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Karl Liebknecht 19130824 Die Massen fordern den Kampf

Karl Liebknecht: Die Massen fordern den Kampf

Zeitungsbericht über die Diskussionsrede auf dem sozialdemokratischen Parteitag der Provinz Brandenburg in Berlin, Gewerkschaftshaus1

[Leipziger Volkszeitung Nr. 196 vom 25. August 1913. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 365 f.]

Genosse Dr. Karl Liebknecht erklärte nach dem uns zugegangenen Bericht eines Korrespondenzbüros: Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hatte die Hoffnung, es werde ein Mantelgesetz vorgelegt werden, das heißt die Militärvorlage nebst der Deckungsvorlage würde als ein Ganzes eingebracht werden; dann hätte die Fraktion selbstverständlich gegen beides gestimmt. Da aber beide Vorlagen getrennt waren, so entstand die Frage: Was haben wir zu tun, nachdem die Militärvorlage einmal angenommen worden ist? Es entstanden innerhalb der Fraktion taktische Bedenken; es machten sich Stimmen laut, die eine Ablehnung auch der Deckungsvorlage verlangten, nach dem Grundsatz: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen. Wir konnten aber anderseits nicht gegen die Besitzsteuer stimmen, die die Reichen belastete. Es lag hier die Gefahr der Auflösung des Reichstags nahe. Anderseits handelte es sich aber auch darum, dass womöglich ein Gesetz angenommen worden wäre, das die Besitzlosen getroffen hätte. Wir standen also vor der Frage, das kleinere Übel zu wählen. Die Auflösung des Reichstags dürfen wir selbstverständlich nicht fürchten, auch auf die Gefahr hin, dabei einige Mandate zu verlieren.

In der Massenstreikfrage wandte sich Liebknecht gegen die Behauptung, sie sei von den Akademikern in die Massen getragen worden. (Ruf: „Doch!") Er habe die Überzeugung, dass der Massenstreik von den Arbeitern gewünscht werde. Selbstverständlich halte er es auch für erforderlich, dass der Streik nicht künstlich, sondern von unten herauf geführt werde. Er könne die pessimistische Ansicht nicht teilen, dass ein Massenstreik verunglücken werde. Die Arbeiter seien genötigt, einen Massenstreik zu führen, zur Erringung des allgemeinen Wahlrechts für Preußen, um ihre Rechte zu erweitern. Er wolle es dahingestellt sein lassen, ob der augenblickliche Zeitpunkt der richtige sei.

Alsdann gelangte folgender Beschluss mit allen gegen fünf Stimmen zur Annahme: „Der Parteitag stellt sich auf den Boden der von der Reichstagsfraktion zu den Deckungsvorlagen abgegebenen Erklärung und billigt ausdrücklich die Zustimmung der Fraktion zu den beiden Besitzsteuergesetzen." – Genosse Liebknecht stimmte gegen den Antrag …

1 Zuvor hatte der Rechtsopportunist Otto Wels über den Massenstreik und das Verhalten der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion in der Deckungsfrage referiert. Er hatte sich dabei entschieden gegen die Propaganda des Massenstreiks ausgesprochen. Die Red.

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