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Karl Liebknecht 19120118 Für den Sieg des roten Banners!

Karl Liebknecht: Für den Sieg des roten Banners!

Aus einem Zeitungsbericht über eine Wahlrede in Forst (Lausitz)

[Märkische Volksstimme Nr. 16 vom 20. Januar 1912. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, S. 10 f.]

Eine imposante Kundgebung für die Sozialdemokratie, die alles in den Schatten stellte, was wir sowohl im Laufe dieses Wahlkampfes wie auch in den letzten Jahren an Versammlungen und Demonstrationen erlebten, fand am Donnerstag Abend im Lindengarten statt. Die jüngeren Parteigenossen werden sich kaum einer ähnlichen Riesenversammlung erinnern; man muss schon bis zum Anfang der neunziger Jahre zurückdenken, an die damals wiederholt erfolgten polizeilichen Absperrungen des Feldschlösschens, wenn man einen Vergleich mit der Versammlung am Donnerstag ziehen will. Hier hätte das „Tageblatt" einmal lernen können, wie eine wirklich imposante Versammlung eigentlich aussieht …

Lebhafter Beifall ertönte, als Genosse Liebknecht in Begleitung des Genossen Schumann auf der Bühne des Saales, die von Versammlungsbesuchern ebenfalls dicht besetzt war, erschien. Im überfüllten Saale herrschte eine musterhafte Ruhe während des Referats des Genossen Liebknecht.

Mit der ihm eigenen hinreißenden Beredsamkeit entwarf der Referent ein Bild von der Unzuverlässigkeit der Nationalliberalen, zeigte, dass diese Partei nur eine Partei zur Vertretung der Interessen des Unternehmertums sei, erinnerte daran, dass die Nationalliberalen die Rufer im Streit für ein Ausnahmegesetz gegen den sogenannten Terrorismus seien, die ebenso für das kleine Sozialistengesetz wie für die Zuchthausvorlage eingetreten sind. Auch die Verlängerung der Legislaturperiode von drei auf fünf Jahre sei den Nationalliberalen mit zu verdanken; ihre Partei sei eine Partei der Charakterlosigkeit, die nur den Charakter der Unternehmerpartei unverändert bewahre.

Der Redner verwies im weiteren Verlauf seiner Ausführungen auf die von den Nationalliberalen herausgegebenen Stichwahlparolen, die den besten Beweis dafür lieferten, dass die Schwerter, mit denen die Nationalliberalen den schwarzblauen Block vor den Hauptwahlen bekämpften, nur Schwerter aus Pappe waren. Im weiteren gab Genosse Liebknecht eine treffende Charakterisierung der Konservativen und kam zu dem Schluss, dass eine Partei, die, wie es hier im Kreise der Fall sei, mit den Konservativen verbündet in den Wahlkampf ziehe, das schärfste Misstrauen der Wähler verdiene. Die Interessen des von den sogenannten Mittelstandsrettern so oft genasführten Mittelstands, der kleinen Beamten und der Angestellten sind eng verknüpft mit den Interessen der Arbeiterklasse. Sie alle müssen mit Zähnen und Nägeln kämpfen, damit am Stichwahltage der Kandidat der Sozialdemokratie als Sieger aus dem Wahlkampfe hervorgeht und das rote Banner über dem Kreise flattert …

Ein begeistert aufgenommenes Hoch auf die Sozialdemokratie bildete den Schluss der denkwürdigen Versammlung. Nur langsam leerte sich der Saal. Draußen auf der Straße stauten sich die gewaltigen Menschenmassen, da der größte Teil der Versammlungsbesucher wartete, bis Genosse Liebknecht im Automobil zu der am gleichen Abend in Sorau stattfindenden Versammlung davonfuhr. Lebhafte Hochrufe tönten dem davon sausenden Gefährt nach, und die sonst am Abend so stille Amtstraße zeigte bald wieder ihr gewohntes Gepräge.

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