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Wladimir I. Lenin 19031000 Entwurf zu einem Schreiben des Zentralkomitees und der Redaktion des Zentralorgans an die Mitglieder der Opposition

Wladimir I. Lenin: Entwurf zu einem Schreiben des Zentralkomitees und der Redaktion des Zentralorgans an die Mitglieder der Opposition1

(Variante)

[Geschrieben in der ersten Oktoberhälfte 1903 Zum ersten Mal veröffentlicht im Jahre 1927 im „Leninskij Sbornik" Nr. 6. Nach Sämtliche Werke, Band 6, 1930, S. 93-95]

Das Zentralkomitee der Partei und die Redaktion des Zentralorgans betrachten es als ihre Pflicht, sich – nach einer Reihe missglückter Versuche einzelner persönlicher Auseinandersetzungen – im Namen der Partei, die sie vertreten, mit einer offiziellen Mitteilung an euch zu wenden. Die Weigerung des Genossen Martow, Mitglied der Redaktion zu sein und an der „Iskra" mitzuarbeiten, die Ablehnung der Mitarbeit durch frühere Mitglieder der „Iskra"-Redaktion, das feindliche Verhalten mehrerer in der praktischen Arbeit stehender Genossen gegen die zentralen Körperschaften unserer Partei, – all das schafft ganz anormale Beziehungen dieser sogenannten „Opposition" zur Gesamtpartei. Das passive Fernbleiben von der Parteiarbeit, die Versuche, die zentralen Körperschaften der Partei zu „boykottieren" (was sowohl in der Einstellung der Mitarbeit an der „Iskra" von ihrer Nr. 46 an als auch in der Tatsache, dass Genosse Blumenfeld aus der Druckerei ausschied, zum Ausdruck kam), die scharfen Angriffe auf die vom Parteitag gutgeheißene personelle Zusammensetzung der zentralen Stellen, die Forderung, diese Zusammensetzung zu ändern als Bedingung für die Aufhebung des Boykotts, die hartnäckige Selbstbezeichnung als „Gruppe" in der Unterhaltung mit einem Mitglied des Zentralkomitees, entgegen dem Parteistatut, – all das muss als ein Verhalten gekennzeichnet werden, das der Parteipflicht widerspricht. Dieses ganze Verhalten grenzt an eine unmittelbare Verletzung der Disziplin und macht den vom Parteitag (im Parteistatut) angenommenen Beschluss, dass die Verteilung der Kräfte und der Mittel dem Zentralkomitee obliegt, vollständig zunichte.

Das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans erinnern darum alle Mitglieder der sogenannten „Opposition" an ihre Parteipflicht. Die Unzufriedenheit mit der personellen Zusammensetzung der zentralen Stellen – mag sie sich aus der persönlichen Verärgerung ergeben oder aus den Meinungsverschiedenheiten, die das eine oder das andere Parteimitglied für ernst hält – kann und darf zu keiner illoyalen Handlungsweise führen. Wenn die zentralen Stellen nach Ansicht dieser oder jener Genossen den einen oder den anderen Fehler machen, so ist es Pflicht aller Parteimitglieder, diesen Fehler vor allen Parteimitgliedern aufzuzeigen, sie vor allem den zentralen Stellen selber aufzuzeigen. Das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans sind in gleicher Weise verpflichtet, im Namen der Parteipflicht alle solchen Hinweise, von wem sie auch ausgehen mögen, mit der größten Sorgfalt nachzuprüfen. Doch hat weder die Redaktion des Zentralorgans noch das Zentralkomitee von der sogenannten Opposition irgendwelche offenen und bestimmten Hinweise auf Fehler oder Äußerungen der Unzufriedenheit oder des Nichteinverständnisses erhalten. Genosse Martow lehnt es sogar ab, in der Redaktion des Zentralorgans und im obersten Parteirat seinen Platz einzunehmen, obwohl er nur auf diesem Posten die Möglichkeit hätte, alle ihm auffallenden Fehler in der Tätigkeit der zentralen Stellen vor der Partei aufzudecken.

Das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans sind fest davon überzeugt, dass die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands nicht erlauben wird, die von ihr geschaffenen Körperschaften auf dem ungesetzmäßigen, heimlichen (der Partei gegenüber heimlichen) und illoyalen Weg eines Druckes und Boykotts zu beeinflussen. Das Zentralkomitee und die Redaktion des Zentralorgans erklären, dass sie um jeden Preis auf ihren Posten bleiben werden, solange die Partei sie nicht abberuft, dass sie ihre Pflicht erfüllen und ihr Bestes tun werden, alle ihnen gestellten Aufgaben durchzuführen. Die „Boykott“versuche werden weder das Zentralkomitee noch das Zentralorgan der Partei von dem Weg abbringen, den sie, den Willen des Parteitags erfüllend, beschritten haben, – diese Versuche werden lediglich kleine Unannehmlichkeiten verursachen und großen Schaden auf einzelnen Gebieten der Parteiarbeit, diese Versuche werden nur zeigen, dass die Genossen, die sie fortsetzen, die Parteipflicht nicht verstehen und sie verletzen.

1 Der „Entwurf zu einem Schreiben des Zentralkomitees und der Redaktion des Zentralorgans an die Mitglieder der Opposition" (der Titel stammt von der Redaktion der Werke) ist in zwei Varianten bekannt (siehe „Leninskij-Sbornik" VI). Hier wird die Variante veröffentlicht, die eine vollendetere Form hat. Das Schreiben ist nicht abgesandt worden.

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