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Wladimir I. Lenin 19170531 Zur Frage der Vereinigung der Internationalisten

Wladimir I. Lenin: Zur Frage der Vereinigung der Internationalisten

[„Prawda" Nr. 60, 31. (18.) Mai 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 505 f.]

Die Allrussische Konferenz unserer Partei hat beschlossen: die Annäherung und Vereinigung mit den Gruppen und Richtungen, die in der Tat auf dem Boden des Internationalismus stehen, ist notwendig, unter der Voraussetzung, dass sie mit der Politik des kleinbürgerlichen Verrates am Sozialismus brechen1.

Die Frage der Vereinigung wurde dieser Tage auch auf der Konferenz der „Zwischenbezirksorganisation der Vereinigten Sozialdemokraten" in Petrograd behandelt2.

In Ausführung des Beschlusses der Allrussischen Konferenz unterbreitete das ZK unserer Partei, da es die Vereinigung mit den „Meschrayonzy" für sehr wünschenswert hält, diesen folgende Vorschläge. (Diese Vorschläge wurden den „Meschrayonzy" zunächst nur im Namen des Genossen Lenin und einiger Mitglieder des ZK gemacht, später fanden sie auch die Billigung der Mehrheit des ZK):

Eine sofortige Vereinigung ist wünschenswert. Dem ZK der SDAPR wird vorgeschlagen, in die Redaktionen der beiden Zeitungen (der jetzigen „Prawda", die zu einer allrussischen populären Zeitung ausgebaut werden soll, und des Zentralorgans, das in der nächsten Zeit geschaffen werden soll) je einen Vertreter der ,Meschrayonzy' aufzunehmen.

Dem ZK wird vorgeschlagen, eine besondere Organisationskommission zur Einberufung eines Parteitags (binnen anderthalb Monaten) zu bilden.

Die Konferenz der ,Meschrayonzy' hat das Recht, zwei Delegierte in diese Kommission zu entsenden. Falls die menschewistischen Anhänger Martows mit den ,Oboronzy' brechen, so ist es wünschenswert und notwendig, dass auch ihre Delegierten in die erwähnte Kommission aufgenommen werden.

Die Freiheit der Diskussion über strittige Fragen wird durch die Herausgabe von Diskussionsblättern im Verlag ,Priboj' (,Kommunist') und durch die freie Diskussion in der wieder erscheinenden Zeitschrift ,Prosweschtschenije' gewährleistet."3

Diesen Entwurf hat N. Lenin am 10. Mai in seinem Namen und im Namen einiger Mitglieder des ZK verlesen. Die „Meschrayonzy" ihrerseits haben einen anderen Beschluss gefasst. Dieser lautet:

Über die Einheit. In der Erkenntnis, dass nur der engste Zusammenschluss aller revolutionären Kräfte des Proletariats

1. es zum Vorkämpfer machen wird, um den Weg zum Sozialismus zu ebnen;

2. ihm die Möglichkeit geben wird, der Führer der russischen Demokratie zu werden in ihrem Kampfe gegen alle Überreste des halb feudalen Regimes und der Erbschaft des Zarismus:;

3. es ermöglichen wird, die Revolution bis zum entscheidenden Ende zu führen und die Fragen über Krieg und Frieden, Konfiskation des Grund und Bodens, Achtstundentag usw. vollständig zu lösen, –

stellt die Konferenz fest:

a) dass der für das Proletariat so dringend notwendige Zusammenschluss der Kräfte nur unter dem Banner von Zimmerwald und Kienthal, nur auf Grund des Parteiprogramms und der Parteibeschlüsse von 1908, 1910, 1912 und 1913 erreicht werden kann;

b) dass keine Arbeiterorganisation, ob Gewerkschaft, ob Bildungsorganisation oder Konsumgenossenschaft, dass keine Arbeiterzeitung oder Zeitschrift diesem Banner fernbleiben darf.

c) Die Konferenz erklärt zugleich, dass sie auf das entschiedenste und eifrigste für die Einigung auf dem Boden der obigen Beschlüsse eintritt."

Welcher Beschluss rascher zur Einigung führt, diese Frage haben jetzt alle internationalistisch gesinnten Arbeiter zu diskutieren und zu entscheiden.

Die politischen Resolutionen der „Meschrayonzy" bewegen sich im Wesentlichen auf der richtigen Linie des Bruches mit den „Oboronzy".

Unter diesen Umständen wäre jede Zersplitterung der Kräfte unserer Meinung nach durch nichts zu rechtfertigen.

1 Bezieht sich auf die Resolution der Aprilkonferenz „Über die Vereinigung der Internationalisten gegen den kleinbürgerlichen Oboronzenblock".

2 „Zwischenbezirksorganisation der Vereinigten Sozialdemokraten", abgekürzt „Meschrayonzy" genannt. – Die Organisation entstand in Petrograd während des Krieges und existierte bis zum 6. Parteitag der Bolschewiki im Juli 1917, wo sie sich mit der bolschewistischen Partei verschmolz. Die Organisation trug offiziell einen außerfraktionellen Charakter; bis zur Februarrevolution zählte sie etwa 200 organisierte Arbeiter; sie verbreitete Flugblätter und brachte auch zwei Nummern einer illegalen Zeitung „Wperjod" („Vorwärts") heraus. In ihrer Stellung zum Kriege vertraten die „Meschrayonzy" einen internationalistischen Standpunkt und in ihrer Taktik standen sie den Bolschewiki nahe. Im Sommer 1917 gehörten der Organisation der „Meschrayonzy" Trotzki, Lunatscharski, Wolodarski, Uritzki u. a. an. Die Konferenz der „Meschrayonzy", auf der die Vereinigungsfrage behandelt wurde, fand am 23. (10.) Mai 1917 statt. Das bolschewistische Zentralkomitee war auf der Konferenz durch Lenin, Sinowjew und Kamenew vertreten. Die Konferenz lehnte die von Lenin beantragte Resolution ab und nahm die Resolution Trotzkis an.

3 „Priboj" („Die Brandung") – bolschewistischer legaler Verlag in Petrograd, bestand schon vor der Revolution; nahm 1917 seine Tätigkeit wieder auf. Er wurde später in „Kommunist" umbenannt.

Prosweschtschenije" („Bildung") – bolschewistische legale Halbmonatsschrift, erschien in Petrograd in den Jahren 1911-1914 an Stelle der verbotenen Zeitschrift „Mysl" und wurde 1917 erneuert; es erschien eine Nummer.

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