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Wladimir I. Lenin 19170511 Die Bedeutung der Verbrüderung

Wladimir I. Lenin: Die Bedeutung der Verbrüderung

[„Prawda" Nr. 43, 11. Mai (28. April) 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 410-413]

Die Kapitalisten machen sich entweder über die Soldatenverbrüderung an der Front lustig, oder sie kochen vor Wut, sie lügen und verleumden, indem sie das Ganze als eine „Mache" der Deutschen hinstellen, sie drohen – durch ihre Generale und Offiziere – mit Repressalien gegen die Verbrüderung.

Vom Standpunkt der Verteidigung des „heiligen Eigentums" am Kapital und am Kapitalprofit ist eine solche Politik der Kapitalisten durchaus richtig: in der Tat, will man die proletarische sozialistische Revolution im Keime ersticken, so muss man sich eben der Verbrüderung gegenüber so verhalten, wie es die Kapitalisten tun.

Die klassenbewussten Arbeiter und mit ihnen, aus dem gesunden Instinkt der unterdrückten Klassen heraus, auch die Masse der Halbproletarier, der armen Bauern, haben für die Verbrüderung die stärksten Sympathien. Es ist klar, dass die Verbrüderung der Weg zum Frieden ist. Es ist klar, dass dieser Weg nicht von den kapitalistischen Regierungen, nicht im Bunde mit ihnen, sondern nur gegen sie zurückgelegt werden kann. Es ist klar, dass dieser Weg das brüderliche Vertrauen zwischen den Arbeitern der verschiedenen Länder fördert, stärkt, festigt. Es ist klar, dass durch diesen Weg die verdammte Disziplin des Kasernenhofes in die Brüche zu gehen beginnt, die Disziplin des Kadavergehorsams der Soldaten gegenüber „ihren" Offizieren und Generalen, ihren Kapitalisten (denn die Offiziere und Generale gehören größtenteils entweder zur Kapitalistenklasse oder vertreten deren Interessen). Es ist klar, dass die Verbrüderung die revolutionäre Initiative der Massen ist, das Erwachen des Gewissens, der Vernunft, der Kühnheit der unterdrückten Klassen, sie ist, mit anderen Worten, ein Glied in der Kette der Entwicklung zur sozialistischen proletarischen Revolution.

Es lebe die Verbrüderung! Es lebe die beginnende sozialistische Weltrevolution des Proletariats!

Damit die Verbrüderung möglichst leicht, am sichersten, am schnellsten zu unserem Ziele führe, sind wir verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie möglichst gut organisiert und dass ihr ein klares politisches Programm zugrunde gelegt wird.

Mag die geifernde Presse der Kapitalisten und der Kapitalistenfreunde uns noch so sehr verleumden, indem sie uns als Anarchisten bezeichnet, wir werden unermüdlich wiederholen: wir sind keine Anarchisten, wir sind entschiedene Anhänger der besten Organisation der Massen und der festesten „Staatsmacht", nur soll der Staat, den wir wollen, keine bürgerlich-parlamentarische Republik sein, sondern eine Republik der Räte der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten.

Wir waren stets und sind dafür, dass die Verbrüderung möglichst organisiert erfolgt und dass die Soldaten selbst darüber wachen – mit ihrem eigenen Verstand, ihren Erfahrungen und Beobachtungen –, dass kein Betrug vorkommt, wobei darauf zu achten ist, dass die Offiziere und Generale, die zum größten Teil eine wütende Hetze gegen die Verbrüderung betreiben, von den Versammlungen ferngehalten werden.

Wir wollen erreichen, dass die Verbrüderung sich nicht bloß auf allgemeine Gespräche über den Frieden überhaupt beschränkt, sondern dass sie zur Erörterung eines klaren politischen Programms übergeht, zur Erörterung der Frage, wie der Krieg zu beenden ist, wie das Joch der Kapitalisten, die den Krieg angezettelt haben und ihn jetzt in die Länge ziehen, abgeschüttelt werden kann.

Aus diesem Grunde hat unsere Partei einen Aufruf an die Soldaten aller kriegführenden Länder gerichtet (seinen Wortlaut siehe „Prawda" Nr. 37), der auf alle diese Fragen bestimmte, genaue Antworten gibt und ein klares politisches Programm entwickelt.

Es ist gut, dass die Soldaten den Krieg verwünschen. Es ist gut, dass sie Frieden fordern. Es ist gut, dass sie zu fühlen beginnen, dass der Krieg für die Kapitalisten von Vorteil ist. Es ist gut, dass sie, die Zuchthausdisziplin durchbrechend, selbst an allen Fronten zur Verbrüderung schreiten. Das alles ist gut.

Aber das genügt noch nicht.

Es ist notwendig, dass die Soldaten jetzt weitergehen und eine Verbrüderung beginnen, bei der über ein klares, politisches Programm gesprochen wird. Wir sind keine Anarchisten. Wir sind nicht der Ansicht, dass der Krieg beendet werden könne durch die bloße „Weigerung", die Weigerung von Personen, Gruppen oder zufälligen „Menschenmengen". Wir sind der Ansicht, dass die Revolution in einer Reihe von Ländern den Krieg beenden muss und wird, d. h. die Eroberung der Staatsmacht durch eine neue Klasse, nämlich durch die Proletarier und Halbproletarier, und nicht durch die Kapitalisten, nicht durch die Kleinbesitzer (die stets von den Kapitalisten halb abhängig sind).

In unserem Aufruf an die Soldaten aller kriegführenden Länder haben wir auch unser Programm einer Arbeiterrevolution in allen Ländern dargelegt: Übergang der gesamten Staatsmacht auf die Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte.

Genossen Soldaten! Besprecht dieses Programm unter euch und zusammen mit den deutschen Soldaten! Das wird euch dazu verhelfen, den sichersten, besten, nächsten Weg zu finden, um möglichst organisiert den Krieg zu beenden und die Herrschaft des Kapitals zu stürzen.

Ein paar Worte über einen der Lakaien, des Kapitals, über Plechanow. Es jammert einen, zu sehen, wie tief dieser frühere Sozialist gesunken ist! Er vergleicht die Verbrüderung mit dem „Verrat"!! Er meint: Wird die Verbrüderung, im Falle ihres Gelingens, nicht zum Separatfrieden führen?

Nein, Herr ehemaliger Sozialist, die Verbrüderung, für die wir uns an allen Fronten eingesetzt haben, führt nicht zu einem „Separatfrieden" zwischen den Kapitalisten einiger Länder, sondern zum allgemeinen Frieden zwischen den revolutionären Arbeitern aller Länder, trotz der Kapitalisten aller Länder, gegen die Kapitalisten, für den Sturz der Kapitalsherrschaft.

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