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Wladimir I. Lenin 19170500 Über die Bemerkungen der Kommission der Allrussischen Aprilkonferenz

Wladimir I. Lenin: Über die Bemerkungen der Kommission der Allrussischen Aprilkonferenz

[Geschrieben im Mai 1917. Zum ersten Mal veröffentlicht im Juni 1917 in der Broschüre: „Materialien zur Revision des Parteiprogramms". Verlag „Priboj". Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 392-394]

Zu diesen Bemerkungen über den allgemeinen Teil des Programms möchte ich folgendes sagen:

Umarbeitung des gesamten allgemeinen Teils des Programms ist meines Erachtens nicht notwendig. Der von der Kommission entworfene Plan für eine solche Umarbeitung scheint mir theoretisch unrichtig zu sein.

In seiner jetzigen Redaktion enthält der allgemeine Teil des Programms eine Beschreibung und eine Analyse der wichtigsten und wesentlichsten Besonderheiten des Kapitalismus als einer sozial-ökonomischen Ordnung. Diese Besonderheiten haben sich durch den Imperialismus, die Epoche des Finanzkapitals, in ihrem Wesen nicht geändert. Der Imperialismus ist die Fortsetzung der Entwicklung des Kapitalismus, sein höchstes Stadium, in gewisser Hinsicht das Übergangsstadium zum Sozialismus.

Ich kann daher die Ergänzung der Analyse der grundlegenden Besonderheiten des Kapitalismus, überhaupt die Analyse des Imperialismus, nicht als „mechanisch" anerkennen. In Wirklichkeit gestaltet der Imperialismus den Kapitalismus nicht von Grund auf um und kann es auch nicht. Der Imperialismus kompliziert und verschärft die Widersprüche des Kapitalismus, er „verknotet" die Monopole mit der freien Konkurrenz, aber den Austausch, den Markt, die Konkurrenz, die Krisen usw. beseitigen kann der Imperialismus nicht.

Der Imperialismus ist der im Ableben begriffene, aber noch nicht abgelebte, der sterbende, aber noch nicht gestorbene Kapitalismus. Nicht reine Monopole, sondern Monopole neben dem Austausch, dem Markt, der Konkurrenz, den Krisen – das ist überhaupt die wesentlichste Eigenart des Imperialismus.

Darum ist es theoretisch falsch, die Analyse des Austausches, der Warenproduktion, der Krisen usw. überhaupt wegzulassen und diese Analyse durch die Analyse des Imperialismus als eines Ganzen zu „ersetzen". Denn ein solches Ganzes gibt es nicht. Es gibt einen Übergang von der Konkurrenz zum Monopol, und daher wird ein solches Programm die Wirklichkeit viel richtiger, viel exakter wiedergeben, in dem die allgemeine Analyse des Austausches, der Warenproduktion, der Krisen usw. bleibt und eine Charakteristik der hervorwachsenden Monopole hinzugefügt wird. Gerade diese Verkuppelung der einander widersprechenden „Prinzipien": Konkurrenz und Monopol, ist für den Imperialismus wesentlich, gerade sie bereitet den Zusammenbruch, d. h. die sozialistische Revolution vor.

In Russland wäre es überdies auch darum falsch, den Imperialismus als ein zusammenhängendes Ganzes darzustellen (der Imperialismus ist überhaupt kein zusammenhängendes Ganzes), weil es in Russland noch sehr viele Gebiete und Arbeitszweige gibt mit einem Übergang von der Natural- und Halbnaturalwirtschaft zum Kapitalismus. Das ist rückständig, das ist eine Schwäche, aber es ist dennoch da, und das kann unter bestimmten Bedingungen zu einem Element der Verzögerung des kapitalistischen Zusammenbruches werden.

Das Programm beginnt – und muss beginnen – mit den einfachsten Erscheinungen des Kapitalismus, um Überzugehen zu den komplizierteren und „höheren", vom Tausch zur Warenproduktion, zur Verdrängung der Kleinbetriebe durch die großen, zu den Krisen usw. bis zum Imperialismus, als dem erst jetzt in den fortgeschrittenen Ländern hervorwachsenden und hervorgewachsenen höchsten Stadium. Gerade so verhält es sich im Leben. Mit der Nebeneinanderstellung von „Tausch" überhaupt und Kapitalexport beginnen, ist sowohl geschichtlich wie theoretisch falsch. Das ist mein Einwand gegen die Bemerkungen der Kommission.

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