Wladimir I. Lenin: Über die Nützlichkeit einer sachlichen Polemik

[„Prawda" Nr. 76 21. (8.) Juni 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.2. Wien-Berlin 1928, S. 161 f.]

Liebe Genossen Mitarbeiter der „Nowaja Schisn"! Ihr seid mit unserer Kritik unzufrieden und nennt sie böse.¹ Wir wollen uns bemühen, milde und liebenswürdig zu sein.

Betrachten wir zunächst zwei Fragen, die ihr gestellt habt.

Kann man ernsthaft von einer Kontrolle der Produktion, geschweige denn von ihrer Regulierung sprechen, ohne mit der „Unantastbarkeit des Geschäftsgeheimnisses" zu brechen.

Wir behaupteten, dass die „Nowaja Schisn" auf diese „sachliche" Frage keine Antwort gibt. Die „Nowaja Schisn" erwidert, dass wir eine Antwort auf diese Frage „sogar" in der „Rabotschaja Gazeta" „finden" können.

Wir finden keine, liebe Genossen! Auch ihr werdet sie nie finden. Sucht, soviel ihr wollt – ihr werdet sie nicht finden.

Die Sünde der „Nowaja Schisn", nehmt's mir nicht übel, liegt gerade darin, dass sie zwar über „Kontrolle" deklamierte, aber die sachliche Frage nach der Unantastbarkeit des Geschäftsgeheimnisses sachlich nicht gestellt hat.

Die zweite Frage: darf man die sofortige Einführung des Sozialismus (wogegen die „Nowaja Schisn" polemisierte und was wir nicht vorgeschlagen haben) verwechseln mit der sofortigen Einführung einer sachlichen Kontrolle der Banken und Syndikate? Als wir diese Frage mit dem Hinweis beantworteten, dass wir die Kleinbetriebe weder zu expropriieren noch zu regulieren oder zu kontrollieren beabsichtigen, da entgegnete uns die „Nowaja Schisn": „Ein wertvolles Geständnis", „berechtigt", aber es komme „zu plötzlich".

Aber, liebe Genossen, was ist daran „plötzlich", – es ist doch die kurze Wiedergabe einer langen und ausführlichen Resolution unserer Konferenz. Oder hat es euch nicht interessiert, diese Resolution durchzulesen?

Es ist nützlich, sachlich zu polemisieren. Schädlich aber ist es, sich über eine solche Polemik mit Zweideutigkeiten hinwegzusetzen.