Karl Liebknecht‎ > ‎1912‎ > ‎

Karl Liebknecht 19120210 Viehseuchengesetz und junkerliche Demagogie

Karl Liebknecht: Viehseuchengesetz und junkerliche Demagogie

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus zu einer Interpellation der Nationalliberalen Partei zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche

[Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/13, 1. Bd., Berlin 1912, Sp. 764-771. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, S. 12-21]

Meine Herren, wenn man den agitatorischen Redewendungen glauben möchte, die so vielfach gegen unsere Partei gerichtet werden, dann müsste man annehmen, dass wir Sozialdemokraten als Feinde der Landwirtschaft nichts mehr wünschten als eine recht ausgedehnte Ausbreitung aller Viehseuchen, damit die Landwirtschaft so rasch wie möglich so geschädigt werde, wie wir es angeblich nach Ihren demagogischen Angriffen wünschen. Natürlich ist das ganz und gar verkehrt, und ich bin überzeugt, es glaubt auch nicht ein einziger von Ihnen daran, dass wir in Wirklichkeit Gegner der Landwirtschaft seien. Die Sozialdemokratie verkennt sowenig wie irgend jemand mit gesunden fünf Sinnen, dass eine kräftige, leistungsfähige Landwirtschaft die Grundlage ist für jedes gedeihliche Wirtschaftsleben, und wir werden uns selbstverständlich niemals irgendwelchen Maßnahmen entgegenstellen, die dazu führen, Seuchen von dem Vieh, eine der allerwichtigsten Volksnahrungsquellen, fernzuhalten. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Sie wissen ja, wie eifrig wir nach Maß unserer Kräfte mitgewirkt haben an der Ausarbeitung des Reichsviehseuchengesetzes im Reichstage und des preußischen Ausführungsgesetzes zum Viehseuchengesetz hier in diesem Hause – wenn auch leider infolge Ihres Widerstandes unsere dem Schutz der kleinen Landwirte dienenden Anträge abgelehnt worden sind. Sie können überzeugt sein, dass die Kenntnis von dieser unserer Mitarbeit, von diesen unseren Bemühungen auf dem Lande verbreitet worden ist und dass wir gerade dadurch, durch diese unsere positive Arbeit, in der Lage waren, manch ein Misstrauen zu beseitigen, das man auf Grund Ihrer Agitation gegen uns auf dem Lande gehegt hatte. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Wenn immer wir uns gegen unsere Viehseuchengesetzgebung und ihre Handhabung wenden, so nur, wenn und soweit sie unter dem Vorwande der Viehseuchenbekämpfung ausgenützt wird, um dem Volke das Fleisch zu verteuern, um aus agrarischem Interesse das fremde Vieh und Fleisch ohne irgendwelchen ernsten sanitären Zweck vom Inlande fernzuhalten und auf diese Weise die Gesamtheit des deutschen Volkes auf das schwerste zu schädigen. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Wir wenden uns mit allem Nachdruck – und werden das weiter tun – gegen die heuchlerische Vorspiegelung irgendwelcher sanitärer Interessen, wenn in der Tat nichts weiter verfolgt wird als eine Systematisierung der agrarischen Teuerungswirtschaft auf dem Gebiete der Versorgung des Volkes mit Fleisch und mit Vieh.

Andererseits haben wir alle Veranlassung, die Regierung auch insofern anzuklagen, als sie duldet und fördert, dass die Seuchengesetze auch zur Bekämpfung der Sozialdemokratie ausgenutzt werden. Immer wieder müssen wir erleben, dass wegen des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche uns Versammlungen verboten werden, was übrigens ja auch den liberalen Parteien passiert ist. Es zeigt sich darin, wie die preußische Verwaltung schließlich aus allen Blüten Honig zu saugen, wie skrupellos sie die Gesetze auszunützen versteht, um agrarische und politisch reaktionäre Zwecke zu verfolgen, auch dort, wo sie an und für sich mit der Tendenz des Gesetzes ganz und gar nichts zu tun haben. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Gerade der gegenwärtige schwere Ausbruch dieser Seuche ist ja nun auf eine angebliche Einschleppung aus dem Auslande zurückgeführt worden, und das hat im Reichstage insbesondere dem Herrn Abgeordneten Dr. Hahn Veranlassung gegeben, nach einer verschärften Grenzsperre zu schreien; und wir haben auch heute hier in dieser Debatte Anklänge nach dieser Richtung hin vernehmen müssen.

Angesichts dieser tendenziösen Ausnutzung der Seuche ist es notwendig, auf die Erklärung hinzuweisen, die der Staatssekretär Dr. Delbrück im März 1910 im Reichstage in Bezug auf dieselbe Seuche abgegeben hat, die sich im vergangenen Jahre so weit ausgebreitet hat. Der Herr Staatssekretär Delbrück hat gegenüber der von agrarischer Seite aufgestellten Behauptung, dass die Seuche vom Auslande nach Deutschland eingeschleppt worden sei, erklärt: „Soweit wir haben feststellen können, fehlt jeder Anhalt dafür, dass es sich um Einschleppung vom Auslande handelt."

Ebenso liegt es auch in den beiden anderen Fällen, von denen vorher die Rede war, die vor einiger Zeit vorgekommen sind; auch in diesen Fällen ist festgestellt, dass die kranken Tiere aus Ställen stammten, in denen seit feststellbarer Zeit kein Vieh aus dem Auslande gestanden hat und in die kein Ansteckungsstoff aus dem Auslande gelangt sein konnte. („Hört! Hört!")

Es wurde damals von dem Herrn Staatssekretär festgestellt, dass speziell irgendeine Einschleppung aus Frankreich, dessen Westgrenze damals zeitweilig geöffnet war, nicht in Frage kommen konnte.

Heute wird ja besonders von einer Einschleppung aus dem Osten gesprochen. Aber es ist von Wichtigkeit, festzustellen, dass nach der einwandfreien Darlegung des württembergischen Staatsministers 'von Pischek die Seuche nach Württemberg eingeschleppt worden ist von Norddeutschland herunter („Hört! Hört!"), nicht aber irgendwoher aus dem Auslande. Also, wir dürfen nach den auf Grund sehr gründlicher Untersuchungen getroffenen Feststellungen von autoritativer Seite behaupten, dass es durchaus deplatziert ist, aus der jetzt in Deutschland vorhandenen Seuche irgendwelche Forderungen zu rechtfertigen auf weitere Grenzsperren und auf eine weitere Verschärfung der Fleischteuerung in Deutschland, und dass alle Versuche, derartige Tendenzen in die Erörterung dieser Frage hinein zu tragen, eine mehr oder minder bewusste Irreführung der öffentlichen Meinung darstellen zu dem ausgeprägten Zwecke, um aus der Misere, die die Seuche über Deutschland gebracht hat, Kapital zu schlagen für agrarische Sonderprofite. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Minister hat ja heute und ebenso schon in der Budgetkommission eine zahlenmäßige Aufstellung über den Rückgang der Seuche gegeben, und man darf danach wohl immerhin ein alsbaldiges Erlöschen der Seuche erwarten. Allerdings wird man nicht ohne weiteres mit dem Herrn Minister den Schluss ziehen, dass die Art der Seuchenbekämpfung diese Herabminderung der Seuchenfälle erzielt habe, weil wir ebenso wohl berechtigt sind zu sagen, dass es sich hier vielleicht nur um das ganz normale Erlöschen der Seuche handeln könne, die ja normalerweise auf eine gewisse Frist bemessen ist. Aber immerhin mag es schon auch nicht möglich sein, mit Sicherheit den umgekehrten Schluss zu ziehen, nämlich, dass die Seuchenbekämpfung der Regierung gänzlich wirkungslos gewesen sei; so weit möchte ich durchaus nicht gehen.

Es ist aber wichtig, dass man sich darüber klar wird, inwieweit die von der Regierung getroffenen Maßregeln in einem verständigen Verhältnis zu den nützlichen Wirkungen stehen, die bestenfalls durch sie erzielt oder zu erzielen sind. Da darf ich nun auf Grund meiner persönlichen Kenntnis mich in vielen Beziehungen dem anschließen, was einige Herren Vorredner angeführt haben …

Bekanntlich ist es insbesondere Dänemark und England gelungen, die Seuche nahezu fernzuhalten. Von kompetenter Seite wird das ja auf die isolierte Lage dieser Länder zurückgeführt, zum wesentlichen Teil aber doch auf die radikale Seuchenbekämpfung, die man bei uns jetzt auch etwas mehr zu versuchen scheint. Hoffentlich wird das neue Viehseuchengesetz, das ja in dieser Richtung gewisse Erleichterungen gewährt, zur Durchführung einer energischeren Bekämpfung beitragen, so dass wir später doch vielleicht in der Lage sein werden, hier besser Abhilfe zu schaffen, als es bisher möglich war.

Wenn einer der Herren Vorredner der Ansicht Ausdruck gab, dass die Bestimmungen noch nicht energisch genug seien, dass insbesondere den Knechten und Mägden strikt die Vorschrift auferlegt werden müsste, dass sie während der Seuche – und er meinte offenbar: auch kurz nach der Seuche – niemals in noch nicht durchseuchte Ställe kommen dürften, dann hat er offenbar vergessen, dass zunächst doch eine Bestimmung notwendig wäre, die dafür sorgte, dass diesem Gesinde, wenn es so in seinem Erwerb beeinträchtigt wird, für seine Verluste eine Entschädigung gegeben wird („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.), und dafür fehlt vorläufig noch die gesetzliche Grundlage; das Gesetz ist in dieser Richtung noch nicht durchdacht und in den äußersten Konsequenzen durchgeführt. Wenn ich vorhin sagte: man muss die wirtschaftlichen Voraussetzungen zur energischen Seuchenbekämpfung, soweit sie nicht bereits gegeben sind, durch das Gesetz schaffen, so gehört dazu auch eine derartige Maßregel, wie der erwähnte Herr Redner sie im Auge hat.

Im Übrigen ist für die schikanöse Art, in der das Gesetz zum Teil angewendet wird, ein Fall charakteristisch, der mir in meiner Praxis vorgekommen ist. Da war eine Magd sofort entlassen worden nur um deswillen, weil ihr Liebster auf einem Gut mit verseuchtem Viehbestande bedienstet war und weil ihre Liebe zu groß war, als dass sie sich während der Dauer der Maul- und Klauenseuche gänzlich von ihm hätte lossagen können. (Heiterkeit.) Ich habe diesen Fall zum Anlass eines Prozesses gemacht; aber Sie sehen daraus, meine Herren, dass unter Umständen selbst Gott Amor weinend sein Haupt verhüllen muss, wenn die preußische Regierung mit ihrer Seuchenbekämpfung anfängt. (Heiterkeit.)

Meine Herren, ich meine, man wird auch diese Viehseuche am zweckmäßigsten nach ähnlichen Gesichtspunkten behandeln, nach denen man auch Menschenseuchen zu behandeln pflegt; es gilt, zwischen Prophylaxe und Therapie zu unterscheiden und, wie es die moderne Medizin allenthalben tut, die Prophylaxe als das Wichtigste, als die Königin der medizinischen Methoden, zu betrachten. („Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.) Nun ist für Prophylaxe wie für Therapie eine genaue Kenntnis des Wesens der Krankheit notwendig; und deshalb ist das Allererste, was wir zu beanspruchen haben, dass die Regierung diejenigen Bestrebungen mit Nachdruck fördert, die auf eine Erforschung des Wesens der Krankheit hinauslaufen. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Es ist ja bekannt, dass in dieser Beziehung noch gar keine vollständige Klarheit besteht, dass man bisher noch nicht einmal weiß, ob die Maul- und Klauenseuche eine einheitliche Krankheit ist oder ob sie sich nicht aus zwei, drei, vier verschiedenen Krankheiten mit äußerlich scheinbaren Ähnlichkeiten zusammensetzt, wie sich insbesondere aus der außerordentlich verschiedenen Virulenz ergibt, die die Krankheit aufweist, ihrer verschiedenen Übertragbarkeit bald auf Menschen, bald auf Kaninchen usw. Es sind ja schon Menschen an Maul- und Klauenseuche gestorben, jedenfalls an dem, was man dafür gehalten hat. Es ist wünschenswert, dass die Regierung in der Unterstützung aller derjenigen Bestrebungen eine größere Munifizenz erweist, die auf die Erkundung des Wesens der Maul- und Klauenseuche hinausgehen, und dass die Regierung sich auch von den Monopolisierungsbestrebungen in Bezug auf die Forschung lossagt, die gegenwärtig bei uns bestehen. Es wäre besonders wichtig, wenn man dem Herrn Dr. Siegel, dessen Verdienste ja im Übrigen anerkannt werden, doch von Staats wegen etwas mehr unter die Arme greifen würde, so dass er eine etwas größere Bewegungsfreiheit hätte, um dasjenige durchzuführen, was er doch offenbar mit einer großen Zähigkeit und mit großem Eifer seit langen, langen Jahren bereits verfolgt.

Im Übrigen wird man, wenn man die Frage der Prophylaxe prüft, sagen können, dass es sich doch aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Seuche handelt, die ihren guten Boden nicht so leicht findet, wenn die sanitären Zustände in der Landwirtschaft vollständig auf der Höhe sind. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Meiner Überzeugung nach ist das ähnlich wie bei den menschlichen Krankheiten. Wenn wir in der Landwirtschaft überall das höchste Maß von Reinlichkeit hätten, unter Anwendung der modernen Technik, wenn wir erzielen könnten, dass die landwirtschaftliche Bevölkerung überall das volle Verständnis für diese sanitären Maßregeln bekäme und die materiellen Mittel (Zurufe rechts: „Die materiellen Mittel!") dazu besäße, um sie durchzuführen – ich vergesse das nicht, meine Herren, ich habe das Wort selbst ausgesprochen –, dann, bin ich fest überzeugt, würde dadurch prophylaktisch derartigen Seuchen der Boden entzogen sein. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

So wie man bei uns die Cholera am wirksamsten bekämpft, indem man die Wohnungsverhältnisse bessert, so wie man in Hamburg das Gängequartier niedergerissen hat und dadurch die Möglichkeit eines Choleraausbruches in dieser Stadt besser verhindert hat als mit der besten Choleratherapie, die man auf der ganzen Welt aufbringen könnte.

Sie sehen, meine Herren, ich habe die wirtschaftliche Frage dabei in den Vordergrund gestellt. Wir haben uns niemals dagegen gesträubt, dass für landwirtschaftliche Zwecke allgemeine Mittel aufgewendet werden. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.) Im Gegenteil, Sie werden aus den Anträgen, die wir bei dem Viehseuchengesetz gestellt haben, auch sehen, dass wir gewünscht haben, dass alle die Beträge, die von den Viehhaltern mit einer Einnahme unter 3000 Mark nach dem Gesetz erhoben werden sollten, nicht von ihnen, sondern vom Staat getragen werden sollten. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) In diesem Sinne geht unsere landwirtschaftliche Politik ganz konsequent vor. Wir haben insbesondere im württembergischen Landtag und im Reichstag bei der Debatte vom Oktober des vergangenen Jahres in dieser Richtung Anregungen gegeben, die wahrlich deutlich genug sind – (Abgeordneter Leinert: „Hier auch!") – und hier ebenso; gewiss, davon habe ich ja bereits gesprochen.

Unsere Landwirtschaftspolitik unterscheidet sich darin von der Ihrigen (nach rechts), dass wir auf alle Fälle verhindern wollen, dass den leistungsfähigen Landwirten infolge einer schematisierenden Methode, die zum Wesen des Schutzzollsystems gehört, noch der große Gewinn in die Tasche fällt, während die Kleinen, denen die Hilfe Not tut, dabei leer ausgehen, zuweilen sogar noch Schaden haben. Wir wünschen, dass die Unterstützung aus allgemeinen Mitteln da eingreift, wo sie notwendig ist, usw., im Verhältnis zu dem Bedürfnis, und wir werden uns niemals irgendwelchen Forderungen versagen, die dahin gehen, es den kleinen Leuten auf dem Lande zu ermöglichen, derartige Maßregeln durchzuführen, wie ich sie eben als prophylaktische gekennzeichnet habe. Versuchen Sie es doch einmal!

Allerdings bedeutet das, an Sie, meine Herren, die Anforderung einer größeren gesetzgeberischen Initiative stellen, als wir in dieser Richtung von Ihnen jemals werden erwarten können. Eine solche Initiative entwickelt das Abgeordnetenhaus in der Regel nur dann, wenn es sich um die Interessen der Reaktion handelt („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.), nicht um solche Dinge. Aber Sie können überzeugt sein, dass sich gerade bei der Durchführung des Gesichtspunktes der Prophylaxe die allgemeine Fruchtbarkeit des sozialistischen Prinzips vortrefflich erproben würde. Gerade die landwirtschaftliche Bevölkerung könnte daran sehen, wie wenig das sozialistische Prinzip des Eintretens aller für einen im Widerspruch mit den Interessen der kleinen Landwirte steht. („Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Ein Interessengegensatz besteht allerdings gegenüber der großen Landwirtschaft, und der soll auch bestehen, und wir werden ihn niemals in irgendeiner Weise zu verdecken suchen.

Meine Herren, wenn ich so behaupte, dass eine wirklich prinzipielle Behandlung der Frage, eine Behandlung aus den großen Gesichtspunkten heraus, dazu führen müsste, dass man in erster Linie an die Durchführung der Prophylaxe herangeht, so will ich selbstverständlich nicht bestreiten, dass man auch mit der Therapie manches erreichen kann. Da dürfen wir wohl sagen, dass verschiedene Anregungen, die wir immer gegeben haben, auch für die Bekämpfung bereits ausgebrochener Seuchen sehr nützlich sind.

Wenn wiederholt mit Recht darauf hingewiesen worden ist, dass die ungenügende Gesetzgebung dazu führt, dass die Leute am liebsten die Seuchenfälle verschweigen möchten, so dass auf diese Weise so mancher verschleppte Fall schließlich große Gefahren anrichtet, ehe er entdeckt wird, dann sind gerade auch die Anträge, die wir in dieser Richtung gestellt haben, und unsere Anregungen am geeignetsten, solche Ängstlichkeiten aus der Welt zu schaffen. Ich denke dabei auf der einen Seite an unseren Antrag, der die Lasten für die Seuchenbekämpfung den kleinen Landwirten, die in erster Linie hierbei in Frage kommen, nach aller Möglichkeit abzunehmen bemüht ist, auf der andern Seite an unsere Anregung, die wir in Württemberg, im Reichstag und auch hier gegeben haben, wonach im weiten Umfange eine Entschädigung gegeben werden soll, und zwar nicht nur für die unmittelbar eintretenden Schäden, sondern für den ganzen wirtschaftlichen Rückgang, der infolge des Niedergangs des Viehbestands und der Seuchenbekämpfung eintritt. In Württemberg ist eine diesbezügliche Anregung unserer Partei auch zum Beschluss des Landtages erhoben worden. Es zeigt sich also, dass es keineswegs nur ein agitatorisches Gerede ist, wie Sie uns gern vorwerfen möchten, sondern eine ganz verständige und durchführbare Sache. („Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Dann möchte ich auch darauf hinweisen, dass unser jetzt von Neuem im Reichstag gestellter Antrag auf Suspension der Futtermittelzölle in dieselbe Richtung geht, weil er es den kleinen Landwirten erleichtert, die Stallfütterung durchzuführen (Widerspruch rechts.) – ja gewiss, in weiterem Umfange – und damit die Sperrmaßregeln, die die Regierung und die Veterinärpolizei durchzuführen für notwendig hält, innezuhalten.

Wie immer die Sache stehen mag: Auf alle Fälle ergibt sich, dass die Sozialdemokratie dem Wunsche zustimmen kann, dass die Regierung alles tue, was in ihren Kräften steht, um die möglichst schnelle Beseitigung und Austilgung der Seuche herbeizuführen.

Aber wir können uns in dieser Beziehung nicht mit dem begnügen, was bisher in diesem Hause vorgetragen worden ist, sondern müssen wünschen, dass die weiteren, mehr das Allgemeinwohl betreffenden Gesichtspunkte mehr berücksichtigt werden, die wir Sozialdemokraten in Bezug auf diese Materie immer wieder zur Geltung zu bringen uns bemühen, und wir müssen nach wie vor energisch dagegen protestieren, dass man etwa die Bekämpfung dieser Seuche dazu ausnutzt, um das Volk von neuem durch eine weitere Verteuerung der Nahrungsmittel zu belasten, indem man eine weitere Sperrung der Grenze eintreten lässt. Jede Ausnützung der Seuchengesetze und der hierzu gegebenen Verwaltungsvorschriften in dieser letzten Richtung bekämpfen wir auf das energischste. Wir sind fest überzeugt, dass Sie, wenn Sie nur den guten Willen haben, in der Lage sind, hier viel Gutes zu schaffen. Aber es ist auch notwendig, dass die beiden Gesichtspunkte begriffen werden, von denen unsere Partei hier in dieser Frage ausgeht, und es wäre sehr wünschenswert, wenn die Staatsregierung in irgendeiner Weise zu erkennen geben würde, wie sie über die Berechtigung dieser allgemeinen Gesichtspunkte denkt. („Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

Kommentare