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Karl Liebknecht 19100613 Für politische Freiheit der Studenten

Karl Liebknecht: Für politische Freiheit der Studenten

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus zu einem Antrag der Fortschrittlichen Volkspartei

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, III. Session 1910, 5. Bd., Berlin 1910, Sp. 7349-7360 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 3, S. 412-428]

Meine Herren, schon im vorigen Jahr haben wir uns mit der heute vorliegenden Frage befasst. Wir Sozialdemokraten hatten damals den Antrag gestellt, eine Petition der Berliner Studenten der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Dieser unser Antrag ist abgelehnt worden. Es ist erfreulich, dass wir jetzt auf einer breiteren Basis, unterstützt von anderen Parteien, dieselbe Materie zu behandeln haben.

Meine Herren, es sind etwa 52.000 Studenten in Deutschland vorhanden, deren Interessen durch die preußische Gesetzgebung überall unmittelbar betroffen werden. Es ist das insbesondere um deswillen der Fall, weil einmal Preußen vielfach von Einfluss auf die anderen Staaten zu sein pflegt und weil es, andererseits wohl kaum einen deutschen Studenten geben dürfte, der nicht wenigstens zeitweilig auf einer preußischen Hochschule studiert. Meine Herren, es stehen hier nicht nur das Gesetz vom 29. Mai 1879 und die Verordnung vom Oktober 1879 in Frage, sondern es kommen auch in Betracht das Reglement vom 18. November 1819 und die auch bereits über hundertjährigen Anhänge zu den Paragraphen 84, 85 II, 12 des Allgemeinen Landrechts, die meines Wissens nirgends ausdrücklich allgemein aufgehoben sind und wenigstens von manchen Instanzen zum Teil hie und da noch angewendet werden. Meine Herren, es gilt zwar von einem Wein, dass er, wenn er lagert, besser, feuriger und würziger wird. Die preußische Regierung scheint fast allenthalben, insbesondere in Kulturfragen, der Auffassung zu sein, dass das gleiche von den. Gesetzen gilt, dass die Gesetze recht lange lagern müssen, um ihre rechte Wirkung entfalten zu können.

Wir haben es hier wiederum, wie so häufig, mit uralten Bestimmungen zu tun, die nicht mehr in die heutige Zeit hineinpassen, deren Fortexistenz nur in Preußen möglich ist. Meine Herren, es ist ja in Bezug auf das Gesetz von 1879 zunächst einmal daran festzuhalten, dass jene Disziplinargewalt über die Studenten, die dieses Gesetz den Universitätsbehörden gibt, in höchst energischer Weise in die Interessen weiter Kreise der Bevölkerung eingreift. Die Strafen sind ja nicht nur der Verweis, die Geldstrafe, die Karzerstrafe, die Androhung oder die Erteilung des Consilium abeundi, sondern schließlich auch die Relegation, der gänzliche Ausschluss vom Universitätsstudium. Diese sehr schweren Strafen, die von den Universitätsbehörden verhängt werden können, sind nach dem Gesetz von 1879 keinerlei geordnetem Verfahren unterworfen, das den modernen Anforderungen genügt. Es ist dem Rektor nachgelassen, ganz allein Verweise und Karzerstrafen bis zu 24 Stunden zu verhängen. Es ist dem Rektor in Gemeinschaft mit dem Universitätsrichter die Befugnis gegeben, Geldstrafen und Karzer bis zu drei Tagen zu verhängen, und nur bei schwereren Strafen muss der Senat zusammenberufen werden, nur bei Strafen auf Entfernung von der Universität und auf Ausschluss vom Universitätsstudium. Also bei den beiden schwersten Strafen, die ganz entscheidend und tief in die Existenz eingreifen, ist es vorgeschrieben, dass der Angeschuldigte Gelegenheit hat, sich vor dem Senat zu verantworten. In welcher Weise, das ist in dem Gesetz nicht festgelegt. Es genügt unter Umständen durchaus eine schriftliche Äußerung. Es ist jedenfalls selbst in diesem Punkte ein geordnetes Verfahren in keiner Weise vorgeschrieben.

Meine Herren, des weiteren: Es ist bei den übrigen Strafen, auch bei der ungemein wichtigen Androhung des Consilium abeundi, nicht einmal die Anhörung vorgeschrieben, obwohl dieses Consilium abeundi, wie ja schon die Freiheitsstrafen bis zu 14 Tagen, für den Betroffenen sehr ernste Nachteile im Gefolge haben können.

Meine Herren, was die Rechtsmittel gegen die Bestrafungen anlangt, so ist nur ein Rechtsmittel gegeben gegen die Strafen auf Nichtanrechnung des Semesters, auf Entfernung von der Universität und Ausschluss vom Studium, also nur bei den drei schwersten Strafen. Nicht einmal bei der Androhung des Consilium abeundi ist irgendein Rechtsmittel gegeben. Und dieses Rechtsmittel, das das Gesetz vorsieht, ist auch gar kein Rechtsmittel in dem Sinne, wie wir heute die Begriffe verstehen. Es ist nur der Rekurs an den Minister zugelassen. Wie der Minister seine Entscheidungen vorbereitet, welcherlei Garantien er für die Beschaffung einer korrekten Unterlage für seine Entscheidungen sich zu besorgen bestrebt ist, darüber enthält das Gesetz überhaupt keine Regelung. Man wird nach der in Preußen sonst allgemein üblichen Praxis damit zu rechnen haben, dass die Rekursentscheidung des Ministers im Allgemeinen einfach auf Grund der Akten ergeht. Jedenfalls ist auch nur von der Möglichkeit irgendeiner mündlichen Verhandlung, in der dem betroffenen und so schwer bedrohten Studierenden die Möglichkeit einer unmittelbaren lebendigen Rechtfertigung gegeben wäre, nicht die Rede. Denn wenn ein solches mündliches Verfahren möglich sein sollte, müsste im Gesetz irgendeine Regelung getroffen sein.

Es ist also die Tatsache zu verzeichnen, dass die schwersten Eingriffe in die Interessen einer großen Zahl unserer jungen Leute stattfinden können, ohne dass irgend nennenswerte Garantien gegeben sind. Und das schon ist es, was meiner Ansicht nach zu einem einmütigen Votum dahin führen müsste, den gegenwärtigen Zustand zu beseitigen.

Meine Herren, es kann auch nicht einmal der Rechten dieses Hauses angenehm sein, wenn dem Rektor und dem Senat Pleinpouvoir gegeben wird, wenn so den meist doch grade den besitzenden Klassen angehörigen Studenten keinerlei Möglichkeit eines Schutzes, zum Beispiel gegen die große Gefahr eines Ausschlusses vom Studium, gegeben ist. Die allgemeinen Interessen fordern es, und zwar die Interessen, möchte ich sagen, aller Parteien, geradezu aller Bevölkerungskreise, dass hier ein geordnetes, unserm modernen Empfinden entsprechendes Rechtsmittelverfahren mit den erforderlichen Garantien eingeführt wird. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass diese akademische Disziplin in der Form und mit den Strafbefugnissen, die gegenwärtig dem Rektor und Senat und dem Universitätsrichter beigemessen sind, nicht zweckmäßig ist, dass jedenfalls die schwersten Strafen ganz beseitigt werden müssen, dass die akademische Disziplin nicht mit Strafen aufrechterhalten werden darf, die so tief in das Leben eingreifen.

Es ist hierbei nicht außer acht zu lassen, dass diejenige Persönlichkeit, die bei der akademischen Disziplin hervorragend mitwirkt, der Universitätsrichter, ein Fremdkörper in unserer Universitätsorganisation ist. Er ist kein Dozent, er ist kein Universitätslehrer, er ist nach dem Gesetz von 1819 ernannt vom Kultusminister in Gemeinschaft mit dem Justizminister. Er übt eine Art Aufsichtsbefugnis gegenüber der Universität aus. Er ist nicht ein kollegiales Glied im Gesamtkörper der Universität. Dennoch ist ihm überall ein votum decisivum gegeben. Dass dieser Universitätsrichter eine so starke Befugnis bei der Universitätsgerichtsbarkeit besitzt, bedarf dringend der Beseitigung.

Nach Paragraph 2 des Gesetzes von 1879 hat die akademische Disziplin die Aufgabe, „Ordnung, Sitte und Ehrenhaftigkeit der Studierenden zu wahren". Wie diese Ordnung, Sitte und Ehrenhaftigkeit gewahrt werden sollen, darüber ergibt das Gesetz nichts. Es ist die übliche Methode unserer Disziplinargesetze, mit ein paar allgemeinen, kautschukartigen Redewendungen die Verpflichtungen der durch die Disziplinargesetze Betroffenen festzustellen, so dass den Disziplinarorganen ein weiter Spielraum übrigbleibt, um ihre jeweilige Ansicht vom Inhalt und Wesen der Disziplin durchzusetzen. Meiner Auffassung nach bedarf Paragraph 2 einer viel schärferen Umgrenzung. Und die studentische Disziplin muss sich auf ein viel engeres Gebiet beschränken.

Besonders wichtig ist Paragraph 3 des Gesetzes; danach ist der Unterrichtsminister befugt, die bisher geltenden Vorschriften über die akademische Disziplin und deren Handhabung nach Anhörung des Senats abzuändern und neue Anordnungen zu erlassen. Damit ist der Regierung, dem Kultusministerium, die Befugnis übertragen, über die Grundlagen, nach denen die akademische Disziplin zu handhaben ist, einfach autoritativ diejenigen Bestimmungen zu treffen, die ihm jeweils wünschenswert erscheinen. Das bedeutet eine so enorme Willkürbefugnis für die Unterrichtsverwaltung, dass man schon nicht mehr davon reden kann, dass das Gesetz für die Unterrichtsverwaltung überhaupt irgendeine Schranke aufwiese, an die die Disziplinarbehörde gebunden wäre.

Die Bestimmungen über die akademische Disziplin, wie sie in den Nachträgen und Anhängen zum Allgemeinen Landrecht getroffen waren, bis 1879 galten und teilweise wohl heute noch als Grundlage betrachtet werden, muten uns heute sehr altfränkisch an. Ich darf mir wohl erlauben, auf einige dieser Bestimmungen hinzuweisen. Da ist im Anhang, Paragraph 137, zu 2 gesagt:

Das Baden und Schwimmen darf bei Vermeidung einer achttägigen Karzerstrafe nicht anders als an den dazu von der Polizei sicher befundenen Orten geschehen."

Es wird in Nr. 3 den Studenten eine schwere Strafe angedroht, wenn sie sich bei Hochzeiten unerlaubterweise eindrängen; eine dreitägige Karzerstrafe ist für diesen Fall vorgesehen. Nr. 4 lautet:

Wer auf öffentlichen Plätzen und Straßen in Maske … erscheint, hat eine dreitägige Karzerstrafe verwirkt, und werden hiermit alle Schlittenfahrten in Maske bei gleicher Strafe ernstlich verboten."

Nach Nr. 5 trifft noch härtere Strafe den,

welcher liederliche Häuser besucht oder sich eines verdächtigen Umganges mit liederlichen Weibsbildern schuldig macht".

Nicht minder interessant ist die Bestimmung, wonach Rapiere,

besonders die nicht mit Leder überzogenen Haurapiere, nicht gelitten, sondern konfisziert und die Besitzer bestraft werden sollen",

sicher eine Bestimmung, die auf dem Papier steht, von der wahrscheinlich nie Gebrauch gemacht ist.

In Ziffer 8 heißt es:

Auch müssen sie zur Verhütung des Feuerschadens die vorgeschriebene Vorsicht gebrauchen, besonders durch Vermeidung des Schießens, der Feuerwerke und des Tabakrauchens an Orten, wo leicht Schaden zu besorgen ist, zum Beispiel in der Nähe von Gebäuden und anderen leicht entzündbaren Gegenständen."

(Heiterkeit.)

Sie sehen, wie außerordentlich modern diese Bestimmungen sind. Dann heißt es:

Die Studenten, welche sich zuzeiten eines Tumults oder in größerer Zahl nach Mitternacht auf der Straße finden lassen, haben die Vermutung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich; und es darf auch niemand nach zehn Uhr abends in einem Wirtshause angetroffen werden."

(Heiterkeit. – „Hört! Hört!" – Abgeordneter Hoffmann: „Das kommt auch nicht vor!")

Schließlich wird den Studenten ganz besonders angedroht, dass sie, wenn sie die Ruhe und Ordnung durch Getöse stören, in scharfe Strafen genommen werden sollen.

Wenn diese Bestimmungen heute, ich möchte sagen, mehr humoristisch zu nehmen sind, so gibt es doch andere, die heute noch eine gewisse Bedeutung haben oder haben könnten. Ich will an Nr. 1 erinnern, wo es heißt:

Studierende müssen sich in jeder Hinsicht anständiger Sitten befleißigen; Sittenlosigkeit und Unanständigkeiten … werden … bestraft."

Wiederum heißt es unter Nr. 15:

Beleidigungen der zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung bestimmten Personen, besonders der Pedelle wie auch der militärischen, Bürger- und Scharwache und der Nachtwächter"

(Heiterkeit.)

ziehen langwierige Karzer- und nach Bewandtnis […] selbst Festungsstrafe nach sich."

Meine Herren, es lässt sich durchaus nicht verkennen, dass diese zuletzt von mir angeführte Bestimmung, wenn man sie in Parallele zu den Vorgängen an gewissen Universitäten, zum Beispiel Bonn, setzt,

(Lachen rechts.)

eine sehr eigentümliche Beleuchtung erfährt. Es ist dort bereits im Wege der akademischen Disziplin die denkbar schwerste Strafe angedroht, wenn solche Kontraventionen, wie ich sie eben charakterisiert habe, vorkommen sollten. Nun haben wir in jüngster Zeit erleben müssen, dass von den ordentlichen Gerichten jene Korpsstudenten aus Bonn, die Palaten und die Borussen, die in der bösesten Weise randaliert hatten, die einen Eisenbahnzug gefährdet hatten,

(Lachen rechts.)

die die Eisenbahnbeamten vergewaltigt hatten, die das Eisenbahnmaterial gewalttätig beschädigt hatten,

(Lachen rechts.)

meine Herren, dass diese Studenten mit Geldstrafen von 50 bis 80 Mark belegt worden sind

(Zuruf rechts: „Und acht Tagen Gefängnis!")

und dass man damit diese ungemein gröblichen Exzesse der Studenten für gesühnt erachtet hat.

Meine Herren, politisch wichtig sind die Nr. 12 und die Nr. 17 dieser Bestimmungen, die zum Teil heute zweifellos vielfach noch als in Kraft stehend behandelt werden.

Nach der Nr. 17 sollen Studierende,

die etwas bei der akademischen Obrigkeit nachsuchen, mit Bescheidenheit und nicht haufenweise auftreten".

(Heiterkeit.)

Es ist ihnen damit in gewissem Sinne unmöglich gemacht, ihre Interessen gegenüber der Universitätsbehörde mit dem nötigen Nachdruck geltend zu machen.

(Abgeordneter von Pappenheim: „Straßendemonstrationen!")

In Ziffer 12 wird auch auf das Vereinsrecht eingegangen; nach Ziffer 12 sollen

dauernde Gesellschaften und Verbindungen zu einem bestimmten Zweck nicht ohne Vorwissen der akademischen Obrigkeit eingerichtet werden, und solche, die ohne Erlaubnis eingerichtet sind, haben die Vermutung einer gesetzwidrigen Absicht wider sich".

Es ist ja bereits von Herrn Abgeordneten von Liszt darauf hingewiesen worden, dass diese Bestimmungen über das studentische Vereins- und Versammlungsrecht in der Verordnung vom Oktober 1879 im Wesentlichen aufrechterhalten worden sind. Es dürfte nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass diese Bestimmungen mit dem Reichsvereinsgesetz in Widerspruch stehen und dass die Auffassung, wonach diejenigen Universitätsbeamten, die diese Bestimmung von 1879 anwenden, eine Gesetzwidrigkeit begehen, zutreffend ist.

Meine Herren, ich habe nicht nötig zu betonen, dass wir die Karzerstrafe als eine Strafe betrachten, die der akademischen Bürgerschaft heute durchaus unwürdig ist. Die Poesie der Karzerstrafe, von der ich vor einem Jahr sprach, ist sicherlich in der heutigen Zeit nicht mehr vorhanden. An irgendwelchen kleinen Universitäten, die mehr dem Amüsement als dem Studium dienen, mag sich die alte Tradition noch hier und da erhalten haben, und ich weiß nicht, von welcher Universität und aus welcher Zeitperiode die Erlebnisse des Herrn Wortführers der Konservativen Partei über seine Karzerstrafen stammen.

(Abgeordneter Graf Clairon d'Haussonville: „Aus meiner Studentenzeit!")

Jedenfalls das unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass die Karzerstrafe dem modernen Empfinden widerspricht und dass das Ehrgefühl der Studenten heute derart ist, dass es sich mit einer derartigen Strafe nicht mehr abfinden kann.

(Lachen.)

Meine Herren, die Unterbeamten, die Militär an Wärter haben petitioniert um Aufhebung der Arreststrafe,

(Lachen rechts.)

um Aufhebung der Arreststrafe, weil sie der Meinung sind – und unserer Ansicht nach durchaus mit Recht –, dass die Arreststrafe der Beamten unwürdig sei. Wir haben in eingehenden Darlegungen des Herrn Geheimrats von Liszt gehört, in welchem Alter heute die Studenten vielfach stehen, meistens stehen. Wir werden durchaus nicht verkennen können, dass die moralische Auffassung über diese Arreststrafen, die die Militäranwärter und die Unterbeamten haben, sicherlich durchaus entspricht und verständigerweise entsprechen kann der Auffassung, die die Studentenschaft über die Karzerstrafe hat. Meine Herren, dass die preußische Gesetzgebung auch hier wie anderwärts durchaus hinter der Gesetzgebung der anderen Bundesstaaten nachhinkt, mag in diesem Zusammenhang nebenhin festgestellt werden.

Meine Herren, im Allgemeinen ist es ja zweifellos richtig, dass der Geist der Studentenschaft auf den Universitäten weit davon entfernt ist, so frei zu sein, so den modernen Anschauungen zu huldigen und den modernen Bedürfnissen nachzustreben, wie wir Sozialdemokraten es wünschen. Im Allgemeinen setzen sich eben die Studenten aus Angehörigen der besitzenden Klassen zusammen, sind zu einem sehr großen Teil die künftigen Staatsbeamten, und infolgedessen hat man im Großen und Ganzen in der Studentenschaft mit einem Geist zu rechnen, der ein durchaus einseitiger Klassengeist ist. Die Arbeiterschaft, die unteren Stände kommen ja in der Universität fast gar nicht zur Geltung. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, dafür zu sorgen, dass auch Angehörige der sogenannten unteren Stände, der minderbemittelten Kreise, in größerem Umfange den Studien zugeführt werden. Eine solche Auffüllung der Studentenschaft würde zweifellos nur von sehr großem Nutzen sein können. Es würde der Klassen- und Kastengeist, der sich an den Universitäten immerhin vielfach geltend macht, auf diese Weise sicherlich gedämpft werden. Besonders gilt das von den kleineren Universitäten, während ja an den größeren Universitäten erfreulicherweise ein freierer Geist herrscht. Es ist keine Rede davon, dass in dieser Richtung etwa das Stipendienwesen auch nur annähernd ausreichen könnte. Ich habe selbst die Ehre, in einer Deputation zu sitzen, die mit der Vergebung der Stipendien für die Universität Berlin betraut ist; meine Herren, wir haben vor kurzem eine Sitzung gehabt. 60 Bewerbungen lagen vor, und wir waren nur in der Lage, 13 Stipendien zu vergeben auf 60 Bewerbungen, und diese Stipendien, die vergeben werden konnten, waren so minimal, dass sie in der Tat nur als eine kleine Beihilfe angesehen werden konnten. Ein Staatswesen, eine Gesellschaft, die weit ausschauend die künftigen Interessen der Menschheit im Auge behält, sollte dafür Sorge tragen, dass keine solche Verschwendung mit den geistigen Kräften des Volkes getrieben wird, dass nach Möglichkeit alle lebendigen geistigen Kräfte auch aus den Massen des Volkes herausgehoben werden und dass die freie Betätigung, die Ausbildung und die Ausnützung aller lebendigen geistigen Kräfte des Volkes für die Allgemeinheit ermöglicht wird.

Meine Herren, der Geist, der gegenwärtig auf den Universitäten vielfältig herrscht und herrschen muss infolge der Unfreiheit, in der die Studenten sich befinden, ist ja von uns bereits bei verschiedenen Gelegenheiten gekennzeichnet worden. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit nicht an der Tatsache vorübergehen, dass bei der Reichstagsnachwahl in Halle im November des vergangenen Jahres die offizielle Vertretung der Universität Halle den Studenten den Tag der Wahl freigegeben und ihnen empfohlen hat, für die bürgerlichen Kandidaten zu agitieren, politisch tätig zu sein gegen die Sozialdemokratie.

(„Bravo!" rechts.)

Wenn Sie dazu „Bravo" sagen, zeigen Sie damit, dass Sie die Universität zu einer Hure der herrschenden Klassen machen wollen.

(Lachen rechts. „Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

Ja, meine Herren, nichts anderes.

Meine Herren, es ist in einigen Zeitungen gemeint gewesen, dass ich etwas Altes, sogar Verschimmeltes ausgegraben hätte, als ich den halleschen Vorgang erwähnte. Dieser Vorgang hat sich aber abgespielt im November des vergangenen Jahres und ist so aktuell wie irgend möglich.

Meine Herren, ich darf des weiteren daran erinnern, in welcher Weise man vielfach die studentischen Organisationen behandelt hat. Im Jahre 1908 ist in Berlin die Freie Studentenschaft aufgelöst worden. Bereits im Jahre 1902/03 ist der Sozialwissenschaftliche Verein aufgelöst worden. Der Berliner Finkenschaft hat man die Existenz, wenigstens scheint es mir so, unmöglich gemacht. 1908 hat man die Freie Studentenschaft in Marburg suspendiert, weil sie für die Wahlreform in Preußen demonstriert hat. Meine Herren, es ist Ihnen ja bekannt, in welcher Weise man – der Herr Geheimrat von Liszt hat es ja bereits gestreift – die Finkenschaft gelegentlich der Feier des Berliner Jubiläums1 gegenüber den korporierten Studenten zurückgesetzt hat.

Nicht der geringste Zweifel kann obwalten, dass es sich hier um ausgeprägt politische Aktionen gegen die Studentenschaft handelt. Wenn einer der Herren Vorredner darauf hingewiesen hat, dass man den Sozialwissenschaftlichen Studentenverein in Berlin dulde, obwohl er gewissermaßen sozialdemokratischen Tendenzen huldige, so schaut diese Bemerkung einer Denunziation ähnlich wie ein Ei dem andern. Der Sozialwissenschaftliche Studentenverein ist weit davon entfernt, eine sozialdemokratische Organisation zu sein; er huldigt allerdings der anerkennenswerten Gepflogenheit, dass er nach Möglichkeit alle Stimmungen, alle geistigen Strömungen, alle Anschauungen zu Worte kommen lässt. Wenn man das bereits als sozialdemokratisch bezeichnet, können wir ein solches Kompliment für die sozialdemokratischen Anschauungen nur dankbar entgegennehmen.

Meine Herren, im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass in dem Sozialwissenschaftlichen Studentenverein wiederholt Vorträge untersagt worden sind, die von irgendwelchen politisch oder sozial missliebigen Personen gehalten werden sollten. Ich hebe weiter hervor, dass einer unserer Parteigenossen, Heilmann, der jetzige Redakteur in Chemnitz, vor einigen Jahren von der Berliner Universität gemaßregelt worden ist, weil er sich einer Protestaktion gegen die russische Misswirtschaft, speziell gegen die Grausamkeiten, die bei den damaligen Pogromen in Russland ausgeübt wurden, angeschlossen hat. Ich darf weiter daran erinnern, dass ein Mitglied dieses Hauses hier, der Abgeordnete Switala, in der Budgetkommission berichten konnte, dass ihm die Zulassung zur hiesigen Universität verweigert worden ist, weil er in seiner Stellung als Redakteur einige politische Vorstrafen erduldet hatte.

Meine Herren, es ist in der Tat alle Veranlassung, dass derartige Machenschaften der Universitätsverwaltung an den Pranger gestellt werden, weil sie auf das deutlichste beweisen, wie wenig sich unsere Universitätsverwaltung wirklich fühlt als das, was sie sein sollte, als die Vertreterin der voraussetzungslosen Wissenschaft, als die Vertreterin der Forschung, die, ohne Rücksicht nach oben und nach irgendeiner anderen Richtung, einzig den inneren Bedürfnissen der wissenschaftlichen Bestrebungen nachgeht.

Meine Herren, es liegt auf dem Berliner Märzfriedhofe ein Student von Holtzendorf begraben, der auch in jenen denkwürdigen Märztagen als Opfer der königlichen Kugeln gefallen ist. Vor kurzem haben die großen Demonstrationen auf dem Märzfriedhofe stattgefunden, und jedes Jahr findet eine Wallfahrt zum Märzfriedhofe statt. Hat man es je erlebt, dass die deutsche Studentenschaft sich in Scharen aufgemacht hat, um diesem Angehörigen der Studentenschaft, der den denkbar ehrenhaftesten Tod im Kampfe um die bürgerliche Freiheit erlitten hat,

(Lachen rechts.)

an seinem Grabe die Ehre zu erweisen, die ihm gebührt und die die Arbeiterschaft den Märzgefallenen noch in jedem Jahre erweist? Dass das nicht geschieht, ist nicht nur Schuld der Studentenschaft, sondern zu einem großen Teile Schuld der Unterrichtsverwaltung, der Universitätsverwaltung, die in der eben von mir gekennzeichneten Weise die politische Freiheit wie auch in gewissem Sinne die wissenschaftliche Bewegungsfreiheit der Studenten zu unterbinden, zu beschneiden sich bemüht.

(Zuruf rechts: „Beschneiden ist gut! Selber beschnitten!")

Wenn die Herren da auf der Rechten antisemitische Witzchen machen wollen, bei denen sie sich ganz besonders wohlzufühlen pflegen, werden wir ihnen den Spaß nicht verderben, und wenn Sie die Absicht haben, Zoten zu reißen in diesem Hohen Hause und es dadurch herabzuwürdigen, so haben Sie auch dazu meinen Segen; es ist ja Ihr Haus, das sie damit charakterisieren!

2(Zuruf des Abgeordneten Borgmann: Namentlich bei der Blutmanscherei da drüben! – Glocke des Präsidenten.)

Präsident v. Kröcher: Ich bitte, die Zwischenrufe zu unterlassen, Herr Borgmann.

Liebknecht: Es ist bedauerlich genug, dass die Herren bei einer so ernsten Sache den Ernst nicht zu wahren wissen und meinen, mit Zoten und mit antisemitischen Witzchen ihre Pflicht zu erfüllen. Ich habe bereits bei früheren Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass in anderen Ländern und auch in anderen deutschen Bundesstaaten der Studentenschaft eine weit größere politische, soziale und wissenschaftliche Freiheit gegeben ist als in Preußen.

Ich muss auch hier wieder betonen, wie sehr auch ein Schutz gegenüber den polizeilichen Anmaßungen der Universitätsbehörden vonnöten ist, die den ausländischen Studenten gegenüber in sehr bedauerlicher und das Ansehen der Universitäten herabwürdigender Weise geübt werden. Meine Herren, die Art, wie die ausländischen Studenten unter Polizeiaufsicht gestellt werden, wie die Papiere der auswärtigen Studenten seit 1902 zunächst der deutschen Polizei und durch diese der russischen übermittelt werden, ist in der Tat der Universität unwürdig. Auch dagegen müsste die Studentenschaft durch das Gesetz nachdrücklichst geschützt werden.

Meine Herren, die „goldene Burschenzeit" und die „goldene Freiheit" der Studenten ist auf politischem und sozialem Gebiet leider heutzutage mehr ein goldener Käfig. Die echte akademische Freiheit existiert besonders in Preußen zu unserem größten Leidwesen nicht, und es ist die Frage, wie diesem Missstande abzuhelfen ist. Prinzipiell meinen wir Sozialdemokraten, in teilweiser Übereinstimmung mit den Ausführungen eines der Herren Vorredner, dass es einer allgemeinen Universitätsgesetzgebung bedürfte, die allerdings wiederum nur ein Glied sein müsste in der Gesamtheit unserer Kulturgesetzgebung, unserer Bildungsgesetzgebung, die ja gegenwärtig so sehr im Argen liegt.

Wenn von einer Seite gegenüber dem Verlangen nach einem Universitätsgesetz darauf hingewiesen worden ist, dass das viel zu große Schwierigkeiten mache, so erwidere ich darauf, dass ein preußisches Universitätsgesetz nichts zu tun nötig hätte, als Schranken zu beseitigen und Freiheiten zu gewähren. Es bedarf da nicht umständlicher Bestimmungen; es würde vollkommen hinreichen, wenn die Grundsätze der Lehr- und der Lernfreiheit eingeführt würden.

Meine Herren, es ist unsere Auffassung, und ich glaube, dass diese Auffassung allein richtig sein kann, dass eine Freiheit der Studenten, eine Freiheit des Lernens und der Bildung, nur möglich ist als Gegenstück zu einer Freiheit des Lehrens und des Forschens und dass infolgedessen eine Universitäts-, eine Studentengesetzgebung, wie sie hier gefordert worden ist, nur unter der Voraussetzung das erfüllen könnte, was wir von ihr zu fordern berechtigt sind, wenn gleichzeitig auch die Rechte der Dozentur neu geregelt werden, wenn gleichzeitig die Lex Arons3 und alle jene Einschränkungen der Lehrfreiheit auf den Universitäten beseitigt werden, wenn die Universitäten auch wirklich zu den Stätten freier Forschung gemacht werden, die sie sein sollen.

Meine Herren, es bedarf allerdings eines recht mannigfaltigen Eingreifens in unsere heutige Gesetzgebung, wenn man diesem weit ausschauenden Ziel, das wir Sozialdemokraten dem höheren Bildungswesen stecken, näher kommen will. Grundsätzlich muss ja der Anschauung des Herrn Abgeordneten von Liszt unbedingt zugestimmt werden, wonach das Reichsvereinsgesetz eine ganze Zahl der Bestimmungen des Gesetzes von 1879 bereits beseitigt hat. Aber da unsere Verwaltung sich hier wie so vielfach in Preußen um die Gesetze den Teufel schert und einfach in ihrer Praxis nach ihrem Belieben, nach ihrer Willkür vorgeht, so müssen wir allerdings auch hier ein Eingreifen der Gesetzgebung fordern.

Wir fordern die Beseitigung der sogenannten Privilegien, die in der Tat für die Studentenschaft nur privilegia odiosa, nur eine goldene Kette sind, die die Studenten nachschleifen. Wir fordern auch im Wesentlichen die Beseitigung der akademischen Disziplin, wenigstens ihre Beschränkung auf das im Interesse der Aufrechterhaltung der äußeren akademischen Ordnung absolut erforderliche Maß. Wir fordern ein geordnetes Rechtsmittelverfahren innerhalb dieses studentischen Disziplinarverfahrens in dem Sinne, wie ich es mir vorhin auszuführen gestattet habe; wir fordern insbesondere, dass das Verfahren entsprechend unsern modernen Anschauungen reformiert werde im Sinne der Zulassung einer mündlichen Verhandlung, im Sinne der Zulassung geordneter Rechtsmittel, so dass den Studenten dasjenige zuteil wird, was jedem Beamten in Preußen zuteil wird, der irgendeiner Disziplinargesetzgebung untersteht. Meine Herren, wir fordern einfach das gemeine Recht für die Studenten, diejenige größte Bewegungsfreiheit für die Studentenschaft, die überhaupt unsere Gesetze zulassen, wie sie zu einem Teil für die außerstudentische Bevölkerung besteht. Wir fordern insbesondere ein vollkommen freies Vereins- und Versammlungsrecht der Studenten.

Wir fordern, meine Herren, des weiteren, dass die Stellung der weiblichen Studierenden geordnet werde. Es ist richtig, dass gegenwärtig weibliche Studierende bereits in einem gewissen Umfange zugelassen sind. Aber der Umfang, in dem das geschieht, ist vorläufig durchaus noch in die Willkür der Verwaltungsbehörden gestellt. Es bedarf hier auch einer gesetzlichen Regelung, einer Heraushebung auch dieser Materie aus dem Bereiche der in Preußen so ungeheuer weit ausgreifenden Verwaltungswillkür.

Meine Herren, wir fordern weiter, dass die ausländischen Studierenden in höherem Umfange, als das gegenwärtig der Fall ist, geschützt werden, dass sie als durchaus gleichberechtigt mit den einheimischen Studenten behandelt werden, dass jede differentielle Behandlung dieser Studenten ein für allemal als ungesetzlich erklärt wird.

Meine Herren, wir fordern vor allen Dingen – und das ist der Kern unsrer Forderungen – eine absolute Freiheit der Studenten in religiöser, sozialer, politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher Hinsicht; irgendwelche Schranken in dieser Beziehung sollen dem Studenten nirgends gesetzt werden dürfen. Sonst wird die Gefahr verschärft, dass die Universitäten nicht dem Interesse der Allgemeinheit dienen, sondern im Wesentlichen als Bildungsanstalten im Interesse der herrschenden Klassen wirken.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wir sind durchaus nicht der Ansicht, dass eine gesetzliche Regelung der Materie in diesem Hause erstrebenswert ist; wünschenswert ist, dass sie reichsgesetzlich geregelt wird.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir haben nun einmal zu diesem Hause nur ein sehr geringes Vertrauen,

(Zuruf bei den Sozialdemokraten: „Gar kein Vertrauen!")

gar kein Vertrauen, nicht so viel Vertrauen,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

dass, wenn ein Gesetz über die rechtliche Stellung der Studierenden zustande kommt, es dann in den wesentlichen, die allgemeinen Interessen berührenden Punkten unseren Anforderungen entsprechen könnte. Wie kann man von diesem Hause erwarten, dass es die politisch-polizeilichen Fesseln, in die der Student gegenwärtig noch geschlagen ist, beseitigen werde, nachdem sich dieses Haus vor kurzem nicht gescheut hat, sich selbst aus eigenem Antriebe unter Polizeiaufsicht zu stellen.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Es ist in der preußischen Verfassung in Artikel 20 das stolze Wort ausgesprochen: Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei! Wir fordern, dass auch die Wissenschaft und ihr Erlernen frei seien. Wir fordern, dass die Studenten diese Freiheit vollkommen genießen mögen. Nehmen Sie den Studenten in aller Ruhe die Randalierfreiheit, die sie vielfach noch haben, und geben Sie ihnen dafür Gedankenfreiheit, soziale und politische Freiheit und sorgen Sie dafür, dass die akademische Jugend in einer wirklich goldenen Freiheit aufwächst, in einer edlen, großherzigen, weit ausschauenden Freiheit! Nur dann wird der akademische Nachwuchs dem Interesse der Allgemeinheit und der Zukunft unseres Vaterlandes und der Menschheit dienen können.

(Lebhafte Zurufe rechts.)

Solange die ostpreußischen Junkerauffassungen in diesem Hause herrschen und maßgeblich sind für die Rechtsstellung der Studierenden, solange werden die Universitäten nie imstande sein, die Aufgabe zu erfüllen, die ein Volk ihnen stellen muss, das nicht nur an seine nächste Gegenwart denkt, nicht nur an seinen Geldbeutel,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

nicht nur daran denkt, wie dessen herrschende Gewalten mit aller Gewalt, unter Anwendung der groben staatlichen Machtmittel ihre Machtherrschaft aufrechterhalten können, sondern das daran denkt, für die weitere Zukunft zu sorgen, dafür, dass den späteren Generationen diejenige Gerechtigkeit und dasjenige Glück zuteil werden, die im Interesse der Gesamtheit notwendig sind.

Sie wissen, meine Herren, dass die Sozialdemokraten in allererster Linie Vertreter der arbeitenden Klassen sind. Dennoch wissen wir als Sozialdemokraten den Wert der Wissenschaft zu schätzen wie keine andere Partei dieses Hauses

(Lebhafter Widerspruch.)

keine andere Partei! Denn wir Sozialdemokraten wissen, dass wir für die bei uns maßgebenden Überzeugungen und für unsere Zukunftsbestrebungen die Wissenschaft auf unserer Seite haben,

(Lachen rechts.)

während Sie, meine Herren, sich nur auf Gewalt und Afterwissenschaft stützen.4

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

1 1810 war die Berliner Universität von Wilhelm von Humboldt gegründet worden. Die Red.

2 Der Zuruf Borgmanns und die Reaktion des Parlamentspräsidenten fehlen in den „Reden und Schriften“

3 Betraf die Unterstellung der unbezahlten und bisher nicht als Beamte geltenden Privatdozenten unter die Disziplinargewalt des preußischen Staates seit dem Jahre 1898. Diese Gesetzesänderung richtete sich besonders gegen die Sozialdemokratie und wurde zuerst gegen den sozialdemokratischen Physikdozenten Arons angewandt. Arons wurde am 20. Januar 1900 wegen seiner Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie von der Universität Berlin gewiesen.

4 Der Antrag wurde angenommen. Die Red.

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