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Karl Liebknecht 19101014 Begrüßungsrede in den USA

Karl Liebknecht: Begrüßungsrede in den USA

Aus dem Bericht der New Yorker Volks-Zeitung über die Rede in der Begrüßungskundgebung in New York1

[Vorwärts, Wochenblatt der New Yorker Volkszeitung, Nr. 42 vom 15. Oktober 1910. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 3, S. 502-509]

Deutsche erwacht! Karl Liebknecht von vielen Tausenden begrüßt. Begeisterung groß. Preußische Reaktion die Stütze internationaler Rückwärtserei. Gott erhalte die Feinde.

Deutschlands Austauschgenosse zeigt die Hilfe, die der sozialistischen Bewegung seines Landes von einem Gottesgnadennarr, einer mittelalterlichen Reaktion, einem brutalen Militarismus und einer verbohrten Bourgeoisie wurde, und erklärt die Sozialdemokratie – in ihrer Vierteilung der politischen, gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen und Bildungsbewegung – als den einzigen ernstlichen Gegner jeden Rückschritts und Bringer des Fortschritts.

Eine wirkliche deutsche sozialistische Massenversammlung, die den Saal vom Harlem River Park – wohl den größten seiner Art in Groß-New York – nicht nur füllte, sondern in geradezu beängstigender Weise überfüllte. Und alles das keine Reporterphantasie, die doch so manch gähnende Leere in drangvolle Fülle umdichten muss, sondern wahrhaftige, lebendigste Wirklichkeit. Und, was beinahe noch besser ist, ein typisches Arbeiterpublikum, Männer und Frauen, Greise und viele, viele Jünglinge, kurz, der deutsche Nachwuchs, nach dem wir uns seit Jahrzehnten die Hälse heiser brüllen, die Augen wund schauen.

Zwar waren die gut viertausend in erster Reihe gekommen, um Karl Liebknecht, den würdigen Sohn des „Alten", zu begrüßen, aber dass nicht müßige Neugier sie hingeführt, bewies der Enthusiasmus, der die ganze lebensprühende, von Kampfesfeuer und revolutionärem Klassenbewusstsein durchleuchtete Rede unseres deutschen Genossen begleitete, zeigte die herzliche, stürmische Zustimmung, der immer wieder ausbrechende Applaus, der die unzähligen Pointen der glänzenden, mehr als einstündigen Ansprache Dr. Karl Liebknechts unterstrich und bejubelte. Denn auch das soll gesagt werden, Liebknecht hat viele von uns enttäuscht: angenehm enttäuscht. Wir glaubten von ihm eine detaillierte Schilderung deutscher Parteiverhältnisse zu hören und erhielten eine großzügige, vortreffliche Analyse des modernen Gesellschaftszustandes, eine unübertreffliche Charakterisierung des inneren Wesens der internationalen Sozialdemokratie und zugleich eine überaus geschickte Vergleichung der europäischen und amerikanischen Arbeiterverhältnisse und -bewegung.

Karl Liebknecht weiß alle Register der Beredsamkeit zu ziehen, von der feinsten Ironie und dem beißendsten Sarkasmus, mit denen er besonders unsere Freunde Wilhelm und Bethmann Hollweg bedachte, bis zum kraftvollsten und begeisterndsten Aufschrei der Empörung gegen politische und wirtschaftliche Unterdrückung. Er hat sich gestern Abend in die Herzen des klassenbewussten Proletariats von New York hineingeredet und wird dort immer einen Ehrenplatz behaupten.

Es war kurz nach 8.15 Uhr, als die sozialistische Musikkapelle, die durch den Vortrag mehrerer Konzertpiecen zur Unterhaltung der versammelten Tausende beigetragen hatte, das Zeichen erhielt und die „Marseillaise" anstimmte. Liebknecht hatte in Gemeinschaft mit dem Parteiveteranen Westphal, dem Arbeiterdichter Georg Biedenkapp und den beiden jungen Vertretern des Deutschen Agitationskomitees, E. Bischler und Edward Meyer, die Plattform betreten. Kaum hatte sich der Sturm der ersten Begrüßung etwas gelegt, als ein neuer, nicht minder starker oder weniger allgemeiner Applaus einsetzte, doch diesmal galt er einem Hiesigen, dem allen vertrauten Alexander Jonas, dem so die versammelten Massen am deutlichsten zeigten, dass seine langen Kampfesjahre nicht vergeblich, nicht umsonst waren …

Die Völker, so sagte Jonas in seiner Einführungsrede, seien es endlich müde geworden, sich weiter ausbeuten und unterdrücken zu lassen, und hätten beschlossen, ihre Meister wissen zu lassen, dass sie ein Ende machen wollten mit kapitalistischer Ungleichheit und proletarischem Elend. Sie hätten sich dafür Kampforganisationen geschaffen, deren mächtigste die Sozialdemokratie, die internationale Sozialdemokratie sei. Das Proletariat aller Länder reiche sich für diesen großen Kampf die Hände und schicke sich gegenseitig ihre kampferprobten Männer und Frauen zu Hilfe. Der, den uns soeben die deutsche Bruderpartei nach hier geschickt, sei ein Liebknecht. Mit diesem Namen müsse man sich schon die Frage gefallen lassen: „Bist du ein Sohn jenes großen Wilhelm Liebknecht, der zu den hervorragenden Gründern der deutschen Sozialdemokratie gehörte?" (Stürmischer Beifall.) Und dieser könne darauf stolz-bescheiden antworten: „Jawohl, ich bin sein Sohn." Denn er ist nicht nur sein leiblicher Sohn, sondern auch sein würdiger Sohn im Geiste, im Geiste des kampferprobten Revolutionärs. Im jugendfrischen Alter habe sich Karl Liebknecht seine Sporen verdient, als Jüngling habe er sein Schwert gezogen. Und die Herrschenden, gegen die das Schwert gezückt wurde, hätten auch sehr bald die einzige Antwort darauf gegeben, die einzige Belohnung, die sie zu vergeben hätten, den Orden „Pour le merite" jedes aufrechten, ehrlichen Klassenkampfers, 18 Monate Gefängnis. Im Namen der New-Yorker sozialistischen Arbeiterschaft, im Namen der vielen Tausende, denen Liebknecht auf seiner Agitationstour durch die Vereinigten Staaten die Heilslehre des Sozialismus bringen werde, rufe er ihm zu: „Willkommen, Karl Liebknecht, in Amerika!" (Stürmischer Beifall.)

Und wieder dauerte es Minuten, bis der von dieser spontanen Huldigung der Tausende sichtlich tief Bewegte endlich zu Worte kommen konnte. Mit klarer, bis in die äußersten Winkel des Riesensaales deutlich verständlicher Stimme begann Genosse Liebknecht seinen Vortrag, der sich im ersten Teil damit beschäftigte, was die Vereinigten Staaten früher für die Welt bedeuteten. Es sei für jeden Europäer ein Gefühl tiefster, innerer Erregung, wenn er in die Bucht von New York einfahre, wenn die Göttin der Freiheit, die ihm so oft im Traume seiner Gedanken erschienen, von der er soviel und verschiedenartiges vernommen, endlich vor seinen Augen auftauche.

Amerika sei ein Wort von ungeheurer Bedeutung für Europa; Amerika war der Heiland der ganzen Welt, es war das Paradies aller Glücksritter und Verstoßenen, es war das Ventil für Europa, das, wenn die Spannungen politischer oder wirtschaftlicher Art zu gewaltig wurden, sich entlud. Amerika wurde das Signal der neuen Weltwirtschaft. Amerika wurde zur Zeit der Französischen Revolution ein Land der Vertriebenen, zur Zeit der Metternichschen Verfolgungen das Heim der Freidenkenden, zur Zeit der preußischen Gegenrevolution der Zufluchtsort der Liberalen, vor und während des Sozialistengesetzes die Heimstätte für verfolgte Genossen. Und nachher noch, erst ganz kürzlich, landeten hier die Flüchtlinge der brutalen Zarendespotie, des verruchtesten politischen Systems der Welt.

Aber noch mehr, Amerika ist auch zu gleicher Zeit das Land des Hochkapitalismus, des Hexensabbats des Hochkapitals. Wie es einst das Signal gegeben zu politischer Befreiung, so habe es später das Musterland der Ausbeutung auf der einen, des Überflusses auf der anderen Seite der Welt geboten. Amerika sei das widerspruchsvollste Land der Welt, besonders widerspruchsvoll deswegen, weil bei aller Ausbeutung es heute den Proletariern Europas noch immer als das Hosianna, das gelobte Land Kanaan, in dem Milch und Honig fließe, gelte.

Die kapitalistische Entwicklung, fuhr Liebknecht fort, habe die Weltwirtschaft geschaffen und damit aus der ganzen Kulturwelt nur noch ein Land des Kapitals. Aber wie das Kapital international entstanden sei, so wirke es auch international, so erzeuge es unwillkürlich als Gegenwirkung das internationale Proletariat. Noch gebe es, trotz der deutlichen Klassenscheidung in der Welt, zahlreiche Proletariermassen, die nicht zu sehen vermögen, aber die Verschärfung der Verhältnisse werde auch diese zur Erkenntnis bringen. Das Proletariat müsse einig, müsse international organisiert sein, damit es der Macht der Kapitalisten begegnen könne. Diese stünden sich auf dem Weltmarkte als Konkurrenten, als reißende Wölfe gegenüber, wenn es jedoch gegen die organisierte Arbeiterschaft gehe, so sei die kapitalistische Klasse der ganzen Welt ein „einig Volk von Brüdern". (Beifall.)

Der Sozialismus sei heute keine Utopie, kein Traum mehr, sondern basiere auf wissenschaftlich klaren, unzweifelhaften und kühlen Erwägungen. Sein Grundgedanke sei der Klassenkampf, sei die Erkenntnis, dass der Kampf der Klassen das Zentrum aller Bewegungen der modernen Zeit sei. Die kapitalistische Gesellschaft beruhe auf brutaler Gewaltherrschaft. Militarismus, Polizei, Klassengericht hielten die Massen nieder. Macht auf Seiten der Kapitalisten erheische Macht auf Seiten der Proletarier. Sagt der Räuber „Geld oder das Leben", sage der Kapitalist zum Arbeiter: „Börse und das Leben." Macht müsse gegen Macht gesetzt werden. Das sei der klare Gedanke, der von den Arbeitern erfasst werden müsse. Der Arbeiter als einzelner sei ein Sandkorn, das vom Flugsand hin und her geworfen werden kann, jedoch nur so lange, wie es nicht durch Mörtel verbunden, zum Stein, zu Zement verbunden sei. Der Zement der Arbeiterklasse heiße Solidarität. Neunzig Prozent Arbeiterschaft könnten gegen die zehn Prozent Kapitalisten, wenn verbunden, alles ausrichten.

Aber weder die Erkenntnis noch auch die Organisation allein könnten die Arbeiterklasse befreien, sondern nur der Geist, der sie erfülle, der Wille zur Macht. Nur die Organisation könne ihrer Aufgabe gerecht werden, die diesen Gedanken bewusst werden lasse in jedem einzelnen ihrer Mitglieder.

Wenn Deutschland heute die stärkste Sozialdemokratie der Welt besitze, wenn es über die best geschulte Arbeiterschaft verfüge, so sei das zum guten Teil das Verdienst einer bornierten Regierung, die ein modernes Volk mit mittelalterlichen Regierungsmaximen zu beherrschen wage. Militarismus, Gerichte, Junker, Kaiser und Reichskanzler gebührten fast gleichmäßig ein Anteil der Anerkennung für die sozialistischen Erfolge.

Liebknecht erinnert hier an die Verbohrtheit der herrschenden Kreise, die in Zeiten wirtschaftlichen Bankrottes, völliger Deroute der Reichsfinanzen, mehrere Millionen „Lohnerhöhung" für den Kaiser zu fordern sich erkühnten. Diese „Agitatoren" der Sozialdemokratie seien zwar freiwillige, von der Partei unbesoldet, aber sie ließen sich ihre Arbeit vom Volke bezahlen und meist sogar recht teuer. Aber gerade Vorfälle wie die der Zivillistenerhöhung Wilhelms des Einzigen führten dazu, dass heute auch in Deutschland der anscheinend so feste Fels der Monarchie ganz gehörig unterspült sei. (Stürmischer Beifall.) Trotzdem denke kein deutscher Sozialdemokrat daran, den Gang der natürlichen Entwicklung durch eine törichte anarchistische Tat aufzuhalten, denn jedermann wüsste, dass die Entwicklung es sehr bald dahin bringen würde, dass vielleicht ebenso über Nacht die deutsche Krone weggeblasen werden würde wie ganz kürzlich eine andere. (Jubelnde Zustimmung.)

Darum kümmere sich die deutsche Sozialdemokratie aber nicht allzu sehr, denn ihr Hauptkampf richte sich gegen die Reaktion, das Junkertum. Die Monarchie mit all ihrem Gottesgnadentum sei nur eine dekorative Figur, der an sich nicht allzu viel Wichtigkeit beizulegen sei. Man möge immerhin vom Gottesgnadentum sprechen und sich als Instrument des Himmels gebärden, daran liege wenig, auch wenn gesagt werden solle, dass, falls es wirklich ein Gott gewesen sei, der Wilhelm II. die schönen Reden eingeblasen, es kein ehrlicher Freund der Monarchie gewesen sein dürfte. (Heiterkeit.) Die gefährlichste Reaktion stecke woanders, das seien die Junker und die vor den Sozialisten sich fürchtende Bourgeoisie, das sei aber ganz besonders auch der deutsche Militarismus.

Deutschland habe ja ein Parlament. Was bedeute dieses aber, wenn ein Junker sich das freche Wort erlauben könne, der Kaiser hätte das Recht, mit einem Leutnant und zehn Mann die Abgeordneten nach Hause zu schicken. Und es sei dies nicht die närrische Äußerung eines unverantwortlichen Junkers gewesen, sondern der Ausdruck der wirklichen Machtverhältnisse.

Darum verlasse sich die deutsche Sozialdemokratie auch nicht auf ihre parlamentarische Macht, sondern auf die hinter den Abgeordneten stehenden Massen; ihre wirkliche Macht beruhe auf ihren Organisationen. Sie seien die einzige Macht, die der vereinigten Reaktion gegenüberstehen und dieser ein Paroli bieten. Wenn erst immer mehr rote Rekruten in das deutsche Reichsheer einträten, wenn die rote Rekrutierung immer mächtiger anschwelle, so würde kein Junker mehr wagen dürfen, das deutsche Parlament mit frechen Reden beleidigen zu dürfen. Darum führe auch die deutsche Sozialdemokratie gegenwärtig ihren wichtigsten Kampf gegen die preußische Reaktion, für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Männer und Frauen zum Preußenlandtage. (Beifall.) Hier sei das Herz der preußischen, der deutschen, ja der internationalen Reaktion. Falle die Junkerkammer, so werde auch die russische Henkerbrut empfindlich geschwächt werden.

Zwar erschwere die Reichsregierung auch diesen Kampf, aber er könne nur ausrufen: Gott erhalte uns unseren Bethmann Hollweg! Wenn Bülow der Salontiroler der Politik gewesen, so sei der Bethmann der Esel im Porzellanladen. Er verstehe ebenso viel von der Politik wie von der Philosophie, nämlich nichts. Aber die deutsche Sozialdemokratie frage nicht, ob sie siegen werde oder wie groß die Opfer sein würden, sie wisse, dass sie siegen müsse, dass die Kräfte im Kampfe gestählt werden, dass ihre Macht und Kraft täglich wachse und ihr den endlichen Erfolg bringen müsse.

Die deutsche politische und gewerkschaftliche Bewegung seien miteinander verwachsen, sie seien eins. Wenn immer der eine Teil einen schweren Kampf zu führen habe, sei auch der andere zur Stelle. Die Anschauungen vergangener Zeiten, die der ökonomischen Bewegung einen minderwertigen Platz zuerkannten, seien längst nicht mehr maßgebend. Beide stünden zusammen wie treue, untrennbare Kameraden, die am Ende die gleichen Interessen hätten.

Aber die deutsche Bewegung stünde nicht nur auf zwei Beinen. Neben der politischen und gewerkschaftlichen habe sie die genossenschaftliche und die Bildungsbewegung der Jungen und Alten. Besonders die Jugendbewegung mache so starke Fortschritte, dass auch hierin Deutschland bald in allererster Linie marschieren werde.

Hierauf apostrophierte Genosse Liebknecht in sehr feiner Weise die amerikanischen Verhältnisse.

Sie haben Freiheit hier", Freiheit zu hungern und sich das Leben zu nehmen; „Sie haben keinen Militarismus", denn Ihre Kriegsschiffe und Bundes- und Milizsoldaten sind doch kein Militarismus; „Sie kennen keine Klassenjustiz", denn die Hunderte von Einhaltsbefehlen2 gegen Unions und die anderen arbeiterfeindlichen Gerichtsentscheidungen, der Chicagoer Prozess3 und der Moyer-Haywood-Fall4, beweisen, dass Sie keine kapitalistischen Richter haben; „Sie kennen keine Armut", denn Henry George konnte schon vor Jahrzehnten ein Buch schreiben, das er „Fortschritt und Armut" nannte, und der ebenfalls hier geborene Genosse Hunter eins mit dem Titel „Armut"; „Sie kennen keine Armut", denn Sie haben ja die Millionäre und Milliardäre, die schon dafür sorgen werden, dass die Elenden und Unterdrückten ihr Almosen bekommen. „Sie kennen keinen Kampf der Klassen", obgleich die Streikmetzeleien, von denen wir oft lesen, hier so viel schrecklicher und umfangreicher sind als drüben. Ihre Gerichte sind bis in die obersten Instanzen hinauf von Korruption durchseucht, von kapitalistischer Fäulnis angesteckt.

Amerika, du Heiland der Welt, was ist aus deiner Vergangenheit geworden? Es ist ja alles wie bei uns, nur noch schlimmer, viel schlimmer. (Starker Beifall.) Aber gerade darum dürfen wir auch heute in Europa uns der sicheren Hoffnung hingeben, dass die Gärung, die durch das Land geht, sich nicht mehr wie früher damit beruhigen kann, dass ihr durch einige Reformpflästerchen Abhilfe geschaffen werde. Nur eine zielklare, opferfreudige, klassenbewusste Arbeiterschaft, ein wahrhaft revolutionäres Proletariat kann diesem Lande, wie allen anderen, die Erlösung bringen. Dass das endlich von den hiesigen Arbeitern erkannt werde, ist die Hoffnung Europas. Dass Amerika, das der Welt die größte kapitalistische Republik gegeben, ihm auch darin vorangehen werde, dass es seiner Arbeiterschaft zum baldigen Siege verhelfe, hofft Europa. Dann wird Amerika wieder ein Land des Glückes, des Vertrauens, des Lichtes werden, wie es einstmals war.

Mit einer warmherzigen Würdigung der Arbeiterpresse und der großen Aufgaben, die sie täglich zu erfüllen habe, sowie mit einer glühenden Apotheose an die internationale sozialistische Bewegung schloss Liebknecht unter lang anhaltendem Beifall seine glänzende Rede.

1 Auf Einladung der Sozialistischen Partei der USA unternahm Karl Liebknecht von Mitte Oktober bis Anfang Dezember 1910 eine Agitationsreise durch die USA, die ihn hauptsächlich in die Industriezentren der Oststaaten führte. Sie diente in erster Linie der Unterstützung der Sozialistischen Partei bei den Wahlen zum Kongress und zu den Landesparlamenten am 8. November 1910, förderte jedoch auch die Zusammenfassung der nicht wahlberechtigten nicht englisch sprechenden Arbeiter, besonders der deutschen Arbeiter, in nationalen Föderationen der Sozialistischen Partei und damit ihre Einbeziehung in den Klassenkampf, ein Anliegen, dem sich der linke Flügel dieser Partei widmete.

Der erste und wichtigste Teil der Agitationsreise Karl Liebknechts durch die USA dauerte bis zum 7. November, dem Tag vor den Wahlen zum Kongress und zu den Landesparlamenten. Sie führte ihn durch die Industriezentren der Oststaaten. Nach seiner Rede auf der Begrüßungsveranstaltung in New York am 14. Oktober sprach er im Oktober am Sonntag, den 16., in New Haven (Connecticut), Montag, den 17., in New Bedford (Massachusetts), Dienstag, den 18., in Providence (Rhode Island), Mittwoch, den 19., in Clinton (Massachusetts), Donnerstag, den 20., in Manchester (New Hampshire), Freitag, den 21., in Elizabeth (New Jersey), Sonnabend, den 22., in Jersey City (New Jersey), Sonntag, den 23., nachmittags in Wilmington (Delaware), abends in Philadelphia (Pennsylvania), Montag, den 24., in Schenectady (New York), Dienstag, den 25., in Rochester (New York), Mittwoch, den 26., in Syracuse (New York), Donnerstag, den 27., in Erie (Pennsylvania), Freitag, den 28., in Pittsburgh (Pennsylvania), Sonnabend, den 29., in Canton (Ohio), Sonntag, den 30., in Cleveland (Ohio), Montag, den 31., in Toledo (Ohio), im November am Dienstag, den 1., in Detroit (Michigan), Mittwoch, den 2., in Indianapolis (Indiana), Donnerstag, den 3., in Cincinnati (Ohio), Freitag, den 4., in St. Louis (Missouri), Sonnabend, den 5., in Davenport (Iowa), Sonntag, den 6., in Chicago (Illinois), Montag, den 7., in St. Paul (Minnesota).

2 Von den amerikanischen Unternehmern erwirkte gerichtliche Verfügungen, die den betreffenden Streik als ungesetzlich erklärten.

3 Im Kampf um den Achtstundentag kam es am 1. Mai 1886 in einer Reihe von Städten – vor allem in Chicago – zu Zusammenstößen mit der Polizei. Am 4. Mai 1886 veranstalteten die Arbeiter Chicagos eine Protestkundgebung, bei der Provokateure eine Bombe in eine Polizeiabteilung warfen. Die Führer der Streikbewegung wurden verhaftet und vier von ihnen – Parson, Spies, Fischer und Engel – ohne Beweise für die Anstiftung zum Attentat zum Tode verurteilt und erhängt. Sieben Jahre nach der Hinrichtung gaben die amerikanischen Regierungsstellen zu, dass hier ein „Justizirrtum" vorgekommen sei.

4 Die führenden Funktionäre des Bergarbeiterverbandes des Westens W. D. Haywood, C. H. Moyer und G. Pettibone wurden 1906 in Colorado von der Polizei Idahos widerrechtlich in den Kerker geworfen und mit Hilfe gekaufter Subjekte der Ermordung des Gouverneurs von Idaho, Steunenberg, angeklagt. Der Prozess endete 1907 mit Freispruch.

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