es mit der einfachen Warenproduktion zu tun. Jetzt gehen wir zur kapitalistischen Produktion über, d. h. wir nehmen an, dass an die Stehe des einfachen Warenproduzenten auf der einen Seite der Besitzer der Produktionsmittel, auf der anderen Seite der Lohnarbeiter, der Verkäufer seiner Arbeitskraft, tritt. Der Kleinproduzent verwandelt sich in einen Lohnarbeiter erst dann, wenn er seiner Produktionsmittel – des Bodens, der Werkzeuge, der Werkstatt usw. – verlustig gegangen, wenn er „verarmt", „ruiniert" ist. Es besteht nun die Auffassung, dass dieser Ruin „die Kaufkraft der Bevölkerung vermindert", für den Kapitalismus „den inneren Markt einschränkt" (N.-on, a. a. O., S. 185. Ebenso S. 203, 275, 287, 339 u. 340 u. a. Auch in den meisten Werken von W. W. war derselbe Standpunkt vertreten). Wir befassen uns hier nicht mit den Tatsachen des Verlaufs dieses Prozesses in Russland – wir werden sie in den folgenden Kapiteln noch genau untersuchen. Hier steht die Frage rein theoretisch: nach dem Wesen der Warenerzeugung überhaupt bei ihrer Umwandlung in die kapitalistische Form. Die erwähnten Schriftsteller stellen die Frage ebenfalls theoretisch: aus der einen Tatsache des Ruins der Kleinproduzenten schließen sie auf die Verengerung des inneren Marktes. Eine vollkommen falsche Auffassung, deren hartnäckiges Fortleben in unserer ökonomischen Literatur nur aus der romantischen Voreingenommenheit unserer Narodniki erklärt werden kann! (Vgl. den in der Anmerkung genannten Artikel.) Man vergisst hierbei, dass die Produktionsmittel, von denen der eine Teil der Produzenten „freigesetzt" wird, mit Notwendigkeit in andere Hände übergehen, in Kapital verwandelt werden, dass die neuen Besitzer daher die früher in den Eigenverbrauch der Produzenten eingegangenen Produkte nunmehr in Form von Waren produzieren, d. h. den inneren Markt erweitern, dass mit Vergrößerung ihrer Produktion diese neuen Besitzer auf dem Markt eine Nachfrage nach neuen Werkzeugen, Rohstoffen, Transportmitteln usw. und gleichzeitig auch nach Konsumtionsmitteln auslösen (die Bereicherung dieser neuen Besitzer setzt selbstverständlich auch eine Steigerung ihrer Konsumtion voraus). Vergessen wird, dass für den Markt keineswegs der Wohlstand des Produzenten entscheidend ist, wohl aber, dass er Geld besitzt; der Verfall des Wohlstandes des patriarchalischen Bauern, der früher hauptsächlich Naturalwirtschaft betrieb, lässt sich mit einer Vermehrung seiner Geldmittel völlig vereinbaren, denn je weiter der Ruin dieser Bauern fortschreitet, desto mehr sind sie gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, einen desto größeren Teil ihrer (wenn auch nicht mehr so reichlichen) Existenzmittel müssen sie auf dem Markte erstehen.

Mit dem freigesetzten Teil des Landvolks werden also auch seine früheren Nahrungsmittel freigesetzt. Sie verwandeln sich jetzt in stoffliches Element des variablen Kapitals" (des zum Ankauf von Lohnarbeit dienenden Kapitals). („Das Kapital", Bd. I, S. 6751.)

Die Expropriation und Verjagung eines Teils des Landvolks setzt mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsmaterial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den inneren Markt." (Ebenda, S. 676.)

So bedeutet vom abstrakt theoretischen Gesichtspunkt aus der Ruin der Kleinproduzenten innerhalb der sich entwickelnden Warenwirtschaft und des Kapitalismus das gerade Gegenteil von dem, was N.-on und W. W. daraus ableiten wollen; er bedeutet die Schaffung, nicht aber die Verengerung des inneren Marktes. Wenn dieser selbe Herr N.-on a priori erklärt, dass der Ruin der russischen Kleinproduzenten eine Verengerung des inneren Marktes bedeutet, und dann trotzdem die eben angeführten gegenteiligen Behauptungen von Marx zitiert („Skizzen", S. 71 und 114), so beweist dies nur die merkwürdige Fähigkeit dieses Schriftstellers, sich selbst durch Zitate aus dem „Kapital" zu widerlegen.

1 Die Seiten des ersten Bandes der deutschen Ausgabe des „Kapital" wurden von Lenin überall nach der zweiten Ausgabe angegeben. In der deutschen Ausgabe beziehen sich die Seitenzahlen des ersten Bandes auf die „Volksausgabe".

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