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Wladimir I. Lenin 19171113 Entwurf des Dekrets über die Arbeiterkontrolle

Wladimir I. Lenin: Entwurf des Dekrets über die Arbeiterkontrolle1

[Abgefasst in der Zeit vom 8.-13. November (26.-31. Oktober) 1917. „Prawda" Nr. 178, 16. (3.) November 1917. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 22, Zürich 1934, S. 26 f.]

1. In allen Industrie-, Handels-, Bank-, landwirtschaftlichen und sonstigen Unternehmen mit nicht weniger als fünf Arbeitern und Angestellten (insgesamt) oder mit einem Umsatz von nicht weniger als 10.000 Rubel jährlich wird die Arbeiterkontrolle über die Herstellung, die Aufbewahrung und den Kauf und Verkauf aller Produkte und Rohstoffe eingeführt.

2. Die Arbeiterkontrolle führen alle Arbeiter und Angestellten des Unternehmens durch: entweder direkt, wenn das Unternehmen so klein ist, dass das möglich ist, oder durch ihre gewählten Vertreter, die sofort in allgemeinen Versammlungen zu wählen sind. In den Wahlversammlungen müssen Protokolle geführt werden, und die Namen der Gewählten sind der Regierung und den örtlichen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten mitzuteilen.

3. Ohne Erlaubnis der gewählten Vertreter der Arbeiter und Angestellten ist es streng verboten, einen Betrieb oder Produktionszweig, der allgemein staatliche Bedeutung hat (siehe § 7), stillzulegen oder irgendwelche Änderungen in seiner Tätigkeit vorzunehmen.

4. Diesen gewählten Vertretern müssen alle Bücher und Dokumente ohne Ausnahme, ferner alle Lager und Vorräte an Material, Werkzeugen und Produkten ohne jede Ausnahme geöffnet werden.

5. Die Beschlüsse der gewählten Vertreter der Arbeiter und Angestellten sind für die Besitzer der Betriebe bindend und können nur durch die Gewerkschaften oder Gewerkschaftskongresse aufgehoben werden.

6. In allen Betrieben von allgemein staatlicher Bedeutung tragen alle Besitzer und alle gewählten Vertreter der Arbeiter und Angestellten, die zur Durchführung der Arbeiterkontrolle gewählt wurden, vor dem Staat die Verantwortung für die strengste Ordnung, Disziplin und den Schutz des Eigentums. Wer sich der Fahrlässigkeit, der Verheimlichung von Vorräten, Rechenschaftsberichten usw. schuldig macht, wird mit Konfiskation des gesamten Eigentums und Gefängnis bis zu 5 Jahren bestraft.

7. Als Betriebe von allgemein staatlicher Bedeutung gelten alle Betriebe, die für die Landesverteidigung arbeiten, ebenso alle Betriebe, die in dieser oder jener Weise an der Herstellung der für die Existenz der Volksmassen notwendigen Produkte beteiligt sind.

8. Genauere Bestimmungen über die Arbeiterkontrolle werden von den lokalen Arbeiterräten und Betriebsrätekonferenzen sowie von den Angestelltenausschüssen in den allgemeinen Versammlungen ihrer Vertreter festgesetzt.

1 Das Dekret über die Arbeiterkontrolle kam folgendermaßen zustande: am 3. November (21. Oktober) beauftragte das ZK der bolschewistischen Partei W. Miljutin, Thesen über die Arbeiterkontrolle zum II. Rätekongress auszuarbeiten. Auf dem Kongress wurde diese Frage nicht behandelt, obwohl in dem Aufruf des Kongresses über den Übergang der Macht an die Räte erklärt wurde, dass die „Sowjetmacht“ die Arbeiterkontrolle über die Produktion einführen wird".

Das Dekret wurde in einer Kommission (im Volkskommissariat für Arbeit) ausgearbeitet, in der bereits am 14. (1.) November zwei Projekte eingebracht worden waren. Das eine Projekt war von dem Zentralrat der Betriebsräte eingebracht worden und sah eine staatliche Regulierung und Kontrolle der Industrie, der Landwirtschaft, des Verkehrswesens usw. durch einen Obersten Volkswirtschaftsrat vor, der zu zwei Drittel aus Vertretern der Arbeiterorganisationen und zu einem Drittel aus Vertretern der Unternehmer bestehen sollte. Der zweite Entwurf, der von Lenin stammte, wurde um diese Zeit durch eine Reihe von Punkten ergänzt und detailliert. Die Kommission legte ihren Arbeiten den Leninschen Entwurf zugrunde.

Am 27. (14.) November berichtete Miljutin in der Sitzung des Allrussischen Zentralexekutivkomitees über diesen Entwurf, der in der Kommission durchgearbeitet und präzisiert worden war. Der Entwurf wurde mit unwesentlichen Änderungen vom Allrussischen Zentralexekutivkomitee angenommen, vom Rat der Volkskommissare am darauffolgenden Tage, d, h. am 28. (15.) November bestätigt und am 29. (16.) November veröffentlicht.

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