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Karl Liebknecht 19120917 Zur Frage der Jugendbewegung

Karl Liebknecht: Zur Frage der Jugendbewegung

Rede zum Bericht des Parteivorstandes auf dem SPD-Parteitag in Chemnitz

[Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Chemnitz vom 15. bis 21. September 1912, Berlin 1912, S. 269 f. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, S. 401 f.]

Soweit die bürgerlichen Jugendpflegebestrebungen Erfolg haben werden, wird es ein Erfolg für uns sein, so wie die Erfolge der Volksschule und selbst der militaristischen Erziehung im Schlussresultat auf unserer Seite sind. Das wird um so mehr der Fall sein, je mehr wir den Boden bestellen und die Saat der proletarischen Weltanschauung säen und pflegen. Also ist selbst bei dieser optimistischen Auffassung der gegnerischen Bestrebungen die Weiterentwicklung der proletarischen Jugendbewegung für uns eine Conditio sine qua non.

Es ist hier und da die Auffassung aufgetaucht, dass die Bestrebungen, die von der preußischen Regierung und im Gefolge davon von anderen Bundesstaaten unternommen sind, geeignet wären, unserer Jugendbewegung Abbruch zu tun. Aber alle noch so niederträchtigen und ungesetzlichen Machenschaften werden unserer Bewegung keinen ernstlichen Schaden zufügen, ja, im Gegenteil, sie vorantreiben und fördern, solange wir selbst eifrig an unserer eigenen Jugendbewegung arbeiten. Es ist in dieser Beziehung noch vieles zu tun. Ich habe wiederholt erlebt, dass gute Jugendbewegungen in verhältnismäßig kurzer Zeit zusammengebrochen sind. Dies ist ein Beweis dafür, dass unsere Parteigenossen vielfach nicht die richtige Auffassung von der Bedeutung der Jugendbewegung haben.

Es ist allerdings auch ein Beweis dafür, welche praktischen Schwierigkeiten der Jugendbewegung entgegenstehen, speziell in der Auswahl der geeigneten Persönlichkeiten, die natürlich besondere Fähigkeiten besitzen müssen.

Mit Rücksicht auf die „Jugendpflege" der Polizei und der Schulaufsichtsorgane ist nun der Gedanke aufgetaucht, in besonders erhöhtem Maße der Jugend vom 18. bis 20. Jahre unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Dieser Gedanke verdient sicherlich Berücksichtigung. Es soll damit natürlich nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Jugendlichen unter 18 Jahren zurückgestellt werden sollen. Das wäre außerordentlich bedauerlich und würde jedenfalls nicht im Sinne der Antragsteller liegen. Selbstverständlich soll auch die übrige Jugend in der intensivsten Weise weiter bearbeitet werden.

In welcher Weise im Einzelnen die Bewegung unter den Jugendlichen vom 18. bis 20. Jahre zu fördern ist, das wird der Zukunft zu überlassen sein; ich bin überzeugt, der richtige Weg wird sich finden. Der Antrag 148 von Spandau1 ist durch die Ausführungen von Schulz und die Resolution2 gegenstandslos geworden. Wir ziehen ihn zurück in der Erwartung, dass der darin enthaltene Gedanke eine so einmütige Billigung auf dem Parteitag finden wird, dass eine alsbaldige energische Inangriffnahme der darin empfohlenen Arbeit erfolgen wird, auf dass nicht unsere Gegner, sondern wir die Triumphierenden in dem Kampf um die Seele der Arbeiterjugend sein werden. („Bravo!")

1 Dieser von Karl Liebknecht in der Generalversammlung des Wahlvereins Potsdam-Spandau-Osthavelland am 19. August eingebrachte Antrag lautete:

Der Parteitag wolle beschließen, den Parteivorstand zu beauftragen, in Gemeinschaft mit der Generalkommission ohne Verzug energische Maßregeln zur speziellen Aufklärungs- und Erziehungsarbeit unter den Jugendlichen zwischen 18 und 20 Jahren zu ergreifen." Die Red.

2 Diese wurde erst während des Parteitages vom Parteivorstand eingebracht und einstimmig angenommen. Die Red.

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