Karl Liebknecht‎ > ‎1912‎ > ‎

Karl Liebknecht 19121203 Probleme des Wahlkampfes in Preußen

Karl Liebknecht: Probleme des Wahlkampfes in Preußen

Aus einem Zeitungsbericht über die Generalversammlungen der Berliner sozialdemokratischen Wahlvereine

[Vorwärts Nr. 284 vom 5. Dezember 1912. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, S. 433 f.]

Die Generalversammlung des dritten Wahlkreises tagte in den Arminhallen. Genosse Dr. Karl Liebknecht hatte das Referat. Nach Hinweisen auf die Kritik, die die kleine Fraktion im Abgeordnetenhause an der preußischen Politik habe fällen müssen, betonte der Redner, dass das wichtigste, was in den letzten Jahren das Dreiklassenparlament beschäftigt habe, die Verhandlung über die Wahlrechtsvorlage gewesen sei, jenes Monstrum, das einen Schlag ins Gesicht der entrechteten preußischen Wähler bedeutete. Noch weiter verschandelt und dann verscharrt: das sei ihr Schicksal gewesen. Die Fraktion im Landtag habe, soweit es möglich gewesen sei, den Kampf um ein besseres Wahlrecht weitergeführt. Den Hauptwert habe ihr Streben aber erst erlangt durch die Wirksamkeit unserer Parteigenossen außerhalb des Parlaments. Die Möglichkeit, einen großen Kampf im großen Umfange zu führen, sei in der Zwischenzeit nicht gegeben gewesen. Die Wahlrechtsfrage aber lebe, so wahr die Sozialdemokratie lebt. Und sie sei um so dringender geworden, je stärker die Partei geworden sei.

Der Wahlkampf, den wir den Winter und das Frühjahr durchzuführen haben werden und zu dem insbesondere vom Preußischen Parteitag ein starker Impuls ausgehen werde, dieser Wahlkampf werde ein Wahlrechtskampf im ausgeprägtesten Sinne sein.

Das „Berliner Tageblatt" spreche heute von dem Schwäbischen Denkzettel und empfehle den Großblock. Aber in Preußen einen Großblock mit den Nationalliberalen – diese Frage aufzuwerfen heiße, den ganzen grotesken Charakter dieses Gedankens zeigen. (Zustimmung.) Und die Freisinnige Partei in Preußen? Man denke an Neuss, Neukölln und Kiel und die Wahlrechtsverschlechterungen. Das sei die Praxis der Fortschrittler. Also nicht über den Weg trauen. Aber immerhin sei unter Blinden der Einäugige König. Auch seien die Fortschrittler immerhin das kleinere Übel und sie hätten auch ein wirkliches Interesse an einer Änderung. So sehr wir auch bezüglich ihrer im Zweifel seien, so könne man doch in gewissem Umfange mit ihnen zusammenarbeiten, zumal sie auf der Schmollbank säßen und zur Zeit gezwungen seien, eine etwas schärfere Politik zu treiben.

Nun habe Kurt Eisner empfohlen, von ihnen nichts zu verlangen, aber ihnen selbstlos Hilfe zu leisten, damit möglichst viel Nationalliberale und Liberale in den Landtag hineinkämen, die wir als Sturmböcke benutzen sollten. Ach – diese Sturmböcke seien ja wattiert! (Heiterkeit.) Redner sei im Gegensatz zu Eisner der Ansicht, dass wir allerdings über den Kampf für eigene Mandate hinaus natürlich auch unseren Einfluss aufbieten sollten für eine andere Zusammensetzung des Landtags, dass wir aber eine Politik der Gegenleistung treiben sollten. Der Fortschritt sei zu nötigen, für unsere Hilfe Gegenhilfe zu bieten. Und wenn er sich auf seine bisher üblichen Wahlmänner nicht verlassen könne, dann solle er eben solche aufstellen, die sich nicht fürchteten, auch einem Sozialdemokraten ihre Stimme zu geben. Gabe um Gabe: so solle es gehalten sein.

Redner behandelte noch die anderen Aufgaben des Preußischen Parteitages und sprach die Zuversicht aus, dass er uns neue Waffen gegen die preußische Reaktion in die Hand geben werde.

Sein Vortrag fand großen Beifall.

Kommentare