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Karl Liebknecht 19110716 Die Völker, die Arbeiter sind Hüter des Weltfriedens

Die Völker, die Arbeiter sind Hüter des Weltfriedens

Zeitungsbericht über eine Rede auf dem internationalen Sozialistentreffen in Arbon, Schweiz

[Leipziger Volkszeitung Nr. 164 vom 19. Juli 1911. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 4, S. 449 f.]

Genosse Karl Liebknecht-Berlin, bei seinem Erscheinen jubelnd begrüßt, hielt eine flammende Rede, die unaufhörlich von stürmischen Bravorufen unterbrochen wurde.

Ich komme, so begann er, aus dem Lande der „vaterlandslosen Gesellen" (Donnernder Beifall.) als Grüßender; ich komme aus dem Lande der „Niedergerittenen"1 (Schallendes Gelächter.); ich komme aus dem Lande, das 3½ Millionen roter Wähler und 2½ Millionen geschulter Gewerkschafter hat (Stürmisches „Bravo!"), aus einem Lande, wo es den Proletariern am leichtesten gemacht wurde, zum Klassenbewusstsein zu kommen, wo sie durch eine infame, kleinliche, schikanöse, niederträchtige Ausbeuterpolitik recht- und fast wehrlos gemacht werden. Ich komme aus dem Lande, in dem die Sozialdemokratie das Glück hat, Gegner von einer nirgends zu übertreffenden Beschränktheit vor sich zu haben, die unsern Mühlen so viel Wasser zuführen, dass wir gar nicht alles verarbeiten können. Aber das ist zugleich das Land, in dem jetzt das Proletariat fester denn je entschlossen ist, den schlimmsten seiner Feinde niederzuringen, koste es, was es wolle! (Jubel und Händeklatschen.) Nicht, ob wir siegen, fragen wir, sondern wann wir siegen; und wie und dass wir siegen, wissen wir! Drei Dinge kann uns die internationale Reaktion nicht nehmen: Hirne, Herzen und Hände unserer Arbeiter. Und ob man neben jeden Kopf einen Polizisten stellt – der Kopf bleibt uns, trotz alledem! Und die Hände des Arbeiters, ob man sie auch fesselt (Zuruf: „Oder abhackt wie in Breslau!"), sie bleiben doch fähig zu arbeiten – oder auch nicht zu arbeiten! (Donnernder Jubel.)

In dieser Weise rechnete Liebknecht dann weiter mit der Reaktion in Deutschland ab, herzerfrischend gründliche Kritik übend an all dem, was Deutschland im Auslande blamiert. Und als er gar die neueste Sudelköcherei unsrer Diplomatie (Marokko) vornahm, als er den innigen Zusammenhang zwischen den kriegslüsternen Kapitalisten und der Regierung darlegte, als er der Rache von 19122 gedachte und feierlich die Pflicht der Völker, der Arbeiter proklamierte, Hüter des Weltfriedens zu sein, da wollte der Jubel schier kein Ende nehmen.

1 Bei den Reichstagswahlen 1907 gewann die SPD zwar eine Viertelmillion Stimmen hinzu, sank aber (v.a. wegen gestiegener Wahlbeteiligung und Stichwahlabsprachen der rechten Parteien) von 81 auf 43 Mandate. Die Rechten tönten, sie hätten die SPD „niedergeritten“.

2 Die SPD wollte bei den spätestens 1912 fälligen Reichstagswahlen Rache für die Mandatsverluste von 1907 nehmen. Tatsächlich gewann sie etwa eine Million Stimmen und 67 Mandate (auf 110) hinzu.

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