I. 9. Schlussfolgerungen aus dem ersten Kapitel

9. Schlussfolgerungen aus dem ersten Kapitel

Betrachten wir jetzt kurz die untersuchten theoretischen Feststellungen in ihrer unmittelbaren Beziehung zur Frage des inneren Marktes.

1. Der grundlegende Prozess für die Bildung des inneren Marktes (d. h. für die Entwicklung der Warenproduktion und des Kapitalismus) ist die gesellschaftliche Arbeitsteilung. Sie besteht darin, dass die verschiedenen Arten der Rohstoffbearbeitung (und die verschiedenen Operationen bei dieser Bearbeitung) sich nacheinander von der Landwirtschaft loslösen und selbständige Industriezweige bilden, die ihre Produkte (jetzt bereits Waren) gegen Produkte der Landwirtschaft austauschen. In der Landwirtschaft, die damit selbst zu einer Industrie (d. h. zur Warenproduzentin) wird, vollzieht sich derselbe Spezialisierungsprozess,

2. Eine unmittelbare Folgerung aus dem vorhergehenden Satze ist das in jeder sich entwickelnden, warenproduzierenden und besonders in der kapitalistischen Wirtschaft geltende Gesetz, dass die industrielle (d. h. nicht-landwirtschaftliche) Bevölkerung schneller als die landwirtschaftliche zunimmt und dass immer mehr Menschen von der Landwirtschaft zur Industrie herübergezogen werden.

3. Die Freisetzung des unmittelbaren Produzenten von den Produktionsmitteln, d. h. seine Enteignung, die den Übergang von der einfachen zur kapitalistischen Warenproduktion kennzeichnet (und die notwendige Voraussetzung dieses Überganges ist), schafft den inneren Markt. Dieser Entstehungsprozess des inneren Marktes vollzieht sich auf zweierlei Art: einmal verwandeln sich die Produktionsmittel, von denen die Kleinproduzenten „freigesetzt" werden, in den Händen ihrer neuen Besitzer in Kapital, dienen zur Produktion von Waren und werden so selbst zur Ware. Auf diese Weise erfordert auch die einfache Reproduktion dieser Produktionsmittel jetzt bereits ihren Kauf (früher wurden diese Produktionsmittel zum größten Teil in ihrer Naturalform reproduziert und teilweise im Hause hergestellt) , d. h. es bildet sich ein Markt für Produktionsmittel, und damit wird auch das Produkt, das jetzt mit diesen Produktionsmitteln erzeugt wird, zur Ware. Auf der anderen Seite werden die Subsistenzmittel dieser Kleinproduzenten zu stofflichen Elementen des variablen Kapitals, d. h. der Geldsumme, die von den Unternehmern (einerlei, ob von Landwirten, Lieferanten, Holzhändlern, Fabrikanten usw.) an die Arbeiter ausgezahlt wird. So verwandeln sich auch diese Subsistenzmittel jetzt in Ware, schaffen also den inneren Markt für die Konsumtionsmittel.

4. Die Realisierung des Produkts in der kapitalistischen Gesellschaft (und folglich auch die Realisierung des Mehrwerts) lässt sich nicht erklären ohne die Einsicht, dass 1. das gesellschaftliche Produkt, ebenso wie das individuelle, dem Werte nach in drei Teile und nicht in zwei Teile zerfällt (in konstantes Kapital + variables Kapital + Mehrwert, und nicht nur in variables Kapital + Mehrwert, wie Adam Smith und die ganze folgende politische Ökonomie bis auf Marx lehrte), und dass es 2. seiner Naturalform nach in zwei große Abteilungen eingeteilt werden muss: die Produktionsmittel (die in der Produktion konsumiert werden) und die Konsumtionsmittel (die individuell konsumiert werden). Durch Aufstellung dieser fundamentalen theoretischen Sätze konnte Marx den Prozess der Realisierung des Produktes im Allgemeinen und des Mehrwertes im Besonderen bei kapitalistischer Produktion vollständig aufklären und die völlige Unrichtigkeit der Hereinziehung des äußeren Marktes in die Realisierungsfrage aufdecken.

5. Die Marxsche Realisierungstheorie brachte auch Licht in die Fragen des nationalen Konsums und Einkommens.

Aus dem Obengesagten geht von selbst hervor, dass die Frage des inneren Marktes als selbständige, von der Frage der Entwicklungsstufe des Kapitalismus unabhängige Frage überhaupt nicht existiert. Darum auch steht die Marxsche Theorie nie und nirgends diese Frage gesondert. Der innere Markt entsteht, wenn die Warenwirtschaft entsteht; er wird durch die Entwicklung dieser Warenwirtschaft geschaffen, und die Höhe seiner Entwicklung bemisst sich nach dem Grade der gesellschaftlichen Arbeitsteilung; er erweitert sich mit der Übertragung der Warenwirtschaft von den Produkten auf die Arbeitskraft, und nur in dem Maße, wie die Arbeitskraft zur Ware wird, erobert der Kapitalismus die gesamte Produktion des Landes, wobei er sich hauptsächlich auf Rechnung der Produktionsmittel entwickelt, die in der kapitalistischen Gesellschaft einen Platz von ständig steigender Bedeutung einnehmen. Der „innere Markt" für den Kapitalismus wird durch den sich entwickelnden Kapitalismus geschaffen, der die gesellschaftliche Arbeitsteilung vertieft und die unmittelbaren Produzenten in Kapitalisten und Arbeiter scheidet. Die Entwicklungsstufe des inneren Marktes bezeichnet die Stufe der kapitalistischen Entwicklung eines Landes. Es ist unrichtig, die Frage nach den Grenzen des inneren Marktes (wie es die Narodniki-Ökonomen tun), getrennt von der Frage der Entwicklungsstufe des Kapitalismus zu stellen.

Darum läuft auch die Frage, wie sich der innere Markt für den russischen Kapitalismus gestaltet, auf die Frage hinaus: wie und in welcher Richtung entwickeln sich die verschiedenen Zweige der russischen Volkswirtschaft? Worin besteht der Zusammenhang und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen diesen verschiedenen Zweigen?

Die folgenden Kapitel werden der Untersuchung des Materials gewidmet sein, das die Antwort auf diese Frage enthält.

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