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Wladimir I. Lenin 19171202 Entwurf des Dekrets über das Abberufungsrecht

Wladimir I. Lenin: Entwurf des Dekrets über das Abberufungsrecht

[Abgefasst am 2. Dezember (19. November) 1917 Veröffentlicht in dem Buche „Protokolle der Sitzungen des II. Allrussischen Zentralexekutivkomitees'', Moskau 1918. Nach Sämtliche Werke, Band 22, Zürich 1934, S. 89 f.]

Irgendeine Wahlkörperschaft oder Vertreterversammlung kann als wirklich demokratisch und als wirkliche Vertretung des Willens des Volkes nur dann gelten, wenn den Wählern das Recht zusteht, ihre Abgeordneten abzuberufen. Das ist ein Grundsatz der wahren Demokratie, der für alle Vertreterversammlungen ohne Ausnahme und auch für die Konstituante gilt.

Das System der Proportionalwahlen, das demokratischer ist als das Majoritätssystem, erfordert kompliziertere Maßnahmen zur Verwirklichung des Abberufungsrechts, d. h. der wirklichen Unterordnung der Abgeordneten unter das Volk. Aber jeder Verzicht auf die Verwirklichung des Abberufungsrechts unter Berufung auf diese Tatsache, jede Verzögerung der Durchführung, jede Beschränkung dieses Rechts wäre ein Verrat an der Demokratie und eine völlige Lossage von den Grundsätzen und Aufgaben der in Russland begonnenen sozialistischen Revolution. Das System der Proportionalwahlen erfordert lediglich eine Änderung der Form des Abberufungsrechts, keineswegs seine Einschränkung.

Da die Grundlage des Systems der Proportionalwahlen die Anerkennung des Parteiwesens und die Durchführung der Wahlen durch organisierte Parteien bildet, so rufen alle großen Änderungen im Kräfteverhältnis der Klassen und im Verhältnis der Klassen zu den Parteien, insbesondere die Spaltungen innerhalb der größeren Parteien, notwendigerweise das Verlangen nach Neuwahlen in dem Wahlkreis hervor, wo das Missverhältnis zwischen dem Willen der verschiedenen Klassen und ihrer Stärke einerseits und zwischen der Parteizusammensetzung der Gewählten andererseits klar und unzweideutig hervortritt. Die Interessen der wahren Demokratie erfordern dabei unbedingt, dass die Festsetzung von Neuwahlen nicht ausschließlich von der zu wählenden Körperschaft abhänge, d. h., dass das Verlangen der Gewählten, ihre Mandate zu behalten, nicht der Durchführung der Forderung des Volkes auf Abberufung seiner Vertreter entgegenwirke.

Deshalb beschließt das Allrussische Zentralexekutivkomitee der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte:

Die Arbeiter- und Soldatenräte sowie die Bauernräte jedes Wahlkreises haben das Recht, Neuwahlen zu allen städtischen, Semstwo- und überhaupt zu allen repräsentativen Körperschaften, einschließlich der Konstituante, festzusetzen. Die Räte haben auch das Recht, den Termin für Neuwahlen anzuberaumen. Die Wahlen selbst gehen in der üblichen Weise vor sich, auf Grund eines streng proportionalen Wahlsystems.

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