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Wladimir I. Lenin 19170400 Die politischen Parteien in Russland und die Aufgaben des Proletariats

Wladimir I. Lenin: Die politischen Parteien in Russland und die Aufgaben des Proletariats1

[Zum ersten Mal veröffentlicht im Juli 1917 als besondere Broschüre im Verlag „Schisn i Snanije". Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 183-193]

Das Nachstehende ist ein Versuch, zunächst die wesentlichsten, dann aber auch die weniger wesentlichen Fragen und Antworten zu formulieren, die die gegenwärtige politische Lage Russlands und ihre Bewertung durch die verschiedenen Parteien kennzeichnen.

Fragen und Antworten

1. Welches sind die Hauptgruppen der politischen Parteien in Russland?

A. (rechts von den K.-D.) Parteien und Gruppen rechts von den Kadetten.

B. (K.-D.) Konstitutionell-Demokratische Partei (Kadetten, Partei der Volksfreiheit) und ihr nahestehende Gruppen.

C. (S.-D. und S.-R.) Sozialdemokraten, Sozialrevolutionäre und ihnen nahestehende Gruppen.

D. („Bolschewiki") Die Partei, die sich Kommunistische Partei nennen sollte und sich zur Zeit „Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands, vereinigt durch das Zentralkomitee" nennt oder für gewöhnlich „Bolschewiki".

2. Welche Klassen vertreten diese Parteien? Den Standpunkt welcher Klasse bringen sie zum Ausdruck?

A. (rechts von den K.-D.) Den der feudalen Grundherren und der rückständigsten Schichten der Bourgeoisie (Kapitalisten).

B. (K.-D.) Den der Gesamt-Bourgeoisie, d. h. der Kapitalistenklasse und der verbürgerlichten, d. h. zu Kapitalisten gewordenen Grundbesitzer.

C. (S.-D. und S.-R.) Den der Kleinbesitzer, der Klein- und Mittelbauern, des Kleinbürgertums und auch eines Teiles der Arbeiterschaft, der dem Einfluss der Bourgeoisie erlegen ist.

D. („Bolschewiki") Den der klassenbewussten Proletarier, der Lohnarbeiter und des ärmeren Teiles der Bauernschaft, der sich ihnen angeschlossen hat (Halbproletarier).

3. Wie stellen sie sich zum Sozialismus?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Unbedingt feindlich, da er die Profite der Kapitalisten und Grundherren bedroht.

C. (S.-D. und S.-R.) Für den Sozialismus, es ist aber verfrüht, an ihn zu denken und sofortige praktische Schritte zu seiner Verwirklichung zu tun.

D. („Bolschewiki") Für den Sozialismus. Die Arbeiter- usw. Deputiertenräte müssen sofort die praktisch möglichen Schritte zur Verwirklichung des Sozialismus tun*.

4. Welche Staatsordnung erstreben sie gegenwärtig?

A. (rechts von den K.-D.) Konstitutionelle Monarchie, Allmacht der Beamten und der Polizei.

B. (K.-D.) Bürgerliche parlamentarische Republik, d. h. Festigung der Kapitalistenherrschaft unter Beibehaltung des alten Beamtentums und der Polizei.

C. (S.-D. und S.-R.) Bürgerliche parlamentarische Republik mit Reformen für die Arbeiter und Bauern.

D. („Bolschewiki") Republik der Arbeiter-, Soldaten-, Bauern- usw. Deputiertenräte. Abschaffung des stehenden Heeres und der Polizei, dafür Bewaffnung des gesamten Volkes; nicht nur Wählbarkeit, sondern auch Absetzbarkeit der Beamten, ihre Entlohnung nicht über den Lohn eines qualifizierten Arbeiters.

5. Wie stellen sie sich zur Wiederaufrichtung der Romanow-Monarchie?

A. (rechts von den K.-D.) Sind dafür, handeln aber aus Furcht vor dem Volke heimlich und vorsichtig.

B. (K.-D.) Waren, als die Gutschkow eine Macht schienen, dafür, den Bruder bzw. den Sohn Nikolaus' auf den Thron zu setzen; sie sind dagegen, seitdem das Volk eine Macht zu sein scheint.

C. (S.-D. und S.-R.) D. („Bolschewiki") Unbedingt gegen jede Wiederaufrichtung der Monarchie.

6. Wie stellen sie sich zur Machtergreifung? Was nennen sie Ordnung, was Anarchie?

A. (rechts von den K.-D.) Ergreift der Zar oder ein braver General die Macht, so ist das Gottes Wille, ist das Ordnung. Alles andere ist Anarchie.

B. (K.-D.) Ergreifen die Kapitalisten, sei es auch mit Gewalt, die Macht, so ist das Ordnung. Die Macht gegen die Kapitalisten zu ergreifen, wäre Anarchie.

C. (S.-D. und S.-R.) Ergreifen die Arbeiter-, Soldaten- usw. Deputiertenräte allein die gesamte Macht, dann droht Anarchie. Mögen die Kapitalisten einstweilen die Macht behalten, und die Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte – die „Kontaktkommission".

D. („Bolschewiki") Die ganze Macht ausschließlich in die Hände der Arbeiter-, Soldaten-, Bauern- und Landarbeiter- usw. Deputiertenräte. Die gesamte Propaganda, Agitation und Organisation von Millionen und aber Millionen Menschen sofort auf dieses Ziel einstellen**.

7. Soll man die Provisorische Regierung unterstützen?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Unbedingt, denn sie ist die im gegenwärtigen Augenblick einzig mögliche Regierung, die die Interessen der Kapitalisten schützt.

C. (S.-D. und S.-R.) Ja, jedoch unter der Bedingung, dass sie die Vereinbarung mit dem Arbeiter- und Soldatendeputiertenrat einhält und die Sitzungen der „Kontaktkommission" besucht.

D. („Bolschewiki") Nein; mögen die Kapitalisten sie unterstützen. Wir müssen das ganze Volk vorbereiten zur alleinigen und uneingeschränkten Herrschaft der Arbeiter-, Soldaten- usw. Deputiertenräte.

8. Für Alleinherrschaft oder für Doppelherrschaft?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Für die Alleinherrschaft der Kapitalisten und Grundherren.

C. (S.-D. und S.-R.) Für die Doppelherrschaft: „Kontrolle" der Provisorischen Regierung durch die Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte. — Darüber nachzudenken, ob Kontrolle ohne Macht wirksam, ist schädlich.

D. („Bolschewiki") Für die Alleinherrschaft der Arbeiter-, Soldaten-, Bauern- usw. Deputiertenräte im ganzen Lande, von unten bis oben.

9. Soll die Konstituierende Versammlung einberufen werden?

A. (rechts von den K.-D.) Nein; sie könnte den Grundherren schaden. — Die Bauern könnten am Ende in der Konstituierenden Versammlung beschließen, den Grundherren den ganzen Boden wegzunehmen.

B. (K.-D.) Ja, aber keinen Termin festsetzen. Möglichst lange Beratungen mit den Juristen und Professoren; hat doch schon Bebel gesagt, dass die Juristen die schlimmsten Reaktionäre der Welt sind, und zweitens lehrt die Erfahrung aller Revolutionen, dass die Freiheit des Volkes verloren ist, wenn man sie Professoren anvertraut.

C. (S.-R. und S.-D.) Ja, und möglichst schnell. Man muss den Termin festsetzen; wir haben schon zweihundert mal in der Kontaktkommission darüber gesprochen und werden es morgen zum zweihundertersten Mal endgültig tun.

D. („Bolschewiki") Ja, und möglichst schnell. Aber die Garantie für ihren Erfolg und überhaupt ihre Einberufung ist allein: Zunahme der Zahl und Kraft der Arbeiter-, Soldaten- und Bauern- usw. Deputiertenräte; Organisierung und Bewaffnung der Arbeitermassen – das ist die einzige Garantie.

10. Braucht der Staat eine Polizei des üblichen Typus und ein stehendes Heer?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Dringend und unbedingt, denn sie sind die einzig sichere Garantie der Kapitalistenherrschaft und nötigenfalls erleichtern sie – wie die Erfahrung aller Länder zeigt – die Rückkehr von der Republik zur Monarchie außerordentlich.

C. (S.-D. und S.-R.) Einerseits sind sie vielleicht nicht notwendig. Anderseits, sind so radikale Veränderungen nicht verfrüht? Übrigens werden wir das in der Kontaktkommission besprechen.

D. („Bolschewiki") Absolut unnötig. Sofort und unbedingt das gesamte Volk bewaffnen, seine Verschmelzung mit der Miliz und der Armee durchführen. Die Kapitalisten haben den Arbeitern die Tage, an denen diese in der Miliz Dienst tun, zu bezahlen.

11. Braucht der Staat ein Beamtentum des üblichen Typus?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Unbedingt ja. Das Beamtentum ist zu neun Zehnteln versippt mit den Grundherren und Kapitalisten. Es muss eine privilegierte, praktisch unabsetzbare Gruppe bleiben.

C. (S.-D. und S.-R.) Es ist nicht angebracht, diese Frage sofort aufzurollen (eine Frage, die von der Pariser Kommune praktisch gestellt wurde).

D. („Bolschewiki") Absolut unnötig. Notwendig ist nicht nur die Wählbarkeit aller Beamten wie aller Deputierten, sondern auch ihre jederzeitige Absetzbarkeit. Ihre Bezahlung nicht über den Lohn eines qualifizierten Arbeiters. Ihre (allmähliche) Ersetzung durch die allgemeine Volksmiliz und ihre Abteilungen.

12. Sollen die Offiziere von den Soldaten gewählt werden?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Nein, das schädigt die Grundherren und die Kapitalisten. Falls man mit den Soldaten anders nicht fertig wird, muss man ihnen diese Reform einstweilen zugestehen, sie aber möglichst rasch wieder zurücknehmen.

C. (S.-D. und S.-R.) Ja.

D. („Bolschewiki") Nicht nur wählen muss man sie, sondern jeder Schritt eines Offiziers oder Generals muss durch besondere, von den Soldaten gewählte Vertrauensleute kontrolliert werden.

13. Ist das eigenmächtige Absetzen der Vorgesetzten durch die Soldaten nützlich?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Unbedingt schädlich. Gutschkow hat es bereits verboten, er hat bereits Gewalt angedroht. Man muss Gutschkow unterstützen.

C. (S.-D. und S.-R.) Es ist nützlich, unklar bleibt nur, soll man sie zuerst absetzen und dann zur Kontaktkommission gehen, oder umgekehrt.

D. („Bolschewiki") Es ist in jeder Beziehung nützlich und notwendig. Nur gewählten Vorgesetzten gehorchen die Soldaten, nur diese achten sie.

14. Für den jetzigen Krieg oder gegen ihn?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Unbedingt dafür, weil er den Kapitalisten unerhört große Gewinne einbringt und ihre Herrschaft durch Entzweiung und Verhetzung der Arbeiter zu festigen verspricht. Die Arbeiter kann man beschwindeln, indem man den Krieg einen Verteidigungskrieg nennt, dessen Ziel eigentlich der Sturz Wilhelms sei.

C. (S.-D. und S.-R.) Wir sind überhaupt gegen den imperialistischen Krieg, sind aber bereit, uns betrügen zu lassen und die Unterstützung des von der imperialistischen Regierung Gutschkow-Miljukow u. Co. geführten imperialistischen Krieges „revolutionäre Landesverteidigung" zu nennen.

D. („Bolschewiki") Unbedingt gegen den imperialistischen Krieg überhaupt; gegen alle bürgerlichen Regierungen, die ihn führen; auch gegen unsere Provisorische Regierung; unbedingt gegen die „revolutionäre Landesverteidigung" in Russland.

15. Für oder gegen die vom Zaren mit England, Frankreich usw. geschlossenen internationalen Raubverträge (über die Erdrosselung Persiens, die Aufteilung Chinas, der Türkei, Österreichs usw.)?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Bedingungslos dafür. Dabei darf man diese Verträge nicht veröffentlichen, sowohl weil das englisch-französische imperialistische Kapital und seine Regierungen es nicht erlauben, als auch deswegen, weil das russische Kapital seine schmutzigen Machenschaften nicht vor der ganzen Öffentlichkeit aufdecken kann.

C. (S.-D. und S.-R.) Dagegen, wir hoffen aber noch, dass man mit Hilfe der Kontaktkommission und durch eine Reihe von „Kampagnen" unter den Massen auf die Kapitalistenregierung „einwirken" kann.

D. („Bolschewiki") Dagegen. Die ganze Aufgabe besteht darin, den Massen klarzumachen, dass es ganz aussichtslos ist, von kapitalistischen Regierungen irgend etwas in dieser Beziehung zu erwarten, und dass die Macht unbedingt auf das Proletariat und die arme Bauernschaft übergehen muss.

16. Für oder gegen Annexionen?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Handelt es sich um Annexionen deutscher Kapitalisten und ihres räuberischen Führers Wilhelm, so sind wir dagegen. Handelt es sich um Annexionen englischer Kapitalisten, so sind wir nicht dagegen, denn es sind „unsere" Verbündeten. Handelt es sich um Annexionen unserer Kapitalisten, die die vom Zaren versklavten Völker mit Gewalt innerhalb der russischen Grenzen festhalten, so sind wir dafür, bezeichnen das nicht als Annexionen.

C. (S.-D. und S.-R.) Gegen Annexionen; wir hoffen aber noch, dass man auch von der Kapitalistenregierung die „Zusage" erhalten wird, sie werde auf sie verzichten.

D. („Bolschewiki") Gegen Annexionen; alle Versprechungen der kapitalistischen Regierungen, auf Annexionen zu verzichten, sind nichts als Betrug. Ihn zu entlarven, gibt es nur ein Mittel: die Befreiung der Völker fordern, die von den eigenen Kapitalisten unterdrückt werden.

17. Für oder gegen die „Freiheitsanleihe"?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Unbedingt dafür, denn sie erleichtert die Fortführung des imperialistischen Krieges, d. h. des Krieges um die Frage, welche Kapitalistengruppe die Welt beherrschen soll.

C. (S.-D. und S.-R.) Dafür, denn die falsche Position der „revolutionären Vaterlandsverteidigung" verurteilt uns zu diesem offenkundigen Abweichen vom Internationalismus.

D. („Bolschewiki") Dagegen; denn der Krieg bleibt ein imperialistischer Krieg, er wird geführt von Kapitalisten im Bunde mit Kapitalisten, im Interesse von Kapitalisten.

18. Dafür oder dagegen, dass die kapitalistischen Regierungen der Welt den Friedenswillen der Völker kundtun?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Dafür, denn die Erfahrung der französischen republikanischen Sozialchauvinisten hat klar und deutlich die Möglichkeit gezeigt, auf diese Weise das Volk zu betrügen: sagen kann man, was man will, in Wirklichkeit aber werden wir die Beute, die wir den Deutschen geraubt haben (ihre Kolonien), behalten, und ihnen abnehmen, was diese Räuber geraubt haben.

C. (S.-D. und S.-R.) Dafür, denn wir halten überhaupt noch an vielen unbegründeten Hoffnungen fest, die die Kleinbourgeoisie auf die Kapitalisten setzt.

D. („Bolschewiki") Dagegen, denn die klassenbewussten Arbeiter hegen keinerlei Hoffnungen in Bezug auf die Kapitalisten, und unsere Aufgabe ist, den Massen klarzumachen, wie unbegründet diese Hoffnungen sind.

19. Soll man alle Monarchen überhaupt stürzen?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Nein, den englischen, den italienischen und überhaupt die verbündeten Monarchen braucht in nicht zu stürzen, man muss nur den deutschen, den österreichischen, den türkischen und den bulgarischen Monarchen stürzen, denn der Sieg über sie wird unsere Profite verzehnfachen.

C. (S.-D. und S.-R.) Man muss eine „Reihenfolge" festsetzen und beginnen unbedingt mit dem Sturz Wilhelms; mit den verbündeten Monarchen kann man wohl noch warten.

D. („Bolschewiki") Eine Reihenfolge für die Revolution kann man nicht festsetzen. Man muss nur den Revolutionären der Tat helfen und in allen Ländern ohne Ausnahme alle Monarchen stürzen.

20. Sollen die Bauern sofort den gesamten gutsherrlichen Boden nehmen?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Auf keinen Fall. Man muss die Konstituierende Versammlung abwarten. Schingarjow hat bereits auseinandergesetzt: wenn die Kapitalisten dem Zaren die Macht entreißen, so ist das eine große und ruhmreiche Revolution, wenn aber die Bauern den Grundherren das Land wegnehmen, so ist das Faustrecht2. Wir brauchen paritätische Schiedskommissionen aus Grundherren und Bauern, mit Beamten als Vorsitzenden, d. h. denselben Kapitalisten und Grundherren.

C. (S.-D. und S.-R.) Es ist besser, die Bauern warten die Konstituierende Versammlung ab.

D. („Bolschewiki") Man muss den ganzen Boden sofort nehmen; hierbei die strengste Ordnung sichern durch die Bauerndeputiertenräte. Die Produktion von Getreide und Fleisch muss gesteigert werden: die Soldaten müssen besser ernährt werden. Beschädigung des Viehs, der Geräte usw. ist absolut unzulässig.

21. Kann man sich begnügen allein mit den Bauerndeputiertenräten, die über den gesamten Grund und Boden und über sämtliche Dorfangelegenheiten überhaupt verfügen sollen?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Die Grundherren und Kapitalisten sind überhaupt gegen die ausschließliche und alleinige Herrschaft der Bauerndeputiertenräte in den Dörfern. Wenn diese Räte aber schon nicht zu vermeiden sind, ist es natürlich besser, man beschränkt sich auf sie, denn die reichen Bauern sind gleichfalls Kapitalisten.

C. (S.-D. und S.-R.) Vorläufig kann man sich wohl auf sie beschränken, obgleich die S.-D. „im Prinzip" die Notwendigkeit einer besonderen Organisation der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter nicht leugnen.

D. („Bolschewiki") Man kann sich nicht beschränken auf die allgemeinen Bauerndeputiertenräte allein, denn die reichen Bauern sind ebenfalls Kapitalisten, die stets geneigt sein werden, die Landarbeiter, die Tagelöhner und die armen Bauern zu übervorteilen oder zu betrügen. Man muss sofort besondere Organisationen schaffen für diese letztgenannten Kategorien der ländlichen Bevölkerung, sowohl innerhalb der Bauerndeputiertenräte als auch in Gestalt besonderer Deputiertenräte der landwirtschaftlichen Arbeiter.

22. Soll das Volk die größten und mächtigsten, die monopolistischen Organisationen der Kapitalisten, die Banken, die Unternehmersyndikate usw., in seine Hand nehmen?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Auf keinen Fall, denn das kann den Grundherren und Kapitalisten schädlich sein.

C. (S.-D. und S.-R.) Allgemein gesprochen sind wir für den Übergang solcher Organisationen in die Hände des gesamten Volkes, augenblicklich aber ist es noch zu früh, daran zu denken und es vorzubereiten.

D. („Bolschewiki") Man muss die Deputiertenräte der Arbeiter, der Bankangestellten usw. sofort vorbereiten, damit sie die praktisch möglichen und absolut durchführbaren Schritte tun – zunächst zur Verschmelzung sämtlicher Banken zu einer einzigen Nationalbank, sodann zur Kontrolle der Banken und Syndikate durch die Arbeiterdeputiertenräte, später zu ihrer Nationalisierung, d. h. ihrer Übereignung an das gesamte Volk.

23. Welche sozialistische Internationale, die das brüderliche Bündnis zwischen den Arbeitern aller Länder durchführt und verwirklicht, brauchen jetzt die Völker?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Allgemein gesprochen, ist jede sozialistische Internationale für die Kapitalisten und Grundherren schädlich und gefährlich, wenn sich aber der deutsche Plechanow, d. h. Scheidemann, und der russische Scheidemann, d. h. Plechanow, zusammenfinden und verständigen, wenn sie aneinander Spuren sozialistischen Gewissens entdecken, dann müssen wir Kapitalisten wohl eine solche Internationale solcher Sozialisten, die sich auf die Seite ihrer Regierungen stellen, begrüßen.

C. (S.-D. und S.-R.) Nötig ist eine sozialistische Internationale, die alle vereinigt: sowohl die Scheidemänner und die Plechanows als auch die Leute vom „Zentrum", d. h. die zwischen Sozialchauvinismus und Internationalismus hin und her Schwankenden. Je größer der Brei, um so größer die „Einheit": es lebe die große sozialistische Einheit!

D. („Bolschewiki") Die Völker brauchen nur eine solche Internationale, die wirklich revolutionäre Arbeiter vereinigt, fähig, dem schrecklichen und verbrecherischen Völkergemetzel ein Ende zu machen, die Menschheit vom Joche des Kapitals zu erlösen. Nur Menschen (Gruppen, Parteien usw.), wie der im Zuchthaus sitzende deutsche Sozialist Karl Liebknecht, nur Menschen, die rücksichtslos gegen die eigene Regierung, die eigene Bourgeoisie, die eigenen Sozialchauvinisten, die eigenen Zentristen kämpfen, nur sie können und sie müssen unverzüglich die Internationale bilden, die die Völker brauchen.

24. Ist es notwendig, die Verbrüderung zwischen den Soldaten der kriegführenden Länder an der Front zu fördern?

A. (rechts von den K.-D.), B. (K.-D.) Nein, das schädigt die Interessen der Grundherren und Kapitalisten, da es die Befreiung der Menschheit von ihrem Joche beschleunigen kann.

C. (S.-D. und S.-R.) Ja. Das ist nützlich. Doch sind wir nicht alle fest davon überzeugt, dass man mit dieser Unterstützung der Verbrüderung sofort in allen kriegführenden Ländern beginnen soll.

D. („Bolschewiki") Ja. Das ist nützlich und notwendig. Es ist unbedingt notwendig, sofort in allen kriegführenden Ländern die Versuche der Verbrüderung der Soldaten beider kriegführenden Gruppen zu fördern.

25. Welche Fahnenfarbe entspräche der Natur und dem Charakter der verschiedenen politischen Parteien?

A. (rechts von den K.-D.) Schwarz, denn sie sind echte Schwarzhundertleute.

B. (K.-D.) Gelb, denn das ist das internationale Banner jener, die dem Kapital auf Gedeih und Verderb dienen.

C. (S.-D. und S.-R.) Rosa, denn ihre ganze Politik ist wie eine rosafarbene Limonade.

D. („Bolschewiki") Rot, denn das ist die Fahne der proletarischen Weltrevolution.

Diese Broschüre wurde geschrieben Anfang April 1917. Auf die Frage, ob sie nicht jetzt, nach dem 6. Mai 1917, nach der Bildung der „neuen" Koalitionsregierung, veraltet sei, möchte ich antworten:

Nein, denn eigentlich ist die Kontaktkommission nicht verschwunden, sie ist nur in ein anderes Zimmer übergesiedelt, und zwar zusammen mit den Herren Ministern. Der Umzug der Tschernow und Zeretelli in ein anderes Zimmer hat ihre Politik und die Politik ihrer Parteien nicht geändert.

1 Die Originalbroschüre „Die politischen Parteien in Russland und die Aufgaben des Proletariats", die nach einer größeren Verzögerung erschien, enthält hinter dem Titel vor dem Text folgende Anmerkung, die wahrscheinlich von Lenin selbst beim Lesen der letzten Korrektur gemacht wurde: „Erläuterung zum Entwurf einer Plattform, die N. Lenin für die Diskussion auf den Konferenzen der Bolschewiki verfasste. Die Drucklegung des Entwurfes selbst erfuhr eine Verzögerung lediglich infolge des Umstandes, dass in Petrograd keine Druckerei aufzutreiben war."

* Was für Schritte das sind, darüber siehe die Fragen 20 und 22.

** Anarchie nennt man die Ablehnung jeglicher Staatsmacht, der Arbeiter-und Soldaten-Deputiertenrat ist aber auch eine Staatsmacht.

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