II. 1. Die semstwostatistischen Angaben über Neurussland

1. Die semstwostatistischen Angaben über Neurussland

In seiner Abhandlung „Südrussische Bauernwirtschaft" (Moskau, 1891)1 sammelte und bearbeitete W. Postnikow die Angaben der Semstwostatistik über das Gouvernement Taurien, teilweise auch über die Gouvernements Cherson und Jekaterinoslaw. In der Literatur über die Zersetzung der Bauernschaft steht dieses Werk an erster Stelle, und es erscheint uns notwendig, Postnikows Stoff unter ergänzender Heranziehung der Semstwostatistik im Sinne unseres Systems zu verarbeiten. Die taurischen Semstwostatistiker haben die Bauernhöfe nach der Größe der Aussaatfläche eingeteilt – eine sehr glückliche Methode, die bei der dort vorherrschenden extensiven Körnerwirtschaft die Möglichkeit gibt, die Wirtschaftslage einer jeden einzelnen Gruppe genau zu beurteilen. Nachstehend die allgemeinen Angaben über die Wirtschaftsgruppen der taurischen Bauernschaft.A

Gouvernement Taurien, Dnjepr-Kreis

Bauerngruppen

Gesamtzahl

der

Bauernhöfe

Auf einen Hof entfielen:

Personen

überhaupt

männliche

Arbeiter

1. ohne Aussaat

9

4,6

1,0

2. mit Aussaat bis zu 5 Desj. .

11

4,9

1,1

3. mit Aussaat von 5–10 Desj. .

20

5,4

1,2

4. mit Aussaat von 10–25 Desj. .

41,8

6,3

1,4

5. mit Aussaat von 25–30 Desj. .

15,1

8,2

1,9

6. mit Aussaat von über 50 Desj.

3,1

10,1

2,32

Insgesamt

100

6,2

1,4

Alle drei Kreise

Bauerngruppen

Gesamt-

zahl

der

Bauern-

höfe3

in %

Durch­schnittl.

Aussaat

eines

Hofes

in Desj.

Gesamt­fläche der Aussaat in Desj.

Dasselbe in % der Gesamtfläche

Gesamt­zahl der Bauern­höfe in %

1. ohne Aussaat

7,5

-

-

-


12,1


40,2

2. mit Aussaat bis zu 5 Desj.

11,7

3,5

34070

2,4

3. mit Aussaat von 5–10 Desj.

21

8,0

140426

9,7

4. mit Aussaat von 10–25 Desj.

39,2

16,4

540093

37,6

37,6

39,2

5. mit Aussaat von 25–50 Desj.

16,9

34,5

494095

34,3

50,3

20,6

6. mit Aussaat von über 50 Desj.

3,7

75,0

230583

16

Insgesamt

100

17,1

1439267

100



Die Ungleichmäßigkeit in der Verteilung der Saatfläche ist sehr bedeutend: 2/5 aller Höfe (mit ungefähr 3/10 der Bevölkerung, da der Familienbestand hier unter dem Durchschnitt liegt) besitzen ungefähr 1/8 der gesamten Saatfläche und stellen die arme Gruppe dar, die – bei geringer Aussaat – ihren Lebensbedarf nicht mit dem Erträgnis ihres Ackerbaues decken kann. Weiter entfallen auf die mittlere Bauernschaft ebenso ungefähr 2/5 aller Höfe; hier werden die Durchschnittsausgaben durch den Bodenertrag gedeckt (Postnikow meint, dass zur Deckung der durchschnittlichen Ausgaben einer Familie 16–18 Desjatinen Saatfläche erforderlich sind). Die wohlhabende Bauernschaft schließlich (ungefähr 1/5 der Höfe und 3/10 der Bevölkerung) vereinigt in ihrer Hand über die Hälfte der gesamten Saatfläche, wobei die Größe der Aussaat eines Hofes deutlich den „kommerziellen", marktmäßigen Charakter der Landwirtschaft dieser Gruppe dartut. Um den Umfang dieser landwirtschaftlichen Marktproduktion in den verschiedenen Gruppen genau zu bestimmen, wendet Postnikow folgende Methode an. Aus der gesamten Saatfläche einer Wirtschaft sondert er aus: die Flächen für Ernährung (die das für die Familie und die Landarbeiter erforderliche Produkt hergeben), für Viehfütterung, für Zwecke der Wirtschaftsführung (für Saatgut, Gehöftland usw.) und bestimmt so das Ausmaß der für den Markt oder Handel verfügbaren Fläche, deren Produkt zum Verkauf gelangt. Es zeigt sich, dass bei der Gruppe mit 5 bis 10 Desjatinen Aussaat nur 11,8 % der gesamten Saatfläche ein Marktprodukt ergibt, während mit der Vergrößerung der Aussaat dieser Prozentsatz (nach Gruppen) folgendermaßen ansteigt: 36,5% – 52% – 61%. Demzufolge betreibt die wohlhabende Bauernschaft (die beiden oberen Gruppen) schon eine marktmäßige Landwirtschaft, aus der sie jährlich ein bares Bruttoeinkommen von 574–1500 Rubel bezieht. Diese Markt-Landwirtschaft wird bereits zur kapitalistischen, da die Größe der Aussaat bei den wohlhabenden Bauern die Arbeitsnorm der Familie (d. h. jene Bodenfläche, die die Familie mit eigener Arbeit bestellen kann) übersteigt, so dass sie gezwungen sind, Lohnarbeiter zu verwenden: in den drei nördlichen Kreisen des Gouvernements Taurien beschäftigt die wohlhabende Bauernschaft nach Berechnung des Autors mehr als 14.000 Landarbeiter. Umgekehrt „liefert" die arme Bauernschaft Arbeitskräfte (über 5000), d. h. sie schreitet zum Verkauf ihrer Arbeitskraft, da das Einkommen eines Hofes aus Ackerbau z. B. in der Gruppe mit 5–10 Desjatinen Aussaat nur ungefähr 30 Rubel bar beträgt.B Wir sehen hier also genau den Prozess der Bildung des inneren Marktes, von dem die Theorie der kapitalistischen Produktion spricht: der „innere Markt" wächst einerseits infolge der Umwandlung des Produkts in Ware, andererseits infolge der Umwandlung der Arbeitskraft in Ware; das Warenprodukt liefern die für den Markt produzierenden landwirtschaftlichen Unternehmer, während die bankrotten Bauern ihre Arbeitskraft verkaufen.

Um diese Erscheinung näher kennenzulernen, wollen wir die Lage der Bauerngruppen einzeln betrachten. Beginnen wir bei der oberen Gruppe. Grundbesitz und Landnutzung weisen hier folgende Ziffern auf:

Gouvernement Taurien, Dnjepr-Kreis


Desj. Ackerland auf den Hof

Hofgruppen

Anteilland

Kaufland

Pachtland

Insgesamt

1. ohne Aussaat

6,4

0,9

0,1

7,4

2. mit Aussaat bis zu 5 Desj.

5,5

0,04

0,6

6,1

3. mit Aussaat von 5–10 Desj.

8,7

0,05

1,6

10,34

4. mit Aussaat von 10–25 Desj.

12,5

0,6

5,8

18,9

5. mit Aussaat von 25–50 Desj.

16,6

2,3

17,4

36,3

6. mit Aussaat von über 50 Desj.

17,4

30,0

44,0

91,4

Im Durchschnitt

11,2

1,7

7,0

19,9

Wir sehen demnach, dass die wohlhabende Bauernschaft nicht nur mit den größten Anteilländereien versehen ist, sondern auch die Masse des Kauf- und Pachtlandes in ihrer Hand konzentriert und so zu kleinen Grundbesitzern oder Farmern wird.C Die Pacht von 17–44 Desjatinen kostet nach örtlichen Preisen jährlich ungefähr 70–160 Rubel. Ganz offenbar haben wir es hier schon mit einer kommerziellen Operation zu tun: der Boden wird zur Ware, „zur geldheckenden Maschine".

Nehmen wir weiter die Ziffern über das lebende und tote Inventar:

, „. , , j „„, den Hof«

- Son- Ins- --


Drei Kreise des Gouv. Taurien

Dnjepr-Kreis

Hofgruppen

Stück Vieh auf den Hof

Prozent­satz der Höfe ohne Arbeits­vieh

Inventar auf dem Hof

Arbeitsvieh

sonstiges

insgesamt


Fahr gerätD

Acker gerät


0,3

0,8

1,1

80,5



2. mit Aussaat bis zu 5 Desj. .

1,0

1,4

2,4

48,3

3. mit Aussaat von 5–10 Desj. .

1,9

2,3

4,2

12,5

0,8

0,5

4. mit Aussaat von 10–25 Desj. .

3,2

4,1

7,3

1,4

1,0

1,0

5. mit Aussaat von 25–30 Desj. .

5,8

8,1

13,9

0,1

1,7

1,5

6. mit Aussaat von über 50 Desj.

10,5

19,5

30,0

0,03

2,7

2,4

Im Durchschnitt

3,1

4,55

7,6

15,0



Wie man sieht, ist die wohlhabende Bauernschaft mit Inventar besser versorgt als die arme und sogar auch die mittlere Gruppe. Ein flüchtiger Blick auf diese Tabelle lässt die absolute Fiktivität aller jener „Durchschnittsziffern" erkennen, mit denen man bei uns in der Frage der „Bauernschaft" so sehr zu operieren liebt. Zum Markt-Ackerbau der Dorfbourgeoisie tritt hier noch die Markt-Viehzucht: die Zucht grobwolliger Schafe. Bezüglich des toten Inventars wollen wir noch Angaben der Semstwo-Statistik über die Verteilung der verbesserten Geräte anführen.E Von der Gesamtzahl der Ernte- und Mähmaschinen (3061) befinden sich 2841 oder 92,8 % in den Händen der Dorfbourgeoisie, auf die nur ein Fünftel der Höfe entfällt.

Ganz natürlich ist, dass bei der wohlhabenden Bauernschaft auch die Technik des Ackerbaus den Durchschnitt bedeutend überragt (größerer Umfang der Wirtschaft, reicheres Inventar, frei verfügbare Geldmittel usw.), das heißt: die wohlhabenden Bauern bewerkstelligen die Aussaat schneller, nutzen das gute Wetter besser aus, bringen den Samen in feuchtere Erde, holen die Ernte rechtzeitig ein und dreschen das Getreide sofort nach der Einbringung usw. Selbstverständlich senken sich auch die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion (auf die Produkteinheit bezogen) mit der Vergrößerung der Wirtschaft. Postnikow beweist diesen Satz besonders gründlich, wobei er folgende Berechnung macht: er bestimmt die Zahl der Arbeitskräfte (einschließlich der gemieteten), die Stückzahl des Arbeitsviehs, der Geräte usw. für 100 Desjatinen Aussaat in den verschiedenen Bauerngruppen. Es zeigt sich, dass diese Größen mit der Vergrößerung der Wirtschaft sinken. So entfallen z. B. in der Gruppe mit einer Aussaat bis zu 5 Desjatinen auf 100 Desjatinen 28 Arbeiter, 28 Stück Arbeitsvieh, 4,7 Pflüge und Bucker, 10 Wagen; auf die Gruppe mit einer Aussaat über 50 Desjatinen dagegen nur 7 Arbeiter, 14 Stück Arbeitsvieh, 3,8 Pflüge und Bucker, 4,3 Wagen. (Wir übergehen weiter detaillierte Angaben für die einzelnen Gruppen und verweisen den an den Einzelheiten interessierten Leser auf das Buch von Postnikow.) Die allgemeine Schlussfolgerung des Verfassers lautet:

Die Kosten für den Unterhalt der Arbeitskräfte, der Menschen und des Viehs, diese Hauptausgaben der Landwirtschaft, verringern sich fortschreitend mit der zunehmenden Größe der bäuerlichen Wirtschaft und der Saatfläche, so dass sie sich bei den Gruppen mit großer Aussaat gegenüber den Gruppen mit geringem Ackerland nur auf die Hälfte belaufen (siehe S. 117 des genannten Werkes).

Diesem Gesetz der größeren Produktivität und damit auch der größeren Widerstandsfähigkeit der großen Bauernwirtschaften misst Postnikow mit vollem Recht eine wichtige Bedeutung bei und beweist es mit äußerst detaillierten Belegen nicht nur für Neurussland, sondern auch für die zentralen russischen Gouvernements.F Je weiter die Warenproduktion in den Ackerbau eindringt, je stärker damit die Konkurrenz zwischen den Landwirten, der Kampf um den Boden, der Kampf um die wirtschaftliche Selbständigkeit wird, mit desto größerer Kraft muss dieses Gesetz in Wirksamkeit treten, das zur Verdrängung der mittleren und armen Bauern durch die Dorfbourgeoisie führt. Man muss jedoch hierbei bemerken, dass der technische Fortschritt der Landwirtschaft in den verschiedenen Wirtschafts- und Feldersystemen einen verschiedenen Ausdruck findet. Wenn bei extensiver Körnerwirtschaft dieser Fortschritt sich einfach in einer Erweiterung der Saatfläche und Abnahme der Arbeiter und des Arbeitsviehs für die Einheit der Saatfläche auszudrücken vermag, so äußert sich dieser selbe Prozess bei der Viehzucht oder beim Anbau technischer Kulturen, beim Übergang zur intensiven Wirtschaft, z. B. in dem Anbau von Hackfrüchten, die eine größere Zahl von Arbeitskräften für die Einheit der Saatfläche erfordern, oder in der Einführung von Milchvieh oder in der Aussaat von Futterpflanzen usw.

Zu den Kennzeichen der oberen Bauerngruppe gehört auch noch die starke Verwendung von Lohnarbeit. Wir lassen die Zahlen für die drei Kreise des Taurischen Gouvernements folgen:

Hofgruppen

Prozentsatz der Wirtschaften mit Lohnarbeitern

Der auf jede Gruppe entfallende Prozentsatz der Aussaat

1. ohne Aussaat

3,8

-

2. mit Aussaat bis zu 5 Desj.

2,5

2

3. mit Aussaat von 5–10 Desj.

2,6

10

4. mit Aussaat von 10–25 Desj.

8,7

38

5. mit Aussaat von 25–30 Desj.

34,7

34


50

6. mit Aussaat von über 50 Desj.

64,1

16

Insgesamt

12,9

100

Herr W. W. verhielt sich zu dieser Frage in der angeführten Abhandlung wie folgt: er ermittelte den Prozentsatz der Wirtschaften mit Knechten von der Gesamtzahl der Bauernwirtschaften und folgerte:

Die Zahl der Bauern, die für die Bearbeitung des Landes die Hilfe von Lohnarbeitern in Anspruch nehmen, ist im Verhältnis zu der großen Masse des Volkes verschwindend klein: 2–3, höchstens 5 Wirtschaften von 100 – dies sind die Vertreter des bäuerlichen Kapitalismus; dies" (die Knechte beschäftigende Bauernwirtschaft Russlands) „ist kein in den Verhältnissen des gegenwärtigen wirtschaftlichen Lebens fest verwurzeltes System, sondern eine Zufälligkeit, wie sie auch vor 100–200 Jahren vorkam" („Wjestnik Jewropy", 1884, Nr. 7, S. 332).

Welchen Sinn hat es, die Zahl der Wirtschaften mit Knechten der Gesamtzahl der „bäuerlichen" Wirtschaften gegenüberzustellen, wenn in diese letzte Zahl auch die Wirtschaften der Knechte einbezogen sind? Mit einer solchen Methode könnte man ja auch den Kapitalismus in der russischen Industrie zum Verschwinden bringen: Man brauchte nur den Prozentsatz der gewerbetreibenden Familien, die Lohnarbeiter beschäftigen (d. h. die Familien der großen und kleinen Fabrikanten) der Gesamtzahl der in der Industrie beschäftigten Familien gegenüberzustellen; das Ergebnis wäre ein „verschwindend kleines" Verhältnis zur „großen Masse des Volkes". Unvergleichlich richtiger wäre es, die Zahl der Wirtschaften mit Knechten der Zahl der wirklich selbständigen Wirtschaften allein gegenüberzustellen, d. h. den Wirtschaften, die ausschließlich von der Landwirtschaft leben und nicht zum Verkauf ihrer Arbeitskraft schreiten. Ferner ist W. W. eine Kleinigkeit entgangen, nämlich, dass die Bauernwirtschaften mit Knechten zur Gruppe der größten Wirtschaften gehören: der „allgemein und im Durchschnitt" ganz „verschwindend kleine" Prozentsatz der Wirtschaften mit Knechten erweist sich als recht beträchtlich (34–64%) bei jener wohlhabenden Bauernschaft, die mehr als die Hälfte der Gesamtproduktion in der Hand hat und große Mengen von Getreide für den Markt produziert. Man kann hieraus ein Urteil über die Absurdität der Auffassung gewinnen, die in dieser Wirtschaft mit Knechten eine „Zufälligkeit" sieht, wie sie auch schon vor 100–200 Jahren vorgekommen ist. Drittens dürfte nur einer, der die tatsächlichen Verhältnisse der Landwirtschaft ignoriert, bei seinem Urteil über den „bäuerlichen Kapitalismus" ausschließlich die Knechte, d. h. die ständigen Arbeiter, unter Außerachtlassung der Tagelöhner berücksichtigen. Bekanntlich spielt in der Landwirtschaft die Beschäftigung von Tagelöhnern eine ganz besonders große Rolle.G

Gehen wir zur untersten Gruppe über. Zu ihr gehören die Landwirte mit nur geringer oder ganz ohne Aussaat;

ihre wirtschaftliche Lage weist keine großen Unterschiede auf … Die einen wie die andern dienen entweder als Knechte bei ihren Dorf genossen oder haben auswärts einen meist landwirtschaftlichen Nebenerwerb" (S. 134 des genannten Werkes),

Sie stehen also in den Reihen des Landproletariats. Wir bemerken, dass z. B. im Dnjepr-Kreis 40% der Höfe zu der unteren Gruppe gehören und 39% der Gesamtzahl keine Ackergeräte besitzen. Neben dem Verkauf seiner Arbeitskraft gewinnt das Landproletariat sein Einkommen aus der Verpachtung seines Landanteils:


Hofgruppen

Prozentsatz der

Hofwirte, die ihren

Anteil verpachten

Prozentsatz

der verpachteten

Anteilländereien

1. ohne Aussaat

80

97,1

2. mit Aussaat bis zu 5 Desj. .

30

38,4

3. mit Aussaat von 5–10 Desj. .

23

17,2

4. mit Aussaat von 10–25 Desj. .

16

8,1

5. mit Aussaat von 25–50 Desj. .

7

2,9

6. mit Aussaat von über 50 Desj.

7

13,3

Im ganzen Kreis

25,7

14,9

Insgesamt wurden in den drei Kreisen des Gouvernements Taurien (1884–1886) 25% des gesamten bäuerlichen Ackerlandes verpachtet, und zwar ohne Berücksichtigung des nicht an Bauern, sondern an Standeslose (Rasnotschinzy) verpachteten Bodens. Insgesamt verpachtet in diesen drei Kreisen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ihr Land, wobei die Anteile des Landproletariats hauptsächlich von der bäuerlichen Bourgeoisie gepachtet werden. Dies zeigen folgende Ziffern:

In drei Kreisen des Gouvernements Taurien pachteten:

Landwirte mit einer Aussaat

Anteilland von den Dorfnachbarn

Desj.

%

bis zu 10 Desj. auf den Hof

16594

6

von 10–25 Desj. auf den Hof

89526

35

von 25 und mehr Desj. auf den Hof

150596

59

Insgesamt

256716

100

Das Anteilland dient gegenwärtig im südrussischen Bauernleben in ausgedehntem Maße als Spekulationsobjekt. Auf den Boden werden Darlehen gegen Wechsel genommen… Verpachtet oder veräußert wird der Boden auf ein Jahr, auf zwei Jahre oder auch auf längere Fristen, acht, neun und elf Jahre" (S. 139 des angeführten Werkes).

So wird die Dorfbourgeoisie auch zur Vertreterin des Handels- und Wucherkapitals.H Wir sehen hier die anschauliche Widerlegung jenes Vorurteils der Narodniki, nach dem der „Kulak" und „Wucherer" nichts mit dem „wirtschaftstüchtigen Bauern" gemein habe. Im Gegenteil, in den Händen der Dorfbourgeoisie laufen sowohl die Fäden des Handelskapitals (Erteilung von Gelddarlehen gegen Bodenpfand, Aufkauf verschiedener Produkte usw.) als auch des industriellen Kapitals (mit Lohnarbeitern betriebene Landwirtschaft für den Markt usw.) zusammen. Von den umgebenden Verhältnissen, von der größeren oder geringeren Verdrängung des Asiatentums und der Verbreitung der Kultur in unserem Dorfe wird es abhängen, welche von diesen Kapitalformen sich auf Kosten der andern entwickeln wird.

Betrachten wir schließlich die Lage der Mittelgruppe (10 bis 25 Desjatinen Aussaat auf den Hof, durchschnittlich 16,4 Desjatinen). Sie befindet sich in einer Übergangsstellung: ihr Geldeinkommen aus Ackerbau (191 Rubel) liegt ein wenig unter den jährlichen Durchschnittsausgaben des Einwohners von Taurien (200–250 Rubel). An Arbeitsvieh entfallen hier 2,3 Stück auf den Hof, während für die volle Spannfähigkeit („Tjaglo") 4 Stück erforderlich sind. Deshalb befindet sich die Wirtschaft des Mittelbauern in einer ungesicherten Lage: er ist gezwungen, für die Bearbeitung seines Bodens Vorspannhilfe heranzuziehen („Suprjaga"I).

Die Bodenbestellung mit Vorspannhilfe ist natürlich weniger produktiv (Zeitverlust bei den Überfahrten, Pferdemangel usw.); so erfuhr Postnikow z. B. in einem Dorfe, dass „die Spanngenossen tagsüber oft nicht mehr als eine Desjatine, d. h. nur die Hälfte der NormJ bearbeiten". Wenn wir noch hinzufügen, dass in der Mittelgruppe ungefähr 1/5 der Höfe keine Ackergeräte hat, dass diese Gruppe mehr Arbeitskräfte stellt als mietet (nach der Berechnung von Postnikow), dann wird uns der zwischen bäuerlicher Bourgeoisie und Landproletariat schwankende Übergangscharakter dieser Gruppe klar. Es seien noch etwas ausführlichere Ziffern über die Verdrängung der mittleren Gruppen angeführt:

Gouvernement Taurien, Dnjepr-KreisK

Gruppen der

Hofwirte

Gesamtzahl der

Anteilland

Kaufland

Pachtland

Verpachtetes Land

Gesamtbodennutz, der Gruppe

Saatfläche

Höfe %

Pers. beiderlei Geschlechts

%

Desj.

%

Desj.

%

Desj.

%

Desj.

%

Desj.

%

Desj.

%

Arme

Mittlere

Wohlhabende

39,9

41,7

18,4

32,6

42,2

25,2

56445

102794

61844

25,5

46,5

28

2003

5376

26531

6

16

78

7839

48398

81646

6

35

59

21551

8311

3039

65,5

25,3

9,2

44736

148256

166982

12,4

41,2

46,4

38439 137344

150614

11

43

46

Im ganz. Kreise

100

100

221083

100

33910

100

137883

100

32901

100

359974

100

326397

100

Demnach ist die Verteilung des Anteillandes am „gleichmäßigsten", wie wohl auch hier die untere Gruppe von den oberen merklich zurückgedrängt wird. Die Sachlage ändert sich jedoch von Grund aus, sobald wir vom gebundenen zum freien Landbesitz, d. h. zum zugekauften und zugepachteten Boden übergehen. Hier zeigt sich eine starke Konzentration, weswegen die Verteilung der gesamten Bodennutzung der Bauern ein ganz anderes Bild bietet als die Verteilung des Anteillandes: die Mittelgruppe wird an die zweite Stelle gedrängt (46% Anteilland – 41% Landnutzung), die wohlhabende Gruppe erweitert ihren Grundbesitz ganz bedeutend (28% Anteilland – 46% Landnutzung), während die arme Gruppe aus der Reihe der Landwirte ganz hinausgestoßen wird (25% Anteilland – 12% Landnutzung) .

Die wiedergegebene Tabelle zeigt uns eine interessante Erscheinung, der wir noch begegnen werden, dass nämlich die Bedeutung des Anteillandes in der bäuerlichen Wirtschaft zurückgeht. In der unteren Gruppe ist dies die Folge der Verpachtung von Land, in der oberen die Folge dessen, dass das Kauf- und Pachtland in der allgemeinen wirtschaftlichen Nutzfläche eine überwiegende Stellung gewinnt. Die Überreste der Wirtschaftsordnung der Vorreformepoche (Fesselung des Bauern an den Boden und ausgleichender fiskalischer Grundbesitz) werden durch den in die Landwirtschaft eindringenden Kapitalismus vollständig zerstört.

Was den Anteil der Pacht betrifft, so erlauben uns die angeführten Ziffern, einen in den Untersuchungen der Narodniki-Ökonomen weitverbreiteten Irrtum in dieser Frage richtigzustellen. Nehmen wir die Untersuchungen des Herrn W. W. In der angeführten Abhandlung stellte er direkt die Frage nach der Beziehung der Pacht zur Zersetzung der Bauernschaft:

Begünstigt die Pacht die Zersetzung der Bauernwirtschaften in große und kleine und die Vernichtung der mittleren, typischen Gruppe?" („Wjestnik Jewropy", a. a. O., S. 340).

Herr W. W. verneinte diese Frage. Seine Gründe sind: 1. „Der große Prozentsatz der Personen, die zur Pacht greifen". Beispiele: 38–68%; 40–70%; 30–66%; 50–60% in verschiedenen Kreisen verschiedener Gouvernements. 2. Die geringe Größe der zugepachteten Landstücke: 3–5 Desjatinen auf den Hof – nach den Angaben der Statistik für Tambow. 3. Die Bauern mit kleinem Landanteil pachten mehr als die mit größerem.

Damit der Leser sich einmal über die Tauglichkeit solcher Beweise, von ihrer Stichhaltigkeit schon gar nicht zu reden, ein klares Bild machen kann, bringen wir die entsprechenden Ziffern für den Dnjepr-Kreis.L


Prozentsatz der pachtenden Höfe

Desj. Ackerland auf den pachtenden Hof

Preis einer Desj in Rubeln

Aussaat bis zu 5 Desj.

25

2,4

15,25

Aussaat von 5–10 Desj.

42

3,9

12

Aussaat von 10–25 Desj.

69

8,5

4,75

Aussaat von 25–50 Desj.

88

20

3,75

Aussaat von über 50 Desj.

91

48,6

3,55

Insgesamt

56,2

12,4

4,23

Fragt sich, welche Bedeutung hier „Durchschnittszahlen" haben können? Macht etwa die Tatsache, dass die Zahl der Pächter „groß" ist – 56% –, die Konzentration der Pacht bei den Reichen zunichte? Ist es nicht lächerlich, ein „Durchschnittsausmaß" der Pacht anzunehmen (12 Desjatinen auf den Hof. Häufig findet man sogar, dass die Berechnung nicht nach pachtenden Höfen, sondern nach der Zahl der überhaupt vorhandenen Höfe vorgenommen wird. So verfährt z. B. Karyschew in seinem Werk „Die bäuerliche Pacht von Nichtanteilland", Dorpat 1892, II. Band der „Ergebnisse der Semstwo-Statistik"). Ist es nicht lächerlich, Bauern zusammenzuzählen, von denen der eine 2 Desjatinen zu einem wahnsinnigen Preise von 15 Rubel offenbar aus äußerster Not unter ruinösen Bedingungen übernimmt, der andere aber zu seinem ausreichenden Besitz noch 48 Desjatinen Land zu dem ungleich billigeren Engrospreise von 3,55 Rubel für die Desjatine „erwirbt"? Nicht weniger sinnlos ist auch der dritte Grund: W. W. widerlegt sich selbst, wenn er zugibt, dass die Ziffern sich auf „ganze Gemeinden" (bei Einteilung der Bauern nach dem Landanteil) beziehen und „kein richtiges Verständnis für die Vorgänge innerhalb der Gemeinde vermitteln" (S. 342 der angeführten AbhandlungM).

Es wäre ein großer Irrtum, zu meinen, dass die Konzentration der Pacht in den Händen der bäuerlichen Bourgeoisie sich auf die individuelle Pacht beschränkt und die gemeinschaftliche Pacht durch den „Mir" (Gemeindeverband) nicht berührt. Keineswegs. Das Pachtland wird immer nach „Geldmitteln" verteilt, und das Verhältnis zwischen den Gruppen der Bauernschaft verändert sich in keiner Weise bei Pacht durch den „Mir".

Wenn daher z. B. Karyschew meint, dass in der Pacht durch den „Mir" und in der individuellen Pacht „der Kampf zweier Grundelemente (!?) – Gemeinde und Individuum –" (S. 159, a. a. O.) in Erscheinung trete, dass der Gemeinde-Pacht „das Element der Eigenarbeit und das Prinzip der gleichmäßigen Verteilung des gepachteten Bodens unter die Gemeindemitglieder eigentümlich sei" (S. 230, a. a. O.), so gehören solche Erörterungen restlos zu den vorgefassten Meinungen der Narodniki. Entgegen seiner Aufgabe, „die Ergebnisse der Semstwostatistik" zusammenzufassen, umging Karyschew geflissentlich das gesamte reichhaltige Material der Semstwostatistik über die Konzentration der Pacht in der Hand kleiner Gruppen der wohlhabenden Bauernschaft. Nehmen wir ein Beispiel. In den drei genannten taurischen Kreisen verteilt sich der Boden, der durch Bauerngemeinden vom Staate gepachtet wurde, folgendermaßen unter die einzelnen Gruppen:



Zahl der pachtenden Höfe

Desj.

In % der Gesamtsumme

1 Hof pachtet Desj.

1. ohne Aussaat

83

511

1

4

6,1

2. Aussaat bis zu 5 Desj.

444

1427

3

3,2

3. „ von 10–25 „

1 732

8 711

20

5

4. „ , 25–50 „

1245

13 375

30

76

10,7

5. „ über 50 „

632

20 283

46

32

Insgesamt

413630

44 307

100

10,7

Eine kleine Illustration zum „Element der Eigenarbeit" und zum „Prinzip der gleichmäßigen Verteilung"!

Dies sind die Angaben der Semstwostatistik über die südrussische Bauernwirtschaft. Die vollständige Zersetzung der Bauernschaft, die volle Herrschaft der Bauernbourgeoisie auf dem Dorfe wird durch diese Angaben außer Zweifel gestellt.N Äußerst interessant ist darum das Verhalten der Herren W. W. und N.-on zu diesen Angaben, um so mehr, als beide Schriftsteller früher die Notwendigkeit anerkannten, die Frage nach der Zersetzung der Bauernschaft zu stellen (Herr W. W. in der genannten Abhandlung 1884, Herr N.-on im „Slowo" 1880, wo er die auffällige Erscheinung innerhalb der Gemeinde hervorhob, dass die „schlecht wirtschaftenden" Bauern ihr Land vernachlässigen und dass die „wirtschaftstüchtigen" Bauern sich den besten Boden beschaffen (siehe „Skizzen", S. 71). Man muss bemerken, dass das Werk von Postnikow einen zwiespältigen Charakter trägt: einerseits unternahm der Verfasser eine umsichtige Sammlung und sorgfältige Bearbeitung der äußerst wertvollen semstwostatistischen Daten und verstand, sich dabei freizuhalten von dem „Streben, den bäuerlichen ,Mir' als etwas Ganzes und Einheitliches zu betrachten, wie sich ihn unsere städtische Intelligenz noch bis heute vorstellt" (ebenda, S. 351). Andererseits verstand der von keiner Theorie geleitete Verfasser durchaus nicht, den von ihm bearbeiteten Stoff zu bewerten, empfahl „Maßnahmen", die von einem äußerst engen Gesichtskreis zeugen, und entwarf Projekte über „landwirtschaftlich-handwerklich-industrielle Gemeinden", über die Notwendigkeit einer „Begrenzung", „Verpflichtung", „Beaufsichtigung" usw. Unsere Narodniki bemühten sich nun, den ersten, positiven Teil des Werkes von Postnikow zu übersehen und ihre ganze Aufmerksamkeit dem zweiten Teile zuzuwenden. Sowohl Herr W. W. wie Herr N.-on machten sich mit ernstester Miene daran, die überhaupt nicht ernst zu nehmenden Projekte Postnikows zu „widerlegen" (W. W. in „Russkaja Mysl", 1894, Nr. 2; N.-on in den „Skizzen", S. 233ff.), warfen ihm das unbillige Bestreben vor, den Kapitalismus in Russland eingeführt zu sehen, und umgingen dabei sorgfältig alle Ziffern, die die Herrschaft kapitalistischer Verhältnisse im südrussischen Dorf der Gegenwart offenbarten.O

1 Die Arbeit W. J. Postnikows „Südrussische Bauernwirtschaft", Moskau 1891, wurde in der ersten uns erhalten gebliebenen Arbeit Lenins: „Neue wirtschaftliche Bewegungen im Bauernleben" ausführlich behandelt.

A Die nachfolgenden Angaben beziehen sich größtenteils auf die drei nördlichen Festlandskreise des Gouvernements Taurien: Berdjansk, Melitopol und den Dnjepr-Kreis, mitunter auch auf den letztgenannten allein.

2 In der ersten und zweiten Ausgabe hieß es „2,4“; nach Vergleich mit der Quelle wurde der Druckfehler richtiggestellt.

3 Nimmt man die Daten der Quelle („Sammlung statistischer Daten über das Gouvernement Taurien", Bd. II, V und Anhang zum Bd. I, Lieferung 1), so ergeben sich Zahlen, die von den in den Tabellen angeführten etwas abweichen.

B Postnikow bemerkt richtig, dass in Wirklichkeit die Unterschiede im Bareinkommen der einzelnen Gruppen aus dem Boden viel bedeutender sind, da in der Berechnung 1. gleiche Ernteergiebigkeit und 2. gleicher Preis des zum Verkauf gelangenden Getreides angenommen sind. In Wirklichkeit jedoch erzielt die wohlhabende Bauernschaft bessere Ernten und vorteilhaftere Getreidepreise.

4 In der ersten und zweiten Ausgabe des Buches „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland", wie auch im Artikel „Neue wirtschaftliche Bewegungen im Bauernleben" stand „10,8" ein Fehler, der offenbar dadurch entstand, dass die mittlere Reihe beim Addieren nicht richtig gelesen wurde (statt „0,05" – „0,5"). Die eigenhändigen Notizen Lenins im Exemplar des Buches von Postnikow: „Südrussische Bauernwirtschaft", Moskau 1891, welche offenbar bereits bei der ersten Lesung des Buches (während der Samara-Periode) auf den Bändern gemacht wurden, enthalten ebenfalls diesen Fehler. Nach Vergleich mit der Quelle geben wir hier die richtiggestellte Zahl.

C Wir bemerken, dass die relativ bedeutende Menge des gekauften Landes in der Gruppe ohne Aussaat sich durch die Zugehörigkeit von Krämern, Inhabern industrieller Betriebe usw. zu dieser Gruppe erklärt. Das Zusammenwerfen solcher „Bauern" mit den Landwirten ist ein ständiger Mangel der Semstwo-Statistiken. Wir kommen auf ihn noch weiter unten zu sprechen.

D Fahrgerät = Wagen, Karren usw.; Ackergerät – Pflüge, Bucker (Schälpflüge) usw.

5 In beiden Ausgaben des Buches „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland" liegt eine Ungenauigkeit vor (4,6 statt 4,5), die wir nach Vergleich mit der Quelle und dem Artikel „Neue wirtschaftliche Bewegungen im Bauernleben" richtigstellen.

E Sammlung statistischer Daten für den Kreis Melitopol, Simferopol 1885 (Bd. I der Sammlung stat. Daten f. d. Gouv. Taurien). Sammlung stat. Daten für den Dnjepr-Kreis, Bd. II, Simferopol 1886. {Die Quelle ist nicht genau angegeben: nicht Bd. I., sondern „Anhang" zu Bd. I, Lief. 1. (Dieser „Anhang" trägt den Charakter eines völlig selbständigen Buches.)}

F „Die Semstwo-Statistik beweist mit unanfechtbarer Klarheit, dass, je größer die Bauernwirtschaft, desto weniger Inventar, Arbeiter und Arbeitsvieh für eine bestimmte Ackerfläche unterhalten wird" (ebenda, S. 162).

Es ist interessant, festzustellen, wie sich dieses Gesetz in den Untersuchungen von W. W. widerspiegelt. In dem oben angeführten Aufsatz („Wjestnik Jewropy", 1884, Nr. 7) nimmt er folgende Gegenüberstellung vor: im zentralen Schwarzerdegebiet kommt ein Pferd auf 5–7–8 Desj. Ackerland, während „nach den Begeln der Dreifelderwirtschaft" 7–10 Desj. die Norm bilden („Batalins Kalender"). {Die Bezugnahme auf „Batalins Kalender" gehört nicht Lenin, sondern W. W., den er zitiert.} „Demzufolge muss man in der zunehmenden Pferde-losigkeit eines Teiles der Bevölkerung in diesem Gebiete Russlands gewissermaßen eine Wiederherstellung des normalen Verhältnisses zwischen der Menge des Arbeitsviehs und der der Bearbeitung unterliegenden Fläche erblicken" (S. 346 der genannten Abhandlung). Also, der Ruin der Bauernschaft führt zum Fortschritt der Landwirtschaft. Hätte W. W. seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die agronomische, sondern auch auf die volkswirtschaftliche Seite dieses Prozesses gelenkt, so würde er gewahr werden, dass wir hier den Fortschritt der kapitalistischen Landwirtschaft vor uns haben; denn diese „Wiederherstellung des normalen Verhältnisses" zwischen Arbeitsvieh und Landfläche ist nur für Gutsbesitzer, die eigenes Inventar anschaffen, oder für Bauern mit großer Aussaat, d. h. für die Dorfbourgeoisie, erreichbar.

G England ist das klassische Land des Kapitalismus in der Landwirtschaft. Dort arbeiten 40,8% der Farmer ohne Lohnarbeiter; 68,1% beschäftigen nicht mehr als zwei Arbeiter; 82% nicht mehr als vier Arbeiter (Janson, „Vergleichende Statistik", Bd. II, S. 22 u. 23, zitiert nach Kablukow: „Arbeiterfrage in der Landwirtschaft", S. 16). Das wäre aber ein guter Volkswirtschaftler, der die Masse der im Tagelohn beschäftigten Landproletarier, sowohl die Wanderarbeiter wie die ansässigen, die in ihren Wohndörfern „Verdienst" finden, vergessen würde.

H Wobei sie sich sogar „die sehr zahlreichen" ländlichen Kassen und Spar-und Vorschussvereine zunutze macht, die „den vermögenden Bauern sehr wesentliche Hilfe" leisten. „Die unvermögenden Bauern finden keine Bürgen und können daher keine Darlehen aufnehmen." (S. 368 des angeführten Werkes.)

I Im Kreis Melitopol bearbeiten von 13 789 Höfen dieser Gruppe nur 4 218 den Boden selbst, 9 201 vereinigen sich zu Spanngemeinschaften. Im Dnjepr-Kreis bestellen von 8234 Höfen 4029 den Boden selbst, 3835 leisten gegenseitigen Vorspanndienst. Vgl. Semstwostat. Sammlungen für den Kreis Melitopol (S. B. 195) und für den Dnjepr-Kreis (S. B. 123).

J In der angeführten Abhandlung von W. W. wird viel von der „Suprjaga", als dem „Prinzip der Kooperation" usw., gesprochen. {Siehe S. 348 u. 349 der Zeitschrift „Westnik Jewropy", Juli 1884 (Artikel von W. W., „Landwirtschaftliche und industrielle Arbeitsteilung in Russland").} Wie einfach es doch ist, die Tatsache zu verschweigen, dass die Bauernschaft in scharf geschiedene Gruppen zerfällt, dass die „Suprjaga" die Kooperation der zugrunde gehenden, von der bäuerlichen Bourgeoisie bedrängten Wirtschaften ist, und dann „im Allgemeinen" vom „Prinzip der Kooperation" zu schwatzen – vermutlich von der Kooperation des Landproletariats und der Landbourgeoisie!

K Die Angaben sind der Semstwostatistik entnommen; sie beziehen sich auf den ganzen Kreis, einschließlich der außerhalb der Amtsbezirke (Wolost) stehenden Niederlassungen. Die Ziffern der Rubrik „Gesamtbodennutzung" sind von mir errechnet, und zwar durch Summierung des Anteil-, Pacht- und Kauflandes und Subtraktion des verpachteten Bodens.

L Durchaus analog sind die Ziffern für die Kreise Melitopol und Berdjansk.

M Postnikow zeigt diesen Fehler der Semstwostatistiker an einem interessanten Beispiel. Er weist auf den kaufmännischen Charakter der Wirtschaft der wohlhabenden Bauern, ihre Nachfrage nach Land hin und bemerkt, dass „die Semstwostatistiker – offenbar in der Meinung, es handle sich hier nicht um gesetzmäßige Erscheinungen des Bauernlebens – bemüht sind, sie abzuschwächen" und zu beweisen, dass der Pachtpreis nicht durch die Konkurrenz der landreichen Bauern, sondern durch die der landhungrigen Bauern bestimmt werde. Werner, der Bearbeiter des „Merkbüchleins für das Gouvernement Taurien29" (1889), der dies beweisen will, gruppierte die Bauern des ganzen Gouvernements Taurien nach der Größe des Anteillandes und bildete eine Gruppe mit 1–2 Arbeitskräften und 2–3 Stück Arbeitsvieh. Es ergab sich, dass im Rahmen dieser Gruppe mit Zunahme des Anteillandes die Zahl der pachtenden Höfe und die Menge des Pachtlandes sinkt. Selbstverständlich beweist diese Methode gar nichts; denn man hat hier die Bauern mit gleichem Viehbestand genommen und gerade die Flügelgruppen weggelassen. Das ist doch klar, dass bei gleicher Zahl des Arbeitsviehs auch die bestellte Bodenfläche gleich sein muss, dass also die gepachtete Bodenfläche wachsen muss, je geringer das Anteilland. Die Frage besteht aber gerade darin, wie sich die Pacht auf die Höfe mit ungleicher Menge Arbeitsvieh, Inventar-usw. verteilt.

N Gewöhnlich wird eingewendet, dass die Angaben über Neurussland wegen der besonderen Verhältnisse dieses Gebietes verallgemeinernde Schlussfolgerungen nicht zulassen. Wir bestreiten nicht, dass die Zersetzung der ackerbautreibenden Bauernschaft hier stärker ist als im übrigen Russland, doch wird sich aus den weiteren Ausführungen zeigen, dass die Besonderheiten Neurusslands durchaus nicht so groß sind, wie man zuweilen denkt.

O „Eigenartig ist", schrieb N.-on, dass Postnikow „Bauernwirtschaften mit 60 Desjatinen projektiert". Aber „wenn einmal die Landwirtschaft in die Hände der Kapitalisten gefallen ist", dann mag „morgen" schon die Produktivität der Arbeit steigen; „die Wirtschaften mit 60 Desjatinen müsste (!) man dann in solche mit 200 oder 300 Desjatinen umwandeln". Wie einfach das doch ist: weil dem ländlichen Kleinbürgertum von heute die Großbourgeoisie von morgen droht, darum will N.-on weder von der Kleinbourgeoisie von heute noch von der Großbourgeoisie von morgen überhaupt etwas wissen.

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